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Transkript:

2.4.1 Die Quantifizierung des logistischen Nutzens Kostenausgleich und Nutzenverteilung in Supply Chains schaffen Transparenz und Vertrauen zwischen den Akteuren H. Wildemann Lieferanten, Logistikdienstleister und Hersteller arbeiten gemeinsam an der Erstellung von Produkten und sind an der Schaffung von Wertpotenzialen beteiligt. Aber es ist nicht untypisch, dass sich die Akteure bei der Einführung logistischer Konzepte zur Effizienzverbesserung der Supply Chain immer gleichgültiger gegenüberstehen. Grund hierfür ist vor allem in mangelndem Vertrauen untereinander und in der ungleichen Nutzenverteilung zu sehen. Dieser Beitrag untersucht den Kostenausgleich auf Basis der Nutzenverteilung und zeigt auf, wie Transparenz über den logistischen Nutzen in Wertschöpfungsnetzwerken die Zusammenarbeit fördern kann. Supply Chain Management wird als eine Organisations- und Managementphilosophie gesehen, die durch eine prozessoptimierende Integration der Aktivitäten der am Wertschöpfungssystem beteiligten Unternehmen auf eine unternehmensübergreifende Koordination und Synchronisierung der Informations- und Materialflüsse zur Kosten-, Zeit- und Qualitätsoptimierung zielt. In der Theorie ist dieses Konzept mehr als hinreichend analysiert und beschrieben worden, doch die praktische Umsetzung dieses Konzeptes weicht oft erheblich von der wissenschaftlichen Betrachtungsweise ab. Was ist der Grund dafür? Die isolierte und funktionsbezogene Sichtweise von Unternehmen führte in der Vergangenheit oftmals zu opportunistischem Verhalten unter den Wertschöpfungspartnern. Das bedeutet, dass von jeder Seite Maßnahmen ergriffen werden, um Eigeninteressen zur individuellen Nutzenmaximierung zu verfolgen. In dieser Situation verhindern Eigeninteressen jedoch, dass Potenziale voll auszuschöpfen sind, da in vielen Bereichen Suboptima entstehen, die ein Gesamtoptimum verhindern. Der Lopez-Effekt der Kostenabwälzung vom OEM auf Lieferanten und die daraus folgende Negativstimmung bei der Erwähnung des Wortes Partnerschaft in der Au-

170 H. Wildemann tomobilzulieferindustrie verhindert so beispielsweise die Erzielung gemeinsamer Systemoptima. Dass dieses Thema auch aktuell brisant in der Praxis diskutiert wird, zeigen die Kostensteigerungen bei Stahl, Kunststoffen, Aluminium, Rhodium oder Kupfer, vom Verarbeiter auf den allerersten Stufen der Supply Chain bis hin zum Fahrzeughersteller. In diesem Zusammenhang spricht Gottschalk, ehemaliger Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, von einer Zerreißprobe der Wertschöpfungsketten. Der oftmals strapazierte Begriff der Partnerschaft bekommt gerade in der heutigen, von steigender Komplexität und Volatilität gekennzeichneten Zeit eine ganz neue Bedeutung. Der Ansatz des einfachen Durchreichens der Kosten an Akteure der vorderen Wertschöpfungsstufen kann dabei keine sinnvolle zukunftsfähige Lösung darstellen. Es ist mittlerweile unstrittig, dass zur fairen Teilung der Lasten auch Kosten- und Nutzentransparenz gehört. Dass die Akteure der Wertschöpfungskette näher zusammenrücken müssen und dieser Weg über mehr Transparenz führt, zeigt auch das aktuelle Beispiel des elektronischen Kapazitätsmanagements im Hause Audi. Audi hinterlegt hierbei auf einem Internetportal seine Bedarfspläne, Zulieferer ihre Produktionskapazitäten. Eine Software errechnet dann mögliche Kapazitätslücken und weist auf Engpässe hin. Die Umsetzung dieses Konzeptes setzt voraus, dass die Beteiligten einen individuellen Nutzen für sich sehen. Nur so können auch zukunftsfähige logistische Konzepte reaktionsschnell und wirkungsvoll in die Supply Chain eingeführt werden. Die Frage der Identifikation und Quantifizierung von Nutzen stellt somit ein zentrales Thema dar. Die Antwort auf die oben beschriebene Problematik beschäftigt sich mit der Quantifizierung von logistischem Nutzen und der darauf aufbauenden Verteilung von Kosten- und Vorteilsausgleich in Supply Chains. Die Fragestellungen lauten: Wie ist der logistische Nutzen in der Supply Chain definiert? Es wird untersucht, wie logistischer Nutzen in Supply Chains beschrieben werden kann, welche Kennzahlen und Softfacts wie Vertrauen herangezogen werden müssen, um den logistischen Nutzen realitätstreu abbilden zu können. Wie kann der logistische Nutzen gemessen und bewertet werden? Die Fragestellung beschäftigt sich mit den für die Quantifizierung von logistischem Nutzen notwendigen Instrumenten und Methoden. Diese sind zu einem sinnvollen und effizienten Instrumentenmix zusammenzuführen.

2.4.1 Die Quantifizierung des logistischen Nutzens 171 Wie kann ein Vorteilsausgleich vor dem Hintergrund der Nutzenverteilung umgesetzt werden? Ist der logistische Nutzen erst einmal quantifiziert und beschrieben, geht es darum, das Verteilungsmodell auf Basis der Anteile auszugestalten. Im Rahmen des Forschungsverbundes Supra-adaptive Logistiksysteme (ForLog), der von der Bayerischen Forschungsstiftung gefördert wird, beschäftigt sich das Teilprojekt Vorteilsausgleich-Nutzenverteilung unter der wissenschaftlichen Leitung des Autors mit der Quantifizierung des logistischen Nutzens in Supply Chains und dem darauf basierenden Vorteils- bzw. Kostenausgleich zwischen den Partnern. Eine effiziente Nutzenverteilung ermöglicht eine wirkungsvolle Zusammenarbeit und damit eine Supra-Adaptivität, die den gestiegenen Anforderungen des Marktes in Bezug auf Zeit, Qualität und Kosten gerecht wird. Es geht um die Schaffung eines Anwendungskonzeptes, das den logistischen Nutzen anhand von messbaren als auch schwer messbaren Größen wie Transparenz und Geschwindigkeit identifiziert und quantifiziert (siehe Abbildung 1). Logistikpotenzial bzw. logistischer Nutzen im Netzwerk Anforderungsgerechte und gewichtete Maßgrößen bzw. Key Performance Indikators (KPIs) verschiedenster Dimensionen, die dazu dienen, die (logistische) Effektivität und Effizienz von Unternehmenskooperationen in Netzwerken zu quantifizieren Bereich Ebene Unternehmen Netzwerk Quantifizierung der Wirkung auf... Logistische Logistische Kosten Kooperationsqualität Leistungen Potenzial Potenzial Potenzial Kennzahl Kennzahl Kennzahl gering hoch gering hoch gering hoch Transportkosten Planungskosten Lagerkosten EDV-Kosten Kennzahl n 1,67 2,88 5,33 2,50 3,17 Liefertreue Lieferflexibilität Durchlaufzeit Bearbeitungszeit Kennzahl n 1,67 Vertrauensrate 2,88 Kompatibilität 5,33 Geschwindigkeit 2,50 Flexibilität 3,17 Kennzahl n 1,67 2,88 5,33 2,50 3,17 Abbildung 1: Größen des logistischen Nutzens Die Vorgehensweise fußt auf einem weit reichenden Logistikverständnis. Danach wird unter Logistik die material- und informationsbezogene Überbrückung von Zeit- und Raumdisparitäten verstanden. Während unter dem Begriff Logistik lediglich die einzelwirtschaftliche Sichtweise eines Unternehmens zu verstehen ist, umfasst der Begriff Supply Chain Manage-

172 H. Wildemann ment die gesamte Lieferkette vom Lieferanten bis zum Kunden. Um sowohl die einzelwirtschaftliche Logistik als auch das gesamtwirtschaftliche Supply Chain Management in seiner Gesamtheit abdecken zu können, ist es erforderlich, logistische Aktivitäten von anderen Aktivitäten im Unternehmen abzugrenzen und mittels nachvollziehbarer Kriterien zu kategorisieren. Die erste Arbeitshypothese für das Forschungsprojekt wurde deshalb wie folgt formuliert: Logistikaktivitäten in Unternehmen lassen sich nach aufzustellenden Kriterien eindeutig klassifizieren. Zur Kategorisierung von Logistikaktivitäten stehen in Praxis und Wissenschaft verschiedene Ansätze zur Verfügung, denen jeweils spezifische Kategorisierungsmotivationen zugrunde liegen. Die Logistikkosten- und Logistikleistungsrechnung ist ein elementarer Bestandteil der Planung und Steuerung logistischer Prozesse. Die Kategorisierung von Logistikaktivitäten erfolgt bei der Logistikkosten- und Logistikleistungsrechnung nach Kosten- und Leistungsarten. Eine Bewertung der Leistung sowie eine wertorientierte Betrachtung leistet die Logistikkosten und -leistungsrechnung nicht. Die Effizienz logistischer Prozessketten lässt sich auch mithilfe von Logistikbilanzen abbilden. Logistikbilanzen stellen eine Gegenüberstellung von Logistikkostenkategorien und logistischen Leistungsgrößen dar. Die Aktivseite der Logistikbilanz bildet die Logistikkosten, die Passivseite die Logistikleistungen ab. Sie ermöglichen damit eine integrale Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Logistik. Sie leistet allerdings keine quantitative Bewertung der Leistung und keine wertorientierte Betrachtung des logistischen Nutzens. Der Objektbereich von Logistikaktivitäten erstreckt sich über nahezu alle Teile der Wertschöpfungskette von der Lieferanten- bis zur Kundenseite. Aus diesem Grund sind auch die Auswirkungen der Logistik und des Supply Chain Managements auf den Unternehmenswert entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu untersuchen. Auf diese Weise lässt sich der logistische Nutzen in seiner Gesamtheit ermitteln und das darauf aufbauende Nutzenverteilungskonzept realisieren. Logistikaktivitäten können wertsteigernde oder -mindernde Wirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette haben, das heißt beim Lieferanten, im eigenen Unternehmen oder beim Kunden. Sie lassen sich anhand logistischer Prozesse einer beliebigen Supply Chain erfassen. Um die Logistikaktivitäten in ihrer Wirkung entlang der gesamten Wertschöpfungskette umfassend ermitteln zu können, sind Messkonzepte

2.4.1 Die Quantifizierung des logistischen Nutzens 173 und Kennzahlensysteme erforderlich. Auch hierzu liegen in der Wissenschaft und Praxis unterschiedliche Methoden vor. Die Balanced Scorecard ist in enger Kooperation zwischen Wissenschaft und Unternehmenspraxis entstanden. Ziel ist es, durch die multidimensionale Betrachtung eines Sachverhaltes ein ausgewogenes Bild zu erhalten. Allerdings ist eine quantitative Bewertung des logistischen Nutzens nicht möglich. Insbesondere ist auch die Kopplung der Balanced Scorecard mit der Größe des logistischen Nutzens nur bedingt vorhanden. Das von der European Foundation for Quality Management (EFQM) entwickelte Bewertungsmodell bildet ein Bezugsmodell zur Einführung und Weiterentwicklung eines unternehmensspezifischen Qualitätsmanagementsystems. Dabei fokussiert es nicht nur auf die Steigerung der Prozessqualität, sondern auch auf die Verbesserung weiterer erfolgsrelevanter Parameter, wie z. B. Kundenzufriedenheit. Es kann unterstellt werden, dass die Logistik aufgrund des querschnittsorientierten Charakters einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung nimmt. Hinsichtlich der definierten Problemstellung ergeben sich für das EFQM- Modell analoge Defizite wie bei der Balanced Scorecard. Das Untersuchungsobjekt Logistikprozess Supply Chain stellt die Basis für eine Wirkungsanalyse von Logistikkonzeptionen dar. Logistische Verbesserungsmaßnahmen sind in erster Linie danach zu beurteilen, ob sich durch sie ein positiver und/oder negativer Effekt auf den Unternehmenswert erzielen lässt. Dazu werden im Forschungsprojekt Instrumente entwickelt, die eine Quantifizierung der Wirkung einzelner logistischer Verbesserungsmaßnahmen ermöglichen. Die Wirkungen von logistischen Verbesserungsmaßnahmen auf den Unternehmenswert sind anhand einer logistischen Nutzengröße abbildbar. Eine Quantifizierung des Nutzens ist mittels der bestehenden Methoden kaum möglich. Daher sind Managementmethoden zu entwickeln, die diese Quantifizierung des Nutzens ermöglichen. Dabei sind einerseits bestehende Methoden weiterzuentwickeln und andererseits neue Methoden zu generieren. Eine Quantifizierung des Nutzens ist über die Ermittlung der unternehmensinternen Logistikleistung wie auch die unternehmensübergreifenden Logistikleistung möglich und zu berücksichtigen. Für ein Logistiknetzwerk ist somit einmal die Leistung des jeweiligen Unternehmens sowie die Leistung des gesamten Wertschöpfungsprozesses zu bestimmen. Für diese Logistikleistung sind die Nutzentreiber zu ermitteln und in ein Messkonzept zu integrieren. Die Wirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen Leistungsgrößen bilden die Basis für eine Quantifizierung der Logistikleistung.

174 H. Wildemann Als Ergebnis des Forschungsprojekts wurde ein modulares Modell entwickelt, in dem die Wirkungsbeziehungen abgebildet werden können. Der Test des Modells wird im Rahmen des Forschungsvorhabens in Zusammenarbeit mit den beteiligten Industrieunternehmen erfolgen. Den Unternehmen ermöglicht das Modell die Quantifizierung des logistischen Nutzens. Damit können sie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Logistik überprüfen und im Vergleich der Akteure bewerten. Die referenzprozessgebundene Herleitung von Kenngrößen und deren Gewichtung und Aggregation zu einer logistischen Nutzengröße ermöglicht eine nachvollziehbare Transparenz zwischen den Akteuren, die die gemeinsame Diskussion über entstehende Kosten- und Nutzenverteilung erleichtert (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Allokation auf Basis des logistischen Nutzens Die identifizierten und analysierten Instrumente und Methoden sowie die erarbeiteten Erkenntnisse, Wirkungszusammenhänge und Vorgehensweisen werden empirisch in einem Pilotprojekt verifiziert. Dadurch wird sichergestellt, dass die vorher zu erarbeitenden Ergebnisse auch praxistauglich sind. Durch die Beteiligung eines Automobilherstellers, Zulieferunternehmens und Logistikdienstleisters konnte die Übertragung der Ergebnisse auf die Netzwerkstrukturen der Automobilbranche gewährleistet werden. Weitere Informationen, News und Newsletter unter: www.tcw.de