Landesrechnungshof. Mecklenburg-Vorpommern



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Transkript:

Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern Jahresbericht 2012 - Teil 1 - Kommunalfinanzbericht 2012

Vorwort des Präsidenten des Landesrechnungshofes Der Landesrechnungshof präsentiert den hier vorliegenden ersten Teil des Jahresberichts 2012 in einer Zeit, in der mit Sorge beobachtet werden muss, dass sich die finanzielle Lage einzelner Kommunen im Land trotz sprudelnder Steuereinnahmen verschlechtert. Zugleich muss weiterhin festgestellt werden, dass sich noch nicht alle Kommunen ausreichend auf die haushalts- und finanzpolitischen Herausforderungen der Zukunft eingestellt haben. Mit dem Wirksamwerden des europäischen Fiskalpakts, der im Unterschied zur Schuldenbremse im Grundgesetz und in der Landesverfassung auch die kommunale Verschuldung mit einschließt, werden sich die Konsolidierungsanforderungen für Bund, Länder und Kommunen deutlich erhöhen. Die zur Verhinderung zukünftiger Finanzkrisen notwendigen verschärften Eigenkapitalanforderungen an die Banken Basel III könnten dazu führen, dass sich die Banken vermehrt aus der Kommunal- und Staatsfinanzierung zurückziehen. Folglich würde hierdurch auch die Refinanzierung der existierenden Schulden in Gefahr sein oder sich maßgeblich verteuern. Die Kommunen müssen sich vor dem Hintergrund der Zukunftsfestigkeit ihrer Haushalte auf diese neuen Rahmenbedingungen einstellen. Deswegen muss es oberstes Ziel sein, eine solide und seriöse Haushaltspolitik zu betreiben. Bei einzelnen Problemkommunen sehe ich jedoch nicht, dass die neuen Gefahren wahrgenommen werden vielfach werden die haushaltspolitischen Hausaufgaben noch nicht ausreichend angegangen. In diesen Fällen ist die Landesregierung in der Pflicht, durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen die Kommunen zu veranlassen, ein Umsteuern zu einer soliden Haushalts- und Wirtschaftsführung einzuleiten. Diesen Weg begleiten wir durch die überörtlichen Prüfungen und auch durch Querschnittsprüfungen im kreisangehörigen Raum. Von letzteren berichten wir erstmals in dem hier vorliegenden Bericht. Der Landesrechnungshof wird den notwendigen Prozess auch weiterhin durch seine Prüftätigkeit kritisch begleiten. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Mitgliedern des Landtags und der Landesregierung, den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern sowie allen Mitarbeitern des Landes und der Kommunen ausdrücklich für ihre Zusammenarbeit bedanken. I

Zudem danke ich den Mitgliedern und Mitarbeitern des Landesrechnungshofes für die Erarbeitung der Prüfberichte und Analysen, durch die der Kommunalfinanzbericht 2012 erst ermöglicht wurde. Schwerin, Oktober 2012 Dr. Tilmann Schweisfurth II

Inhaltsverzeichnis I. Einleitung...1 1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung...1 2 Vorbemerkungen...3 II. Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns...7 1 Strukturelle Rahmenbedingungen...7 2 Entwicklung des kommunalen Gesamthaushaltes...15 3 Die kommunale Finanzwirtschaft im Ländervergleich...20 4 Finanzwirtschaftliche Entwicklung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns...27 5 Vergleich der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Landkreise anhand ausgewählter Kennziffern...31 III. Analyse ausgewählter Bereiche der kommunalen Finanzwirtschaft...37 1 Steuereinnahmen...37 2 Sonstige Einnahmen...46 3 Sozialausgaben...46 4 Investitionsausgaben...47 5 Kommunale Verschuldung Mecklenburg-Vorpommerns und Verschuldung im Ländervergleich...50 IV. Aktuelle Themen...57 1 Einführung der kommunalen Doppik...57 2 Haushaltslage der Landeshauptstadt Schwerin...61 3 Einsatz von Finanzderivaten...67 4 Kommunaler Finanzausgleich...70 V. Strukturprobleme der Theaterlandschaft...73 VI. Ergebnisse der überörtlichen Prüfungen...81 1 Einzelfälle vorläufiger Haushaltsführung ausgewählter kommunaler Körperschaften...81 2 Querschnittsprüfung der Haushaltsplanung und Haushaltsdurchführung bei kreisangehörigen Städten...90 3 Querschnittsprüfung der Personalwirtschaft und Organisation bei kreisangehörigen Städten...97 4 Prüfung der kommunalen Sozialausgaben des ehemaligen Landkreises Ostvorpommern...101 III

VII. Prüfung kommunaler Beteiligungen...107 1 Wirtschaftliche Verflechtungen und Interessenkonflikte bei Mitgliedern von Aufsichtsorganen kommunaler Unternehmen...107 2 Geschäfte einer kommunalen Versorgungsgesellschaft mit dem Vater und Arbeitgeber des Aufsichtsratsvorsitzenden...109 3 Aufträge einer kommunalen Wohnungsgesellschaft für den Sohn des Aufsichtsratsvorsitzenden und Aufsichtsratsmitglieder...111 4 Geschäfte einer kommunalen Gesellschaft mit ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden und Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen...113 5 Geschäftsbeziehungen zwischen Mitgliedern des Verbandsvorstands und einem Zweckverband und Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen...115 6 Geschäftsbeziehungen zwischen Mitgliedern des Betriebsausschusses und einem Eigenbetrieb...119 7 Dauerhaft defizitäres Unternehmen der kommunalen Immobilienwirtschaft...121 8 Umstellung eines Betriebs der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung vom Gebühren- und Beitragsmodell auf ein reines Entgeltmodell...125 9 Erhebung nicht kostendeckender Gebühren durch einen Betrieb der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung...128 10 Kommunale Mikrogesellschaften...131 11 Pflichten des Aufsichtsrats im Hinblick auf das Rechnungswesen bei einer kommunalen Gesellschaft...136 IV

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2011, in Euro je Einwohner...9 Abbildung 2: Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte Mecklenburg- Vorpommerns, 2009, in Euro je Einwohner...10 Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern nach der amtlich koordinierten Vorausschätzung, 2006 bis 2030, in Prozent..12 Abbildung 4: SGB II-Quote im Ländervergleich, 2011, in Prozent...13 Abbildung 5: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Ländervergleich, 2010, Jahresdurchschnitt...14 Abbildung 6: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2003-2011, in Mio. Euro...15 Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2011 zum Vorjahr, in Mio. Euro...18 Abbildung 8: Veränderungen wesentlicher Ausgabepositionen im Vergleich 2011 zum Vorjahr, in Mio. Euro...19 Abbildung 9: Finanzierungssalden der Körperschaften des öffentlichen Gesamthaushaltes, 2010 und 2011, in Mio. Euro...21 Abbildung 10: Finanzierungssalden der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2000-2011, in Euro je Einwohner...22 Abbildung 11: Finanzierungssalden der kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern, 2007-2011, in Euro je Einwohner...28 Abbildung 12: Finanzlage der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Landkreise anhand des Finanzierungssaldos, 2011...31 Abbildung 13: Saldo der laufenden Rechnung der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, 2000-2011, in Mio. Euro...33 Abbildung 14: Kassenkreditbestand der kreisfreien Städte Mecklenburg-Vorpommerns, 2004 bis 2011, jeweils am 31. Dezember, in Euro je Einwohner...36 V

Abbildung 15: Entwicklung der kommunalen Steuereinnahmen im Vergleich zu den Einnahmen der laufenden Rechnung und dem BIP Mecklenburg- Vorpommerns, relative Änderung, 2000 bis 2011, in Prozent...37 Abbildung 16: Struktur der kassenmäßigen Steuereinnahmen der Gemeinden/Gv. Mecklenburg-Vorpommerns, 2006-2011, in Mio. Euro...38 Abbildung 17: Entwicklung der gewogenen Realsteuerhebesätze in Mecklenburg- Vorpommern, 2000-2011, in v. H...41 Abbildung 18: Streuung der gewogenen Hebesätze der Gewerbesteuer im Ländervergleich, 2010, in v. H...42 Abbildung 19: Streuung der gewogenen Hebesätze der Grundsteuer B im Ländervergleich, 2010, in v. H...43 Abbildung 20: Gewogene Durchschnittshebesätze der Gemeinden Mecklenburg- Vorpommerns nach Landkreisen und kreisfreien Städten, 2011, in v. H...45 Abbildung 21: Kommunale Sozialausgaben und Sachinvestitionen Mecklenburg- Vorpommerns, 1995-2011, in Mio. Euro...47 Abbildung 22: Entwicklung der kommunalen Sachinvestitionen, darunter Bauausgaben, und der Zuweisungen für Investitionen vom Land in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2011, in Mio. Euro...48 Abbildung 23: Entwicklung der Sachinvestitionsquoten bei einzelnen Gebietskörperschaftsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2011, in Prozent...49 Abbildung 24: Kommunale Kassenverstärkungskredite in Mecklenburg-Vorpommern, 1995-2011, jeweils zum 31.12., in Mio. Euro...51 Abbildung 25: Entwicklung des EURIBOR für Dreimonatsgeld, Monatsdurchschnitt, Januar 2000 - August 2012, in Prozent p.a...52 Abbildung 26: Realsteueraufkommen, verschiedene Jahre, in Euro je Einwohner...91 Abbildung 27: Personalausgaben, verschiedene Jahre, in Euro je Einwohner...92 Abbildung 28: Kreditschulden/-verbindlichkeiten, verschiedene Jahre, in Euro je Einwohner...93 VI

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in Mecklenburg- Vorpommern und den FO sowie FFW, 2009-2011, in Prozent...8 Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2007 bis 2011, in Mio. Euro...17 Tabelle 3: Einnahmen der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2011, in Euro je Einwohner...23 Tabelle 4: Ausgaben der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 2011, in Euro je Einwohner...26 Tabelle 5: Salden der laufenden Rechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2007 bis 2011, in Euro je Einwohner...29 Tabelle 6: Ausgaben der Kapitalrechnung der kommunalen Gebietskörperschaftsebenen Mecklenburg-Vorpommerns, 2007 bis 2011, in Euro je Einwohner...30 Tabelle 7: Kenngrößen der kreisfreien Städte Mecklenburg-Vorpommerns, 2008 und 2011, in Euro je Einwohner...32 Tabelle 8: Kenngrößen der Landkreise Mecklenburg-Vorpommerns, 2011, in Euro je Einwohner...34 Tabelle 9: Gewogene Durchschnitte der Hebesätze der kommunalen Realsteuern im Vergleich der Flächenländer, 2010...39 Tabelle 10: Schuldenstand der Gemeinden/Gv. im Ländervergleich, 31.12.2011, in Euro je Einwohner...53 Tabelle 11: Bonitätseinschätzung einer Ratingagentur der Kommunen im Ländervergleich, 2006-2008, in Prozent...54 Tabelle 12: Der Förderungsvergleich für Mehrspartentheater...74 Tabelle 13: Die finanzwirtschaftlichen Grunddaten der Mehrspartentheater...75 Tabelle 14: Hebesätze der Realsteuern, verschiedene Jahre, in v. H...91 Tabelle 15: Kreisumlage in Euro je Einwohner und Kreisumlagesatz in Prozent, verschiedene Jahre...92 VII

Abkürzungsverzeichnis a. F. alte Fassung AufgZuordG M-V AG ARGE BBSR BIP Difu EigVO M-V EStG ESVG EuGH EURIBOR EW FAG M-V GemHVO GemHVO-Doppik GemKVO-Doppik GFK GG GmbHG GrEStG Gv. GVOBl. M-V Hartz IV HGrG HKR-Verfahren HOAI IMK KAG M-V KdU KFS KGSt KPG M-V Aufgabenzuordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Arbeitsgruppe Arbeitsgemeinschaft gemäß 44 b SGB II Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Bruttoinlandsprodukt Deutsches Institut für Urbanistik Eigenbetriebsverordnung Mecklenburg-Vorpommern Einkommensteuergesetz Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen Europäischer Gerichtshof Euro Interbank Offered Rate Einwohner Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Gemeindehaushaltsverordnung (kameral) Gemeindehaushaltsverordnung-Doppik Gemeindekassenverordnung-Doppik Vierteljährliche Kassenstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände des Statistischen Bundesamtes Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Grunderwerbsteuergesetz Gemeindeverbände Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Haushaltsgrundsätzegesetz Haushalts- und Kassenrechnungsverfahren Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Innenministerkonferenz Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern Kosten der Unterkunft und Heizung Kreisfreie (und große kreisangehörige Städte) Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement Kommunalprüfungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern KommDoppikEG M-V Gesetz zur Einführung der Doppik im kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen KLR KV M-V LHO M-V LK Kosten- und Leistungsrechnung Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern Landkreise IX

LNOG M-V LRHG LVerG Landkreisneuordnungsgesetz Landesrechnungshofgesetz Landesverfassungsgericht MST Schwerin ggmbh Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin ggmbh n. F. neue Fassung NKHR M-V OVG SGB II SGB VIII SGB XII SoBEZ StPlV TOG TVP TVöD Tz./Tzn. VerfGH Verf. M-V VG VGR VTR VV-Kor VzÄ Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen Mecklenburg-Vorpommern Oberverwaltungsgericht Zweites Buch Sozialgesetzbuch Achtes Buch Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch Sondesbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (Bundesergänzungszuweisungen für die ostdeutschen Länder) Stellenplanverordnung Theater- und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz Theater Vorpommern Greifswald/Stralsund Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Textziffer(n) Verfassungsgerichtshof Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern Verwaltungsgericht Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Volkstheater Rostock Verwaltungsvorschrift zur Bekämpfung von Korruption in der Landesverwaltung Vollzeitäquivalent X

Länderbezeichnungen BB BW BY HE MV NI NW RP SH SL SN ST TH FO FFW D Brandenburg Baden-Württemberg Bayern Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Durchschnitt der Flächenländer Ost ohne MV (BB, SN, ST und TH) Durchschnitt der finanzschwachen Flächenländer West (NI, RP, SL und SH) Deutschland Bezeichnungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sowie der Altlandkreise HGW NB HRO LH SN HST HWI DBR DM GÜ LWL MST MÜR NVP NWM OVP PCH RÜG UER Universitäts- und Hansestadt Greifswald Neubrandenburg Hansestadt Rostock Landeshauptstadt Schwerin Hansestadt Stralsund Hansestadt Wismar Landkreis Bad Doberan Landkreis Demmin Landkreis Güstrow Landkreis Ludwigslust Landkreis Mecklenburg-Strelitz Landkreis Müritz Landkreis Nordvorpommern Landkreis Nordwestmecklenburg Landkreis Ostvorpommern Landkreis Parchim Landkreis Rügen Landkreis Uecker-Randow XI

Bezeichnungen der Landkreise NWM LP LRO VR MSP VG Landkreis Nordwestmecklenburg Landkreis Ludwigslust-Parchim Landkreis Rostock Landkreis Vorpommern-Rügen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte Landkreis Vorpommern-Greifswald XII

I. Einleitung 1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalprüfung (1) Nach Art. 68 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Verf. M-V) überwacht der Landesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes. Er untersucht hierbei die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung. Ferner ist der Landesrechnungshof auch zuständig, soweit Stellen außerhalb der Landesverwaltung und Private Landesmittel erhalten oder Landesvermögen oder Landesmittel verwalten. Der Landesrechnungshof überwacht nach Art. 68 Abs. 4 Verf. M-V auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung der kommunalen Körperschaften und der übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen. (2) Demgegenüber ist nach 4 ff. Kommunalprüfungsgesetz (KPG M-V) der Landesrechnungshof für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften verantwortlich, die der unmittelbaren Rechtsaufsicht des Landes unterliegen (kreisfreie und große kreisangehörige Städte sowie Landkreise). Im Übrigen ist der Landrat gemäß 6 KPG M-V für die überörtliche Prüfung der kommunalen Körperschaften zuständig, für deren Rechtsaufsicht er verantwortlich ist. Der Landesrechnungshof kann darüber hinaus Querschnittsprüfungen im Benehmen mit dem Ministerium für Inneres und Sport 1 durchführen. (3) Bei der überörtlichen Prüfung wird insbesondere festgestellt, ob die Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie die sonstige Verwaltungstätigkeit der kommunalen Körperschaft und ihrer Sondervermögen den Rechtsvorschriften und den Weisungen der Aufsichtsbehörden entsprechen (Ordnungsprüfung), die Kassengeschäfte ordnungsgemäß geführt werden (Kassenprüfung) und die Verwaltung der kommunalen Körperschaft oder ihre Sondervermögen sachgerecht und wirtschaftlich geführt wird (Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung). (4) Der Umgang mit den Prüfungsergebnissen obliegt letztlich den kommunalen Körperschaften, sie können zudem als Grundlage für Entscheidungen der Kommunalaufsicht dienen. 1 Im Folgenden stets Innenministerium genannt. 1

Auf der Basis der Prüfungsergebnisse sollen Korrekturnotwendigkeiten der bisherigen Verwaltungspraxis und Erfolg versprechende Gestaltungsmöglichkeiten für die künftige Haushalts- und Wirtschaftsführung aufgezeigt werden. (5) Aufgrund des Umfanges der Aufgaben und seiner begrenzten Personalressourcen setzt der Landesrechnungshof bei der Auswahl seiner Prüfungsvorhaben Prioritäten. Bei der Entscheidung über die Prüfungsplanung stützt sich der Landesrechnungshof auf alle ihm zugänglichen Informationen. Dabei bezieht er im Kommunalbereich auch die allgemeine Haushaltslage der Kommunen in seine Überlegungen ein. (6) Der jährliche Kommunalfinanzbericht, der ein Teil des Jahresberichts an den Landtag ist ( 97 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern [LHO M-V]), wird deshalb mit einer Darstellung des aktuellen Standes der kommunalen Finanzwirtschaft und deren Entwicklung sowie der Auswertung wesentlicher Änderungen eingeleitet (Abschnitt II und III). Darüber hinaus nimmt der Landesrechnungshof zu aktuellen Reformdiskussionen Stellung (Abschnitt IV und V). (7) Neben dem zuvor skizzierten allgemeinen Teil des Kommunalfinanzberichts werden die Ergebnisse zu den überörtlichen Prüfungen sowie die sich daraus ergebenden Empfehlungen in Abschnitt VI vorgestellt. Außerdem enthält der Kommunalfinanzbericht Ergebnisberichte bezüglich der Prüfungen kommunaler Beteiligungen (Abschnitt VII). In diesen Abschnitten nimmt der Landesrechnungshof die Fälle auf, die für die Entlastung der Regierung durch den Landtag bedeutsam sein könnten (Art. 67 Absatz 3 Verf. M-V).2 (8) Sowohl das Innenministerium als oberste Rechtsaufsicht als auch das Finanzministeri- um Mecklenburg-Vorpommern sind zum Entwurf des Kommunalfinanzberichts angehört worden. Gleichzeitig haben die Geschäftsstellen der kommunalen Landesverbände Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Hinweise der angehörten Ministerien sowie der Geschäftsstellen der kommunalen Landesverbände wurden im vorliegenden Bericht bzw. werden bei der Erstellung künftiger Kommunalfinanzberichte berücksichtigt. 2 2 Für weitere Informationen bezüglich des verfassungsrechtlichen Auftrages und der rechtlichen Stellung sowie der Organisation, der Aufgaben sowie der Arbeitsweise des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern siehe Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2012): Grundlagen der Finanzkontrolle und der öffentlichen Haushaltswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern.

2 Vorbemerkungen (9) Die Analyse der finanzwirtschaftlichen Entwicklung und der finanziellen Situation der kommunalen Haushalte Mecklenburg-Vorpommerns basiert vor allem auf der Kassenstatistik des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern (Kassenstatistik) und der Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes (GFK). Die notwendige länderübergreifende Vergleichbarkeit der Haushaltsdaten, die der durchgeführten Benchmarkingmethode zugrundeliegen, machen einen Rückgriff auf die GFK notwendig. Daher ist die vom Innenministerium und vom Landkreistag für wünschenswert erachtete durchgehende Verwendung der Kassenstatistik des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich. (10) Zu berücksichtigen ist, dass im Gegensatz zu der Veröffentlichung des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern das Statistische Bundesamt auf Bundesebene nicht alle relevanten Gruppierungen in den Ergebnistabellen der kommunalen Ebene darstellt. Dies sind vor allem Zahlungen, die durch Leistungen nach dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) durch die neu eingeführten Gruppierungen (192, 193, 786, 787) abgebildet werden. Ein Teil der Leistungen sind direkte Zahlungen des Bundes an die relevanten kommunalen Stellen. Um einen ganzheitlichen Überblick im Sinne eines Gesamthaushaltes (Bund, Länder und Kommunen) zu erhalten, weist das Statistische Bundesamt diese Leistungen lediglich auf der Ebene des Bundes nach. Diese Leistungen sind deshalb in der GFK nicht enthalten. Aus diesem Grund bestehen geringfügige Abweichungen zwischen der GFK und der Kassenstatistik, die zum Beispiel am Finanzierungssaldo erkennbar werden. Wenn möglich, werden die Quellen der Abweichungen kenntlich gemacht. (11) Bei der Kassenstatistik des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern ist zusätzlich zu beachten, dass wegen der Landkreisneuordnung 2011 in Mecklenburg-Vorpommern aus methodischen Gründen zum Teil auf die Darstellung von vergleichbaren finanzstatistischen Vorjahresangaben verzichtet wurde, da es beispielsweise keine Vorjahresangaben für die neuen Landkreise gibt. Auf die Darstellung und folglich auch auf eine Veröffentlichung 3

der Finanzlage der neuen großen kreisangehörigen Städte im Rahmen der kommunalen Kassenstatistik hat das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern zunächst gänzlich verzichtet.3 (12) Die Landesregierung wird daher ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass zukünftig auch die Daten der großen kreisangehörigen Städte regelmäßig im Rahmen der kommunalen Kassenstatistik finanzstatistisch ausgewertet und veröffentlicht werden, da diese Kommunen wegen ihrer zentralen Funktion eine herausragende Stellung in Mecklenburg-Vorpommern einnehmen. (13) Die Ergebnisse der Kassenstatistik und der GFK des Jahres 2011 bilden in diesem Kommunalfinanzbericht wie gewohnt die Kernhaushalte der Kommunen ab. Seit einigen Jahren beeinträchtigen jedoch Ausgliederungen von Aufgabenbereichen in Eigenbetriebe oder Eigengesellschaften aus den Kernhaushalten die Datenqualität zunehmend, da durch die unterschiedlichen Ausgliederungen die Haushaltsstrukturen der Kernhaushalte nicht mehr ohne weiteres vergleichbar sind. Deswegen hat das Statistische Bundesamt erstmals auch die Daten für das Jahr 2011 einschließlich der Extrahaushalte (der kommunalen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen des Staatssektors) gemäß dem sogenannten Schalenkonzept4 veröffentlicht. Damit soll die finanzwirtschaftliche Situation der Länder und Kommunen besser abgebildet werden. Zusätzlich soll dadurch die Vergleichbarkeit der finanzstatistischen Länderzahlen erhöht werden. (14) Der Landesrechnungshof wird in den zukünftigen Kommunalfinanzberichten ebenfalls die Kern- und Extrahaushalte der Kommunen statistisch aufbereiten. In diesem Jahr hat er davon Abstand genommen, um die aus den zuvor veröffentlichten Kommunalfinanzberichten bekannten Zeitreihen fortzuführen. Dies ermöglicht, die Daten über einen längeren Zeitraum darzustellen und Entwicklungen auszuwerten. 3 4 4 Das Statistische Amt Mecklenburg-Vorpommern hat dem Landesrechnungshof dankenswerterweise mittlerweile mithilfe einer Sonderauswertung die Daten für die ehemaligen und nun großen kreisangehörigen Städte (Hansestädte Wismar, Stralsund und Greifswald sowie Stadt Neubrandenburg) zur Verfügung gestellt, die schon bei der Erstellung dieses Berichts berücksichtigt wurden. Das Modell des Schalenkonzepts stellt den Rahmen für die Integration von öffentlichen Haushalten und öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen dar. Zugleich wird damit die Verbindung zum Sektor Staat im Sinne des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) hergestellt. Das Schalenkonzept besteht aus einem Kern, den die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden/Gv. und die So zialversicherung bilden. Die mittlere Schale umfasst die sogenannten Extrahaushalte (öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen), die nach den Regeln des ESVG zum Staatssektor zählen. Kern- und Extrahaushalte werden zum öffentlichen Gesamthaushalt zusammengefasst. Die äußere Schale enthält alle sonstigen öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (Angaben vom Statistischen Bundesamt entnommen, vgl. Statistisches Bundesamt (2012): Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts 1.-4. Vierteljahr, Fachserie 14, Reihe 2, S. 48).

Ferner sind die Abweichungen der Ergebnisse für die Kernhaushalte zu den Ergebnissen für die Kern- und Extrahaushalte für Mecklenburg-Vorpommern relativ gering, so dass trotz der alleinigen Auswertung der Kernhaushalte die Fehlerquote vertretbar bleibt. (15) Über die beiden Kassenstatistiken hinaus werden auch sonstige Finanz-, Personal- oder Schuldenstatistiken des Statistischen Bundesamtes und des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern genutzt. Dabei wird auch Datenmaterial verwendet, das auf Anfrage des Landesrechnungshofes vom Statistischen Bundesamt oder Statistischen Amt Mecklenburg-Vorpommern zur Verfügung gestellt wurde. (16) Um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten, wurden die Zahlenangaben grundsätzlich gerundet. Differenzen in den nachstehenden Berechnungen und Beträgen sind Rundungen geschuldet. (17) Für den interkommunalen Vergleich wird vor allem die auf die Einwohnerzahl bezo- gene Kennzahl herangezogen, die es ermöglicht, größenbedingte Unterschiede zu berücksichtigen und Vergleichbarkeit herzustellen. Für den zeitlichen Vergleich wird u. a. auf Veränderungsraten zurückgegriffen, die es erlauben, Aussagen über die Entwicklung bestimmter Kennziffern zu tätigen. Als Basis dienen generell die Bevölkerungszahlen des Statistischen Bundesamtes jeweils zum 30. Juni des betreffenden Jahres. (18) Die hiesigen einwohnerbezogenen Daten werden ferner mit Durchschnittswerten ver- glichen, die entweder für die Kommunen der vier finanzschwachen Westflächenländer (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein)5 oder für die Kommunen der übrigen ostdeutschen Länder (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen)6 gebildet werden. (19) Die Kommunen der finanzschwachen Ostländer werden als Referenz herangezogen, weil diese, wie auch die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns, an umfangreichen fiskalischen Leistungen infolge des teilungsbedingten Aufbauprozesses partizipieren. Außerdem werden die Kommunen der finanzschwachen Westflächenländer als Benchmark verwendet, da die hiesigen Kommunen mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2020 perspektivisch über ein ähnliches einwohnerbezogenes Einnahmeniveau verfügen werden. Zusätzlich sind die Anpassungsfortschritte des Landes Mecklenburg-Vorpommerns und seiner 5 6 FFW ist die Abkürzung für den Durchschnitt der Kommunen der finanzschwachen Flächenländer West. FO steht für den Durchschnitt der Kommunen der übrigen ostdeutschen Flächenländer. 5

Kommunen an die FFW der Maßstab für die Bewertung des Mitteleinsatzes der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ) 7. (20) Die Bildung von diesen Durchschnittswerten führt zusätzlich noch dazu, dass strukturelle Unterschiede ausgeglichen und die analysierten Daten dadurch aussagekräftiger werden. Ferner werden die mit diesem Ansatz ermittelten Unterschiede in Form von Mehr- bzw. Minderausgaben auf die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns hochgerechnet. (21) Ziel dieses Benchmark-Ansatzes ist es, strukturell bedingte, statistische Unterschiede hervorzuheben und die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um Effizienzpotenziale bzw. Handlungsbedarfe für Konsolidierungsmaßnahmen kenntlich zu machen und dann daraus gegebenenfalls Empfehlungen abzuleiten. 7 Die SoBEZ dienen gemäß 11 Abs. 3 FAG zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft. Mecklenburg-Vorpommern hat 2011 rd. 850 Mio. Euro im Rahmen der SoBEZ erhalten. Die Kommunen partizipieren von dieser Zuweisungssumme im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs gemäß 7 Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (FAG M-V). 6

II. Lage der kommunalen Finanzwirtschaft Mecklenburg- Vorpommerns 1 Strukturelle Rahmenbedingungen (22) Mit dem Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) und dem dort enthaltenen Landkreisneuordnungsgesetz (LNOG M-V) vom 12. Juli 2010 besteht Mecklenburg- Vorpommern seit dem 4. September 2011 aus zwei kreisfreien Städten (Hansestadt Rostock und Landeshauptstadt Schwerin) und aus sechs Landkreisen (Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim, Landkreis Rostock, Mecklenburgische Seenplatte, Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald). (23) Sowohl Analysen des Landesrechnungshofes als auch verschiedene Untersuchungen der Landesregierung haben gezeigt, dass durch die Vergrößerung der kommunalen Körperschaften erhebliche Einsparungen bei den Personalausgaben wie auch beim Verwaltungs- und Betriebsaufwand zu erwarten sind. (24) Der Landesrechnungshof hat 2012 begonnen, den Umsetzungsprozess der Kreisgebietsreform im Rahmen einer Prüfung der neuen Landkreise Vorpommern-Greifswald und Vorpommern-Rügen zu begleiten, um den Landkreisen bei der Erreichung der Ziele der Kreisgebietsreform zu unterstützen. (25) Im Zuge der Kreisgebietsreform wurden verschiedene Aufgaben vom Land an die neuen Kreise übertragen. Das Ziel dabei war, die Effizienz bei der Aufgabenerledigung zu erhöhen (Funktionalreform). Nach dem Aufgabenzuordnungsgesetz (AufgZuordG M-V) übernehmen die Landkreise seit dem 1. Juli 2012 insbesondere die Gewährung von Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz sowie die Aufgaben des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. (26) In dem nachfolgenden Abschnitt werden zunächst kurz strukturelle Rahmenbedingungen erläutert, die einen Erklärungsbeitrag für die im Abschnitt II dargestellte kommunale Finanzsituation Mecklenburg-Vorpommerns zu leisten vermögen. (27) Die wesentlichen Faktoren, die die strukturellen Rahmenbedingungen beschreiben, sind die Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftskraft, die demografische Entwicklung, der Arbeitsmarkt sowie der Sozialbereich. Diese Faktoren, die bestimmte, kurzfristig nur gering- 7

fügig beeinflussbare Merkmale zeigen, müssen bei der Beurteilung der kommunalen Finanzsituation beachtet werden.8 (28) Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Indikator für die volkswirtschaftli- che Gesamtleistung stieg in Mecklenburg-Vorpommern 2011 gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Prozent. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt lag die Wachstumsrate hingegen bei 2,4 Prozent, in Sachsen bei 2,7 Prozent und in Thüringen bei 3,4 Prozent. Auch im bundesweiten Vergleich des Wirtschaftswachstums nahm Mecklenburg-Vorpommern den letzten Platz ein. Damit kann festgehalten werden, dass Mecklenburg-Vorpommern zwar weniger negativ vom konjunkturellen Abschwung in 2009 betroffen war, zugleich aber auch deutlich weniger am konjunkturellen Aufschwung 2011 partizipiert. Ursache dafür ist der relativ geringe Anteil exportorientierter Industrieunternehmen (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in Mecklenburg-Vorpommern und den FO sowie FFW, 2009-2011, in Prozent 9 BB MV SN ST TH NI RP SL SH 2009-3,4-0,3-4,1-5,6-5,3-4,0-4,5-11,9-2,1 2010 1,9 0,3 1,9 2,0 2,9 4,9 3,4 3,9 0,4 2011 2,4 1,3 2,7 2,4 3,4 3,3 3,3 4,1 2,1 Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder; eigene Berechnungen. (29) In Abbildung 1 ist deutlich zu erkennen, dass die Wirtschaftskraft in sämtlichen west- deutschen Flächenländern ungleich höher ist als in den ostdeutschen Ländern. Die Wirtschaftskraft Mecklenburg-Vorpommerns ist Pro-Kopf mit 21.363 Euro die geringste. 8 9 8 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2012): Kommunale Kassenkredite hohe Belastung jetzt, hohes Risiko für die Zukunft, in: BBSR-Analysen KOMPAKT 07/2012. Abweichende Angaben gegenüber den Landes- und Kommunalfinanzberichten der Vorjahre sind auf die Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zurückzuführen.

Abbildung 1: Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen im Ländervergleich, 2011, in Euro je Einwohner 55.000 52.731 50.000 in Euro je EW 45.000 42.505 40.000 37.616 34.943 35.545 35.000 31.893 25.000 28.311 28.306 30.000 30.059 29.153 25.967 22.051 21.363 22.970 22.336 21.608 20.000 15.000 10.000 5.000 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder; eigene Berechnungen. (30) Der Abstand zu Sachsen (22.970 Euro je Einwohner), Sachsen-Anhalt (22.336 Euro je Einwohner), Thüringen (21.608 Euro je Einwohner) und Brandenburg (22.051 Euro je Einwohner) ist jedoch relativ gering, so dass diese Länder über ähnliche strukturelle und ökonomische Rahmenbedingungen verfügen wie Mecklenburg-Vorpommern. (31) Bei den zuvor genannten Daten ist darauf hinzuweisen, dass die Daten für den Zeit- raum von 2008 bis 2011 im Jahr 2011 turnusmäßig und im Rahmen europäischer Rechtsvorschriften sowie auf Grundlage internationaler Standards überarbeitet worden sind. Dabei wurden die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), darunter auch das Bruttoinlandsprodukt, durch revidierte Daten und Statistiken sowie durch andere Berechnungsmethoden ermittelt. Zu den in größerem Umfang verwendeten Daten gehören zum Beispiel genauere Strukturerhebungen im Dienstleistungsbereich. Dadurch unterscheiden sich die revidierten Länderergebnisse des Bruttoinlandsprodukts zum Teil erheblich von den bisher veröffentlichten Daten. Insbesondere das Niveau des Bruttoinlandsprodukts der ostdeutschen Länder war in der Vergangenheit scheinbar überzeichnet. Dementsprechend war auch die Wirtschaftskraft Mecklenburg-Vorpommerns zu hoch ausgewiesen. Im Vergleich zu den Ergebnissen vor der Revision ist für Mecklenburg-Vorpommern ein um rd. 4,5 Prozent niedrigeres Bruttoinlandsprodukt für das Jahr 2011 festzustellen. Diese Differenzen könnten zukünftig Auswirkungen auf bundesweite finanzpolitische Entscheidungen haben, da sich nunmehr der Angleichungsprozess der ostdeutschen Flächenländer an das BIP der westdeutschen Flächenländer statistisch negativ darstellt. 9

(32) Die finanzielle Lage der privaten Haushalte spiegelt sich u. a. auch durch das verfüg- bare Pro-Kopf-Einkommen10 wider und kann die schwierigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen in Mecklenburg-Vorpommern bestätigen. Die Daten liegen derzeit bis zum Jahr 2009 vor und weisen für Mecklenburg-Vorpommern einen Wert von 15.226 Euro je Einwohner auf. Gemessen am Bundesdurchschnitt stehen den privaten Haushalten Mecklenburg-Vorpommerns damit nur 80,2 Prozent an Einkommen zur Verfügung. Mithin bildet Mecklenburg-Vorpommern beim Einkommen im Ländervergleich das Schlusslicht (vgl. Abbildung 2).11 Abbildung 2: Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte Mecklenburg-Vorpommerns, 2009, in Euro je Einwohner 18.983 21.000 20.000 15.226 15.793 15.039 15.417 14.619 15.086 13.919 14.000 14.922 16.148 15.051 14.853 14.361 15.197 15.087 15.607 15.241 15.070 15.000 15.711 16.000 14.772 in Euro je EW 17.000 15.290 18.000 16.177 19.000 13.000 12.000 11.000 10.000 9.000 8.000 KFS NB LH SN HWI HGW HRO HST LK DBR GÜ MST NVP OVP RÜG DM LWL MÜR NWM PCH UER MV D Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. (33) Innerhalb des Landes wird beim verfügbaren Einkommen ein Ost-West-Gefälle deut- lich: Über das geringste Einkommen verfügten die Einwohner im Altlandkreis Uecker-Randow mit 13.919 Euro je Einwohner. Das Einkommen lag damit noch weit unter dem Durchschnitt aller Altlandkreise mit 15.197 Euro je Einwohner, während das höchste einwohnerbezogene Einkommen im Altlandkreis Bad Doberan mit 16.177 Euro zu verzeichnen war. (34) Bei der Betrachtung der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte ist bemer- kenswert, dass die Stadt Neubrandenburg mit 15.711 Euro je Einwohner das höchste verfügbare Einkommen der privaten Haushalte aufweist. Über dem Landesdurchschnitt in Höhe von 15.226 Euro lag das verfügbare Einkommen je Einwohner außerdem in der Hansestadt Ro10 11 10 Bei der Berechnung des verfügbaren Einkommens werden geleistete Einkommen- und Vermögenssteuern sowie Sozialabgaben abgezogen und empfangene monetäre Sozialleistungen hinzuaddiert. Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 2) Landesfinanzbericht 2011, S. 25 ff.

stock (15.241 Euro je Einwohner) und in der Landeshauptstadt Schwerin (15.607 Euro je Einwohner). (35) Festzuhalten bleibt, dass die Spreizung des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte im kreisangehörigen Raum demnach wesentlich höher ist als unter den kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten. Das höhere verfügbare Einkommen in den Ober- und Mittelzentren deutet daraufhin, dass die Zentren in Mecklenburg-Vorpommern von hoher Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind. (36) Mecklenburg-Vorpommern ist als das einwohnerschwächste ostdeutsche Land von ei- nem permanenten Bevölkerungsrückgang betroffen. So verringerte sich auch im Vergleich zum Jahr 2010 die Bevölkerung nochmals um 8.860 Einwohner auf 1.637.679 (Stichtag 30. Juni 2011). Damit beträgt der Anteil Mecklenburg-Vorpommerns an der Gesamtbevölkerung Deutschlands nur noch 2,00 Prozent. Im Jahr 1995 betrug diese Relation noch 2,24 Prozent. (37) Die 4. Landesprognose, die die Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpom- mern für den Zeitraum von 2006-2030 beschreibt, prognostiziert in der mittleren Variante, dass die Bevölkerung 2030 nur noch rd. 1.451.887 Einwohner betragen wird. 12 Dies bedeutet einen nochmaligen Einwohnerverlust im Vergleich zu 2011 in Höhe von 185.792 Einwohnern, was nahezu der Einwohnerzahl der Hansestadt Rostock entspricht. (38) Der Schrumpfungsprozess verläuft in den kreisfreien Städten und Landkreisen sehr unterschiedlich. Während zum Beispiel die Stadt Neubrandenburg bis 2030 voraussichtlich 23 Prozent ihrer Einwohner verlieren wird, bleibt die Einwohnerzahl der Landeshauptstadt Schwerin vergleichsweise konstant, da nur ein Rückgang von rd. 5 Prozent erwartet wird. (39) Hervorzuheben ist zudem, dass die Bevölkerung der Hansestädte Rostock (+3 Prozent) und Greifswald (+11 Prozent) voraussichtlich zunimmt. Bei den Landkreisen werden durchgängig starke Verluste erwartet. Der Altlandkreis Nordvorpommern wird demnach bis 2030 rd. 24 Prozent seiner Einwohner verlieren, der Altlandkreis Demmin sogar 38 Prozent (vgl. Abbildung 3). 12 In der pessimistischen Variante wird ein Rückgang der Bevölkerung in 2030 auf 1.312.105 Einwohner vorausgesagt. Bei der optimistischen Variante wird hingegen eine Bevölkerungsgröße von 1.564.392 Einwohner im Jahr 2030 erwartet. 11

Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern nach der amtlich koordinierten Vorausschätzung, 2006 bis 2030, in Prozent LK UER RÜG PCH OVP NWM NVP MÜR MST LWL GÜ DM DBR KFS HWI HST SN HRO NB HGW -20% -15% -16% -26% -17% -6% -24% -15% -35% -12% -26% -38% -45% -12% -2% 0% -5% -5% 3% -23% 11% -35% -25% -15% -5% 5% 15% Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; eigene Berechnungen. (40) Dieser Rückgang hat über den Mechanismus des Länderfinanzausgleichs und kommu- nalen Finanzausgleichs direkt Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Kommunen, da die Bevölkerungszahl die Basis zur Berechnung der Ausgleichszahlungen darstellt. Zusätzlich zum Bevölkerungsrückgang muss auch die Altersstrukturveränderung in Mecklenburg-Vorpommern beachtet werden. Im Jahr 2030 wird voraussichtlich die Bevölkerungsgruppe der über 64-jährigen 36,2 Prozent oder rd. 526.000 Einwohner betragen. Dies entspricht einer Steigerung bezogen auf das Basisjahr 2006 von 15,6 Prozent. Daher müssen die Kommunen auch mit geringeren Steuereinnahmen beispielsweise bei der Einkommensteuer rechnen, da vor allem die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sinkt. (41) Auf der Ausgabeseite können die Kommunen finanziell belastet werden, da ein dem Bevölkerungsrückgang angepasster Rückbau kommunaler Infrastruktur häufig nicht möglich ist. Kostenremanenzen (höhere Pro-Kopf-Kosten) sind daher zu erwarten.13 (42) Die Landesregierung muss die demografische Entwicklung bei der Ausgestaltung der Förderpolitik berücksichtigen. Insbesondere sollte der Rückbau kommunaler Infrastruktur unterstützt sowie bei dem Ausbau und Erhalt der kommunalen Infrastruktur geprüft werden, ob die geförderten Projekte im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung in den Kommunen langfristig tragbar sind. 13 12 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2009): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2009 (Teil 2) Kommunalfinanzbericht 2009, S. 29 ff.

Dies trifft insbesondere auf Kommunen und Gebiete zu, die von einem erheblichen Einwohnerrückgang betroffen sind. Beispielhaft sind vor allem die Stadt Neubrandenburg und der Altlandkreis Demmin zu nennen (vgl. Abbildung 3). (43) Folglich müssen die Kommunen jedoch ebenso bereit sein, ihre kommunalen Angebo- te an die geringeren Bedarfe anzupassen. Dies bedeutet zum Beispiel, auf freiwillige Ausgaben zu verzichten, um Kosten zu senken und damit die finanzielle Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus sind insbesondere diejenigen kommunalen Pflichtaufgaben in die Konsolidierungsstrategien einzubeziehen, die überwiegend nur das ob und nicht abschließend das wie der kommunalen Aufgabenwahrnehmung regeln. Einsparerfolge bei pflichtigen Aufgaben erhöhen die Disponibilität der kommunalen Haushalte und erlauben Konsolidierungen trotz pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben. Das Land sollte regelmäßig überprüfen, ob und wie der pflichtige Aufgabenkatalog der Kommunen reduziert werden kann. (44) Die SGB II-Quote, die die Summe von Beziehern von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Relation zur Bevölkerung unter 65 Jahren darstellt, kann ein Indikator für den Arbeitsmarkt und der räumlichen sowie sozialdemografischen Verteilung von Hilfebedürftigkeit sein (vgl. Abbildung 4). Abbildung 4: SGB II-Quote im Ländervergleich, 2011, in Prozent 22 20,9 20 16,3 in Prozent 16 14 18,0 17,3 18 14,3 13,9 12,9 11,9 12 11,3 9,7 10 9,7 10,1 8,5 8 7,1 6 5,2 4,4 4 2 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH Quelle: Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister; eigene Berechnungen. (45) Mit einer SGB II-Quote von 16,3 Prozent wies Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2011 nach Sachsen-Anhalt (17,3 Prozent) den zweithöchsten Wert der Flächenländer auf. Dies charakterisiert eine hohe Arbeitslosigkeit und weist auf eine schwierige sozioökonomische Lage in Mecklenburg-Vorpommern hin. Das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt, 13

das hohe Transferleistungen bewirkt, ist ein unmittelbarer Kostenfaktor für die kommunalen Haushalte. So werden die Haushalte der Kommunen zum Beispiel durch die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) belastet, die u. a. von der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften im Rechtskreis nach dem SGB II abhängen. (46) Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Anzahl der Bedarfsgemein- schaften je 1.000 Privathaushalte, wie in der nachfolgenden Abbildung 5 deutlich wird. Im Jahr 2010 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 150 von 1.000 Haushalten zu den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II gezählt. Damit nahm Mecklenburg-Vorpommern vor Sachsen-Anhalt den vorletzten Rang unter den Flächenländern ein. Abbildung 5: Bedarfsgemeinschaften je 1.000 Privathaushalte im Ländervergleich, 2010, Jahresdurchschnitt 167 BG je 1.000 Privathaushalte 160 140 154 150 143 133 126 115 120 110 98 100 92 86 80 87 74 65 60 51 44 40 20 0 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SL SH B HB HH Quelle: Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister; eigene Berechnungen. (47) Gegenüber dem Jahr 2009, in dem noch 154 von 1.000 Haushalten zu den Bedarfsge- meinschaften in Mecklenburg-Vorpommern gezählt werden mussten, hat sich diese Quote nur geringfügig verbessert.14 (48) Die hohe SGB II-Quote kann tendenziell ein Indiz für weitere kommunale Haushalts- belastungen, wie beispielsweise für die Ausgaben nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII [Jugendhilfe]) oder für Ausgaben nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII [Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung]) sein. 14 14 Vgl. Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 1) Kommunalfinanzbericht 2011, S. 11.

2 Entwicklung des kommunalen Gesamthaushaltes (49) Ein erster Überblick über die finanzielle Situation der Kommunen Mecklenburg- Vorpommerns lässt sich am Finanzierungssaldo, der aus dem Saldo der bereinigten Einnahmen und Ausgaben gebildet wird, ablesen (vgl. Abbildung 6). Abbildung 6: Bereinigte Einnahmen und Ausgaben sowie Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2003-2011, in Mio. Euro Finanzierungssaldo Bereinigte Einnahmen Bereinigte Ausgaben 4.000 700 3.900 600 3.800 500 3.700 400 3.600 300 3.500 224 200 3.400 82 79 100 0 in Mio. Euro in Mio. Euro 800-62 26-28 -29 2005 2006 39 3.300 19 3.200-100 3.100 2003 2004 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (50) Deutlich erkennbar ist, dass sich der Finanzierungssaldo von seinem Höchstwert von 224 Mio. Euro im Jahr 2008 auf 82 Mio. Euro im Jahr 2009 und auf 39 Mio. Euro im Jahr 2010 verschlechtert hat. Dem Trend folgend war 2011 nur noch ein Überschuss von 19 Mio. Euro festzustellen. Der Finanzierungssaldo fiel damit zum fünften Mal in Folge positiv aus, verminderte sich jedoch im Vergleich zum Vorjahr um rd. 20 Mio. Euro auf rd. 19 Mio. Euro. (51) Die seit 2007 erreichten positiven Finanzierungssalden haben sich seit 2008 jährlich vermindert. Abgesehen vom negativen Finanzierungssaldo der Kommunen Brandenburgs wies die kommunale Ebene Mecklenburg-Vorpommerns unter den ostdeutschen Ländern den geringsten einwohnerbezogenen Wert auf. Der positive Finanzierungssaldo belegt jedoch, dass die Kommunen des Landes insgesamt ihre Haushalte ausgleichen konnten. 15

(52) Die nachstehende Tabelle 2 stellt die Entwicklung und die maßgeblichen Eckdaten der kommunalen Einnahmen und Ausgaben Mecklenburg-Vorpommerns der Jahre 2007 bis 2011 dar. (53) Im Jahr 2011 beliefen sich die bereinigten Einnahmen auf rd. 3.924 Mio. Euro (+2,3 Prozent, +89 Mio. Euro) und lagen damit sogar über dem bisherigen Höchststand von 2008 in Höhe von rd. 3.910 Mio. Euro. Diese positiv zu bewertende Einnahmesteigerung in Relation zum Vorjahr wird jedoch durch die auf rd. 3.905 Mio. Euro (+2,9 Prozent, +109 Mio. Euro) gestiegenen bereinigten Ausgaben wieder zunichte gemacht, da die bereinigten Ausgaben ebenfalls auf einen bislang noch nicht erreichten Höchstwert gestiegen sind. (54) Angesichts sinkender Solidarpaktmittel und der demografischen Entwicklung müssen die Kommunen mit geringeren Einnahmen rechnen und ihre Aufgaben und somit Ausgabenstrukturen anpassen, um ihre Haushalte zukunftsfest zu machen. (55) Es ist daher Aufgabe der Kommunen, durch einen nachhaltigen kontinuierlichen Verbesserungsprozess die Effizienz der kommunalen Leistungen zu erhöhen, um den Ausgabenanstieg zu begrenzen. Der Landesrechnungshof hat zum Beispiel in seinen überörtlichen Prüfungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte gezeigt, wie das Personal effektiver eingesetzt werden könnte. Ebenso hat er dort deutlich gemacht, dass ein Teil der Sozialausgaben auf vermeidbare Steuerungs- und Kontrolldefizite sowie auf bestehende Ineffizienzen bei der Leistungsgewährung zurückzuführen ist. 15 15 Vgl. zum Beispiel Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2011 (Teil 1) Kommunalfinanzbericht 2011, S. 42 ff. 16

Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden/Gv. in Mecklenburg-Vorpommern, 2007 bis 2011, in Mio. Euro 2007 2008 2009 2010 2011 in Mio. Euro 1. Einnahm en laufe nde Rechnung 2007-2011 2010-2011 Verände rung in % 3.255 3.415 3.375 3.280 3.419 5,0% 4,2% 668 736 716 757 830 24,2% 9,6% Zuw eisungen vom Land 1.878 1.956 1.922 1.783 1.815-3,3% 1,8% Zuw eisungen vom Bund 35 39 44 43 48 39,1% 11,6% 301 291 283 283 283-6,0% 0,0% 2. Einnahm en de r Kapitalre chnung 462 495 458 555 506 9,5% -8,8% darunter: Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land Erlöse aus Vermögensveräußerungen 279 297 301 331 295 5,7% -10,9% 67 72 57 65 66-1,0% 1,5% 3. Bereinigte Einnahmen (1. + 2.) 3.717 3.910 3.833 3.835 3.924 5,6% 2,3% 4. Ausgabe n laufende Re chnung 3.057 3.120 3.182 3.207 3.332 9,0% 3,9% Personalausgaben Lauf ender Sachaufw and 831 673 866 683 903 702 889 724 902 800 8,5% 18,9% 1,5% 10,5% Lfd. Zuw eisungen und Zuschüsse 723 777 788 821 835 15,4% 1,7% Zinsausgaben 113 115 92 82 78-31,2% -4,9% 1.039 1.037 1.084 1.091 1.113 7,1% 2,0% 581 566 569 589 573-1,4% -2,7% Sachinvestitionen - Baumaßnahmen Zuw eisungen und Zuschüsse für Investitionen 455 398 409 351 417 361 432 379 437 375-4,0% -5,7% 1,2% -1,1% 109 114 113 132 107-1,5% -18,9% 6. Bereinigte Ausgaben (4. + 5.) 3.638 3.686 3.751 3.796 3.905 7,3% 2,9% 198 295 193 73 87-56,1% 19,2% 202 185 191 155 148-26,6% -4,5% 248 271 256 214 196-21,0% -8,4% 2.233 2.139 2.051 1.968 1.906-14,7% -3,2% 547 497 485 499 524-4,2% 5,0% 79 224 82 39 19-75,9% -51,3% darunter: Steuern u. steuerähnliche Einnahmen Gebühren, sonstige Entgelte darunter: Sozialausgaben* 5. Ausgabe n der Kapitalrechnung darunter: Saldo der laufenden Rechnung Einnahmen aus Krediten und inneren Darlehen Schuldentilgung Schulden am 31.12. Kassenverstärkungskredite am 31.12. 7. Finanzierungssaldo (3../. 6.) Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Kassenstatistik; eigene Berechnungen. * Ohne die Aufwendungen der Optionskommune Ostvorpommern für Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Bund trägt. Inklusive des optierenden Landkreises fallen die Sozialausgaben um rd. 60 Mio. Euro höher aus. 17

(56) Die Einnahmen der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum 3.419 Mio. Euro (+4,2 Prozent, +139 Mio. Euro), womit die noch im Vorjahr rückläufige Entwicklung gestoppt werden konnte. Bemerkenswert ist die Entwicklung der Einnahmen der Kapitalrechnung, die auf rd. 506 Mio. Euro (-8,8 Prozent, -49 Mio. Euro) gesunken sind, wobei die Verringerung tendenziell mit dem Auslaufen des Konjunkturpaketes II zusammenhängt (vgl. Abbildung 7). Abbildung 7: Veränderungen wesentlicher Einnahmepositionen im Vergleich 2011 zum Vorjahr, in Mio. Euro Einnahmen lauf enden Rechnung 139 darunter: Steuern und steuerähnliche Einnahmen 73 Zuweisungen v om Land 32 Zuweisungen v om Bund 5 Gebühren, sonstige Entgelte 0 Einnahmen Kapitalrechnung -49 darunter: Zuweisungen und Zuschüsse f ür Inv estitionen v om Land -36 Erlöse aus Vermögensv eräußerungen 1 Bereinigte Einnahmen 89-75 -50-25 0 25 50 in Mio. Euro 75 100 125 150 Quelle: Statistisches Bundesamt, GFK; eigene Berechnungen. (57) Wesentliche Veränderungen betreffen auf der Einnahmeseite: die Steuern und steuerähnliche Einnahmen (+9,6 Prozent, +73 Mio. Euro), darunter insbesondere die Gewerbesteuer (+8,2 Prozent, +24 Mio. Euro) und die Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen vom Land (-10,9 Prozent, -36 Mio. Euro). Zu beachten ist ferner, dass die Gebühren- und sonstigen Entgelteinnahmen nicht gestiegen sind. Dies ist beachtenswert, da mit diesen kostenintensive kommunale Leistungsangebote finanziert werden, die teilweise erheblichen Zuschussbedarf aufweisen. (58) Die Ausgaben der laufenden Rechnung betrugen im Berichtszeitraum rd. 3.332 Mio. Euro (+3,9 Prozent, +125 Mio. Euro). Damit wird der Ausgabenanstieg der vergangenen Jahre fortgesetzt. Hier ist insbesondere die im Vergleich zu den Vorjahren besonders hohe Zunahme zu beachten. Zwischen 2009 und 2010 stiegen die laufenden Ausgaben im Gegenteil dazu nur um rd. 0,8 Prozent an. 18