Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Fakultät Life Science. Studiengang Gesundheitswissenschaften. Bachelorarbeit



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Transkript:

Hochschule für Angewandte Wissenschaften Fakultät Life Science Studiengang Gesundheitswissenschaften Bachelorarbeit Evaluation der Konfliktstelle der HAW Hamburg Wie kann sich die Vertrauensstelle im Spannungsfeld zwischen Konflikt- und Beschwerdemanagement weiterentwickeln? Vorgelegt von: Garnett Prien Matrikel-Nr: 2003669 Erstprüferin: Zweitprüferin: Professorin Dr. Christine Färber Professorin Dr. Zita Schillmöller Tag der Abgabe: 10.10.2013

Inhaltsverzeichnis Tabellenverzeichnis... 4 1. Einleitung... 5 1.1 Hintergrund und Ziele der Arbeit... 5 1.2 Aufbau der Arbeit... 6 2. Theoretischer Hintergrund... 7 2.1 Konflikte - Definition, Verständnis und Potenziale... 7 2.1.1 Definition von Konflikten und konflikthaften Situationen... 7 2.1.2 Das Konfliktverständnis... 8 2.1.3 Das Potenzial von Konflikten... 9 2.2 Typologien und Arten von Konflikten... 10 2.2.1 Ebenen der Konfliktparteien... 10 2.2.2 Konfliktarten... 11 2.3 Strategien der Konfliktbehandlung... 12 2.3.1 Moderation... 12 2.3.2 Beratung bzw. Coaching... 12 2.3.3 Mediation... 13 2.4 Die Organisation als Konfliktpotenzial... 15 2.4.1 Klassifizierung des Organisationstyps Hochschule... 15 2.4.2 Die Subsysteme einer Organisation... 16 2.4.3 Mögliches Konfliktpotenzial in der Hochschule... 17 2.4.4 Ansätze zur Diagnose des Konfliktpotenzials... 17 2.5 Einführung eines Konfliktmanagementsystems... 18 2.6. Entwicklung eines Konfliktmanagements an der HAW Hamburg... 19 3. Die Vertrauensstelle der HAW Hamburg... 20 3.1 Zur Entstehung des Pilotprojekts Vertrauensstelle... 21 3.2 Das Konzept der Vertrauensstelle... 22 3.2.1 Das Selbstverständnis der Vertrauensstelle... 23 3.2.2 Die Grundsätze der Vertrauensstelle... 23 3.2.3 Das Beratungstandem... 23 3.3 Beteiligte der Vertrauensstelle... 24 3.4 Einblicke in die Arbeit der Vertrauensstelle... 25 2

3.4.1 Erreichbarkeit der Vertrauensstelle... 25 3.4.2 Fallannahme,-bearbeitung und Dokumentation... 25 3.4.3 Konfliktthemen und Beratungsanlässe... 27 3.4.4 Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Vertrauensstelle... 27 3.4.5. Vernetzung... 28 4. Untersuchungsdesign... 29 4.1 Evaluation des Untersuchungsgegenstandes... 29 4.1.1 Das Konzept der Evaluation... 29 4.1.2 Fragestellung der Evaluation... 30 4.1.3 Gütekriterien der Evaluation... 31 4.2 Methodenbeschreibung... 32 4.2.1 Interviewsituation und Durchführung... 33 4.2.2 Aufbau der Leitfäden... 33 4.2.3 Auswertung der Leitfäden... 35 5. Ergebnisse... 38 5.1 Ergebnisse der NutzerInnenbefragung... 38 5.2 Ergebnisse der Befragung der ExpertenInnen... 40 6. Methodenkritik... 44 7. Diskussion und Fazit... 45 Literaturverzeichnis... 48 Anhang... 51 Nutzerleitfaden... 51 Anhang Eidesstattliche Erklärung... 53 3

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Die drei Subsysteme einer Organisation.16 Tabelle 2: Komponenten des Konfliktmanagements 19 Tabelle 3: Unterfragen mit Leitfragen Nutzerinterview 34 Tabelle 4: Kategoriensystem Nutzer mit Haupt,- und Unterkategorien..35 Tabelle 5: Kategoriensystem mit Haupt,- und Unterkategorien Experteninterviews.37 4

1. Einleitung Konflikte und schwierige Situationen sind normal, auch im Hochschulalltag, entscheidend ist ein konstruktiver Umgang mit ihnen (Gramm et. al, 2011, S. 182). Sie bergen ein erhebliches Potential für Kreativität und Innovation, können aber auch Werte vernichten und im Extremfall Existenzen zerstören (Duve, Eidenmüller, Hacke, 2003, S. 7). Die Institution Hochschule stellt u.a. aufgrund struktureller Besonderheiten Konfliktpotenzial dar (Gramm, 2012, S. 349). Durch ein systematisches Konfliktmanagement werden Konflikte frühzeitig erkannt und rasch bearbeitet. (KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, 2009, S. 27). Die Einführung von Konfliktmanagement an Hochschulen ist ein relativ neuer Bereich, so dass eine interne Akzeptanz herzustellen ist (Walpuski, Jessen, 2011, S. 1). Zuvorderst muss die Hochschulleitung überzeugt werden. Daneben müssen Akteure vorhanden sein, die fachlich versiert sind, geeignete Verfahren und Instrumente an der Hochschule zu entwickeln und umzusetzen. (Gramm, 2012, S. 348). Nach der Erprobung der eingeführten Elemente ist im Rahmen einer Qualitätsüberprüfung festzustellen, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht wurden. Mit der vorliegenden Bachelorarbeit wird eine qualitative Evaluation der Vertrauensstelle der HAW Hamburg durchgeführt. Die Vertrauensstelle ist eine im Rahmen eines Pilotprojektes im Jahre 2010 an der HAW Hamburg eingerichtete Konfliktstelle für Studierende und Hochschulbedienstete und Teil des Konfliktmanagements. Ziel des Pilotprojektes Vertrauensstelle ist es, Studierenden und Lehrenden in konflikthaften Situationen Unterstützung zu bieten. 1.1 Hintergrund und Ziele der Arbeit Die im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführte Evaluation wird zum Abschluss der Pilotphase der Vertrauensstelle durchgeführt. Hierzu sind im Rahmen 5

eines Praktikums in der Zeit von September 2012 Februar 2013 halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit verschiedenen Befragungsgruppen durchgeführt worden. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf der Befragungsgruppe der NutzerInnen der Vertrauensstelle sowie der Beteiligten der Vertrauensstelle der HAW Hamburg. Im Zeitraum von November 2012 Februar 2013 wurden hierzu sechs NutzerInnen der Vertrauensstelle in qualitativen Leitfadeninterviews befragt. Daneben sind die drei Beteiligten bzw. ein ehemaliger Beteiligter der Vertrauensstelle als Experten und Expertinnen befragt worden. Ziel der Arbeit im Rahmen der Evaluation ist dabei die Bewertung des Konzeptes der Vertrauensstelle der HAW Hamburg anhand einer Beurteilung des Projektes durch die NutzerInnen und Experten. Dadurch sollen mögliche Verbesserungspotenziale aufgedeckt werden. 1.2 Aufbau der Arbeit Im zweiten Kapitel, dem theoretischen Teil der Arbeit, wird nach der Einordnung des Konfliktbegriffs das (zumeist negative) gesellschaftliche Verständnis und demgegenüber das Potenzial von Konflikten vorgestellt. Ein kurzer Einblick wird in die verschiedenen Konfliktarten und Behandlungsverfahren gegeben. Sodann wird in Bezug auf mögliche Konfliktursachen auf die Besonderheiten des Systems Hochschule eingegangen. Im dritten Kapitel erfolgt im Einzelnen eine Darstellung des Untersuchungsgegenstandes, der Vertrauensstelle der HAW Hamburg. In Kapitel 4 wird die Methodik der Evaluation erläutert. In Kapitel 5 erfolgt die Darstellung der Ergebnisse unterteilt nach Befragungsgruppen, in Kapitel 6 eine kritische Betrachtung hinsichtlich der methodischen Anwendung und Durchführung der Untersuchung. Im letzten Kapitel wird eine Diskussion der Ergebnisse sowie eine Schlussfolgerung im Hinblick auf die Ergebnisse der Evaluation vorgenommen. 6

2. Theoretischer Hintergrund 2.1 Konflikte - Definition, Verständnis und Potenziale Zur Einführung in die Thematik des Konfliktmanagements wird zunächst eine Bestimmung einzelner Begriffe vorgenommen, die in diesem Kontext Verwendung finden, insbesondere der dieser Arbeit zugrunde gelegte Konfliktbegriff. Sodann wird das unterschiedliche Verständnis dargestellt, das mit Konflikten verbunden wird sowie die Potenziale, die konflikthafte Situationen hervorbringen. 2.1.1 Definition von Konflikten und konflikthaften Situationen Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion, d.h. ein aufeinander bezogenes Kommunizieren oder Handeln (Glasl, 2004, S. 17) zwischen Individuen, Gruppen oder Organisationen. Dabei fühlt sich wenigstens ein Akteur hinsichtlich der Verwirklichung seiner Interessen, Wahrnehmungen oder Absichten von einem anderen Akteur beeinträchtigt. Dabei genügt es, dass nur einer der Beteiligten eine Differenz kognitiv bzw. perzeptiv wahrnimmt (ebenda, S. 17). Das Wort Konflikt leitet sich etymologisch vom lateinischen confligere Zusammenstoß ab. Ein Konflikt findet als Kontroverse auf der Beziehungsebene statt (Duss-von Werdt, 2008, S. 43). Ein Problem (griech. problema= Hindernis, Schutzwall, Mauer ) bezieht sich auf ein Hindernis auf der Sachebene, einen umstrittenen Sachverhalt und ist auf Sachinhalte bezogen (Duss-von Werdt, 2008, S. 43). Jedoch können Probleme ebenfalls zwischenmenschlich sein, wenn diese die Kommunikation und den Kontakt zwischen Menschen verhindern, dahinterliegende Konflikte verbergen oder zu Alibis ihrer Austragung werden (Duss-von Werdt, 2008, S 44). Soziale Konflikte werden dabei häufig über Probleme ausgetragen: In einem Scheidungsprozess streiten zum Beispiel die Eheleute über die Besuchsregelung dahingehend, wann der Ex-Partner die Kinder sehen darf. Die vordergründige strittige Problematik der Besuchsregelung ist auf gesetzlicher Grundlage klar zu lösen. Ein dahinterliegender zwischenmenschlicher Konflikt kann eine Lösung des Problems verhindern. indem die Ehefrau als Rachefeldzug für Kränkungen in der Ehe die Kontaktauf- 7

nahme des Ex-Partners zu den gemeinsamen Kindern zu unterbinden versucht (Duss-von Werdt, 2008, S. 44). Neben diesem dargestellten Problem der Behinderung einer Partei können weitere Probleme im Rahmen sozialer Konflikte auftreten durch Nötigungen, d.h. Veranlassungen zu Handlungen oder Unterlassungen oder auch Bedrohungen. (Montada, Kals, 2001, S. 71). Eine Beschwerde ist eine schriftlich oder mündlich artikulierte Unzufriedenheit. Die Beschwerde ist Ausdruck dessen, dass die Erwartungen des Beschwerdeführers nicht oder nicht vollständig im Hinblick auf die erwartete Leistungen oder Verhaltensweisen erfüllt wurden (Stauss, Seidel, 2007, S. 49). Zum Beispiel könnte der Beschwerdeführer Kunde in einem Dienstleistungsbereich sein und möchte mit seiner Beschwerde erreichen, dass ein Unternehmen die angebotene Leistung verändert im Sinne einer Verbesserung, so dass Umfang und Qualität mit dem Kundenwunsch im Einklang stehen (Niefind, Wiegran, 2010, S. 24). Hinter der Beschwerde steht also, dass der Kunde ein Problem mit der erbrachten Leistung hat. Dies könnte zu einer konflikthaften Auseinandersetzung führen. In Anbetracht dessen, dass eine klare Abgrenzung der oben dargestellten Begriffe anhand der Definitionen nicht möglich ist, wird in dieser Arbeit ein Konfliktbegriff zugrunde gelegt, der mithilfe der nachfolgenden Merkmale identifiziert werden kann: Konflikte stören: die sachliche Lösung eines Problems wird erschwert oder verhindert Konflikte belasten: Die Betroffenen sind emotional stark eingebunden, da Konflikte überwiegend negative Gefühle hervorrufen durch Konflikte wird ein Lösungsdruck erzeugt: der im Konflikt verlorengegangene innere Einklang muss wiederhergestellt werden die Gefahr besteht, dass Konflikte sich ausweiten (Schmidtberg, 2009, S. 13). 2.1.2 Das Konfliktverständnis Festgestellt wurde, dass die Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen und sozialen Verhältnissen den Begriff des Konfliktes spontan mit negativen Assoziati- 8

onen verbinden. Auszughaft werden hier einige wiedergegeben, wie Ärger, Furcht, Schmerz, Fehlverhalten etc. Ein Konflikt wird überwiegend als eine Störung im reibungslosen Ablauf ihres wohlgeordneten Lebens wahrgenommen (Glasl, Weeks, 2008, S. 49). Entsprechend werden wirkungslose oder destruktive Verhaltensweisen, wie z.b. Leugnen des Konflikts oder soziale Ausgrenzung (Einzelner oder Gruppen) ergriffen, um mit ihnen umzugehen. Eine negative Sichtweise verhindert eine wirksame Lösung von Auseinandersetzungen. (Glasl, Weeks, 2008, S. 50). Nach den unterschiedlichen Konflikttheorien 1 haben Konflikte sowohl günstige Auswirkungen für die Beteiligten als auch negative Folgen. Ebenfalls können Konflikte je nach Konfliktkonstellation entweder nahezu ausschließlich konstruktiv oder fast gänzlich destruktiv wirken mit nur geringen positiven Einflüssen (Bunk, 2008, S. 118). In der chinesischen Sprache vereinigt das Wort Konflikt die beiden gegensätzlichen Bedeutungen und bringt so die Ambivalenz des Begriffes zum Ausdruck. Konflikt heißt im chinesischen Wei-Ji und ist ernste Gefahr und gute Gelegenheit zugleich (Bunk, 2008, S. 118). Tatsächlich bringt ein Konflikt die Divergenz im menschlichen Denken zum Ausdruck mit den unterschiedlichen Einstellungen, Wahrnehmungen, der Religion sowie unserem Sozialsystem. Ob der Konfliktverlauf positiv oder negativ verläuft, liegt an der Art des Umgangs mit dem Konflikt. Entscheidend ist, dass Menschen eine positive Sichtweise auf Konflikte entwickeln im Hinblick auf das vorhandene Potenzial einer konflikthaften Situation. (Glasl, Weeks, S. 53). 2.1.3 Das Potenzial von Konflikten Konflikte weisen auf Probleme hin, wodurch häufig erst der Anstoß gegeben wird und die Tatkraft mobilisiert wird, als belastend wahrgenommene Situationen zu verändern. Auf der zwischenmenschlichen Ebene werden durch Konflikte die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien gefestigt. Die Konfliktparteien lernen ihre 1 Vgl. Konflikttheorie nach Parson (1973), (1976) Bühl (1972, S. 12), Heinrich und Schulz zur Wisch (1998, S. 137) 9

Stärken und Schwächen kennen, so dass eine Zusammenarbeit häufig konstruktiver wird. Einen Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, fördert die Kreativität und erweitert das Vorstellungsvermögen der Parteien durch neue Ansichten. Darüber hinaus fördern Kontroverse gut durchdachte Entscheidungen, da die Beteiligten ihren Gedankengang erläutern müssen. Dadurch treten unbedachte Aspekte oder Widersprüchlichkeiten zutage. Darüber hinaus tragen Auseinandersetzungen zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit bei. Die Perspektive der anderen Partei muss zum Verständnis eingenommen werden, welches die moralische Verantwortung stärkt. Außerdem fungieren Konfliktsituationen als Selbsterfahrung, in denen sich Konfliktparteien selber besser kennenlernen, z.b. die eigenen Werte, wunden Punkten etc. (Haeske, 2003, S. 90 ff.). 2.2 Typologien und Arten von Konflikten Eine einheitliche Theorie über die Gesichtspunkte zur Einordnung von Konflikten oder Konfliktarten existiert bisher nicht. Die Vertreter unterschiedlichster wissenschaftlicher Fachrichtungen haben verschiedenste Herangehensweise zur Klassifizierung von Konflikttypen entwickelt. Auch existiert kein einheitliches Modell zur Analyse der unterschiedlichen Konfliktarten (Glasl, 2004, S. 53). In ihren Konflikttheorien haben sich die einzelnen Wissenschaftszweige dabei stark an den jeweiligen Schwerpunktgebieten ihres Faches ausgerichtet. In der Sozialwissenschaft sind dies z.b. die sozialen Bedingungen, die Ursache von Konflikten zwischen Einzelnen und in Organisationen. In der Psychologie ist dies schwerpunktmäßig das Innenleben eines Menschen, wie z.b. die Wahrnehmung des Konfliktanlasses und der Reaktionen. Inzwischen findet eine Annäherung der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen im Sinne von interdisziplinären Ansätzen der einzelnen Wissenschaftszweige statt (Duve, Eidenmüller, Hacke, 2003, S. 14 ff.). 2.2.1 Ebenen der Konfliktparteien Die Konfliktparteien (Individuum, Gruppe oder ein größeres soziales System) sind für viele Autoren ein wichtiger Indikator, um Konflikte einzuordnen (Glasl, 2004, S. 57). 10

Grundsätzlich sollte bei einem Konflikt zwischen einem intrapersonalen und einem interpersonalen Konflikt unterschieden werden. Ein intrapersonaler Konflikt liegt in einer Person. Bei nicht verarbeiteten intrapersonalen Konflikten besteht die Gefahr, dass daraus interpersonale Konflikte werden. Bei einem interpersoneller Konflikt besteht eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personen. (Ihde, Katja, 2012, S. 6). 2.2.2 Konfliktarten Zur Unterscheidung der unterschiedlichen Konflikte werden fünf zentrale Konfliktarten unterschieden (Duve, Eidenmüller, Hacke, 2003, S. 16) Diese finden sich bei dem Ansatz der Einteilung der Konfliktarten auf den nachfolgend beschriebenen zwei Ebenen wieder. Konflikte können auf zwei unterschiedlichen Ebenen stattfinden, zum einen auf der Sachebene und zum anderen auf der Beziehungsebene. Die Kontroversen auf der Sachebene sind sichtbar und klar zu benennen. Auf der Sachebene lassen sich die folgenden Konfliktarten definieren: 1. Zielkonflikt: Kontroversen bestehen hinsichtlich des zu erreichenden Ziels 2. Methodenkonflikte: Streitigkeiten herrschen über anzuwendende Methoden oder Regeln zur Zielerreichung 3. Strukturkonflikte: Eine Organisation oder ein Projekt weist Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Struktur auf 4. Verteilungskonflikte: Anlass der Auseinandersetzungen sind knappe Ressourcen, wie Räume, Geld u.s.w. (Ihde, Katja, 2012, S. 7). Auf der Beziehungsebene werden Konflikte ausgetragen, die Werte, Rollen, Interessen, Bedürfnisse und Gefühle umfassen. (Ihde, Katja, 2012, S. 8). Eine klare Trennung der Konflikte nach Sach,- und Beziehungsebene ist häufig nicht möglich. Oftmals ist neben dem Konflikt auf der Sachebene auch ein Konflikt 11

auf der Beziehungsebene vorhanden. Die Gefahr besteht, dass der eigentliche Beziehungskonflikt auf der Sachebene ausgetragen wird (ebenda). 2.3 Strategien der Konfliktbehandlung In Organisationen finden Konflikte mit ihren unterschiedlichen Konfliktformen auf struktureller, sozialer Ebene sowie personeller Ebene statt. Der Berater muss aus den unterschiedlichen Interventionsansätzen nach der Analyse des Konflikts das passende Verfahren auswählen. Durch die Konfliktanalyse wird aufgedeckt, auf welcher Ebene vorrangig ein Konflikt besteht (Haeske, 2003. S. 27). Nachfolgend werden einzelne Interventionsverfahren dargestellt. Das einzige Verfahren, das Konflikte voraussetzt, ist das Mediationsverfahren, welches vertiefend dargestellt wird. 2.3.1 Moderation Die Moderation ist eine besondere Arbeitsform, in der der Moderator mit Gruppen arbeitet. Die Aufgabe des Moderators besteht darin, den Prozess zu steuern. Die inhaltliche Verantwortung liegt bei der Gruppe. Die Moderation unterscheidet sich von der Mediation insofern, als dass sie keine Konflikte voraussetzt. Die Ähnlichkeit zur Arbeitsweise in der Mediation besteht darin, dass der Moderator die eigene Meinung zurückstellt und Verantwortung den Verlauf des Verfahrens, z.b. hinsichtlich der zielgerichteten Fragen innehat. Elemente der Moderationsarbeit können in die Mediation einfließen in der Suche nach Lösungen, z.b. durch die Arbeit mit Pinnwänden. Der Anlass zu einer Moderation besteht eher in der Bearbeitung einer bestimmten Fragestellung, die in der Gruppe gelöst werden soll (Haeske, 2003, S. 23). Bei der Moderation speziell in einer Konfliktsituation wird die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe wiederhergestellt (Graeßner, Gernot, 2008. S. 155). 2.3.2 Beratung bzw. Coaching Sämtlichen der hier dargestellten Interventionsformen liegen Konzepte der Beratung zugrunde. Beratungskompetenz ist daher bei allen Methoden erforderlich. 12

Aufgrund der Vielfältigkeit von Beratungskonzepten wird auf die Methode Beratung daher nicht weiter eingegangen (Haeske, 2003, S. 24). Bei einem Coaching handelt es sich bei einem in der Wirtschaft weit verbreiteten Verfahren der Einzelberatung. Hierbei geht es um berufliche oder karrierebezogene Fragen, die eine Erweiterung der Kompetenz des Klienten anstreben. Hintergrund ist eine persönliche Krise des Klienten, die die Entwicklung hemmt. Im Gegensatz zu einer Mediation ist bei dem Coaching ein Konflikt mit einer anderen Person nicht immer gegeben. Ein Coaching kann sinnvoll im Rahmen einer Mediation angewendet werden. Inhaltliche Aspekte der Einzelberatung könnte die Erweiterung der Kompetenz, z.b. der Kritikfähigkeit einer Partei sein. Eine im Rahmen der Einzelberatung erworbene Kompetenz des Klienten könnte das Verfahren der Mediation erleichtern (Haeske, 2003, S. 24 ff.) 2.3.3 Mediation Mediation (lat. Vermittlung) ist ein professionelles Verfahren zur Konfliktlösung, in an dem zwei oder mehr Parteien beteiligt sind. Die Mediation basiert auf einer wissenschaftlichen Grundlage. Die Vertreter verfügen über eine fundierte Ausbildung. Humanistische Grundhaltungen fließen in die Mediation ein. Bedeutsam ist, dass durch die Anwendung des Verfahrens der Mediation eine neue Konfliktkultur angestrebt wird. Ausgehend von dem bisherigen tendenziell destruktive Charakter einer Auseinandersetzung wird bei dem Verfahren der Mediation ein Kompromiss angestrebt, nach dem beide Konfliktparteien profitieren (Bundesverband der Mediation e.v., S. 2). In einem weiteren gesellschaftlichen Kontext betrachtet, könnten erfolgreich durchgeführte Mediationsverfahren zur Entwicklung einer Streitkultur beitragen. Eine produktive Konfliktarbeit, in der Probleme, Konflikte und Emotionen analysiert werden, bietet den Beteiligten Selbst- und Lernerfahrungen und damit Handlungsoptionen, um künftige Konfliktsituationen souveräner zu meistern. (Montada, Kals, 2001, S. 87). Zur professionellen Ausübung der Mediation verpflichten sich Mediatoren bzw. Mediatorinnen ethische Grundsätze anzuerkennen, die in den Ausbildungsrichtlinien und Verfahrensordnungen der einzelnen Berufsverbände festgelegt sind. Bedingung für eine konstruktive Konfliktarbeit ist ein geschützter Rahmen. Die wich- 13

tigsten Voraussetzungen bzw. Grundsätze sind Vertraulichkeit und Vertrauen, Neutralität/ Allparteilichkeit und Fairness. Weiterhin werden Offenheit und Einfühlungsvermögen des Mediators als wichtige Fähigkeit genannt (Bundesverband Mediation, 2009, S.4). Nach der Verfahrensordnung des Bundesverbandes Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.v sind die wichtigsten Punkte wie folgt festgelegt: Vertraulichkeit: Der Mediator ist hinsichtlich aller Umstände, die ihm in seiner Funktion bekannt geworden sind, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Bundesverband Mediation e.v., 2002, S. 3). In einem späteren Rechtsstreit darf der Mediator nicht als Zeuge benannt werden, außer sämtliche Beteiligte unterschrieben eine Schweigepflichtentbindungserklärung (ebenda). Neutralität/ Allparteilichkeit: Der Mediator agiert neutral und allparteilich im Interesse der Beteiligten, ohne an Weisungen gebunden zu sein. Der Mediator klärt die Beteiligten zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Umstände auf, die seine Neutralität und Allparteilichkeit ( ) in Frage stellen könnten. (ebenda). Die Vermittlung wird von unparteiischen Dritten, den Mediatoren, in Konfliktfällen vorgenommen. Die Mediatoren unterstützen die Parteien darin, eine einvernehmliche Lösung zu finden, der sämtlichen Parteien nützt (win-win-lösung). Das Verfahren zeichnet sich durch eine zielgerichtete Gesprächsführung aus. Hierbei wird den Konfliktparteien die jeweils andere Perspektive erläutert, um ein gegenseitiges Verständnis zu erreichen. Bedeutende Merkmale eines Mediationsverfahrens sind u.a.: - die Einbeziehung aller Konfliktparteien - die informelle Ebene, außergerichtliche Ebene - die Freiwilligkeit der Teilnahme an einem Mediationsverfahren - die Selbstbestimmung hinsichtlich der Lösung des Konfliktes. In der Verhandlung agieren die Konfliktparteien eigenverantwortlich. Das Ergebnis der Verhandlung spiegelt den Konsens der Konfliktparteien wieder. Der Mediator 14

selber hat keine Befugnis, die Entscheidung der Konfliktparteien zu beeinflussen (Müller, Werner). 2.4 Die Organisation als Konfliktpotenzial Um das Konfliktpotenzial einer Organisation näher zu beleuchten, ist zunächst die Einordnung der Organisation in einen bestimmten Haupttypus notwendig. Nach der Zuordnung zu einem bestimmten Typus ist die Organisation aus dem Blickwinkel ihrer Subsysteme zu betrachten. 2.4.1 Klassifizierung des Organisationstyps Hochschule Die Organisation wird einem von drei Haupttypen zugeordnet, und zwar entweder in die Dienstleistungsorganisation, in die Produktionsorganisation oder in die professionelle Organisation. Die Hochschule zählt zu der professionellen Organisation. Das Selbstverständnis einer solchen Organisation ist es, geistige Bedürfnisse zu befriedigen. Bedeutendstes Merkmal einer Hochschule ist die professionelle Freiheit (E. Marx 1970, zitiert von Glasl, 2004, S. 143) der Hochschulbediensteten. Prozesse des Lernens und der Entwicklung der Menschen stehen in einer professionellen Organisation im Mittelpunkt. Die Hochschulbediensteten müssen unbefangen forschen, experimentieren und lernen können, um zu den besten Ideen zu gelangen. Im direkten, lebendigen Kontakt mit dem Klienten (Studenten, Schüler usw.) vollzieht sich auch bei diesem ein Prozess der Ideenbildung. Bürokratische Kontrollen müssen bei der professionellen Organisation ihren Zweck verfehlen, weil Professionelle in der Arbeit mit dem Klienten nur das erfolgreich tun können, was für sie authentisch ist (Glasl, 2004, S. 143 ff.). Die Qualität der Arbeit wird bestimmt durch moralische Werte des Professionellen und seinem Ideenreichtum. Da wie oben ausgeführt, bürokratische Kontrollen der Hochschulbediensteten entfallen, ist zur Qualitätssicherung eine Berufsethik im Sinne eines anerkannten Moralkodex einzuführen. (Glasl, 2004, S. 143). Die professionelle Organisation hat eine relative Dominanz im kulturellen Subsystem. Das bedeutet, dass das Element der Identität sowie das Element Policy/ Stra- 15

tegie mit ihren Wesenselementen in dieser Organisation besonders bedeutsam sind. 2.4.2 Die Subsysteme einer Organisation Eine Organisation besteht aus drei Subsystemen, und zwar aus dem kulturellen Subsystem, dem sozialen Subsystem sowie dem technisch-instrumentellen Subsystem. Sieben Elemente mit einer Vielzahl von Charakteristika sind diesen drei Subsystemen zuzuordnen. Zentral ist, dass sämtliche Elemente einer Organisation nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, sondern Wechselwirkungen bestehen. Für eine umfassende Konfliktdiagnose sind demnach sämtliche Elemente mit ihren diversen Wesenselementen zu berücksichtigen (Glasl, 2004, S. 125 ff.). Tabelle 1: Die drei Subsysteme einer Organisation Kulturelles Subsystem / Elemente und Wesenselemente 1. Identität: die gesellschaftliche Aufgabe der Organisation, Leitbild, Fernziel, Grundwerte, Image, Selbstverständnis Soziales Subsystem Elemente und Wesenselemente 3. Struktur der Aufbauorganisation: Aufbauprinzipien, Führungshierachien, Linien-u Stabsstellen Technisch-instrumentelles Subsystem/Elemente und Wesenselemente 6. Prozesse/Abläufe Prozesse (Arbeits,- Informations, Planungs,- Entscheidungsprozesse) 2. Policy/Strategie: Langfristige Programme/ Konzepte der Organisation, Unternehmenspolitik, Leitsätze, Strategien 4. Menschen/ Klima Fähigkeiten der Mitarbeiter, Einstellungen, Rollen, Macht, Betriebsklima 5. Einzelfunktionen/ Organe Aufgabeninhalte der einzelnen Funktionen, Gremien, Koodination. 7. Physische Mittel Instrumente, Geräte, Material, Räume, Gebäude, finanzielle Mittel Quelle: in Anlehnung an Glasl, 2004, S. 125 16

2.4.3 Mögliches Konfliktpotenzial in der Hochschule Infolge der ineinandergreifenden Subsysteme einer Hochschule mit ihren einzelnen Elementen entsteht Konfliktpotenzial, welches am nachfolgenden Zitat verdeutlicht wird: Die Hochschulstruktur ist gekennzeichnet von zwei unterschiedlichen Systemen, zum einen durch das System der Selbstverwaltung, zum anderen durch das System der Auftragsverwaltung. Die Lehr,- und Forschungstätigkeit ist vom Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre 2 geprägt. Dies steht im Gegensatz der eher bürokratisch orientierten Hochschulverwaltung. (Gramm, 2012, S. 349). 2.4.4 Ansätze zur Diagnose des Konfliktpotenzials Die oben ausgeführte gesellschaftliche Aufgabe der Organisation Hochschule als ein Element des kulturellen Subsystems steht im Konflikt mit der Struktur der Aufbauorganisation, dem Aufbauprinzip, also einem Element des sozialen Subsystems. Die Organe der Hochschule haben unterschiedliche Aufgaben im Hinblick auf ihre Funktion zu erfüllen. Die Verwaltungsangestellten haben u.a. die Aufgabe, die Verordnungen der HAW Hamburg einzuhalten. Die Lehrenden haben gewisse Freiheiten in der Organisation ihrer Lehre. Wesentlich in der Betrachtung der Organisation als Konfliktpotenzial ist die Erkenntnis, dass soziale Konflikte in Organisationen nicht zwangsläufig durch die vorhandenen Strukturen oder Prinzipen entstehen müssen. Entscheidend ist, wie die Mitarbeiter der Organisation mit dem Konflikt umgehen. Erst wenn die Beteiligten die Zustände als inakzeptabel wahrnehmen, entsteht aus dem Spannungsverhältnis ein sozialer Konflikt (Glasl, 2004, S. 151 ff.). Vor diesem Hintergrund können sämtliche der unter Punkt 3.4.3 aufgeführten Konfliktpunkte auf Subsysteme der Hochschule zurückgeführt werden. 22 Gemäß Artikel 5 Abs. 3 S 1 Grundgesetz (GG) ist die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre in Deutschland zu schützen, sofern sie sich u.a. auf die Organisation des Lehrbetriebes...beziehen. (Bundesministerium der Justiz) http://www.gesetze-im-internet.de/hrg/ 4.html (Zugriff: 06.09.2013) 17

2.5 Einführung eines Konfliktmanagementsystems Ein Konfliktmanagementsystem umfasst die Gesamtheit aller unternehmensinternen Vorgaben und Herangehensweise an die Konfliktbehandlung. Ziel eines solchen Systems ist die Einführung eines effizienten Konfliktmanagements innerhalb des gesamten Unternehmens (Schoen, 2003, S. 221). Die Bedeutsamkeit eines systematisierten Umgangs mit Konflikten besteht darin, dass im Sinne eines vollständig etablierten Konfliktmanagementsystems im Ergebnis sämtliche Akteure und Anlaufstellen für Konflikte in der Hochschule untereinander vernetzt sind. Zur Einführung eines Konfliktmanagementsystems in Unternehmen bzw. in eine Unternehmenskultur definiert das Viadrina-Komponentenmodell sechs verschiedene Elemente und Komponenten mit unterschiedlichen Funktionen. Die Konfliktanlaufstelle ist eine Komponente des Systems. Daneben existieren weitere Komponenten und Elemente, wie die Konfliktberater, die Systematik der Verfahrenswahl, Verfahrensstandards, wie z.b. eine Orientierung an Richtlinien oder eine unternehmensinterne Verfahrensordnung, Dokumentation/ Controlling/ Qualitätssicherung sowie interne und externe Kommunikation über das Konfliktmanagement. Die Komponenten bilden sich heraus durch entsprechende Leitfragen. Daneben werden Zielsetzung und Funktion der einzelnen Komponenten erfasst (Gläser, Kirchhoff, 2011, S. 18). Im Folgenden füge ich aufgrund der bisherigen theoretischen Hintergründe die Konfliktstelle als ein Element des Konfliktmanagements der HAW Hamburg in dieses System ein: Tabelle 2: Komponenten des Konfliktmanagements: Leitfragen, Zielsetzungen/ Funktion, Beispiel 18

Komponente Leitfrage Zielsetzung/ Funktion 1)Konfliktanlaufstelle Welche Stelle ist -frühzeitiges Erfassen für Studierende und für den Erstkontakt von Konflikten Hochschulbedienstete im Konfliktfall vorgesehen? -transparentes Vertrauensstelle Angebot kundiger 2)Systematik der Verfahrenswahl Wie gelangt der Konflikt in das jeweils passende Verfahren? 3)Konfliktbearbeiter Welche Kompetenzträgerin ist für die jeweiligen Verfahren vorgesehen? 4)Verfahrensstandards Wie erfolgt die Steuerung der Vorgehensweise? 5)Dokumentation/ Controlling/ Qualitätssicherung 6)Innen,- und Außendarstellung/ Kommunikation Wie werden Rückkopplung und Lernfähigkeit gewährleistet? Wie kommt der Austausch mit anderen Mitarbeitern zustande? Ansprechpartner kriteriengeleitete Auswahl des passenden Verfahrens zur Konfliktbearbeitung Sicherstellung der Verfügbarkeit qualifizierter Spezialisten definierter und transparenter Ablauf des Verfahrens Schaffung von Grundlagen für Steuerung, Weiterentwicklung und Qualitätssicherung Steigerung der Zugänglichkeit/ Entwicklung einer Konfliktkultur Beispiel Vertrauensdozentin und Konfliktlotsin und Vertrauensstudentin Klärung im Einzelgespräch in Absprache mit der Konfliktpartei -Inhouse-Mediatorin und Konfliktlotsin als Vertrauensdozentin -Dienstvereinbarung zum Umgang mit Konflikten -Standards Bundesverband Mediation -Falldokumentation -Feedbackbogen in Bearbeitung -Intranetpräsenz -explizite Konfliktunternehmens Kultur Konflikte haben Potenzial Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Gläßer, Kirchhoff, (2011), S 20 Konfliktmanagement von den Elementen zum System 2.6. Entwicklung eines Konfliktmanagements an der HAW Hamburg Die Einführung eines Konfliktmanagements an Hochschulen hängt entscheidend von Personen ab, die den Prozess aktiv fördern, umsetzen und begleiten. Diese Akteure werden in der Innovationswissenschaft als Promotoren bezeichnet. Nach dem Promotorenmodell sind sämtliche Promotorentypen wie Macht,- Fach,- und Prozesspromotoren an dem Etablierungsprozess zu beteiligen (von Oertzen, Nöldeke, 2011, S. 57). Dies war in dem Prozess zur Entwicklung eines Konfliktmanagements an der HAW Hamburg gegeben: 19

- Die Hochschulleitung als Machtpromotor, gekennzeichnet durch Entscheidungsbefugnis war von der Wichtigkeit der Einführung eines Konfliktmanagements an der HAW überzeugt (Gramm, 2012, S. 348). - Fachpromotoren sind fachlich kompetent in der Bearbeitung von Konflikten. In der Planungsphase waren dies Hochschulbedienstete, wie Helmuth Gramm, der eine Mediationsausbildung hatte. (ebenda, S. 348) - Prozesspromotoren sind mit den Strukturen der Hochschule gut vertraut und vernetzt. in der Planungsphase waren dies Mitglieder der sog. Entwicklungsgruppe Streitkultur. (ebenda, S. 348). Heute ist dies Helmuth Gramm als Koordinator des Konfliktmanagements der HAW Hamburg. Wichtige Schritte zur Entwicklung des Konfliktmanagement an der HAW Hamburg waren, z.b.: - Im Jahr 2003 wurde eine Entwicklungsgruppe Streitkultur aus verschiedenen Bereichen der Hochschule eingerichtet, die sich u.a. dem Thema Mobbing widmete (Gramm, 2012, S. 348). - Im Jahr 2005 wurde eine gesetzliche Regelung in Form einer Dienstvereinbarung zum Umgang mit Konflikten 3 abgeschlossen, die u.a. das Recht auf Beschwerden und den Einsatz von Konfliktlotsen regelte (Gramm, 2012, S. 348). Für die Bearbeitung von Konflikten waren verschiedene formelle und informelle Anlaufstellen vorhanden. Insbesondere für Studierende gab es jedoch keine Stelle, die speziell für Konflikte zuständig gewesen wäre (Hoeft, L. et al 2010). Dies ist nun durch die Einrichtung der nachfolgenden Vertrauensstelle gegeben. 3. Die Vertrauensstelle der HAW Hamburg 3 Dienstvereinbarung zum Umgang mit Konflikten an der HAW Hamburg, http://www.hawhamburg.de/fileadmin/user_upload/personalrat/dienstvereinbarungkonflikte.pdf (Zugriff: 10.08.2013) 20

Die Vertrauensstelle ist als Teil des Konfliktmanagements der HAW Hamburg im Jahre 2010 im Rahmen eines Pilotprojektes eingerichtet worden. Initiatoren sind Fach,- und Prozesspromotoren des Konfliktmanagements der HAW Hamburg. Eine feste Verortung zu einer Betriebseinheit an der Hochschule gibt es bisher nicht. Der Aufgabenbereich umfasst das Entgegennehmen und ggf. Weiterleiten von Beschwerden. Bei konflikthaften Situationen bietet die Vertrauensstelle Unterstützung und bei Konflikten wird diese vermittelnd tätig. Die Einrichtung einer Vertrauensstelle soll dem Zweck dienen, eine Anlaufstelle für Studierenden und Hochschulbedienstet zu schaffen, die in einer konflikthaften Situation Unterstützung suchen. Die Vertrauensstelle nimmt in diesem Fall jegliche Arten von Konflikten oder Beschwerden an. Entscheidend ist, dass die Vertrauensstelle um Unterstützung gebeten wird, so dass nach der unter Punkt 2.1.1 dargestellten Definition von Schmidtberg davon ausgegangen wird, dass der oder die Betroffene sich in einer belastenden Situation befindet, in der die Vertrauensstelle Beratung und Vermittlung anbietet. Die folgende nähere Beschreibung des Projektes wurde aus Dokumenten der Vertrauensstelle, vom Koordinator des Konfliktmanagements der HAW zur Bekanntmachung der Vertrauensstelle veröffentlichten Artikeln in Fachzeitschriften sowie aus Interviews mit den MitarbeiterInnen der Vertrauensstelle der HAW gewonnen. 3.1 Zur Entstehung des Pilotprojekts Vertrauensstelle Der Gedanke, eine Vertrauensstelle für Studierende und Lehrende einzurichten, ist Anfang 2010 entstanden. Den Impuls gaben MitarbeiterInnen der HAW- Serviceeinrichtung für Evaluation, Qualitätsmanagement und Akkreditierung (EQA).EQA wertet u.a. die von den Studierenden ausgefüllten Evaluationsbögen für die einzelnen Module am Ende jedes Semesters aus. Die Evaluationsbögen enthielten teilweise konkret Beanstandungen von Studierenden an Lehrveranstal- 21

tungen und Lehrenden. Das Bearbeiten von Beschwerden liegt jedoch nicht im Aufgabenbereich von EQA. In diesen Fällen wurde aus Furcht vor einer möglichen Benachteiligung oder der Besorgnis heraus, dass ihr Anliegen nicht mit der nötigen Vertraulichkeit behandelt werden würde, der direkte Austausch über ein mögliches Ärgernis mit dem Lehrenden seitens des Studierenden vermieden. Die Konfliktlotsen der HAW erhielten daher von Seiten von EQA die Anregung, eine Anlaufstelle für Studierende zu schaffen, die sich speziell der Bearbeitung von Beschwerden und Konflikten annimmt. Prof. Dr. Carmen Gransee und MA Dipl.-Ing Helmuth Gramm verfolgten daher in Kooperation mit dem AStA im April 2010 das Pilotprojekt Vertrauensstelle weiter. (Gramm, H; Gransee, C; Hoeft, L, Wolfrum, F, 2011) 3.2 Das Konzept der Vertrauensstelle Pilotprojekte haben den Zweck, die entwickelten Instrumente, Methoden und Prozesse unter realen Bedingungen auf ihre Funktion hin zu überprüfen und ggf. anzupassen, da sich in der praktischen Umsetzung oft noch Gesichtspunkte ergeben, die in der Entstehung der Instrumente, Methoden und Prozesse nicht oder nicht ausreichend bedacht worden sind. Bevor die geschaffenen Methoden eingeführt werden, sollten sie eindeutig und präzise definiert und dokumentiert sein. Eines der wesentlichen Merkmale eines Projektes ist u.a. dass dieses mit begrenzten Ressourcen (zeitlich/ personell) verwirklicht werden muss (Voigt, Karavul, 2011) In diesem Sinne ist das Pilotprojekt Vertrauensstelle auf der Grundlage eines Grobkonzepts eingeführt worden. Hierin wurden u.a. die grundsätzliche Steuerung des Prozesses nach einem flexiblen Modell, die derzeitige Bestandsaufnahme hinsichtlich möglicher Anlaufstellen bei Konflikten (Ist-Situation) sowie das Veränderungsziel, nämlich die Einrichtung einer Konfliktstelle als Teil des Konfliktmanagements erfasst (Hoeft, Gransee, Gramm, 2010, S. 3 ff.). 22

Nachfolgend werden die eingeführten Elemente näher dargestellt. Einzelne Elemente sind in der praktischen Erprobungsphase im Interesse der Durchführbarkeit des Projektes angepasst worden: 3.2.1 Das Selbstverständnis der Vertrauensstelle Eine Grundlage des Konzepts ist das Selbstverständnis der Vertrauensstelle. Durch die Einrichtung einer Konfliktberatungsstelle soll eine Streitkultur in die Hochschule implementiert werden, in der die positiven Aspekte von Konflikten zum tragen kommen. Im täglichen Miteinander sind Konflikte unausweichlich. Diese sind wichtig und notwendig, um Raum für Weiterentwicklungen und Veränderungen zu schaffen. (Gransee, 2013). Konflikte haben Potenzial (Gramm et. al, 2011, S. 182) lautet in diesem Sinne der Titel in einer Veröffentlichung, in der Studierende und Hochschulbedienstete über die Einrichtung und die Arbeit der Vertrauensstelle informiert wurden. 3.2.2 Die Grundsätze der Vertrauensstelle Die Mitarbeiterinnen der Vertrauensstelle fühlen sich in ihrer Arbeit den unter Punkt 2.3.3 dargestellten Grundsätzen der Mediation verpflichtet. Um eine vertrauliche Atmosphäre herzustellen und zu wahren, wird von den Mitarbeitern in einem Beratungsgespräch absolutes Stillschweigen über die Kenntnis sämtlicher persönlicher Daten und Sachverhalte gegenüber Dritten bewahrt. Die Konfliktparteien werden gleichermaßen in einem Konfliktfall unterstützt. Darüber hinaus entscheiden sich die Konfliktparteien freiwillig und eigenverantwortlich für eine Teilnahme an einem Vermittlungsgespräch. Eine konstruktive Konfliktarbeit ist nur auf der Basis dieser Grundsätze möglich (Gramm et. al, 2011). 3.2.3 Das Beratungstandem Kennzeichnend für die ursprüngliche Bezeichnung Vertrauensstudentin & Vertrauensdozentin ist ebenfalls das Konzept der Vertrauensstelle. Demnach stehen als Ansprechpersonen eine Studentin und eine Dozentin zur Verfügung. Hintergrund ist die Überlegung, den Studierenden in einer konfliktbehafteten Situation den Zugang zur Vertrauensstelle so leicht wie möglich, also niedrigschwellig zu 23

gestalten. Dadurch können die Studenten selber auszuwählen, ob sie in der Vertrauensstelle ein Mitglied aus der Gruppe der Studentenschaft oder aus der Reihe der Professorinnen und Professoren ansprechen möchten. In einem Konfliktfall zwischen Studierenden und Hochschulbediensteten kann das Tandem auf Basis der persönlichen Erfahrung und darauf aufbauend im Zuge des Austausches die Perspektive der Streitparteien ggf. leichter nachvollziehen und so vermitteln. In einem Konfliktfall wird durch das Beratungstandem die Methode des Perspektivwechsels in der Bearbeitung des Konflikts realisiert. 3.3 Beteiligte der Vertrauensstelle Vertrauensdozentin und Leiterin des Pilotprojekts Vertrauensstelle ist Frau Prof. Dr. Carmen Gransee. Zum Ausgleich ihrer Tätigkeit als Vertrauensdozentin erhält sie 2 Lehrveranstaltungsstunden Lehrentlastung für ihre Tätigkeit als Professorin am Department für Soziale Arbeit. Frau Prof. Dr. Carmen Gransee ist Konfliktlotsin der HAW Hamburg. Ihre Ausbildung zur betrieblichen Konfliktberaterin und Mediatorin wurde mit zentralen Mitteln der HAW Hamburg finanziert. In der Zeit von September 2010 bis Mai 2013 sind wechselnde Vertrauensstudentinnen für bisher jeweils zwei Semester in der Vertrauensstelle aktiv: Im Wintersemester 2010/11 hat diese Aufgabe Lina Hoeft (Studentin der Gender Studies an der Universität Göttingen, ehemalige Referentin für Soziales im AStA) übernommen. Ab dem Wintersemester 2011/12 hat sich Franziska Wolfrum (Studentin am Department Soziale Arbeit und Mitglied im Fachschaftsrat) für die Vertrauensstelle engagiert. Seit dem Wintersemester 2012/13 wird die Vertrauensdozentin von Julia Bebensee (Studentin der Sozialen Arbeit, Mitglied im AStA) unterstützt. Zur Vorbereitung auf Ihre Tätigkeit in der Vertrauensstelle besuchen die Vertrauensstudentinnen eine Lehrveranstaltung und einen Workshop. Im Department Soziale Arbeit bietet Frau Prof. Dr. Gransee im Modul Konstruktive Konfliktbearbeitung und Konfliktmanagement eine Einführung in Methoden der Mediation und Gesprächsführung. Darüber hinaus haben Franziska Wolfrum und Julia Bebensee 24

an einem Wochenendseminar zu Konfliktmanagement des Career Service der HAW Hamburg teilgenommen. MA Dipl. Ing. Helmuth Gramm ist Konfliktlotse und Koordinator des Konfliktmanagements der HAW Hamburg sowie Mediator. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Carmen Gransee verfolgen diese nach Abschluss der Pilotphase nun das Ziel, weitere Anlaufstellen für alle Studierenden und Kolleginnen der HAW einzurichten. 3.4 Einblicke in die Arbeit der Vertrauensstelle 3.4.1 Erreichbarkeit der Vertrauensstelle Um des Prinzip der Niedrigschwelligkeit umzusetzen, werden der Zielgruppe verschiedene Möglichkeiten geboten, die Vertrauensstelle zu erreichen. Das Büro der Vertrauensstelle und der Konfliktlotsen auf dem Hauptcampus der HAW kann in der Sprechstunde aufgesucht werden. Des weiteren kann die Vertrauensdozentin und Vertrauensstudentin über E-Mail oder telefonisch kontaktiert werden. Die Vertrauensdozentin kann zu ihrer Sprechzeit in ihrem Büro im Department Soziale Arbeit aufgesucht werden. Da bisher sämtliche Vertrauensstudentinnen zusätzlich im AStA aktiv sind oder waren, kann auch darüber der Kontakt aufgenommen werden. 3.4.2 Fallannahme,-bearbeitung und Dokumentation Die verschiedenen Konfliktanlässe, s. Punkt 2.2.2 erfordern den Einsatz unterschiedlicher methodischer Interventionen. Hauptsächlich werden Beratungen durchgeführt. Hierbei wird in einem Einzelgespräch das Anliegen erörtert und Lösungen aufgezeigt, die zur Klärung beitragen könnten. Neben Einzelberatungen werden auch die Begleitung und Moderationen von Studiengruppen im Konflikt mit GremienvertreterInnen durchgeführt. Daneben finden sich Konfliktfälle, bei denen im Sinne eines mediativen Ansatzes eine Vermittlung zwischen den Konfliktparteien stattfindet. Bei Unzuständigkeit der Konfliktberatungsstelle wird an die jeweils 25

zuständige Beratungsstelle weiter verwiesen (z.b. an die psychologische Beratungsstelle der Zentralen Studienberatung oder auch die Rechtsberatung des AStA etc.) (Gransee, 2013, S. 15). Grundsätzlich nicht angenommen werden Beschwerden, die nicht im Rahmen eines Konfliktverfahrens bearbeitet werden können. Dazu zählen kollektiv gesammelte und anonym zur Weiterleitung übermittelte Beschwerden, die zur Verunglimpflichung der betreffenden Person beitragen könnten. Dies widerspricht dem unter Punkt 3.2.1 dargestellten Selbstverständnis der Vertrauensstelle im Hinblick auf eine positive Sicht und ein konstruktiver Umgang mit Konflikten in der Hochschule. Im Falle von Beschwerden per E-Mail über den Verteiler der HAW Hamburg initiiert die Vertrauensstelle Diskussionsforen, da eine Konfliktklärung per E-Mail keine adäquate Konfliktbearbeitungsform darstellt (Gransee, 2013, S. 15). Zu den Verfahrensstandards der Konfliktberatungsstelle gehört die schriftliche Dokumentation jedes einzelnen Konfliktfalles durch die Mitarbeiter der Vertrauensstelle. Inhaltlich werden folgende Punkte aufgenommen: Personen,- und Kontaktdaten (Name, Geschlecht, Statusgruppe, Department, Studiengang, Semester, E-Mailadresse) Daten zum Konfliktfall (Datum der Kontaktaufnahme, Anliegen/ Anlass, Erwartungen an die Konfliktbearbeitung, Konfliktbeteiligte) Verfahrensschritte Ergebnisse der Konfliktbearbeitung und Abschluss des Falles Ggf. Neuaufnahme des Falles nach längerer Zeit Zeiterfassung (Dokumentation der aufgewendeten Zeit für Kontaktaufnahme, Verfahrensschritte, Kommunikation, Verschriftlichungen etc.) (Gransee, 2013, S. 17). 26

3.4.3 Konfliktthemen und Beratungsanlässe Die von dem Beratungstandem zu bearbeitenden Konflikte und durchzuführende Beratungen betreffen unterschiedlichste Themenbereiche aus dem Hochschulalltag, wie z.b.: Klagen über nicht angemessene Umgangs,- und Kommunikationsformen Probleme im Lehr,- und Hochschulalltag, wie z.b. schlechte Erreichbarkeit der Lehrenden, mangelhafte Informationspolitik und unzureichende Betreuung, zu hoher Anspruch der Lehrenden an die Studierenden, verzögerte Eingabe der credit points bei Helios) Unklare Informationspolitik bei Prüfungsangelegenheiten (Klausurvorbereitungen, Nachteilsausgleich, Intransparenz der Benotungen bei Prüfungen, Leistungsnachweisen und Praktikumsberichten) Wegen formaler Mängel drohende Exmatrikulation Konflikte zwischen Studierenden Probleme, die im Umgang mit psychisch beeinträchtigen Studierenden, aber auch Lehrenden, entstehen Konflikte, die aus Diskriminierungen im Hochschulalltag entstehen (Gransee, 2013, S. 15) 3.4.4 Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Vertrauensstelle Eine Informations- und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne einer Bekanntmachung der Vertrauensstelle bei Hochschulbediensteten und Studierenden wird durch folgende Aktivitäten verfolgt: Die Vertrauensstelle ist im Intranet der HAW Hamburg zu finden unter dem link: http://www.haw-hamburg.de/studium/erfolgreich-studieren/beratung/vertrauensstelle.html Durch Berichte, z.b. aus den Jahren 2011 und 2012 in Zeitschriften, wie in dem internen Newsletter der HAW Hamburg der BlauPause sowie in der 27

Fachzeitschrift standpunkt sozial, herausgegeben vom Department Wirtschaft & Soziales. Durch eine persönliche Vorstellung der Vertrauensstelle durch die Mitarbeiter, z.b. auf Veranstaltungen und in den Orientierungseinheiten der HAW Hamburg für die Erstsemester Durch schriftliches Informationsmaterial, wie den Flyer der Vertrauensstelle 3.4.5. Vernetzung Die Beteiligten der Vertrauensstelle sind mit unterschiedlichen Akteuren und Institutionen der Hochschule vernetzt, u.a. mit dem Asta und der Studienberatung. Im Hinblick darauf, dass Studierende bei Konflikten unterschiedliche Akteure, oft auch aus Unkenntnis des richtigen Ansprechpartners ansprechen, aber auch um Konfliktherde rechtzeitig zu erkennen oder einen Konfliktfall in Zusammenarbeit zu lösen, ist eine Kooperation mit weiteren Akteuren und Institutionen der Hochschule wichtig. Darüber hinaus haben sämtliche Beteiligte weitere Aufgaben und Funktionen in weiteren Gremien, die einen Austausch und eine Zusammenarbeit zu anderen Stellen ermöglichen. So ist die Projektleiterin gleichzeitig Konfliktlotsin und Mitglied im Kriseninterventionsteam. Die Vertrauensstudentin ist Mitglied im Asta, in dem sie ebenfalls mit Beschwerden von Kommilitonen konfrontiert wird. 28

4. Untersuchungsdesign Für die durchgeführte Untersuchung wurde ein qualitatives Design gewählt. Dies zeichnet sich durch einen explorativen Charakter bezogen auf den Untersuchungsgegenstand aus (Flick, 2011, S. 44). Eines der zentrale Prinzipien ist die Offenheit hinsichtlich der Fragen, Antworten und Methoden (Diekmann, 2007, S. 531). Ausschlaggebend hierfür war die Größe des Untersuchungsgegenstandes. Die Vertrauensstelle ist ein kleines Pilotprojekt im Rahmen des Konfliktmanagements der HAW Hamburg. 4.1 Evaluation des Untersuchungsgegenstandes Je nach Anwendungsbereich, Aufgabe und Evaluationskonzept werden zahlreiche Definitionen unterschieden: Nach den von der Gesellschaft für Evaluation e.v. herausgebrachten Standards lautet die Definition wie folgt: Evaluation ist die systematische Untersuchung des Nutzes oder Wertes eines Gegenstandes. Solche Evaluationsgegenstände können z.b. Programme, Projekte, Organisationen, ( ) sein. Die erzielten Ergebnisse müssen nachvollziehbar auf empirisch gewonnen qualitativen oder/oder quantitative Daten beruhen (Gesellschaft für Evaluation e.v., 2002, S. 15). 4.1.1 Das Konzept der Evaluation Wie bereits in der Abschlussarbeit von Lena Podlech ausgeführt, konnte das zunächst im Zweier-Team geplante umfängliche Evaluationskonzept aus organisatorischen Gründen nicht durchgeführt werden. Inhalte des ursprünglichen Konzeptes waren u.a. die Dokumentenanalyse der Vertrauensstelle sowie eine Inhaltsanalyse des Netzwerktreffens sowie Leitfadeninterviews mit verschiedenen für den Bereich des Konfliktmanagement der HAW Hamburg wichtigen Akteure und Institutionen. Die Ergebnisse der Befragungen einer Stichprobe der Hochschulleiter und Leiterinnen finden sich in der von Lena Podlech vorgelegten Abschlussarbeit: Wie 29

kann sich die Vertrauensstelle der HAW Hamburg im Spannungsfeld von Konflikt,- und Beschwerdemanagement aus Sicht anderer institutioneller Stellen weiterentwickeln? wieder. Das Ziel der Evaluation der Vertrauensstelle ist die qualitative Bewertung des Pilotprojektes. In dieser Untersuchung werden die Experten sowie die Nutzerinnen der Vertrauensstelle der HAW Hamburg befragt. Der Fokus liegt dabei auf der Beurteilung des Konzeptes der Vertrauensstelle im Hinblick auf die Durchführung aus Sicht der NutzerInnen und Expertinnen. Hierzu sind folgende Leitfragen entwickelt worden: Wie wird die Öffentlichkeitsarbeit der Vertrauensstelle bewertet? Wie wird die Erreichbarkeit der Vertrauensstelle bewertet? Wie wird das Tandemkonzept bewertet? Wie wird die Arbeit der Vertrauensstelle bewertet? Welche Stärken und Schwächen hat die Vertrauensstelle? Inwiefern besteht Verbesserungs,- und Entwicklungspotenzial der Vertrauensstelle? 4.1.2 Fragestellung der Evaluation Mit der Forschungsfrage: Wie kann sich die Vertrauensstelle der HAW Hamburg im Spannungsfeld zwischen Konflikt- und Beschwerdemanagement weiterentwickeln? wurde die Vertrauensstelle zur Evaluation ausgeschrieben. Infolge einer genaueren Kenntnis des Untersuchungsgegenstandes im Laufe der Zeit ist das in der Untersuchung zu behandelnde Spannungsfeld zwischen Konflikt,- und Beschwerdemanagement in den Hintergrund getreten. Unter Berücksichtigung des in Punkt 3.2.1 dargestellten Selbstverständnisses der Konfliktstelle ist dies eine Beratungsstelle in konflikthaften Situationen. Im Hinblick darauf, dass die Ressourcen der Mitarbeiterinnen der Konfliktstelle sehr begrenzt sind, musste ein Arbeitsschwerpunkt gewählt werden, der in der Konfliktstelle auf 30