Arbeitnehmervertretung in Österreich



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Gewerkschaftskunde GK 6 Wolfgang Greif Arbeitnehmervertretung in Österreich INHALT Grundlagen industrieller Arbeitsbeziehungen 3 Einheitliche und überparteiliche Gewerkschaftsorganisation 3 Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft 3 Mehrere Ebenen der Interessenvertretung: ÖGB, Gewerkschaften, Belegschaftsvertretungen, AK 5 Hohe Kollektivvertragsdichte geringe Streikaktivität 7 Aufbau und Struktur der Gewerkschaftsorganisation 8 Die 13 Gewerkschaften des ÖGB 11 Organisationsstrukturen ÖGB und Gewerkschaften 14 Die Kammern für Arbeiter und Angestellte (AK) 16 Grundstrukturen der betrieblichen Interessenvertretung 18 (Betriebsrat Jugendvertretung Behindertenvertretung Einrichtungen des Arbeitnehmerschutzes Mitbestimmung in Kapitalgesellschaften Konzernvertretung Europäische Betriebsräte 18 System der Kollektivvertragsverhandlungen 25 Grundprinzipien der österreichischen Kollektivvertragspolitik 25 Kollektivvertragsfähigkeit (Gestaltungsrahmen, Wirkung) 26 Leitlinien und Entwicklung der KV-Politik des ÖGB 30 Beantwortung der Fragen 32 Fernlehrgang 35 Didaktische Gestaltung: Wolfgang Greif Inhaltliche Koordination der Skriptenreihe: Michael Vlastos Stand: Jänner 2002 Nachdruck: September 2002 Dieses Skriptum ist für die Verwendung im Rahmen der Bildungsarbeit des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der Gewerkschaften und der Kammern für Arbeiter und Angestellte bestimmt.

Anmerkungen Wie soll mit diesem Skriptum gearbeitet werden? Zeichenerklärung Frage zum Lernstoff im vorigen Abschnitt (vergleichen Sie Ihre eigene Antwort mit der am Ende des Skriptums angegebenen). Anmerkungen: Die linke bzw. rechte Spalte jeder Seite dient zur Eintragung persönlicher Anmerkungen zum Lernstoff. Diese eigenen Notizen sollen, gemeinsam mit den bereits vorgegebenen, dem Verständnis und der Wiederholung dienen. Schreibweise: Wenn im folgenden Text männliche Schreibweisen verwendet werden, so ist bei Entsprechung auch die weibliche Form inkludiert. Auf eine durchgehende geschlechtsneutrale Schreibweise wird zu Gunsten der Lesbarkeit des Textes verzichtet. Arbeitsanleitung Lesen Sie zunächst den Text eines Abschnitts aufmerksam durch. Wiederholen Sie den Inhalt des jeweiligen Abschnittes mit Hilfe der gedruckten und der eigenen Randbemerkungen. Beantworten Sie die am Ende des Abschnitts gestellten Fragen (möglichst ohne nachzusehen). Die Antworten auf die jeweiligen Fragen finden Sie am Ende des Skriptums. Ist Ihnen die Beantwortung der Fragen noch nicht möglich, ohne im Text nachzusehen, arbeiten Sie den Abschnitt nochmals durch. Gehen Sie erst dann zum Studium des nächsten Abschnitts über. Überprüfen Sie am Ende des Skriptums, ob Sie die hier angeführten Lernziele erreicht haben. Lernziele Nachdem Sie dieses Skriptum durchgearbeitet haben, sollen Sie über die Grundlagen und Grundstrukturen der industriellen Arbeitsbeziehungen in Österreich informiert sein; über das Verhältnis von ÖGB, Gewerkschaften und Arbeiterkammern, sowie deren Eingebundenheit in die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft Bescheid wissen; über die rechtlichen Grundlagen der betrieblichen Interessenvertretung Auskunft geben können; das Kollektivvertragssystem in Österreich kennen. Viel Erfolg beim Lernen! 2

Grundlagen industrieller Arbeitsbeziehungen Anmerkungen Einheitliche und überparteiliche Gewerkschaftsorganisation Heute existiert in Österreich mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund ein einheitlicher, überparteilich organisierter Gewerkschaftsbund mit 13 Gewerkschaften als Teilorganisationen, mit insgesamt rund 1,5 Mio. Mitgliedern. Grundsätzlich ist der ÖGB nach Industriegruppen organisiert; mit einer wesentlichen Ausnahme: die Privatangestellten aller Branchen sind in einer eigenen Gewerkschaft, der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) organisiert. Seine rechtliche Verankerung findet die Gewerkschaftsorganisation in Österreich im Koalitionsrecht von 1870 und im Vereinsgesetz von 1867. Die betrieblichen wie auch die überbetrieblichen Mitbestimmungsmöglichkeiten und damit auch die gewerkschaftlichen Mitwirkungsrechte sind vor allem im Arbeitsverfassungsgesetz von 1974 niedergelegt. Nachdrücklich geprägt ist die Rolle des ÖGB im politischen System Österreichs durch sein traditionell enges Verhältnis zu den beiden großen politischen Parteien des Landes. Die politischen Strömungen, die in der Vergangenheit zur Gründung von Gewerkschaften mit parteipolitischer Orientierung geführt haben, sind heute im ÖGB als Fraktionen integriert. Die Gewerkschaftsfraktionen im ÖGB üben durch ein enges organisatorisches und personelles Verhältnis zu den politischen Parteien des Landes, rsp. deren Arbeitnehmerflügel, maßgeblichen Einfluss auf die sozial- und wirtschaftspolitische Entwicklung in Gesetzgebung und Verwaltung aus. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) Rechtsgrundlagen der Gewerkschaftsorganisation Überparteilich, aber nicht unpolitisch Ersichtlich ist diese gewerkschaftspolitische Orientierung auf die Einflussnahme staatlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik unter anderem an dem Umstand, dass seit 1945 gleich welche Parteien die Regierungsverantwortung trugen ein Vertreter des ÖGB das Amt des Sozialministers stellte und somit nachdrücklichen Einfluss auf die Gestaltung der Sozialpolitik ausüben konnte. Erst mit dem Regierungseintritt der FPÖ im Jahr 2000 wurde mit dieser Tradition gebrochen. Erstmals ist kein Gewerkschafter Mitglied einer österreichischen Bundesregierung. Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft Die im internationalen Vergleich beachtenswerte Stärke der Gewerkschaftsbewegung im politischen System Österreichs liegt in dem bereits in den 50er-Jahren herausgebildeten und jahrzehntelang bewährten Modell der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft begründet. In ihr wird jene auf gesellschaflichen Interessensausgleich ausgerichtete Kultur der Konfliktregelung bei der Durchsetzung arbeits- und sozialrechtlicher Regelungen sichtbar, die einen nicht unwesentlichen Teil dazu beigetragen hat, dass Österreich in der Zweiten Republik auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet eine hervorragende Entwicklung zu verzeichnen hatte. Konfliktregelung durch Konsenssuche 3

Sozialer Dialog in Österreich Bei der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft handelt es sich um ein informelles System der freiwilligen der parteipolitischen Entscheidungsfindung vorgelagerten Zusammenarbeit der Verbände und Vereinigungen der Arbeitgeber (Bundeswirtschaftskammer), der Landwirtschaft (Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern) und der Arbeitnehmer (Bundesarbeitskammer und ÖGB) untereinander sowie Vertretern der Regierung. Basis für Sozialen Frieden Die 1957 gegründete Paritätische Kommission ist der institutionelle Kern dieser vorerst auf Lohn- und Preisfragen ausgerichteten Partnerschaft. In diesem Gremium sind die Spitzen der vier Sozialpartnerverbände sowie Mitglieder der Bundesregierung vertreten. Diese Zusammenarbeit prägt die in hohem Maß die auf Sozialen Frieden aufgebaute Politik in Österreich. Zu dieser auf Konsens aufgebauten Interessenpolitik gehört auch die starke Vertretung von Gewerkschaftsinteressen in den Parteien, im Parlament und in den Landtagen sowie die enge Kooperation aller politischen Akteure im System der beruflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung. Unverkennbar wurde seit Antritt der ÖVP-/FPÖ-Koalitionsregierung eine Politik verfolgt, die sich von diesem konsensdemokratischem Fundament der österreichischen Innenpolitik zunehmend verabschiedet. Die mittelund langfristigen Auswirkungen einer solchen Politik auf das Verhältnis zwischen Regierung und Sozialpartnern, aber auch zwischen den Sozialpartnern selbst, können an zunehmenden gesellschaftlichen Konflikten abgelesen werden. Überbetriebliche Mitbestimmung Struktur der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft Vollversammlung der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreich Lohnunterausschuss Wettbewerbsund Preisunterausschuss Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen Unterausschuss für internationale Fragen Bundesarbeitskammer Präsidentenbesprechung der Präsiden äsidenten der vier Verbände Österreichischer Gewerkschaftsbund Wirtschaftskammer Österreich 4

Mehrere Ebenen der Interessenvertretung: ÖGB, Gewerkschaften, Belegschaftsvertretungen, Arbeiterkammern Anmerkungen In Österreich verfügen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über unterschiedliche Organisationen zur Vertretung ihrer Interessen: Der ÖGB und die Gewerkschaften, die Kammern für Arbeiter und Angestellte sowie die Belegschaftsvertretungen. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) als eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung vertritt gemeinsam mit den ihm angehörenden 13 Gewerkschaften die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber den organisierten Arbeitgeberinteressen im Betrieb ebenso wie überbetrieblich (vor allem in der branchenbezogenen Kollektivvertragspolitik). Die in jedem Bundesland bestehenden Kammern für Arbeiter und Angestellte (AK) als öffentlich-rechtliche Einrichtung, deren Rechte und Aufgaben gesetzlich festgelegt sind, vertreten das Arbeitnehmerinteresse vor allem gegenüber dem Staat und der Öffentlichkeit. Die Kammern als gesetzliche Interessenvertretung wurden in Österreich für nahezu sämtliche Gruppen von selbstständig und unselbstständig Erwerbstätigen eingerichtet. Wer immer eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, wird kraft Gesetz Mitglied seiner Interessenvertretung, die nicht nur Lobbyorganisationen für ihre Mitglieder, sondern darüber hinaus in vielfältiger Weise im politischen System Österreichs verankert ist. Als gewählte Vertreter der Belegschaft eines Betriebes vertreten Betriebsrat, Personalvertretung und Jugendvertrauensrat die Beschäftigten entsprechend der ihnen gesetzlich zugesprochenen Mitbestimmungskompetenzen in allen Fragen, die sich unmittelbar aus der betrieblichen Arbeitswelt ergeben. Für die Arbeitnehmerseite ist die bewährte Arbeitsteilung von freiwilliger und gesetzlicher Interessenvertretung von besonderer Bedeutung: Die Kollektivvertragshoheit, die Betriebsarbeit und die politische Grundsatzpositionierung kommt den Gewerkschaften zu; den Kammern für Arbeiter und Angestellte kommt die wissenschaftliche Grundsatzarbeit, die Unterstützung der Gewerkschaften sowie die Vertretung gegenüber dem Staat zu. Während der Gewerkschaftsbund als Kampforganisation seine Basis in den Betrieben findet und auf tagespolitische Forderungen im Interesse seiner Mitglieder reagiert so die deklarierte Arbeitsteilung zwischen ÖGB und AK ist es Aufgabe der Arbeiterkammern, neben der Beratungstätigkeit und der Gesetzesbegutachtung, wissenschaftliche Grundlagenarbeit im Interesse der Arbeitnehmer/-innen zu leisten und deren Ergebnisse gegenüber dem Staat und den anderen Interessenvertretungen zu vertreten und somit de facto als gesetzlich festgeschriebenes Regulierungsinstrument im Sinne der Arbeitnehmer/-innen zu wirken. ÖGB und Gewerkschaften Kammern für Arbeiter und Angestellte Belegschaftsvertretung Bewährte Arbeitsteilung von freiwilliger und gesetzlicher Interessenvertretung Arbeitsteilung ÖGB AK 5

Anmerkungen Arbeitnehmerpolitik Teil des demokratischen Systems Gesetzgebung Gesetzesinitiative Umsetzung der Gesetze Volksbegehren Nationalund Bundesrat Landtage Abgeordnete Bundes- und Landesregierungen Kammern Parteien Verbände Interessenvertretung der Arbeitnehmer gesetzliche freiwillige Arbeitnehmervertretung Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen Arbeitnehmerinteresse Arbeiterkammergesetz Vereins- und Koalitionsgesetz Arbeitsverfassungsgesetz, Personalvertretungsrecht und 13 Gewerkschaften Betriebsrat Personalvertretung Jugendvertrauensrat Grundsatzarbeit Vertretung gegenüber dem Staat Stellungnahme zu Gesetzen Kollektivvertragliche Lohnpolitik Verhandlungen mit Arbeitgebern Betriebsarbeit Mitwirkung in wirtschaftlichen personellen sozialen kulturellen Angelegenheiten Gemeinsame Aufgaben von AK, ÖGB und Gewerkschaften Arbeitnehmerpolitik Information, Beratung, Hilfestellung für Arbeitnehmer und ihre betrieblichen Vertretungen Rechtschutz (Vertretung) Internationale Interessenvertretung 6

Hohe Kollektivvertragsdichte geringe Streikaktivität Anmerkungen Österreich weist einen hohen Grad an tarifvertraglicher Verrechtlichung der Arbeitsbeziehungen auf: Nahezu 95 Prozent der unselbstständig Beschäftigten werden über (die seit Mitte der 60er- Jahre auf Branchenebene verhandelten) Tarifverträge (= Kollektivverträge) erfasst. Der Grund für die hohe Kollektivvertragsdichte liegt in der Tatsache begründet, dass alle Unternehmer per Gesetz in den jeweiligen Handelskammern organisiert sind: Auf dieser Grundlage wird die Tarifhoheit auf Arbeitgeberseite (mit einigen Ausnahmen) von den kollektivvertragsfähigen freien Verbänden auf die entsprechenden Fachverbände der Wirtschaftskammern übertragen. Kollektivverträge können auf Bundes-, Landes- oder Branchenebene abgeschlossen werden. Daneben gibt es so genannte Generalkollektivverträge, die bestimmte Sozialrechte für alle Arbeitnehmer regeln. Ein positives Streikrecht das explizite Recht auf Durchführung von Arbeitskämpfen ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht geregelt. Es herrscht jedoch der allgemeine Grundsatz, dass Arbeitskampfmaßnahmen, so sie nicht einem politischen Streik gleichkommen nicht strafbar sind. Eine gesetzliche Regelung des Streiks wird in Österreich vom ÖGB traditionell mit dem Hinweis auf den Eingriff in die Gewerkschaftsautonomie abgelehnt. Kammerorganisation der Unternehmer garantiert hohe KV-Dichte Kein positives Streikrecht in Österreich Im internationalen Vergleich weist Österreich eine äußerst geringe Streikfrequenz auf. Darin spiegelt sich eine hohe Problemlösungskompetenz der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft wider. Die jährliche Streikstatistik auf alle Arbeitnehmer/-innen berechnet beträgt traditionell nur einige Sekunden; bedeutende Arbeitskämpfe der letzten Jahre fanden im öffentlichen Dienst sowie im Bereich des Flugwesens statt. 1. In welchen Gesetzen sind in Österreich die Rechte der gewerkschaftlichen Interessenvertretung niedergelegt? 2. Was ist die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft? 3. Auf welcher Ebene (Staat, Branche, Betrieb, Arbeitsplatz...) agieren die verschiedenen Organisationen zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen? 7

Anmerkungen Besonderheiten der österreichischen Gewerkschaftsorganisation im internationalen Vergleich Aufbau und Struktur der Gewerkschaftsorganisation Im internationalen Vergleich zeichnet sich die Gewerkschaftsorganisation in Österreich durch einige Besonderheiten aus: Dazu zählt unter anderem: die Existenz eines überparteilichen einheitlichen Gewerkschaftsbundes mit hohem Organisationsgrad und hoher Kompetenzausstattung der Gewerkschaftszentrale; die enge Kooperation mit der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer (AK) sowie die enge Einbindung gewerkschaftlicher Politik in die Strukturen der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) Der ÖGB besteht in seiner heutigen Form als einheitlicher, überparteilicher Gewerkschaftsbund, mit (vorerst 16) heute 13 Teilgewerkschaften, seit 1945. Er ist als Verein registriert und hat daher eigene Rechtspersönlichkeit; die Mitgliedschaft ist freiwillig und steht allen unselbstständig Erwerbstätigen (Arbeiter, Angestellte, öffentlich Bedienstete), Lehrlingen, Arbeitslosen, Schülern und Studenten sowie freischaffend und freiberuflich Tätigen offen, soweit sie von ihrer Tätigkeit her mit den unselbstständig Erwerbstätigen vergleichbar sind. ca. 1,5 Mio. Gewerkschaftsmitglieder Der aktuelle Mitgliederstand beträgt ca. 1,5 Mio. (davon mehr als 80 % aktiv Beschäftigte). Bei einem Stand der Beschäftigung von ca. 3,1 Mio. liegt der gewerkschaftliche Netto-Organisationsgrad in Österreich damit um die 40 %. Rund 39 % der ÖGB-Mitglieder sind Arbeiter, 22 % Angestellte, und ca. 40 % sind als öffentlich Bedienstete tätig. Der Anteil der Frauen an der gesamten Mitgliedschaft ist leicht steigend und liegt bei 32 %, jener der Jugendlichen stagniert und liegt gegenwärtig unter 4 %. Mit der Existenz mehrerer politischer Fraktionen im ÖGB wird sowohl der politisch-weltanschaulichen Bandbreite der Gewerkschaftsmitglieder wie auch der Überparteilichkeit des ÖGB Rechnung getragen. FSG und FCG: die beiden bedeutenden politischen Kräfte im ÖGB Die im Jahre 1996 neu beschlossene Fraktionsordnung des ÖGB legt sowohl die Rechte und Pflichten wie auch das Anerkennungsverfahren fest, wie sich Arbeitnehmergruppen im ÖGB zu Fraktionen zusammenschließen können. In Anlehnung an die Wahlergebnisse zu den Belegschaftsvertretungen kommt der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter/innen im ÖGB (FSG) die politisch dominierende Rolle im ÖGB und in den meisten Gewerkschaften zu. In einzelnen Organisationsbereichen, wie vor allem in der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes, nehmen die christlichen Gewerkschafter (FCG) die Mehrheitsposition ein und stellen hier auch den Vorsitzenden. 8

Anmerkungen Eine starke Organisation Nach dem Fraktionsstatut haben sich folgende weitere Fraktionen im ÖGB gebildet: Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB) Unabhängige GewerkschafterInnen (UG) Parteifreie Gewerkschafter (PFG) Freiheitliche Arbeitnehmer (FA) Beide Fraktionen FSG und FCG agieren in enger Kooperation mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) einerseits und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) andererseits. Der ÖGB und die ihm angehörenden 13 Einzelgewerkschaften haben es sich zum Ziel gesetzt, die wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Interessen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich gegenüber Arbeitgeber, Staat und Parteien zu vertreten. Darüber hinaus sind die Anstrengungen der Gewerkschaftsorganisation darauf gerichtet, den Gewerkschaftsmitgliedern eine optimale Betreuung in allen Fragen des Arbeitslebens zukommen zu lassen. Zu den wichtigsten Aufgabenfeldern des ÖGB als Gewerkschaftsdachverband zählen: Wahrnehmung der Interessen aller Arbeitnehmer durch Initiativen für Generalkollektivverträge und rechtliche Regelungen sowie Stellungnahmen zur Sozialpolitik und zu arbeitnehmerrelevanten Gesetzesentwürfen; Aufgaben des ÖGB 9

Anmerkungen Internationale Verbindungen des ÖGB Überbetriebliche Mitbestimmung im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft (Paritätische Kommission, Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen, Verbändekonferenz und viele andere Gremien); Durchsetzung sozialer Verbesserungen, Absicherung und Ausweitung der sozialen Sicherheit, Schutz und Betreuung bestimmter Bevölkerungsgruppen, wie Frauen, Jugendliche und Pensionisten; Wiedererlangung der Vollbeschäftigung, Sicherung der Reallöhne, Bemühungen um Preisstabilisierung und Wirtschaftswachstum; Bemühungen zur Humanisierung der Arbeitswelt, vor allem im Bereich der neuen Technologien; Förderung der internationalen gewerkschaftlichen Zusammenarbeit; Gewerkschaftliche und berufliche Weiterbildung; Durchführung von Bildungs- und Kulturprogrammen für Mitglieder und Funktionäre; Service und Betreuung sowie Solidaritätsversicherung für ÖGB-Mitglieder, Mitwirkung und Durchführung der Freizeitgestaltung, Führung von Erholungsheimen und Feriendörfern. Der ÖGB ist Gründungsmitglied sowohl des IBFG wie auch des EGB. Die aktive internationale Rolle, die der ÖGB im Rahmen des EGB einnimmt, wird durch die EGB-Präsidentschaft von ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch unterstrichen. ÖGB: Internationale Verbindungen 16 EGA 16 IBS 13 Gewerkschaften TUAC OECD FCG IAO ILO 8 BA BILATERALE KONTAKTE IBFG = Internat. Bund Freier Gewerkschaften EGB = Europäischer Gewerkschaftsbund WVA = Weltverband der Arbeitnehmer IBS = Internationale Berufssekretariate EGA = Europäische Gewerkschaftsausschüsse BA = Berufsaktionen TUAC/OECD = Trade Union Advisory Comittee IAO/ILO = International Labour Organisation 10

Die meisten Gewerkschaften des ÖGB sind an die entsprechenden Internationalen Berufssekretariate sowie die Europäischen Gewerkschaftsausschüsse angeschlossen. Darüber hinaus ist die Fraktion christlicher Gewerkschafter im ÖGB Mitglied im Weltverband der Arbeit (WVA). Anmerkungen Die 13 Gewerkschaften des ÖGB Dem ÖGB gehören heute 13 Gewerkschaften an: vier Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, sieben Gewerkschaften, die einen oder mehrere Industriesektoren organisieren, eine branchenübergreifende Angestelltenorganisation sowie eine Gewerkschaft, die freischaffend und freiberuflich Tätige organisiert. Die 4 Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG) Gewerkschaft der Eisenbahner (GdE) Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) Die 7 Gewerkschaften, die einen oder mehrere Industriesektoren organisieren Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) Gewerkschaft der Chemiearbeiter (GdCh) Gewerkschaft Druck, Journalisten und Papier (DJP) Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr (HTV) Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) Gewerkschaft Agrar Nahrung Genuss (ANG) Gewerkschaft Metall Textil (GMT) Eine eigene Angestelltenorganisation Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) Eine Gewerkschaft, die freischaffend und freiberuflich Tätige organisiert Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (KMSfB) Im Vorlauf zum 14. ÖGB-Bundeskongress 1999 kam es im Laufe der Jahre 1998/99 zu mehreren Kooperations- rsp. Verbundverträgen zwischen einzelnen Gewerkschaften und in einem Fall zum Beschluss einer Fusion: Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes Industriegewerkschaften Gewerkschaft der Privatangestellten Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe Kooperations- bzw. Verbundverträge; Fusion Metall Textil Fusion Gewerkschaft Metall Bergbau Energie und Gewerkschaft Textil, Bekleidung, Leder zur Gewerkschaft Metall Textil (im Jahr 2000) Mitte des Jahres 2001 kam es zum Grundsatzbeschluss der Gewerkschaft der Privatangestellten und der Gewerkschaft Metall Textil zur engen Kooperation, die zu der Gründung einer neuen Gewerkschaft unter Einschluss der bisherigen Organisationsbereiche führen soll. Auch andere Gewerkschaftendes ÖGB beschlossen daraufhin enger zusammenzuarbeiten (u. a. im Bereich von Basisdiensten). Die fünf größten Gewerkschaften sind die GPA mit ca. 300.000 Mitgliedern, die GÖD mit 230.000 Mitgliedern sowie als die beiden größten Industriegewerkschaften die Gewerkschaft Metall Textil mit über 220.000 Mitgliedern, die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten mit ca. 175.000 Mitgliedern und die Gewerkschaft Bau-Holz mit ca. 162.000 Mitgliedern. Zusammen umfassen diese fünf Gewerkschaften rund 70% der Gesamtmitglieder des ÖGB. In vier Bundesländern (Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark) konzentrieren sich ca. 80 % der Gewerkschaftsmitglieder. Vertretung der Gewerkschaftsmitglieder 11

Anmerkungen Gewerkschaftstage beschließen politische Leitlinien Aufgaben der Gewerkschaften Rechtlich sind die Gewerkschaften keine eigenen Vereine, sondern Teilorganisationen des ÖGB. Sie haben daher weder eigene Rechtspersönlichkeit noch eigene Parteifähigkeit. Im Rahmen der Statuten und der Geschäftsordnung des ÖGB bestimmt jedoch jede Gewerkschaft ihre Organisation und ihre gewerkschaftspolitischen Leitlinien durch Beschluss am jeweiligen Gewerkschaftstag selbst. Zu den wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaften zählen: Gewerkschaftliche Organisationsarbeit, wie Werbung, Betreuung der Mitglieder, Einhebung der Mitgliedsbeiträge; Vereinbarung von Einzel-, Betriebs- und Kollektivverträgen mit den Arbeitgebern, Durchführung gewerkschaftlicher Aktionen und Durchsetzung branchenspezifischer Forderungen zur Herbeiführung günstiger Arbeitsverhältnisse; Betreuung und Schulung der Betriebsräte, Personalvertreter und gewerkschaftlichen Vertrauensleute im Betrieb (z. B. Mitarbeit bei der Vorbereitung von Betriebsratswahlen); Bildungsarbeit, Jugend- und Frauenarbeit, Pressewesen, Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, Führung eigener Schulungs- und Erholungseinrichtungen; Anzahl der gültigen Kollektivverträge 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 Gewerkschaft der Privatangestellten... Gewerkschaft Öffentlicher Dienst... Gewerkschaft der Gemeindebediensteten... Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe... Gewerkschaft Bau-Holz... Gewerkschaft der Chemiearbeiter... Gewerkschaft der Eisenbahner... Gewerkschaft Druck und Papier... Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr... Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst.. Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten.. Gewerkschaft Agrar Nahrung Genuss... Gewerkschaft Metall Textil... 474 KV 17 KV 9 KV 128 KV 197 KV 69 KV 33 KV 20 KV 117 KV 64 KV 11 KV 251 KV 60 KV GKV Generalkollektivverträge... 6 KV ZUSAMMEN... 1.456 KV 12

Gewährung von unentgeltlichem Rechtschutz bei Mitgliedschaft, Gewährung von Unterstützungen und Serviceleistungen über die Leistungen des ÖGB hinaus. Anmerkungen Im Unterschied zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer (den Kammern für Arbeiter und Angestellte) sind die Gewerkschaften stark in die betriebliche Arbeit der Belegschaftsvertretungen (Betriebsrat und Personalvertetung) involviert; Sie führen auch die jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen mit den Arbeitgeberverbänden. Die Organisation des ÖGB ein Mischsystem GEWERKSCHAFT DER PRIVATANGESTELLTEN STAHLWERK Arbeiter unter anderem: Gießer Dreher Hochofenarbeiter Angestellte unter anderem: Einkäufer Stenotypistin Chemiker BETRIEB DER GLASINDUSTRIE Angestellte unter anderem: Glasbläser Sortierer Lagerarbeiter Werbeleiter Korrespondent Arbeiter unter anderem: GEWERKSCHAFT METALL TEXTIL GEWERKSCHAFT DER CHEMIEARBEITER Die Organisation des ÖGB kann als eine Art Mischsystem zwischen dem Industriegruppenprinzip und einem Gewerkschaftszusammenschluss nach Berufsgruppen begriffen werden: In seiner reinen Form wäre dieses Industriegruppenprinzip dann verwirklicht, wenn jeweils die Arbeiter und Angestellten eines großen Wirtschaftsbereiches in einer Gewerkschaftsorganisation zusammengefasst sind; ein solches Prinzip würde auf einer einheitlichen Betriebsorganisation aufbauen, d. h. in einem Betrieb würde nur eine Gewerkschaft tätig sein; vor allem der Umstand, dass die Angestellten aller Sektoren in einer eigenen Gewerkschaft organisiert sind, durchbricht dieses Industriegruppenprinzip. 13

Anmerkungen 4. Welche Besonderheiten kennzeichnen im internationalen Vergleich die Gewerkschaftsorganisation in Österreich? 5. Welche Funktion erfüllen die politischen Fraktionen im ÖGB? 6. Ist der ÖGB nach dem Industriegruppenprinzip organisiert? Organisationsstrukturen ÖGB und Gewerkschaften Organisation des ÖGB Organisation der Gewerkschaften Die Organisationsstruktur des ÖGB weist neben der zentralen Organisation auf Bundesebene mit Sitz in Wien eine Gliederung nach regionalen Gesichtspunkten auf: diese föderale Stuktur umfasst acht Landesexekutiven auf Ebene der Bundesländer sowie in unterschiedlicher Dichte Bezirks- und Ortsorganisationen auf Bezirks- und Ortsebene. Die 13 Gewerkschaften sind ähnlich organisiert. Zusätzlich zur örtlichen Gliederung tritt eine solche nach Arbeits- und Fachbereichen. In unterschiedlicher Anzahl und Verzweigung existieren in den einzelnen Gewerkschaften Sektionen, Fachgruppen, Branchengruppen, Exekutiven und Betriebsgruppen. Auf der Ebene des Betriebes oder der Dienststelle bilden die Betriebsräte bzw. die Personalvertretungen obgleich rechtlich autonome Körperschaften die gewerkschaftliche Basisorganisation. In überwiegender Anzahl sind es Gewerkschaftsmitglieder, die als gewählte Belegschaftsvertreter in der Regel auch die Meinungsträger der Gewerkschaften und des ÖGB sind und deren Vertretungsaufgaben im Betrieb (Mitgliederwerbung und -betreuung, Informations- und Servicearbeit) übernehmen. Lediglich in einigen Bereichen existieren darüber hinaus eigenständige gewerkschaftliche Vertretungsstrukturen (Vertrauenspersonen). 14

Zentrale Organe des ÖGB Anmerkungen Referate und Abteilungen Kontrollkommission Frauenabteilung Präsidium Bundesvorstand Jugendabteilung Pensionistenabteilung BUNDESKONGRESS 8 Landesexekutiven Vorständekonferenz 13 Gewerkschaften Die statutenmäßigen Organe des ÖGB auf zentraler Ebene sind der Bundeskongress als höchstes Gremium des ÖGB; zusammengesetzt aus Vertretern aller Gewerkschaften und Teilorganisationen obliegt es ihm, alle vier Jahre die statutenmäßig vorgesehenen Wahlen vorzunehmen, sowie die wesentlichen Richtlinien und Forderungen der Gewerkschaftspolitik zu formulieren; die Vorständekonferenz, bei Bedarf vom Bundesvorstand einzuberufen, stellt ein Beschlussorgan des ÖGB zur Beschlussfassung besonders wichtiger Fragen dar die jedoch nicht der Einberufung eines Kongresses bedürfen; der Bundesvorstand, ähnlich repräsentativ besetzt wie der Kongress, fasst alle Beschlüsse zwischen den Kongressen; das Präsidium bestehend aus dem Präsidenten, 6 Vizepräsidenten (davon mindestens eine Frau) und den zwei Leitenden Sekretären führt zwischen den Sitzungen des Bundesvorstandes die Geschäfte des ÖGB; die Kontrollkommission kontrolliert die gesamte Tätigkeit und die Finanzgebarung des ÖGB. Das Sekretariat des ÖGB sowie die ihm angeschlossenen Referate führen die laufenden Geschäfte des Gewerkschaftsbundes auf Grund der Weisungen des Präsidiums und des Bundesvorstandes. Zur Vertretung der Interessen spezifischer Gruppen im ÖGB bestehen entsprechende Abteilungen und zusätzlich gewählte Gremien (Frauen, Jugend und Pensionisten). Die zentralen Organe des ÖGB 15

Mitgliedsbeiträge Die Aktivitäten des ÖGB und der Gewerkschaften werden nahezu ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen bestritten. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich für jedes Gewerkschaftsmitglied in der Regel auf 1% des monatlichen Bruttoeinkommens. Der Mitgliedsbeitrag wird von den Gewerkschaften eingehoben, den diese an den mit der Finanz- und Personalhoheit ausgestatteten Dachverband übertragen. Einige Gewerkschaften haben Höchstgrenzen festgelegt. Für die speziellen Aufgaben und Leistungen der Gewerkschaften werden diesen in unterschiedlicher Höhe Beitragsanteile refundiert. Über die Finanzhoheit des ÖGB verfügen die 13 Gewerkschaften im ÖGB über einen gemeinsamen Streikfonds (Solidaritätsfonds) sowie über zentrale Unterstützungs- und Serviceeinrichtungen zur Betreuung der Mitglieder. Die Kammern für Arbeiter und Angestellte Ihnen gehören per Gesetz alle unselbstständig Beschäftigten des jeweiligen Bundeslandes mit Ausnahme eines Teiles der öffentlichen Verwaltung an. Die AK vertritt ihre Mitglieder im Rahmen des gesetzlichen Auftrages vor allem gegenüber dem Staat und der Öffentlichkeit. AK: Instrument der überbetrieblichen Mitbestimmung des ÖGB Auf jahrzehntelange Forderungen der Gewerkschaftsbewegung 1918 gegründet und 1945 wiedererrichtet, stellt die AK mit ihrem Expertenstab und ihrer wissenschaftlich-politischen Infrastruktur ein bedeutendes, mit gesetzlich abgesicherten Mitwirkungsrechten (etwa beim Gesetzgebungsverfahren) ausgestattetes Instrument für die überbetriebliche Mitbestimmung des ÖGB dar. Neben dem eigenen Wirkungsbereich bei der Betreuung ihrer Mitglieder (Information, Beratung, Rechtshilfe, Beihilfen, Serviceleistungen) sind die Arbeiterkammern in Selbstverwaltung mit wesentlichen öffentlichen (staatlichen) Aufgaben betraut, die alle Arbeitnehmer/-innen betreffen. Die Arbeiterkammern im öffentlichen Interesse Gesetzlich festgelegte Mitbestimmung im Interesse der Arbeitnehmer Zu den wichtigsten Aufgaben der AK im öffentlichen Interesse zählen: In der Gesetzgebung: Recht auf Begutachtung von Gesetzesentwürfen, Formulierung von Gesetzesvorschlägen; In der Verwaltung: Mitwirkung in zahlreichen Kommissionen und Beiräten (z. B. Lehrlingswesen, Wettbewerbs-, und Arbeitsmarktpolitik, Konsumentenschutz), Kontrolle der Arbeitnehmerschutzeinrichtungen, Begutachtung von Verordnungen, Mitwirkung in Gremien der Arbeitsmarktverwaltung; In der Gerichtsbarkeit: Ernennung und Ausbildung von Laienrichtern bei Arbeits- und Sozialgerichten, Beisitzer bei Kartellgericht; In der Sozialversicherung: Entsendung von Vertretern in Pensions-, Kranken- und Unfallversicherungen. Die Kammern für Arbeiter und Angestellte haben im Unterschied zur gewerkschaftlichen Interessenorganisation einen gesetzlichen Auftrag, für die unselbstständig Beschäftigten aktiv zu werden. 16

Gesetzlich festgelegte Rechte sichern ihnen den jederzeitigen Zugang, die weit reichende Kenntnis und den garantierten Einfluss auf alle von den Gebietskörperschaften (Gemeinden, Länder, Bund) geplanten Maßnahmen im Bereich der Gesetzgebung und Verwaltung. Darüber hinaus betreibt die AK mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiterstab Forschung und Grundlagenarbeit für die Gewerkschaftsorganisationen. Traditionell wurde sie deshalb auch als geistige Rüstkammer der Arbeiterbewegung bezeichnet und stellt auch heute noch einen nicht wegzudenkenden brain-trust dar, der alle sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Forderungen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu untermauern hilft. Anmerkungen Forschung im Interesse der Arbeitnehmer 7. Was zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaften im ÖGB? 8. Welche Organe sind auf zentraler Ebene in den Statuten des ÖGB festgelegt? 9. Was zählt zu den wesentlichsten Aufgaben der AK im öffentlichen Interesse? 17

Anmerkungen Grundstrukturen der betrieblichen Interessenvertretung Betriebsrat Jugendvertrauensrat Personalvertretung Zentrale Bedeutung bei der betrieblichen Interessenvertretung kommt den gewählten Organen der Belegschaft eines Betriebes zu. Als deren Sprecher vertreten Betriebsrat und Jugendvertrauensrat rsp. Personalvertretung die Beschäftigten in allen Fragen, die sich unmittelbar aus der betrieblichen Arbeitswelt ergeben. Die rechtliche Grundlage für ihre Tätigkeit ist im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) geregelt. Im öffentlichen Dienst kommt die Aufgabe der betrieblichen Interessenvertretung den Personalvertretungen zu, deren Kompetenzen im jeweiligen Personalvertretungsrecht festgelegt sind. Das ArbVG enthält eine Reihe von Vorschriften, die die rechtliche Organisation der Arbeitnehmerschaft auf Betriebs- und Unternehmensebene, die rechtliche Funktion der Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes sowie die rechtliche Beziehung zwischen diesen Organen und dem Betriebsinhaber betreffen. Gewerkschaftsrechte im Betrieb Die Rechte der Gewerkschaften sind im Wesentlichen nicht Gegenstand betrieblicher Verhandlungen. Hinsichtlich der Rechtstellung der Gewerkschaften im Betrieb finden sich im ArbVG Bestimmungen, wonach es den gewählten Belegschaftsorganen zusteht, zu ihren Beratungen in allen Angelegenheiten Vertreter der zuständigen Gewerkschaft beizuziehen. Darüber hinaus besteht bei mindestens vier zu wählenden Betriebsratsmitgliedern die Möglichkeit, auch Vorstandsmitglieder und Angestellte von Gewerkschaften in den Betriebsrat zu wählen. Der Betriebsrat Von entscheidender Bedeutung für die betriebliche Interessenvertretung ist die Möglichkeit zur Errichtung von Betriebsräten in Betrieben ab einer Beschäftigung von mehr als fünf Arbeitnehmern. Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat in einem Betrieb Der Betriebsrat ausschließlich aus Arbeitnehmervertretern zusammengesetzt fungiert als Sprecher der Arbeitnehmer eines Betriebes. Wenn jede der Arbeitnehmergruppen im Betrieb (Arbeiter und Angestellte) mehr als fünf Personen umfassen, kann je ein Betriebsrat eingerichtet werden. Die Mitglieder des Betriebsrates üben diese Funktion ehrenamtlich aus. Die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder richtet sich nach der Anzahl der Beschäftigten eines Betriebes. Die Funktionsdauer eines ordnungsgemäß gewählten Betriebsrates beträgt vier Jahre. Für diese Periode besteht als Schutzvorkehrung der Mandatsausübung ein besonderer Kündigungsschutz. 18

Im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer Anmerkungen ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab 5 9 10 20 51 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1401 1801 22012601 3001 3401 3801 42014601 Zu wählende Betriebsratsmitglieder 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe umfasst, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmer zentral verwaltet werden, ist ein Zentralbetriebsrat zu wählen. Sinn dieser Institution ist es, einer mehrere Betriebe zusammenfassenden Unternehmensspitze ein ebenso zentrales Vertretungsorgan auf Arbeitnehmerseite gegenüber zu stellen. Für ihre Tätigkeit ist allen Mitgliedern des Betriebsrates die erforderliche Freizeit zu gewähren; in Betrieben ab 150 Arbeitnehmern sind je nach Anzahl der Beschäftigten ein oder mehrere Mitglieder des Betriebsrates auf Antrag zur Gänze von der Arbeitsleistung freizustellen; in beiden Fällen unter Fortzahlung des Entgeltes. Der Betriebsrat hat eine Reihe von Mitwirkungsrechten auf sozialem, wirtschaftlichem und personellem Gebiet. Mitwirkungsrechte des Betriebsrats Diese reichen von Überwachungsrechten (hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitnehmer betreffenden Vorschriften), Interventionsrechten (z. B. Verbesserungsmaßnahmen und Mängelbeseitigung), Informations- und Beratungsrechten sowie Einspruchsrechten (z. B. bei Betriebsänderungen und Kündigungen) über Mitentscheidungsrechte (z. B. zustimmungspflichtige Maßnahmen wie die Einführung von Disziplinarordnungen) bis hin zur Mitwirkung im Aufsichtsrat bestimmter Gesellschaften. Einzelne betriebliche Regelungen, wie etwa solche über die Lohnstruktur und Lohntafeln können in Form von Betriebsvereinbarungen vom Betriebsrat abgeschlossen werden. Für die Gewerkschaften sind Betriebsräte Vertrauenspersonen, die die Probleme der Arbeitnehmer mitgeteilt bekommen, wodurch nicht zuletzt Verbesserungen der Kollektivverträge maßgeblich beeinflusst werden. Der Betriebsrat: betriebliche Vertrauensperson der Gewerkschaft Von den Gewerkschaftsorganisationen werden Schulungen für Betriebsräte durchgeführt, um sie auf die vielfältigen Aufgabengebiete in ihrer Tätigkeit entsprechend vorzubereiten. Gemeinsam mit den Kammern für Arbeiter und Angestellte stehen der ÖGB und die Gewerkschaften mit ihrem Experten- und Mitarbeiterstab den Betriebsräten bei ihrer täglichen Interessenvertretung im Betrieb mit Rat und Tat zur Seite. 19

Anmerkungen Mitbestimmung im Betrieb Rechtliche Formen Die Organe der Arbeitnehmervertretung... Betriebsrat Personalvertretung Jugendvertrauensrat... nehmen folgende Interessen der Beschäftigten wahr: die wirtschaftlichen die personellen die sozialen und kulturellen Umsetzung des Kollektivvertrags Arbeitsverfassungsgesetz Betriebsvereinbarungen Informationsrechte Mitspracherechte Vorschlagsrechte Anhörungsrechte Mitwirkungsrechte Kontrollrechte Einspruchsrechte Zustimmungsrechte Vetorechte Die Tätigkeit des Betriebsrats Dem Betriebsrat obliegen laut Arbeitsverfassungsgesetz folgende Aufgaben: Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Auskunftspflicht Einsicht in die Bilanz Einspruch gegen Wirtschaftsführung Mitsprache bei Betriebsänderungen Mitwirkung im Aufsichtsrat Mitwirkung in sozialen und personellen Angelegenheiten Betriebsvereinbarungen Einstellungen und Versetzungen Festsetzung von Leistungsentgelten Vergabe von Werkswohnungen Beförderungen Anfechtung bei Kündigungen und Entlassungen Betriebliche Aus- und Weiterbildung Mitwirkung in kulturellen Angelegenheiten Freizeit-, Kunst- und Kulturangebote Förderung von Bildungs- und Sporteinrichtungen Betriebsbibliotheken 20

Jugendvertretung Für jugendliche Arbeitnehmer/-innen schreibt das ArbVG die Wahl einer eigenen Vertretung in all jenen Betrieben vor, in denen dauernd mindestens fünf jugendliche Arbeitnehmer/-innen (bis zum Alter von 18 Jahren) beschäftigt sind. Die Jugendvertrauensorgane sind sowohl auf Betriebs-, wie auf Unternehmens-, ggf. auch auf Konzernebene zu errichten. Die Anzahl und Aufteilung der Jugendvertrauensräte auf die Arbeitnehmergruppen der Arbeiter/-innen und Angestellten hängt von der Anzahl der im Betrieb Beschäftigten ab. Für sie gelten die selben Schutzrechte wie für die Mitglieder des Betriebsrates. Dem Jugendvertrauensrat obliegen mit Ausnahme der personellen Angelegenheiten alle Mitwirkungsrechte, so sie die jugendlichen Arbeitnehmer/-innen des Betriebes betreffen. Die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der jugendlichen Arbeitnehmer sind dabei in engem Einvernehmen mit dem Betriebsrat, der auf personellem Gebiet auch für die jugendlichen Arbeitnehmer zuständig ist, zu vertreten. Anmerkungen Behindertenvertretung Sind in einem Betrieb dauernd mindestens fünf Behinderte beschäftigt, so sind von diesen Behindertenvertrauenspersonen zu wählen. Die Behindertenvertretung ist berufen, die Interessen der Behinderten wahrzunehmen, insbesonders auf die Einhaltung der für Behinderte geltenden Vorschriften zu achten, sowie von ihrem Informations- und Vorschlagsrecht Gebrauch zu machen. Die Rechtstellung der Behindertenvertrauenspersonen (u. a. der besondere Kündigungsschutz) entspricht dem der gewählten Betriebsratsmitglieder. Einrichtungen des Arbeitnehmerschutzes Die Organe des betrieblichen Arbeitnehmerschutzes finden im 1995 neu gefassten ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ihre rechtliche Grundlage: Ab 10 Beschäftigten müssen demnach Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt werden, die als Vertreter der Belegschaft in allen Belangen des Arbeitnehmerschutzes tätig werden. Die Bestellung dieser Sicherheitsvertrauenspersonen bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Belegschaftsorgane oder, wo solche nicht errichtet sind, der Arbeitnehmer im Betrieb. Arbeitgeber, die mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen, sind verpflichtet, Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner zu bestellen oder die Dienste eines sicherheitstechnischen bzw. arbeitsmedizinischen Zentrums in Anspruch zu nehmen. Die Grenze von mehr als 250 Arbeitnehmern wird in einem Stufenplan jährlich so verringert, dass mit 1. Jänner 2000 für jeden Arbeitnehmer in jeder Arbeitsstätte die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung gewährleistet ist. Die genannten Organe sollen ihre Aufgaben im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz gemeinsam bewältigen, wobei in diese Zusammenarbeit auch der Betriebsrat eingebunden werden muss. Ausdrücklich verlangt der Gesetzgeber, dass Mängel beim Arbeitnehmerschutz dem Betriebsrat zur Kenntnis gebracht werden müssen, damit dieser den Ver- Sicherheitsvertrauenspersonen Sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung Betriebsrat 21

Anmerkungen Arbeitsschutzausschuss Arbeitsinspektion pflichtungen nachkommen kann, die ihm hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes aus dem Arbeitsverfassungsgesetz erwachsen. Für Arbeitsstätten, in denen mindestens 100 Arbeitnehmer/-innen beschäftigt sind, ist der Arbeitgeber zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses verpflichtet, der mindestens zweimal im Jahr einzuberufen ist. Diesem Ausschuss gehören neben dem Arbeitgeber und Vertretern der Belegschaftsorgane alle in Sicherheitsfragen involvierte Personen des Betriebes an. Dem Ausschuss obliegt die Koordination aller Aktivitäten sowie die gegenseitige Information in Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes und der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Zur Wahrung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer/-innen sind von Amts wegen die Organe der Arbeitsinspektion berufen. Zur Aufgabe der Arbeitsinspektion gehört u. a. die Überwachung der Vorschriften für den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer, der Schutzvorschriften für Frauen und Jugendliche, der Vorschriften über die Arbeitszeit und die Sonn- und Feiertagsruhe sowie die Kontrolle der Heimarbeit. Arbeiterkammern Die Kammern für Arbeiter und Angestellte sind berufen, die Einhaltung arbeitsrechtlicher oder unfallverhütender Vorschriften bzw. die Einhaltung der Bestimmungen zum Schutz gegen Berufskrankheiten zu überwachen. In der Wahrnehmung dieses Überwachungsrechtes können die Arbeiterkammern eine Besichtigung von Arbeitsstätten bei den örtlich zuständigen Arbeitsinspektoraten beantragen und sind berechtigt, an diesen Besichtigungen teilzunehmen. Mitbestimmung in Kapitalgesellschaften Die bedeutsamste wirtschaftliche Mitwirkungsbefugnis der Arbeitnehmerschaft ist das Recht der Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Versicherungsvereinen und Genossenschaften mit mindestens 40 Arbeitnehmern. Drittelparität bei den Aufsichtsratsmitgliedern Für je zwei von der Kapitaleignerseite zu bestellende Aufsichtsratsmitglieder wird ein(e) Arbeitnehmervertreter(in) mit Sitz und Stimme entsandt (Drittelparität). Das gilt auch für die Ausschüsse des Aufsichtsrates. Die Entsendung der Arbeitnehmervertreter/-innen in den Aufsichtsrat obliegt dem zuständigen Belegschaftsorgan dem Zentralbetriebsrat, sofern im Unternehmen nur ein Betrieb besteht, dem Betriebsrat. Die Arbeitnehmervertreter/-innen im Aufsichtsrat müssen aus dem Kreis der Betriebsratsmitglieder kommen, denen das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat zusteht. Vorstandsmitglieder und Angestellte der Gewerkschaften, die in den Betriebsrat gewählt werden können, sind somit von der Entsendung in den Aufsichtsrat ausgeschlossen. 22

Konzernvertretung Anmerkungen In einem Konzern, in dem in mehr als einem Unternehmen Betriebsräte bestehen, kann eine Vertretung der gemeinsamen Interessen der in diesem Konzern beschäftigten Arbeitnehmer errichtet werden. Im Unterschied zu den sonstigen Belegschaftsorganen auf Betriebs- und Unternehmensebene besteht jedoch keine Verpflichtung zur Errichtung eines solchen Organs. Die Bildung einer Konzernvertretung liegt im freien Ermessen der (Zentral)Betriebsräte der Konzernunternehmungen. Die Kompetenzen der Konzernvertretung liegen in Informations- und Beratungsrechten sowie im ArbVG festgelegten Mitwirkungsrechten gegenüber der Konzernleitung, sofern die Gesamtbelegschaft des Konzernes betroffen ist. Europäische Betriebsräte 1996 kam es zur Novellierung des ArbVG hinsichtlich der innerstaatlichen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Errichtung Europäischer Betriebsräte. Demgemäß sind im Fall der Antragstellung in allen Konzernen, die in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten der EU mit mehr als 150 Beschäftigten tätig sind und dabei insgesamt mehr als 1.000 Beschäftigte im Konzern zählen, auf dem Verhandlungsweg Verfahren und Organe zur europaweiten Information und Anhörung der Arbeitnehmervertreter im gesamten Konzern, einzurichten. Direkt betroffen, als Stammsitz eines internationalen Konzernes, sind gegenwärtig etwa 45 österreichische Unternehmungen, die mindestens in einem EU-Mitgliedstaat eine Tochtergesellschaft mit mehr als 150 Beschäftigten haben und die auf Grund der Unternehmensgröße verpflichtet sind, einen Europäischen Betriebsrat einzurichten. Derzeit gibt es in 15 davon einen Europäischen Betriebsrat. Der erste Euro-Betriebsrat eines österreichischen Untenehmens wurde 1995 auf Basis einer freiwilligen Vereinbarung beim Papier- und Kartonhersteller Mayr-Melnhof errichtet. In weiteren Unternehmen v. a. der Metallbranche, aber auch im Bereich der Bau-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie, sowie in jenem der Finanzdienstleistungen wurden freiwillige Vereinbarungen bereits abgeschlossen. In weiteren Unternehmen sind Verhandlungen zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates im Gange. Von weit größerer Bedeutung ist für Österreich die Anzahl der Unternehmungen mit Sitz in Österrreich, die auf Grund ausländischer Besitzverhältnisse in eine Europäische Betriebsratskörperschaft eingebunden sein werden. Etwa 300 nicht österreichische Konzerne sind in Österreich aktiv. Die Zahl der österreichischen Betriebe, die von einer ausländischen Eigentümerschaft betroffen sind, wird zurzeit auf über 300, mit rund 250.000 bis 300.000 Arbeitnehmern/-innen (ca. 10% der unselbstständig Beschäftigten in Österreich) geschätzt. 23

Anmerkungen 10. Welche Vertretungsorgane der Belegschaft sind im ArbVG verpflichtend festgelegt? 11. Welche Mitwirkungsrechte des Betriebsrates gibt es? 12. Wann ist ein Zentralbetriebsrat zu wählen? Wann ein Konzernbetriebsrat? 13. Wie ist die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften geregelt? 24

System der Kollektivvertragsverhandlungen Anmerkungen Grundprinzipien der österreichischen Kollektivvertragspolitik Kollektivverträge werden in Österreich nicht für einzelne Betriebe, sondern für Branchen in Bundesländern oder für das gesamte Bundesgebiet vereinbart. Von den ca. 500 pro Jahr abgeschlossenen Vereinbarungen bezieht sich der Großteil der Kollektivverträge auf das gesamte Bundesgebiet; ca. 150 Verträge hatten einen regionalen Geltungsbereich; etwa 50 Vereinbarungen setzten auf betrieblicher Ebene an; dazu kamen noch einige Heimarbeitsverträge und Mindestlohntarife oder Entgeltverordnungen. Diese Aufstellung unterstreicht das in Österreich vorherrschende Prinzip flächendeckender Branchenkollektivverträge, aus dem sich einige Besonderheiten der Tarifverhandlungssituation in Österreich ergeben: Die Lohnpolitik wird in erster Linie von den Gewerkschaften und nicht von den Belegschaftsvertretungen bestimmt. Die Kompetenz zur kollektiven Rechtsgestaltung auf betrieblicher Ebene (etwa in Form betrieblicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) ist der Kollektivvertragsregelung auf überbetrieblicher Ebene nachgeordnet. In den einzelnen Branchen sind weitgehend einheitliche Richtlinien bei der Festlegung der wichtigsten Arbeitsbedingungen die Regel. Aus der spezifisch österreichischen Struktur der beruflichen Selbstverwaltung und der darauf aufbauenden Verbändestruktur ergeben sich weitere Besonderheiten der österreichischen Tarifvertragssituation: Fast alle Kollektivverträge werden derzeit auf Arbeitgeberseite von der gesetzlichen Interessenvertretung (Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und deren Unterabteilungen), auf Arbeitnehmerseite von der freiwilligen Berufsvereinigung (Österreichischer Gewerkschaftsbund) abgeschlossen. Somit gelten die meisten Kollektivverträge für nahezu alle Betriebe des jeweiligen Wirtschaftssektors und somit für die darin beschäftigten Arbeitnehmer/-innen, was dem überwiegenden Anteil der unselbstständig Beschäftigten in Österreich (ca. 98 %) eine kollektivvertragliche Regelung der wesentlichsten Arbeitsbedingungen garantiert. Die Existenz einer eigenständigen gewerkschaftlichen Angestelltenorganisation, aber auch arbeitsrechtliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten, zeichnen für getrennte KV-Abschlüsse auf Arbeiterund Angestelltenseite verantwortlich. ca. 500 abgeschlossene Vereinbarungen pro Jahr Branchenkollektivverträge Hohe Kollektivvertragsdichte: 98% der Arbeitsverhältnisse über KV geregelt Eigenständige KV-Abschlüsse für Arbeiter und Angestellte Anmerkung: In Österreich spricht man allgemein vom Kollektivvertrag (KV), was dem Ausdruck Tarifvertrag in Deutschland entspricht. Unter Tarifverhandlungen werden in Österreich im engeren Sinn im Allgemeinen die unter Einschluss der Sozialpartner geführten Verhandlungen über Gebühren (d. s. Tarife) gefasst. 25