Vortragsreihe zum 100. Jubiläum des Neuen Rathauses Alles bar bezahlt, Majestät! Rathäuser als Spiegel der städtischen Finanzlage damals und heute Vortrag von Stadtkämmerer Dr. Marc Hansmann 28. Mai, 18.00 Uhr im Historischen Museum
1. Zehn Millionen Mark und alles bar bezahlt, Majestät! Drei Legenden: 1. Baukosten eher bei 11 Mio. Mark (ursprünglich geplant: 6 Mio. Mark) 2. Finanzierung über Grundstücksfonds, der 1911 eine Anleihe von 6 Mio. Mark aufgenommen und 1913 eine Zuführung von 5,5 Mio. Mark aus dem Gas- und dem Ausgleichsfonds erhalten hat 3. eine Anekdote ohne Substanz laut Tramms Sohn 2
2.1 Rathäuser als Spiegel der städtischen Finanzlage im Jahr 1913 1.000 Mark 1000 800 600 400 200 0-200 -400-600 1889 1891 1893 1895 1897 1899 1901 1903 1905 1907 1909 1911 1913 3
2.2 Rathäuser als Spiegel der städtischen Finanzlage in den Jahren 2008/2013 4
3.1 Behauptung alles bar bezahlt war keineswegs unglaubwürdig Gute finanzielle Ausstattung der Kommunen im Kaiserreich durch die Miquelsche Finanzreform von 1891/93 Miquelsche Finanzreform Kommunale Zuschläge auf die Einkommensteuer Gewerbesteuer (kommunales Hebesatzrecht) Grundsteuer (kommunales Hebesatzrecht) 5
3.2 Behauptung alles bar bezahlt war keineswegs unglaubwürdig 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1913 1925 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Reich/Bund Länder Kommunen Sonstige Anteil der einzelnen Gebietskörperschaften am gesamten Steueraufkommen 6
3.3 Behauptung alles bar bezahlt war keineswegs unglaubwürdig 1901 1912 Hannover 22 239.000 Köln 29 377.000 Frankfurt 46 294.000 Düsseldorf 32 218.000 Dortmund 34 147.000 Essen 39 119.000 Steuerbelastung pro Kopf (in Mark) und Bevölkerungszahl 38 310.000 45 528.000 64 425.000 43 381.000 42 227.000 46 304.000 Hannover die reichste Stadt im Kaiserreich? Schulden in Mio. M Schulden pro Kopf (in M) 1896 1911 1896 1911 Hannover 50 78 228 257 Köln 43 217 128 417 Frankfurt 65 303 273 727 Düsseldorf 29 167 155 459 Dortmund 15 93 124 431 Essen 14 58 134 196 7
3.4 Finanzielle Mittel ermöglichten Aufbau der Leistungsverwaltung 1880 Berufsfeuerwehr Meldestelle 1905 für Arbeitsplätze 1897 Armenverwaltung 1919/23 Wohlfahrtsamt 1894 Neuorganisation der Schulverwaltung mit Stadtschulrat an Spitze 1875 Neuorganisation der Bauverwaltung mit Stadtbaurat an Spitze Neues Rathaus nötig GBH 1910 Einwohnermeldeamt 1878 Wasserwerk 1927 1919 Wohnungsamt Müllabfuhr 1849 Sparkasse 1872/92 priv. üstra 1823 Messe 1970 städt. 1947 E-Werk 1890 1890 Städtisches Gartenamt 1825 priv. Gaswerk 1914 städt. 1905 Goseriedebad 1902 Maschpark 1890-99 Kanalisation 1935 Gesundheitsamt 1895 priv. 1905 städt. Schlachthof 1908 Klärwerk 1895 städt. Krankenhäuser kirchliche = Kommunalunternehmen = Ämterstruktur 8
4.1 Ordentliche Erträge der LHH in 2013 im Vergleich zu 1913 1913: 7 % Gewerbesteuer 30% Kostenerstattungen und Zuwendungen 29% 1913: 0 % 1913: 11 % Stadtwerke 5% Grundsteuer 8% 1913: 17 % Einkommensteuer 10% 1913: 36 % Bagatellsteuern 3% 1913: 8 % Sonstiges 15% 1913: 22 % 9
4.2 Vergleich Ausgabenstrukturen 1911 und 2013; hier Kapitaldienst 1911 2013 31% 8% Anteil Kapitaldienst (Zins + Tilgung) an den ordentlichen Ausgaben Anteil Zinsaufwand (3 %) und Abschreibungen (5 %) an den ordentlichen Aufwendungen Obwohl Hannover zu den eher niedrig verschuldeten Städten gehörte, war die Verschuldung vor hundert Jahren fast fünfmal so hoch wie die ordentlichen Ausgaben. Aktuell ist die Schuldenhöhe niedriger als der ordentliche Gesamtaufwand. 10
4.3 Vergleich Ausgabenstrukturen 1913 und 2013; hier Soziales 1913 2013 8% 22% Anteil Armenfürsorge an den ordentlichen Ausgaben Anteil soziale Transferaufwendungen an den ordentlichen Aufwendungen Niedrige Standards in der Sozialpolitik und ein lang anhaltender Wirtschaftsboom sorgten dafür, dass vor 100 Jahren die Ausgaben für die kommunale Armenfürsorge relativ niedrig waren. Hingegen sind die kommunalen Sozialausgaben seit den 1980er Jahren beinahe explodiert. 11
4.4 Vergleich Ausgabenstrukturen 1913 und 2013; hier Bildung 1913 2013 32% 17% 5% Anteil Schulwesen an den ordentlichen Ausgaben Anteil Schule (5 %) und weitere Bildungsaufgaben (Kita, VHS = 17 %) an den ordentlichen Aufwendungen Das große Problem der Kommunalfinanzen im Kaiserreich bestand in der Finanzierung der Schulen für die schnell wachsende Bevölkerung. Aktuell stellt die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz die größte Herausforderung dar. 12
4.5 Schuldenentwicklung (langfristige Investitionskredite) 1897-1913 Mio. Mark 80 70 60 50 40 1897 1899 1901 1903 1905 1907 1909 1911 1913 13
4.6 Schuldenentwicklung (langfristige Investitionskredite) 1963-2013 Mio. Euro 1750 1500 1250 1000 750 500 250 0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008 2013 14
4.7 Entwicklung der Jahresergebnisse 1889-1913 1.000 Mark 1000 800 600 400 200 0-200 -400-600 1889 1891 1893 1895 1897 1899 1901 1903 1905 1907 1909 1911 1913 15
4.8 Entwicklung der Jahresergebnisse 1989-2013 Mio. Euro 100 50 0-50 -100-150 -200 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 16
5.1 Diskontinuität: Mehrheiten und Finanzpolitik 1913 2013 Politische Mehrheiten Bürgervorsteherkollegium weiter nichts als ein erweiterter Vorstand des Hannoverschen Haus- und Grundbesitzervereins SPD seit 1946 Mehrheitsfraktion Steuerpolitik Niedrige Zuschläge Hohe Hebesätze Ausgabenpolitik Schuldenpolitik Niedrige Ausgaben (Ausnahme: Prestigeobjekte) Im interkommunalen Vergleich niedrige Verschuldung Relativ hohe Ausgaben (insbes. Soziales + Jugend und Personal) Im interkommunalen Vergleich relativ hohe Verschuldung (1980 an der Spitze; heute im Mittelfeld) 17
5.2 Kontinuität: Hannover ist reich Eröffnungsbilanz der Landeshauptstadt Hannover zum 01.01.2011 Aktiva in Mio. in % Passiva in Mio. in % Immaterielles Vermögen 8 0,1 Eigenkapital 7.299 71 Sachvermögen 7.909 77 Finanzvermögen 2.271 22 Liquide Mittel 117 1 Bilanzsumme 10.315 100 Fremdkapital, davon: 3.002 29 - Schulden 1.878 18 - Rückstellungen 1.124 11 Bilanzsumme 10.315 100 Pro-Kopf gesehen hat Hannover nach Düsseldorf das zweithöchste Eigenkapitel. 18
6. Das Jahr 1913 als Warnung 19