Herausforderung Demografie. Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien. Roland Peter. Gesellschaftliche Veränderungen



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Transkript:

Herausforderung Demografie Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien Roland Peter Gesellschaftliche Veränderungen Wir sind ja nicht gerade auf der Suche nach neuen Themen. Rückzug ist angesagt, die Beschränkung auf Kernaufgaben, wobei niemand so genau weiß, wie groß der Kern sein wird, der übrigbleibt. Manche Themen müssen aber nicht gesucht werden, sie drängen sich auf, sie sind einfach da und müssen angegangen werden. Ein solches Thema ist die Demografische Entwicklung, die für ganz Deutschland einen Rückgang der Bevölkerung bedeutet. Teilweise sind die Auswirkungen schon heute erkennbar, beispielsweise durch die zunehmende Zahl an Leerständen und die signifikante Veränderung der Altersstruktur. Mit unterschiedlicher Ausprägung berührt diese Entwicklung die Zukunftsfähigkeit der Kommunen und damit unmittelbar die Gesellschaft und viele, wenn nicht alle Bereiche des gesellschaftlichen Handelns. In besonderer Weise sind wir als Angehörige einer Verwaltung betroffen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das Handeln auf wesentlichen Politikfeldern zu unterstützen um damit die gesellschaftliche Entwicklung zu fördern. Von der ländlichen bis zur städtischen Bodenordnung stehen wir vor der neuen Herausforderung, den Schrumpfungsprozess zu gestalten, unsere Daten und unsere GIS- Kompetenz können helfen, die notwendigen Entscheidungen vorzubereiten und auf eine solide Basis zu stellen. Die Aktivitäten zur Geodateninfrastruktur (GDI) können dazu beitragen, dass sich die Akteure vernetzen, die Maßnahmen besser abstimmen und so wirtschaftlicher und wirksamer werden in ihren Handlungen. So sehr wir davon überzeugt sind, mit unserem Fachwissen und den Erfahrungen auf diesen Gebieten wichtige Beiträge leisten zu können, sind es zunächst nur Angebote, die wir machen. Und diese Angebote müssen Abnehmer finden, Abnehmer, die bereit sind, mit uns zusammen zu arbeiten und die bereit und in der Lage sind, einen Beitrag zur Erreichung unseres Erlössolls zu leisten. Besonderheit Immobilienbewertung Ganz anders sieht es bei der Wertermittlung von Immobilien aus. Hier sind die Vorschriften, allen voran die Immobilienwertermittlungsverordnung, eindeutig in ihren Aussagen und lassen keinen Zweifel zu: Der Auftrag zur Berücksichtigung des Einflusses der Demografischen Entwicklung bei der Immobilienbewertung ist erteilt wir müssen uns (oder müssten uns schon längst) auf breiter Ebene eingehend mit dem Thema auseinandersetzen. Persönlich bin ich seit ca. 2009 zumindest theoretisch damit befasst. Fahrt aufgenommen hat die ganze Sache dann im Wesentlichen 2010 auf Betreiben des sehr geschätzten Kollegen Lothar Scharold, Dipl.-Betriebswirt (FH) und Gutachter im Gutachterausschuss des Main-Kinzig-Kreises. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass die Ideen, ungeordneten Fragmente und sporadischen Aktivitäten systematisiert und zielgerichtet zu einem Ergebnis geführt wurden, das jetzt vorliegt und das auf Anwendung und Weiterentwicklung wartet. Die ZGGH hat dem AfB Homberg (Efze) dazu den Auftrag erteilt, pilothaft tätig zu werden. Methode im Überblick Von allen Kriterien, die denkbar sind, den Demografischen Wandel zu beschreiben, und daraus Einflüsse auf die Immobilienwerte abzuleiten, sind nach eingehenden Untersuchungen und Diskussionen nur ein paar wenige übrig geblieben. Dies nicht zuletzt deshalb, damit ein für die Praxis taugliches Instru- 1

ment zur Verfügung gestellt wird, das ohne nennenswerten Erhebungsaufwand Ergebnisse liefern kann. Erstes, wichtigstes und bestimmendes Kriterium ist die Entwicklung der Bevölkerungszahl. Weitere Kriterien, die zur Stützung der ersten Einschätzung, zur Minderung oder Verstärkung führen können sind die Altersstruktur, die Entwicklung der Arbeitsplätze, die Leerstände, die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt und die Bodenpreise im Verhältnis zu den Erschließungskosten. Aus der Erkenntnis heraus, dass ein spürbarer Rückgang der Bevölkerung mit all seinen Begleiterscheinungen zu einem Rückgang des Preisniveaus bei Immobilien führt, war die Frage zu beantworten: Wann hat eine Siedlungseinheit praktisch keine Zukunft mehr? Oder anders ausgedrückt: Wann geht der Wert der betroffenen Immobilie praktisch gegen Null? Die Antwort ist nicht ganz leicht und sicher nicht abschließend zu geben. Aus den Erfahrungen in Sanierungsgebieten, aus den Erfahrungen, die im Osten Deutschlands zur Wendezeit gemacht wurden und aus eigenen regionalen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass bei einem Bevölkerungsverlust von 50% die kritische Grenze erreicht ist. Abgeleitet aus den in der Vergangenheit zu verzeichnenden Bevölkerungsrückgängen lässt sich ein linearer Trend ermitteln, der eine Prognose für die Zukunft erlaubt. Prognostiziert wird für jede Kommune, in welchem Zeitraum ein Bevölkerungsrückgang von 50% (Schwellenwert) erreicht sein wird. Der Zusammenhang zwischen den Jahren bis zur Erreichung dieses Schwellenwertes und dem Werteverfall, hier ausgedrückt durch einen prozentualen Abschlag, lässt sich am anschaulichsten in einer Kurve beschreiben (Abbildung Abbildung 1 1). Letztlich ist die Demografische Anpassung als eine Modifizierung des Marktanpassungsfaktors beim Sachwertverfahren zu verstehen, obwohl sie auch bei anderen Wertermittlungsverfahren Anwendung finden kann. Den Abschlägen auf der einen Seite müssen dann aber auch Zuschläge gegenüber stehen, nämlich dort, wo die Verhältnisse besser sind als durch die mittlere Marktanpassung zum Ausdruck kommt. Die weiterentwickelte Kurve (Abbildung 2) hat demzufolge auch einen positiven Ast. Die weiteren Untersuchungskriterien wie Altersstruktur, Arbeitsplätze, Leerstände usw. wie auch weiche Faktoren, die für die Entwicklung einer Kommune Bedeutung haben, dienen dazu, den aus der Bevölkerungsentwicklung gewonnenen Eindruck zu bestätigen, zu verstärken oder auch abzuschwächen. Die Gutachter sind aber gut beraten, wenn sie zu Beginn mit aller Vorsicht agieren und die vorgeschlagenen Anpassungen moderat vornehmen, bis weitere Erfahrungen vorliegen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Betrachtungen zur Demografischen Entwicklung und damit auch die Ableitung der Anpassung auf der Ebene der Kommune vorgenommen werden. Innerhalb einer Kommune sind die Verhältnisse aber sehr differenziert zu Abbildung 2 betrachten, Ortsteile oder einzelne Siedlungsstrukturen können sich bezüglich der relevanten Verhältnisse enorm vom Mittelwert der Kommune unterscheiden. Diese Unterschiede müssen mangels vorliegender Daten abgeschätzt werden und Eingang in die Bestimmung der demografischen Anpassung finden. Es bleibt schwierig. Es wird also kein Patentrezept geliefert, sowohl Sachverstand als auch gutachterliche Erfahrung bleiben notwendig, um den ersten schon überfälligen Einstieg in die Berücksichtigung der Demografischen Entwicklung zu finden. Die Methode ist, richtig angewendet, durchaus geeignet, den ersten Schritt zu gehen, 2

und das AfB Homberg (Efze) wird diesen ersten Schritt tun. Mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen wird es an die Weiterentwicklung gehen. Ein Ziel ist, die theoretischen Überlegungen, die zur Ableitung der Demografiekurve geführt haben, empirisch zu untermauern. Ideen und Planungen gibt es dazu schon. Die angesprochene Methode ist unter dem Titel Methodik zur Berücksichtigung des Einflusses des demografischen Wandels bei der Wertermittlung gemäß 3 ImmoWertV veröffentlicht. Informationen dazu finden sich unter www.demografie-wertgutachten.de im Internet. Auch im WiMa sind zum Thema weitere Informationen eingestellt. Demografische Entwicklung im Bereich des AfB Homberg (Efze) Es ist ja kein Zufall, dass wir uns ausgerechnet in Homberg so eingehend mit dem Thema beschäftigen. Die Prognose des Hessischen Statistischen Landesamtes für 2030 auf der Basis der Daten von 2008 geht von leichtem Bevölkerungsrückgang (-1,1%) im Bereich der Regierungspräsidiums Darmstadt aus. Dabei verzeichnet die Stadt Frankfurt Zuwächse (+4,8%) während im Odenwaldkreis der stärkste Rückgang (-8,5 %) vorhergesagt wird. Die Zahlen der Regierungspräsidien Gießen (-7,7%) und Kassel (-11,2%) sehen da schon etwas dramatischer aus, schaut man sich die Hitliste der Kreise an, ergibt sich folgendes Bild (Tabelle 1): Kreis Prognose bis 2030 jährlich 1. Werra-Meißner (WMK) - 17,8 % - 0,81 % 2. Hersfeld-Rotenburg (HEF-ROF) - 14,8 % - 0,67 % 3. Vogelsberg - 14,7 % - 0,67 % 4. Schwalm-Eder (SEK) - 14,5 % - 0,66 % 5. Waldeck-Frankenberg - 12,4 % - 0,56 % 6. Kassel - 11,1 % - 0,50 % 7. Lahn-Dill - 9,3 % - 0,42 % 8. Odenwald - 8,5 % - 0,39 % Tabelle 1 Den Zuständigkeitsbereich des AfB Homberg bilden also die auf 1, 2 und 4 platzierten Kreise, die Region ist die am stärksten betroffene in Hessen. Die Prognose für 2030 auf der Basis von 2008 sagt dabei nur die halbe Wahrheit, der Rückgang hat schon viel früher begonnen (siehe Abbildung 3). Nach einer Periode des Zuwachses in den Jahren nach der Wende und einer unterschiedlich stark ausgeprägten Stagnation setzte früher oder später der bis heute anhaltende Rückgang ein. Abbildung 3 3

Mit der Normierung auf einen einheitlichen Ausgangspunkt im Jahr 1975 und der Darstellung der absoluten Veränderungen in den Folgejahren werden die Entwicklungen in den drei Landkreisen vergleichbar. Bis 1986 ist der Verlauf in unterschiedlichen Ausprägungen negativ. Der deutliche Rückgang in 1987 im Schwalm- Eder-Kreis und Werra-Meißner-Kreis ist auf die Ergebnisse der Volkszählung zurückzuführen. In den Jahren ab 1989 ist als Folge der Wiedervereinigung in allen drei Landkreisen ein deutlicher Zuwachs festzustellen. Den Hochpunkt und Wendepunkt in der Bevölkerungsentwicklung erreichten die Kreise wiederum zu unterschiedlichen Zeitpunkten, im Werra-Meißner-Kreis in 1994, zwei Jahre darauf im Landkreis Hersfeld- Rotenburg und schließlich in 2001 auch im Schwalm-Eder-Kreis. Seit diesen Zeitpunkten ist der Verlauf kontinuierlich negativ. Abbildung 4 Ähnliche Verläufe sind in den Städten und Gemeinden der Landkreise festzustellen. Besonders anschaulich ist die grafische Darstellung der Verläufe von Bevölkerungszahlen. Nachhaltige Trends und Besonderheiten fallen sofort ins Auge. Das Beispiel aus Guxhagen (Abbildung 4) zeigt einen sehr moderaten Verlauf der Bevölkerungsrückgangs, der in 2001 einsetzt und ein Minus von 3,5% in 9 Jahren ausweist. In Cornberg (Abbildung 5) dagegen setzt der nachhaltige Rückgang bereits 1992 ein, in 18 Jahren ging die Bevölkerung um 21,4% zurück. In der folgenden Tabelle (Tabelle 2) sind für alle Kommunen des Zuständigkeitsbereiches des AfB Homberg das Jahr des Wendepunktes (Beginn des Rückgangs) und der Bevölkerungsrückgang selbst in Prozent dargestellt. Daraus abgeleitet sind die jährliche (lineare) Veränderung und der daraus folgende Zeitraum in Jahren, bis der Schwellenwert von 50 % Bevölkerungsrückgang erreicht sein wird. Dazu betrachten wir wieder die beiden Beispiele: In Guxhagen gingen in den 9 Jahren des Betrachtungszeitraums 3,5% der Bevölkerung verloren, was einem jährlichen linearen Rückgang von 0,39% entspricht. Diese Entwicklung fortgesetzt wird es noch 120 Jahre dauern, bis der Schwellenwert erreicht ist. In Cornberg dagegen hat der Rückgang, wie oben dargestellt, bereits 1992 eingesetzt, in18 Jahren gingen 21,4% der Bevölkerung verloren, jährlich damit durchschnittlich 1,19%. Folglich wird bei Fortsetzung dieser Entwicklung der Schwellenwert in schon 24 Jahren erreicht sein. Aus diesen Betrachtungen heraus ergäbe sich für Guxhagen aus demografischer Sicht zunächst kein Abschlag, der bei der Bewertung von Immobilien zu berücksichtigen wäre. Unter Umständen könnten die Gutachter sogar über einen geringen, prozentualen Zuschlag nachdenken. Letztlich ist der gutachterliche Sachverstand gefordert, auch wenn eine Analyse der weiteren Kriterien dazu noch Hinweise geben kann. Der demografische Abschlag für Cornberg beträgt dagegen vorläufig 25 %. Die Größenordnung ist schon beeindruckend, doch für Insider durchaus plausibel. Hier sind die Auswirkungen bereits sichtbar, die Einbeziehung der weiteren Kriterien wird die Einschätzung im konkreten Bewertungsfall unter Umständen abschwächen, vielleicht aber auch verstärken können. Abbildung 5 4

Bevölkerungsentwicklung im Amtsbezirk des AfB Homberg (Basis 31.12.2010) Wendepunkt Einwohner nachhaltiger im Jahr der Rückgang Wende Einwohner im Basisjahr Betrachtungszeitraum [Jahre] Tabelle 2 50 % Rückgang erreicht in Jahren Veränderung Veränderung Kommune Kreis [%] gesamt [%] jährlich Friedewald HEF/ROF 1989 2511 2475 21 1,4% 0,07% 711 Gudensberg, St. SEK 2005 9152 9107 5 0,5% 0,10% 503 Edermünde SEK 2002 7381 7272 8 1,5% 0,18% 263 Bad Hersfeld, Krst. HEF/ROF 1996 31403 30087 14 4,2% 0,30% 153 Fritzlar, Dom- und Kaiserst. SEK 2001 14877 14427 9 3,0% 0,34% 140 Schrecksbach SEK 1997 3378 3234 13 4,3% 0,33% 139 Guxhagen SEK 2001 5447 5257 9 3,5% 0,39% 120 Schenklengsfeld HEF/ROF 1994 4954 4619 16 6,8% 0,42% 102 Hauneck HEF/ROF 1993 3503 3250 17 7,2% 0,42% 101 Neuenstein HEF/ROF 1996 3290 3088 14 6,1% 0,44% 100 Schwalm-Eder-Kreis SEK 1997 193802 182622 13 5,8% 0,44% 100 Alheim HEF/ROF 1997 5404 5077 13 6,1% 0,47% 94 Körle SEK 2005 2950 2873 5 2,6% 0,52% 91 Willingshausen SEK 2003 5348 5150 7 3,7% 0,53% 88 Niederaula HEF/ROF 2001 5677 5411 9 4,7% 0,52% 87 Witzenhausen, St. WMK 1992 16923 15368 18 9,2% 0,51% 80 Malsfeld SEK 1998 4358 4066 12 6,7% 0,56% 78 Hersfeld-Rotenburg HEF/ROF 1995 133159 122233 15 8,2% 0,55% 76 Haunetal HEF/ROF 1999 3253 3048 11 6,3% 0,57% 76 Wildeck HEF/ROF 1996 5387 4964 14 7,9% 0,56% 75 Ludwigsau HEF/ROF 2000 6038 5672 10 6,1% 0,61% 72 Melsungen, St. SEK 2000 14260 13384 10 6,1% 0,61% 71 Bad Zwesten SEK 1998 4312 4000 12 7,2% 0,60% 71 Ronshausen HEF/ROF 1991 2680 2384 19 11,0% 0,58% 67 Schwalmstadt, St. SEK 2002 19649 18586 8 5,4% 0,68% 66 Neukirchen, St. SEK 2001 7680 7211 9 6,1% 0,68% 65 Felsberg, St. SEK 1997 11616 10631 13 8,5% 0,65% 64 Spangenberg, Liebenbachst. SEK 1996 6817 6200 14 9,1% 0,65% 63 Morschen SEK 1994 4067 3641 16 10,5% 0,65% 60 Wehretal WMK 2000 5665 5255 10 7,2% 0,72% 59 Berkatal WMK 1992 1895 1665 18 12,1% 0,67% 56 Rotenburg a.d.fulda, St. HEF/ROF 1997 15063 13640 13 9,4% 0,73% 56 Homberg (Efze), Krst. SEK 2001 15345 14263 9 7,1% 0,78% 55 Frielendorf SEK 2000 8265 7623 10 7,8% 0,78% 54 Werra-Meißner-Kreis WMK 1993 117903 103750 17 12,0% 0,71% 54 Wabern SEK 2004 7745 7347 6 5,1% 0,86% 52 Meißner WMK 1992 3664 3189 18 13,0% 0,72% 51 Hessisch Lichtenau, St. WMK 1992 14483 12593 18 13,0% 0,72% 51 Borken (Hessen), St. SEK 1996 14383 12830 14 10,8% 0,77% 51 Hohenroda HEF/ROF 1992 3751 3255 18 13,2% 0,73% 50 Kirchheim HEF/ROF 1992 4201 3636 18 13,4% 0,75% 49 Waldkappel, St. WMK 1993 5286 4592 17 13,1% 0,77% 48 Neu-Eichenberg WMK 1998 2024 1815 12 10,3% 0,86% 46 Neuental SEK 2000 3481 3164 10 9,1% 0,91% 45 Eschwege, Krst. WMK 1995 22744 19882 15 12,6% 0,84% 45 Ottrau SEK 1995 2642 2306 15 12,7% 0,85% 44 Herleshausen WMK 2003 3155 2932 7 7,1% 1,01% 43 Meinhard WMK 1992 5742 4887 18 14,9% 0,83% 42 Großalmerode, St. WMK 1993 8033 6871 17 14,5% 0,85% 42 Gilserberg SEK 2001 3642 3317 9 8,9% 0,99% 41 Niedenstein, St. SEK 2003 5691 5279 7 7,2% 1,03% 41 Nentershausen HEF/ROF 1990 3475 2897 20 16,6% 0,83% 40 Bad Sooden-Allendorf, St WMK 1995 9680 8359 15 13,6% 0,91% 40 Bebra, St. HEF/ROF 1995 15976 13789 15 13,7% 0,91% 40 Oberaula SEK 1995 3782 3232 15 14,5% 0,97% 37 Heringen (Werra), St. HEF/ROF 1992 8965 7470 18 16,7% 0,93% 36 Jesberg SEK 1997 2911 2520 13 13,4% 1,03% 35 Wanfried, St. WMK 1995 4940 4204 15 14,9% 0,99% 35 Sontra, St. WMK 1994 9456 7955 16 15,9% 0,99% 34 Philippsthal (Werra) HEF/ROF 1996 4914 4182 14 14,9% 1,06% 33 Ringgau WMK 1993 3732 3078 17 17,5% 1,03% 32 Knüllwald SEK 1993 5592 4612 17 17,5% 1,03% 32 Breitenbach a. Herzberg HEF/ROF 1995 2127 1778 15 16,4% 1,09% 31 Weißenborn WMK 1997 1299 1105 13 14,9% 1,15% 31 Cornberg HEF/ROF 1992 1922 1511 18 21,4% 1,19% 24 Schwarzenborn, St. SEK 1994 1380 1090 16 21,0% 1,31% 22 Hessisches Statistisches Landesamt, Wiesbaden, 2011. Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugsweise, mit Quellenangabe gestattet. 5

Die grafische Darstellung des Gesamtrückgangs der Bevölkerung (hier kommen uns die langjährigen GISErfahrungen zu Gute) gibt zunächst ein anschauliches Bild, wie unterschiedlich die Verhältnisse in der Region sind. Aber auch regionale Zusammenhänge werden erkennbar, Analysen über Ursachen und Wechselwirkungen wesentlich vereinfacht. Beschäftigt man sich zunächst nur mit Zahlen und Tabellen, wird beim Schritt in die Grafik der viel beschworene Mehrwert besonders deutlich (Abbildung 6). Fazit und Ausblick Die breitangelegte Einbeziehung der Auswirkungen der demografischen Entwicklung in die Bewertung von Immobilien ist überfällig. Die am stärksten betroffene Region beginnt pilothaft, eine für die Praxis konzipierte Methode anzuwenden und weiterzuentwickeln. Es ist aber niemand gehindert, es dem AfB Homberg gleichzutun und über die Ergebnisse zu berichten, so wie auch von hier über Ergebnisse und neue Erkenntnisse berichtet wird. Dazu bietet das Wissensmanagementsystem der HVBG (WIMA) eine gute Plattform dort ist bereits dieser Artikel und sind weitere Informationen eingestellt. Die laufende Aktualisierung und Ergänzung ist vorgesehen. Wenn von Weiterentwicklung gesprochen wird, so ist damit in erster Linie gemeint, das theoretische Modell durch empirische Untersuchungen zu prüfen. Im besten Fall finden wir Bestätigung, eventuell wird dabei aber ein etwas anderer Kurvenverlauf ermittelt. Bis dahin bleibt für die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung das theoretische Modell. Moderat angewendet wird es zumindest einen Anhalt bieten, gegenüber subjektiver Einschätzung die Gleichbehandlung ermöglichen und im Gutachten nachvollziehbar dargestellt werden können. Den Sachverstand der Gutachter kann die Methode nicht ersetzen. Neben der sachgerechten Abbildung 6 Einbeziehung weiterer Kriterien für die Bestimmung von Zu- und Abschlägen ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die Ableitung des Schwellenwertes für die Kommune als Ganzes gilt. Die einzelne Siedlungsstruktur kann wesentlich andere Verhältnisse aufweisen. Aus Sicht der Immobilienbewertung, aber auch aus planerischer Sicht ist es unbedingt erforderlich, die Daten zur Bevölkerungsentwicklung und zu anderen Kriterien gemarkungsweise zu erfassen und auszuwerten. Im Übrigen ist die Datenbeschaffung einfach auch dazu finden sich Hinweise im WIMA und das AfB Homberg steht gerne mit Rat zur Seite. Quellennachweis Abbildung 1 und 2: Scharold/Peter, Methodik zur Berücksichtigung des Einflusses des demografischen Wandels bei der Wertermittlung gemäß 3 ImmoWertV. http://www.demografie-wertgutachten.de/ Tabelle 1: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistische Berichte, Bevölkerung in Hessen 2060, Ergebnisse der regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung bis 2030 auf der Basis 31.12.2008, Kennziffer: A I 8 Basis 31.12.2008, August 2010 Abbildung 3 6, Tabelle 2: Auswertungen der Geschäftsstelle Gutachterausschuss beim AfB Homberg (Efze) auf der Grundlage von Daten des Hessischen Statistischen Landesamtes. 6