Herausgeberin: Landeshauptstadt Kiel - Sozialdezernat - Postfach 11 52 24099 Kiel. April 1994



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I N S T I T U T F Ü R D E M O S K O P I E A L L E N S B A C H

Darum geht es in diesem Heft

Transkript:

Herausgeberin: Landeshauptstadt Kiel - Sozialdezernat - Postfach 11 52 2499 Kiel April 1994 Bearbeitung und Gestaltung: Amt für Soziale Dienste - Sonderdienst Verhinderung von Obdachlosigkeit - Christoph Schneider Lutz Richter Susanne Kabitz Druck: Rathausdruckerei - Amt für Zentrale Dienste der Landeshauptstadt Kiel Auflage: 7

1 Einleitung 1 2 Allgemeine Situation im Überblick 1 3 Wohnungssichernde und -erlangende Hilfen 3 3.1 Übernahme von Mietschulden 3 3.2 Mietsicherheiten, Courtagen, erste Mieten 5 4 Zwangsräumungen, Unterkünfte, Unterbringungen 6 4.1 Zwangsräumungen 7 4.2 Ersatzwohnraum 7 4.3 Gemeinschaftsunterkünfte 9 4.4 Hotels- und Pensionen 1 4.5 Betreuung alleinstehender Wohnungsloser 11 5 Asylsuchende, Aussiedler/innen, ausländische Flüchtlinge 12 5.1 Asylsuchende 13 5.2 Aussiedler/innen, ausländische Flüchtlinge 14 6 Andere Maßnahmen 15 6.1 Winternotprogramm 15 6.2 Inanspruchnahme leerstehender Gebäude 15 6.3 Organisatorische Veränderungen 16 7 Fazit 17 Grafikverzeichnis 19 Anlage

1 1 Einleitung Trotz anhaltenden Wohnungsbaues befindet sich die Gesellschaft in einem Jahrzehnt der Wohnungsnot. Wohnungsknappheit, fehlbelegte Sozialwohnungen, Mietpreisanstieg usw. führen zu immensen Folgekosten für die Gesellschaft, insbesondere zu einem rapiden Anstieg der Sozialhilfekosten bei gleichzeitiger öffentlicher Armut. Kiel - als eine der bezogen auf die Einwohneranzahl flächenärmsten Großstädte der Bundesrepublik - ist hiervon in besonderem Maße betroffen. In regelmäßigen Abständen soll in dieser Form über die aktuelle Entwicklung des Ausmaßes der Wohnungsnot und der von den sozialen Diensten der Sozialverwaltung in Zusammenarbeit mit freien Trägern der Wohlfahrtspflege geleisteten und notwendigen Hilfen gegeben werden. 2 Allgemeine Situation im Überblick Zur Zeit fehlen in Kiel etwa 6. bis 6.5 Wohnungen. Diese Situation wird unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (hohe Arbeitslosigkeit, steigende Lebenshaltungskosten und damit einhergehende Reallohnverluste) noch verschärft durch fehlenden preiswerten Wohnraum. So hat sich allein der Bestand an Sozialwohnungen in Kiel in den letzten fünf Jahren von ca. 4. Wohnungen auf ca. 27. Wohnungen (Stand 31.12.1993) reduziert. Jährlich fallen durch Ablauf von Bindungsfristen 1.2 bis 1.8 Sozialwohnungen weg. Bis Ende 1993 wurden nach dem öffentlichen Wohnungsbauprogramm (199 bis 1992) dagegen nur ca. 25 neue Sozialwohnungen pro Jahr fertiggestellt. Für 1994 und 1995 werden insgesamt voraussichtlich rd. 94 öffentlich geförderte Wohnungen bezugsfertig (jährlich rd. 47). Das in der Regel finanziell schlechter gestellte Klientel der sozialen Dienste, wie z.b. Sozialhilfeempfänger/innen, Alleinerziehende, alte Menschen, Frauenhausbewohnerinnen, Ausländer/innen, Haftentlassene, psychisch Kranke, Wohnungslose u.a.m. ist von der Wohnungsmarktsituation besonders betroffen und wird bei der Versorgung mit Wohnraum zunehmend ausgegrenzt. Selbst wirtschaftliche Hilfen zur Wohnungssicherung greifen oft dann nicht mehr, wenn es sich bei den Betroffenen um auffällige Mieter/innen handelt und die Vermieterseite bereits einen Räumungstitel erwirkt hat. In diesen Fällen ist die Unterbringung der obdachlos werdenden Personen nach dem Landesverwaltungsgesetz oft die einzige Hilfe. 1 Am 31. Dezember 1993 (bzw. 1.1.1994) lebten insgesamt 2.187 aktuell von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen (sog. akute Wohnungsnotfälle 2 ) in Kiel in Notunterkünften (davon mindestens 3 Kinder), im Freien oder bei Freunden und Bekannten. Hierunter fallen 618 Wohnungslose aus Kiel und Umgebung (vgl. Grafik 1), 169 Aussiedler/innen, 1.237 Asylbewerber/innen und 163 ausländische Flüchtlinge. Hinzuzurechnen ist eine nicht genau zu beziffernde Zahl von Menschen, die vom Kieler Hilfesystem 1 vgl. auch Bericht über die Entwicklung der Armut in Kiel", Landeshauptstadt Kiel, Kiel 1993 2 zur Begriffsdefinition vgl. Deutscher Städtetag - Beiträge zur Sozialpolitik, Heft 21, Köln 1987

2 zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (Übersicht vgl. Anlage 1) nicht erfaßt sind bzw. in unzureichenden Wohnverhältnissen (Wohnungssuchende) leben. Der Anteil wird auf ca. 1/3 der vorstehend erfaßten Wohnungsnotfälle geschätzt, so daß etwa 1,2 % der Gesamtbevölkerung von Kiel (244.918 Einwohner - Stand 31.12.1993) unter auf Dauer nicht ausreichenden Wohnverhältnissen leben. Grafik 1: Wohnungs- bzw. Obdachlose ohne dauerhafte Wohnungsversorgung in Kiel 8 7 6 144 111 125 129 12 83 7 5 2 4 3 344 344 343 333 331 318 329 317 86 2 57 121 148 139 144 57 159 95 1 82 49 59 51 65 55 42 28 54 83 61 52 61 47 3 1.4.1992 1.7.1992 1.1.1992 1.1.1993 1.4.1993 1.7.1993 1.1.1993 1.1.1994 bei Bekannten in Ersatzwohnraum auf Platte, Zeltplatz in Hotels/Pensionen in Gemeinschafts- unterkünften Grafik 2: Entwicklung der Hilfen im Sonderdienst Verhinderung von Obdachlosigkeit (ohne Unterbringung Aussiedler/innen und Flüchtlinge) 2.8 2.6 2.4 2.2 2. 1.8 1.6 1.4 1.2 1. 8 6 4 2 423 458 492 481 429 44 294 348 916 441 628 657 662 615 636 678 199 1991 1992 1993 Anträge Mietschulden Anträge Mietsicherheiten (ohne Courtagen, erste Mieten) Unterbringungen angesetzte Zwangsräumungen

3 3 Wohnungssichernde und -erlangende Hilfen Mit der 199 erfolgten Neuorganisation der sozialen Dienste wurde die Abwicklung von Leistungen zur Wohnungssicherung bzw. -erlangung auf das Amt für Soziale Dienste und den hier eingerichteten Sonderdienst Verhinderung von Obdachlosigkeit übertragen. Im Rahmen dieser Aufgabe werden für Einkommensschwache bei Vorliegen der sozialhilferechtlichen Voraussetzungen eine die Wohnungskündigung begründende aufgelaufene Mietschuld (Hilfen zur Wohnungssicherung) sowie Mietsicherheiten, Ausfallbürgschaften etc. (Hilfen zur Erlangung einer Wohnung) übernommen. Grundlage für diese Leistungen ist 15 a BSHG - Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen - und hierzu die von der Selbstverwaltung verabschiedeten Richtlinien. Die Wohnungsnot und der gleichzeitig einhergehende Anstieg von einkommensschwachen Haushalten führte in den letzten drei Jahren zu einer Zunahme der in diesem Zusammenhang erforderlichen Hilfen des Kieler Hilfesystems zur Verhinderung von Obdachlosigkeit". Ziel dieser Hilfen ist die Verhinderung des Wohnungsverlustes und der damit verbundenen Folgekosten (jeder Wohnungswechsel auf dem freien Wohnungsmarkt führt zur Mieterhöhung um ca. 3%, jede Notunterbringung ist rd. vier- bis siebenfach so teuer wie der Einsatz wohnungssichernder Hilfen 3 ; vgl. auch Anlage 2 - Kostenübersicht 1993). Entwicklung der Kosten: 1991 1992 1993 Anzahl Fälle 1.7 1.13 1.285 Kosten* 1.5. 1.81. 2.165.8 Kosten/Fall 1.4 1.64 1.685 * einschl. Sachkosten, Verwaltungsgemeinkosten und Allgemeinkosten des Amtes 3.1 Übernahme von Mietschulden Mietschulden werden in Form von Darlehen oder Beihilfen übernommen, wenn dadurch der Verlust der Wohnung verhindert und die Unterkunft gesichert werden kann. Laut einer Studie der Caritas sind 25 % der Bevölkerung armutsgefährdet. Das Einkommen von 39,9 % der armutsgefährdeten Arbeitslosen und Alleinerziehenden wird mit 4 % und mehr an Mietkosten belastet. Immer mehr Haushalte verschulden sich, um einerseits ihre Existenz zu sichern und andererseits den gestiegenen Konsumansprüchen auch nur annähernd gerecht werden zu können. So hatten nach dieser Studie 57,1 % der Befragten Schulden bis zu 5. DM und 17,9 % mehr als 2. DM 4. Bei Zahlungsschwierigkeiten wird häufig mit der Mietezahlung ausgesetzt, da die Konsequenzen erst spät einsetzen. Verschuldung ist die häufigste Ursache für die Entstehung 3 vgl. Deutscher Städtetag - Beiträge zur Sozialpolitik, Heft 21, S. 33 4 Universität Frankfurt im Auftrag der Caritas, 1992; in: Frankfurter Rundschau vom 9.9.1992

4 von Mietschulden. Das die Gefährdung von Wohnraum besonders ein Problem von einkommensschwachen Haushalten ist, spiegelt sich auch in den Fallzahlen des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Landeshauptstadt Kiel wieder. So entfallen 27,4 % der Fälle für den Bereich Verhinderung von Obdachlosigkeit auf den Stadtteil Gaarden und 15,5 % auf den Stadtteil Mettenhof 5. Grafik 3: Entwicklung der Mietschuldenanträge 9 8 7 6 71 662 615 636 678 5 4 3 2 1 1989 199 1991 1992 1993 1993 wurden Mietschulden in 134 Fällen in Form eines Darlehens mit einer Gesamtsumme von rd. 35. DM und in 43 Fällen als Beihilfe mit einer Summe von rd. 7. DM übernommen. Bei der Bearbeitung der Anträge kommt es wegen unzureichender personeller Kapazitäten in der Regel zu schwerwiegenden Rückständen. Ausschlaggebend für die Vermeidung von Räumungsurteilen ist die Wahrung der Schonfrist von vier Wochen nach Klageerhebung ( 554 BGB). Zwar konnten 42,8 % aller Mietschuldenanträge 1993 innerhalb von vier Wochen bearbeitet werden, aber es muß davon ausgegangen werden, daß es sich bei 27,3 % der innerhalb von 14 Tagen nach Antragseingang bearbeiteten Anträgen in der Regel um solche handelt, die erst nach Ansetzung des Zwangsräumungstermines gestellt wurden. In diesen Fällen kann das Mietverhältnis ohnehin nur mit Einverständnis der Vermieterseite fortgesetzt werden, da ein rechtskräftiges Räumungsurteil vorliegt. Diese oft schwierigen und unter starkem Zeitdruck zu bearbeitenden Anträge binden einen Großteil der Arbeitskräfte. Die Regelbearbeitungszeit (inklusive Wartezeit) beträgt für 49% der Anträge - ohne Eilt-Fälle - drei Monate (23,4 % = 13 Wochen und mehr). Selbst bei zurückhaltender Schätzung könnten gegenwärtig durch eine rechtzeitige Bearbeitung ca. 4 bis 5 Unterbringungen im Jahr vermieden werden. Die so einzusparenden Unterbringungskosten auf der Grundlage einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von fünf Monaten (zur Zeit tatsächlich sieben Monate und mehr) belaufen sich auf rd. 5 Statistikbericht des Amtes für Soziale Dienste, Landeshauptstadt Kiel, 1992

5 2. bis 32. DM (4 bzw. 5 Unterbringungen x 32,5 DM Kosten Gemeinschaftsunterkunft/Tag im günstigsten Fall bzw. 41,65 DM durchschnittlicher Hotelbettenpreis/Tag x 153 Unterkunftstage). Vorrangiges Ziel muß daher sein, zukünftig alle Anträge in der Regel innerhalb von drei Wochen nach Eingang bearbeitet zu haben - auf jeden Fall aber so rechtzeitig, daß die Schonfrist gewahrt werden kann. Hierfür ist eine personelle Verstärkung (1,5 Planstellen wurden beantragt) und interne Umorganisation notwendig. Grafik 4: Entwicklung der Kosten für Mietschuldenübernahmen 1.1. 1.. 1.19.459 9. 8. DM 7. 6. 5. 4. 393. 619.8 3. 2. 1. 1985 1986 1987 1988 1989 199 1991 1992 1993 3.2 Mietsicherheiten, Courtagen, erste Mieten Zur Erlangung einer Wohnung werden Mietsicherheiten und/oder Maklercourtagen sowie Starthilfen zur Überbrückung einer finanziellen Notsituation bewilligt. Ansprüche auf Rückzahlung der Mietsicherheiten werden durch Abtretungserklärungen des Hilfeempfängers/der Hilfeempfängerin sichergestellt. Grafik 5: Entwicklung der Mietsicherheitsanträge (ohne Courtage, Gebühren und Starthilfen) Anzahl 1.1 1. 9 8 7 6 5 4 3 2 1 916 628 657 441 199 1991 1992 1993

6 Die gegenüber 1991 und 1992 stark angestiegenen Antragszahlen sind trotz des sich verengenden Wohnungsmarktes und der dabei anzunehmenden Verringerung von Umzügen auf folgende Faktoren zurückzuführen: sowohl öffentliche und gemeinnützige Wohnungsbauträger als auch die privaten Vermieter und Vermieterinnen fordern gegenüber den Vorjahren in steigendem Umfange Mietsicherheiten als Barleistung oder in Form einer Bürgschaft Vermietungen auf dem freien Wohnungsmarkt erfolgen mittlerweile fast ausnahmslos über Makler allgemeiner Anstieg der Wohnungsvermittlungen durch das Amt für Wohnungsbau und Wohnungswesen (823 in 1992 und 1.276 in 1993), insbesondere in Neubauwohnungen (182 in 1992 und 41 in 1993) Grafik 6: Entwicklung der Kosten (einschl. Courtagen, Gebühren und Starthilfen) 825. 798.537 75. 675. 6. 583.9 DM 525. 45. 375. 3. 263.2 225. 15. 75. 1985 1986 1987 1988 1989 199 1991 1992 1993 Durch eine mit der KWG 199/91 getroffene Vereinbarung über die Gewährung von Ausfallbürgschaften anstelle von Barleistungen zur Abdeckung einer geforderten Mietsicherheit konnte die enorme Ausgabensteigerung von 1985 bis 1989 in den Folgejahren zum Teil aufgefangen werden. Im Jahr 1993 entfielen auf Darlehen rd. 5. DM und auf Beihilfen rd. 3. DM. 4 Zwangsräumungen, Unterkünfte, Unterbringungen Die Stadt hat nach den Bestimmungen des Landesverwaltungsgesetzes die Verpflichtung, Gefahren für einzelne Personen abzuwehren. Damit besteht eine Unterbringungsverpflichtung, wenn Personen ohne Obdach und selbst nicht in der Lage sind, sich zu helfen. Diese ordnungsbehördlichen Aufgaben wurden in Kiel seit 1978 zunächst vom

7 Sozialamt, seit 199 vom Sonderdienst Verhinderung von Obdachlosigkeit wahrgenommen. Zur Verhinderung von Obdachlosigkeit" werden für die vorübergehende Unterbringung betroffener Menschen Wohnungen (Ersatzwohnraum) angemietet oder auf der Grundlage von Belegungsvereinbarungen mit privaten Betreibern Gemeinschaftsunterkünfte betrieben. Soweit diese Unterbringungskapazitäten nicht ausreichen, werden Übernachtungsplätze in gewerblichen Beherbungsunternehmen (Hotels, Pensionen) belegt. 4.1 Zwangsräumungen Von jeder angesetzten Zwangsräumung wird das Amt für Soziale Dienste durch das Amtsgericht Kiel informiert. Daraufhin bemüht sich zunächst der Allgemeine Sozialdienst (ASD) um einen Kontakt und bietet Beratung und Unterstützung an. Wird dies nicht in Anspruch genommen bzw. ist eine Zwangsräumung nicht oder nicht mehr abzuwenden (z.b. durch Mietschuldenübernahme) und droht bei den Betroffenen eine anschließende Wohnungslosigkeit, so ist die Arbeitsgruppe Verhinderung von Obdachlosigkeit" zuständig. Ein/e Mitarbeiter/in nimmt in der Regel an der Zwangsräumung teil und versorgt die Betroffenen bei Bedarf mit einer Unterkunft. Grafik 7: Entwicklung der Zwangsräumungen Anzahl 55 5 525 45 4 423 35 3 25 2 15 147 129 1 5 1986 1987 1988 1989 199 1991 1992 1993 angesetzte Zwangsräumungen durchgeführte Zwangsräumungen Während anderenorts von einer deutlichen Zunahme der Zwangsräumungen die Rede ist, läßt sich dieser Trend für Kiel nicht eindeutig bestätigen. Die Zahl der angesetzten wie auch die der durchgeführten Zwangsräumungen schwankt seit Jahren erheblich, ohne daß ein Trend erkennbar wäre. Die seit 1989 abnehmende Tendenz der angesetzten Zwangsräumungen wäre eventuell mit größerer Sorgfalt der Mieter/innen im Umgang mit Wohnraum und verstärkten Aktivitäten des Amtes für Soziale Dienste im Vorfeld erklärbar. Deutlich wird aber auch die seit 199 abnehmende Bereitschaft von Vermieterinnen/Vermietern, das Mietverhältnis fortzusetzen, sobald ein Räumungstitel vorliegt. Dies erschwert die Verhinderung von Obdachlosigkeit stark und bindet zusätzlich Arbeitskräfte (vgl. auch Punkt 3.1).

8 Nicht jede abgesetzte Zwangsräumung ist mit einer Verhinderung des Wohnungsverlustes (z.b. wegen Begleichung der Mietschulden durch die Betroffenen oder die Stadt) gleichzusetzen. Gründe für die Absetzung können z.b. auch folgende sein: bereits geräumte Wohnung, Räumungsaufschub auf Antrag des Betroffenen, Ansetzung eines neuen Räumungstermins, Wohnungsvermittlung durch Wohnungsamt u.ä. Gestiegen ist in den letzten Jahren die Zahl der Zwangsräumungen, die durch Mietschuldenübernahme (vgl. Punkt 3.1) verhindert werden konnten von,7 % (= 3 Fälle) der angesetzten Zwangsräumungen in 1985 auf 26,3 % (= 111 Fälle) in 1993. Grafik 8: Entwicklung der durch Mietschuldenübernahme abgewendeten Zwangsräumungen 12 11 1 11 111 9 8 7 66 81 6 5 4 34 53 3 2 21 19 1 3 1985 1986 1987 1988 1989 199 1991 1992 1993 4.2 Ersatzwohnraum Als klassische Versorgung zur Gefahrenabwehr bei drohender Wohnungslosigkeit werden von der Stadt seit Anfang der 8er Jahre Wohnungen angemietet. Sie werden insbesondere Familien mit Kindern sowie Paaren und Einzelpersonen mit besonderen psycho-sozialen Schwierigkeiten vorübergehend zur Verfügung gestellt, die infolge einer unabwendbaren Zwangsräumung nicht mehr rechtzeitig eine neue Wohnung finden konnten. Mit Einsetzen der Wohnungsknappheit Mitte/Ende 199 konnten zur Unterkunftsversorgung keine bzw. nur noch sporadisch neue Wohnungen angemietet werden, während gleichzeitig Ersatzwohnraum verlorenging. Der ansteigende Unterkunftsbedarf konnte nur noch durch Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften bzw. Hotelunterbringungen aufgefangen werden. Zum Stichtag 31.12.1993 waren insgesamt 323 Personen (davon 166 Kinder) in 18 Ersatzwohnungen" untergebracht.

9 Entwicklung der Kosten: 1991 1992 1993 Anzahl Wohnungen 115 116 18 Anzahl BewohnerInnen 344 349 323 Kosten* 1.11.5 1.59.5 1.182. Kosten/Platz/Jahr 3.17 3.25 3.58 Kosten/Platz/Tag 8,69 8,29 9,81 * einschl. Sachkosten, Verwaltungsgemeinkosten und Allgemeinkosten des Amtes 4.3 Gemeinschaftsunterkünfte Zur Unterkunftsversorgung von insbesondere Alleinstehenden und Paaren mußten im Zuge der steigenden Wohnungsknappheit seit Mitte 1991 Gemeinschaftsunterkünfte eingerichtet werden. Zum Stichtag 31.12.1993 wurden insgesamt 182 Plätze durch Belegungsvereinbarungen mit privaten bzw. gemeinnützigen Trägern bereitgestellt. Grafik 9: Entwicklung der Unterkunftsplätze in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe 24 22 2 Anzahl 18 16 14 12 1 2 21 25 2 21 78 8 78 6 31 4 1 2 32 32 1.9.1991 1.5.1992 1.1.1992 8.12.1992 15.7.1993 1.11.1993 1.12.1993 Unterkunft Herbst Bodelschwingh-Haus Unterkunft für wohnungslose Frauen Flämischer Hof Theodor-Heuss-Ring Unterkunft Von-der-Goltz-Allee Für die Unterbringung von alleinstehenden wohnungslosen Männern stehen in der 1992 neu erbauten Übernachtungs- und Übergangseinrichtung Bodelschwingh-Haus" der Evangelischen Stadtmission Kiel im Übergangsbereich (für das Wohnen bis zu einem halben Jahr) 42 Plätze und für die kurzfristige Unterbringung 36 Plätze zur Verfügung. Übergangsweise wurden darüber hinaus in der Zeit von Mai 1992 bis Oktober 1993 etwa weitere 25 Personen in zum Abriß vorgesehenen Wohnungen am Theodor-Heuss-Ring betreut. Als weitere bundesweit modellhafte Einrichtung wurde am 8. Dezember 1992 eine vom Amt für Soziale Dienste initiierte Einrichtung zur vorübergehenden Unterbringung von

1 wohnungslosen Frauen ( Frauenpension") in Betrieb genommen. Hier werden bis zu 21 wohnungslose Frauen, ggfs. mit Kindern, aufgenommen, für die der Hotel- und Pensionsmarkt kaum geeignete Unterkünfte bietet. Die Organisation und Verwaltung übernahm zunächst die Initiative Kieler Frauenhaus e.v. und ab September 1993 als ständige Einrichtung der Verein Wohnraum für Frauen e.v. Darüber hinaus bestehen Belegungsvereinbarungen mit drei privaten Betreibern von Gemeinschaftsunterkünften. Entwicklung der Kosten: 1991 1992 1993 Anzahl Plätze (am Stichtag 31.12.) 118 128 182 Kosten* 885.3 1.452.8 2.11.8 Kosten/Platz/Jahr** 12.4 11.9 13.5 Kosten/Platz/Tag** 34,6 32,57 37, * einschl. Sachkosten, Verwaltungsgemeinkosten und Allgemeinkosten des Amtes ** ermittelt auf der Grundlage der Übernachtungen 4.4 Hotels- und Pensionen Soweit keine ausreichenden Plätze in den vorstehend bezeichneten Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zur Verfügung stehen, werden betroffene Menschen in Hotels und Pensionen untergebracht. Grafik 1: Wohnungslose in Hotels und Pensionen (ohne Asylsuchende und Flüchtlinge) 16 144 14 125 129 Anzahl 12 1 8 111 12 83 7 6 4 2 1.7.92 1.1.92 1.1.93 1.4.93 1.7.93 1.1.93 1.1.94 Mit der kostenmindernden Bereitstellung von zusätzlichen Unterbringungsplätzen in Gemeinschaftsunterkünften konnte der Anteil der Hotelunterbringungen 1993 weiter reduziert werden. Nach Einführung der neuen Asylverfahrensregelung zum 1.7.1993 und dem damit verbundenen Rückgang der Zuweisungen, konnten alle mit Asylsuchenden belegten Hotelplätze freigemacht werden. Dadurch stehen wieder preisgünstigere

11 Plätze für Obdachlose zur Verfügung. Der bei einer Neuunterbringung im Durchschnitt zu zahlende Hotelpreis konnte so auf zuletzt 31,6 DM pro Bett im Dezember 1993 gegenüber 41,4 DM im Januar 1993 gesenkt werden (Aushandeln günstiger Konditionen, Beanspruchung der günstigsten gewerblichen Anbieter/innen). Entwicklung der Kosten: 1991 1992 1993 Anzahl Plätze (Jahresdurchschnitt) 141 128 11 Ausgaben 1.935.3 1.919. 1.683.6 Ausgaben/Platz/Jahr 13.73 14.99 15.3 Kosten/Platz/Tag 37,6 41,38 41,64 4.5 Betreuung alleinstehender Wohnungsloser Die Unterbringung und Betreuung von alleinstehenden Personen, die von auswärts kommen oder in Kiel länger als zwei Monate obdachlos sind und zum Zeitpunkt des Eintrittes der Obdachlosigkeit keine Sozialhilfe bezogen, ist seit 1984 der Zentralen Anlaufund Beratungsstelle für Gefährdete (ZBS) der Evangelischen Stadtmission Kiel e.v. übertragen worden. Hier wurden zum Jahresende rd. 23 alleinstehende Wohnungslose betreut. Nach dem Höchststand der letzten sechs Jahre im September 1992 mit etwa 29 betreuten Personen konnte hier seit April 1993 ein kontinuierlicher Rückgang auf den Stand von Ende 1989 bzw. Anfang 199 registriert werden. Diese Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der von der ZBS betreute Personenkreis nach wie vor bei der Wohnungsvermittlung nahezu chancenlos ist. Für die meisten von ihnen besteht immer noch kaum Hoffnung auf eine Wiedereingliederung in ein Leben mit Wohnung, Arbeit, Familie und anderen für den größten Teil der Bevölkerung geltenden Selbstverständlichkeiten. Die Stadt förderte die Zentrale Beratungsstelle 1993 mit 34.6 DM. Entwicklung der Kosten: 1991 1992 1993 Betreute Personen / Monat (Jahresdurchschnitt) 258 269 248 davon ohne feste Wohnung 213 232 224 Kosten 64.4 DM 72.8 DM 664.7 DM Betreuungskosten/Jahr/Person 2.34 DM 2.68 DM 2.66 DM An die ZBS angeschlossen ist eine betreute Tageswohnung" in der Hamburger Chaussee, in der an vier Tagen (im Winter an sechs Tagen) in der Woche z.b. Aufenthalts- und Kommunikationsmöglichkeiten, Badezimmer, Waschmaschine, Trockner, Kochgelegenheiten, Ansprechpartner/innen bei persönlichen und anderen Problemen zur Verfügung stehen. Die Einrichtung wird an den Öffnungstagen von 3-4 Personen besucht. Früher eingerichtet als Treffpunkt für ehemalige Obdachlose im Rahmen der Nachbe-

12 treuung ist die Tageswohnung heute Wärmstube und letztes Hilfsangebot für Personen, die aus unterschiedlichen Gründen Platte machen. In Felde unterhält die Evangelische Stadtmission Kiel eine Übergangseinrichtung für alleinstehende wohnungslose Männer mit angeschlossenem Werkstattbereich mit 3 Plätzen. Jährlich können hier rd. 1 Personen betreut werden. Etwa drei Viertel der Bewohner werden über die ZBS aus Kiel dorthin vermittelt. Der Personenkreis der alleinstehenden Wohnungslosen - überwiegend Männer - hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Die Zahl der jungen Erwachsenen nimmt ebenso zu, wie die der Grenzfälle. Bei dem letztgenannten Personenkreis handelt es sich um Menschen, bei denen schwere Verhaltensauffälligkeiten, psychiatrische Krankheitsbilder und Suchterkrankungen (zunehmend auch Drogenabhängigkeiten) im Vordergrund stehen. Infolge dieser Auffälligkeiten kommt es dann zur Obdachlosigkeit. Wegen in der Regel fehlender Krankheitseinsicht (die Voraussetzungen für Maßnahmen nach dem Gesetz für psychisch Kranke sind aus Sicht des sozialpsychiatrischen Dienstes im Gesundheitsamt in der Regel nicht gegeben) kann das bestehende Hilfesystem nur sehr eingeschränkt Hilfen anbieten. In den Gemeinschaftsunterkünften und Hotels/Pensionen sind diese Personen in der Regel nicht zu integrieren. Dies führt dazu, daß die Betroffenen, genauso wie Personen mit Hunden (von denen sie sich nicht trennen wollen) und/oder mit von der Norm abweichenden Wohnvorstellungen Platte machen müssen. Aber auch dort kommt es zu Konflikten. Während alle Personen, die draußen die Nacht verbringen, ohnehin immer wieder mit Bedrohungen und tätlichen Übergriffen zu rechnen haben, werden die beschriebenen Grenzfälle auch innerhalb der Subkultur der Obdachlosen ausgegrenzt und zur Zielscheibe von weiteren Aggressionen. Für dieses Problemfeld besteht ein dringender Handlungsbedarf. 5 Asylsuchende, Aussiedler/innen, ausländische Flüchtlinge Die Anzahl der nach Kiel zugezogenen Asylsuchenden, Aussiedler und Aussiedlerinnen sowie ausländischen Flüchtlinge (Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien) wirkt sich ebenfalls auf die Unterkunftsversorgung insgesamt und den Kieler Wohnungsmarkt aus, so daß hier auch die Entwicklung in diesem Bereich aufgezeigt werden soll. Trotz des zurückgehenden Zustroms von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern durch die ab 1.7.1993 geänderten Asylrechtsbestimmungen hat sich die Unterbringungssituation nur zum Teil entschärft, weil gleichzeitig die Zahl der in Kiel zugezogenen Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie Bürgerkriegsflüchtlinge seit August 1993 zunächst leicht und ab Oktober 1993 stark angestiegen ist. Im Dezember 1993 waren zusammen 1.537 Menschen (Dezember 1992 = 1.587) in Notunterkünften untergebracht.

13 Grafik 11: Asylsuchende, Aussiedler/innen und ausländische Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften 1993 2. 1.9 1.8 1.7 1.6 1.5 Ausländische Flüchtlinge Aussiedler/innen 1.4 1.3 1.2 1.1 Asylsuchende 1. 9 Januar Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 5.1 Asylsuchende Durch das Sozialamt werden die der Landeshauptstadt Kiel nach dem Asylverfahrensgesetz zugewiesenen Personen mit Unterkünften versorgt. Nach dem kontinuierlichen Anstieg der zu versorgenden Personen ab April 1992 mit dem Höchststand von 1.596 im Oktober 1992 bzw. 1.568 Asylsuchenden im Februar 1993 gingen die Zahlen ab März 1993 wieder zurück. Im Dezember 1993 wurde wieder der Vorjahresstand vom Mai 1992 mit etwa 1.2 Personen erreicht. Für Kiel wurde bisher die Außenstelle der Zentralen Anlaufstelle des Landes im ehemaligen Anschar-Krankenhaus mit etwa 2 Plätzen auf die Zuweisungsquote angerechnet. Die Einrichtung wurde zum Jahresende geschlossen. Deswegen muß grundsätzlich mit einer erhöhten Zuweisung von Asylsuchenden gerechnet werden. Bisher sind die Zuweisungen aber weiter rückläufig. Grafik 12: Entwicklung der Anzahl der Asylsuchenden mit Unterkunftsbedarf 1993 2. 1.8 1.6 1.4 1.2 1.51 1.51 1.568 1.556 1.546 1.469 1.444 1.415 1.352 1.31 1.267 1.214 1. 8 6 4 2 Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

14 5.2 Aussiedler/innen, ausländische Flüchtlinge In vier vom Sonderdienst Verhinderung von Obdachlosigkeit verwalteten Gemeinschaftsunterkünften mit insgesamt 226 Plätzen (Stand: 31.12.1993) werden nach dem Landesaufnahmegesetz für Schleswig-Holstein Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie ausländische Flüchtlinge untergebracht. Nachdem bei dem Zuzug von Aussiedlerinnen und Aussiedlern bis etwa Juli 1993 ein Stillstand eingetreten war, sind seit August wieder steigende Zuweisungen über die Zentrale Aufnahmestelle des Landes in Neumünster festzustellen. Ein noch stärkerer Anstieg ist bei der Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsgebiet im ehemaligen Jugoslawien zu verzeichnen: Insbesondere mit Beginn des Herbstes suchten immer mehr Flüchtlinge Zuflucht in Kiel. Nachdem zu Beginn des Bürgerkrieges viele Flüchtlinge in Erwartung eines baldigen Endes der Kämpfe noch in Gastfamilien aufgenommen wurden, beanspruchen diese inzwischen zunehmend die öffentlichen Unterbringungshilfen, weil eine weitere Unterkunft in den Gastfamilien nicht mehr möglich ist. Nach Angaben der örtlichen Ausländerbehörde befanden sich Ende Dezember 1993 insgesamt etwa 3 Bürgerkriegsflüchtlinge in Kiel (Ende 1992 = 17). Die Flüchtlinge, die hauptsächlich nur mit privaten Hilfsorganisationen direkt nach Kiel gebracht werden, drängen besonders in die städtischen Zentren, in denen ein relativ gutes Hilfesystem vorhanden ist. Trotz der von der Landeshauptstadt Kiel und auch vom Deutschen Städtetag gestützten Auffassung, wonach es sich hier um Personen handelt, auf die die Vorschriften des Landesaufnahmegesetzes anzuwenden sind, wurde vom Land bisher die Einrichtung eines quotalen Systems analog zu dem Zuweisungsverfahren bei Asylsuchenden abgelehnt. Eine finanziell gerechte und flächendeckende Verteilung im Land Schleswig-Holstein ist damit nicht gegeben. Grafik 13: Entwicklung des Unterkunftsbedarfes für Aussiedler/innen und ausländische Flüchtlinge 1993 4 35 3 25 142 Anzahl 2 15 49 79 1 5 147 142 181 Januar Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Aussiedler/innen Ausländische Flüchtlinge Die Betreuung beider Personengruppen hat der Christliche Verein zur Förderung sozialer Initiativen" übernommen. Die Kosten trägt die Stadt.

15 Entwicklung der Kosten: 1991 1992 1993 Anzahl Plätze 226 226 251 Kosten* 6.6 662.6 82.5 Kosten/Platz/Jahr 2.66 2.93 3.26 Kosten/Platz/Tag 7,28 8,3 8,92 * einschl. Sachkosten, Betreuungskosten Christlicher Verein, Verwaltungsgemeinkosten und Allgemein kosten des Amtes 6 Andere Maßnahmen 6.1 Winternotprogramm Aufgrund erheblicher Engpässe bei der Unterkunftsversorgung von obdachlosen Menschen mußten für den Winter 1992/93 in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Stadtmission Kiel erstmalig in größerem Umfange provisorische Notplätze vorgehalten werden. So konnten u.a. in Wohnungen von zum Abriß vorgesehenen Häusern, Anmietung von Häusern im Feriendorf Falkenstein, durch die Herrichtung eines Schlafsaales" sowie Notbetten in Kirchengemeindehäusern zusätzlich etwa 7 Plätze eingerichtet werden. Für den Winter 1993/94 zeichnete sich bereits frühzeitig ab, daß die bestehenden Unterkunftsangebote ausreichen würden und ohne besondere zusätzliche Maßnahmen jeder bzw. jedem Obdachlosen - unter bestimmten Voraussetzungen - zumindest ein 'Dach über dem Kopf' garantiert werden konnte. Über die an die ZBS angeschlossene betreute Tageswohnung" in der Hamburger Chaussee, die im Winter an zwei zusätzlichen Tagen geöffnet ist, kann auch tagsüber an sechs Tagen der Woche eine geschützte Anlaufstelle (vgl. auch Punkt 4.5) aufgesucht werden. Über die bestehenden Hilfsangebote für obdachlose Menschen im Stadtgebiet wurden alle wichtigen Anlaufstellen und Institutionen wie z.b. Polizei, Krankenhäuser, Wohlfahrtsverbände und Beratungsstellen informiert. Seit dem Winterhalbjahr 1986/87 werden zwei beheizte Leercontainer in der Zeit von Dezember bis März als Erfrierungsschutz aufgestellt. In diesem Winterhalbjahr wurde erstmalig ein weiterer Container (im Stadtteil Mettenhof) als zusätzliches Angebot aufgestellt. 6.2 Inanspruchnahme leerstehender Gebäude Am 9. Oktober 1992 mußte aufgrund des stark angestiegenen Unterkunftsbedarfes erstmalig eine ordnungsbehördliche Einweisung wohnungsloser Personen in nicht genutzten Wohnraum durch das Amt für Soziale Dienste verfügt werden. Die Ordnungsverfügung

16 konnte allerdings erst am 18. Dezember 1992 für etwa vier Wochen umgesetzt werden, nachdem der Antrag der Eigentümerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in zweiter Instanz abgelehnt wurde. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hatte am 2. 12. 1992 entschieden, daß die Stadt grundsätzlich befugt ist, derartige Maßnahmen zu ergreifen, sofern alle anderen möglichen und zumutbaren Unterkunftsplätze ausgeschöpft sind (4 M 126/92) 6. Mit der Bezugsfertigkeit von in der Zwischenzeit eingerichteten zusätzlichen Unterkünften mußte die Ordnungsverfügung Mitte Januar 1993 aufgehoben werden. Gegen den gleichzeitig erlassenen Widerspruchsbescheid hat die Eigentümerin Klage eingereicht. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. 6.3 Organisatorische Veränderungen Die Zunahme der Hilfefälle erfordert - ähnlich wie in anderen Großstädten - sowohl organisatorische als auch personelle Maßnahmen für einen effektiven, wirtschaftlichen und bürgerfreundlichen Einsatz der sozialen Hilfen. In der täglichen Praxis ergeben sich aus den auf mehrere Ämter aufgesplitteten Teilzuständigkeiten zwangsläufig Reibungsverluste, Doppelarbeit, unterschiedliche Prioritätensetzungen und zeitliche Verzögerungen, die angesichts der Notwendigkeit schnellen Reagierens in diesem Feld sinnvolle Lösungen verhindern und hohe Kosten verursachen können. Mit einem zur Zeit erarbeiteten Maßnahmenpaket für den Ausbau und die qualitative Weiterentwicklung bestehender Hilfsinstrumente sind daher folgende Zielsetzungen verbunden: 1. Erweiterung der Möglichkeiten zur Sicherung und Erhaltung von Wohnraum für einkommensschwache Menschen durch Anhebung der Mietobergrenzen als Grundlage des Unterkunftsbedarfes bei HzL-Leistungen 2. Erweiterung des Hilfeartenkataloges in der Neufassung der Richtlinien zu 15 a BSHG 3. Anpassung der bestehenden Verfahrensregelungen an die gegenwärtige Situation auf dem Wohnungsmarkt (Entbürokratisierung und zügigere Abwicklung erforderlicher Hilfen) 4. Senkung der Kosten für ordnungsbehördliche Unterbringungen in Hotels, Pensionen und Gemeinschaftsunterkünften (diese liegen im Schnitt vier- bis siebenfach über den aufzuwendenden Kosten für präventive Wohnungshilfen) durch frühzeitiger einsetzende und offensivere Bearbeitung von Mietschulden Entsprechend den fachlichen Empfehlungen des Deutschen Städtetages und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle 7 werden in diesem Zusammenhang auch 6 Sternstraße 2a, Dokumentation, Landeshauptstadt Kiel, 1993 7 vgl. Reihe D, DST-Beiträge zur Sozialpolitik, Heft 21, 1987; KGSt-Bericht 1/1989

17 Organisationsmodelle zur Einrichtung einer zentralen Fachstelle geprüft und entsprechende Vorschläge ausgearbeitet, die möglichst folgende Bedingungen erfüllen bzw. Ziele sicherstellen sollen: Gewährleistung einer schnellen und umfassenden Hilfe mit dem Ziel der dauerhaften Wohnungsversorgung Ausrichtung der Hilfen auf die Stabilisierung wirtschaftlicher Verhältnisse Verknüpfung sozial- und wohnungspolitischer Initiativen Erfassung aller relevanten Informationen und Umsetzung in schnelles und adäquates Handeln Koordinierter Einsatz präventiver und direkter Hilfen Zugriff auf einen Wohnungsbestand 7 Fazit Die Vielfältigkeit des Kieler Hilfesystems zur Wohnungssicherung und Unterkunftsversorgung darf nicht darüber hinweg täuschen, daß in Kiel Wohnungen fehlen. Trotz der inzwischen eingesetzten Anstrengungen auf dem Gebiet des Wohnungsbaues werden sich die durch die Wohnungsknappheit mit verursachten sozialen Problemlagen verschärfen. Die personellen und organisatorischen Ressourcen des Kieler Hilfesystems zur Verhinderung von Obdachlosigkeit müssen auch zukünftig dringend weiter verbessert werden, um das hohe Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten und dem steigenden Arbeitsanfall und Problemdruck zu begegnen. Die Initiativen des Amtes für Soziale Dienste zur Entbürokratisierung, zur Bereitstellung zusätzlichen Personals und technischer Hilfsmittel (überfällige Einführung von technikunterstützten Arbeitsplätzen) sowie Straffung von Arbeitsabläufen müssen zügig zum Abschluß gebracht werden. Die Schwerpunktthemen für die kommenden Monate werden daher in folgenden Bereichen liegen: 1. Einrichtung einer zentralen Fachstelle für wohnungssichernde und -erlangende Hilfen" 2. Ausbau der Notunterkünfte für Aussiedler und ausländische Flüchtlinge 3. Offensiver und schneller Einsatz von Hilfen zur Wohnungssicherung (Verstärkung der Präventivarbeit)

18 4. Initiierung niederschwelliger Unterkunftsangebote für Psychisch- und Suchtkranke sowie Menschen mit psycho-sozialen Schwierigkeiten in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und anderen Trägern 5. Ausweisung von Flächen für geschütztes Platte machen und alternative Wohnformen

19 Verzeichnis der Grafiken: Grafik 1: Wohnungs- bzw. Obdachlose ohne dauerhafte Wohnungsversorgung in Kiel 2 Grafik 2: Entwicklung der Hilfen im Sonderdienst Verhinderung von Obdachlosigkeit (ohne Unterbringung Aussiedler/innen und Flüchtlinge) 2 Grafik 3: Entwicklung der Mietschuldenanträge 4 Grafik 4: Entwicklung der Kosten für Mietschuldenübernahmen 5 Grafik 5: Entwicklung der Mietsicherheitsanträge (ohne Courtage, Gebühren und Starthilfen) 5 Grafik 6: Entwicklung der Kosten (einschl. Courtagen, Gebühren und Starthilfen) 6 Grafik 7: Entwicklung der Zwangsräumungen 7 Grafik 8: Entwicklung der durch Mietschuldenübernahme abgewendeten Zwangsräumungen 8 Grafik 9: Entwicklung der Unterkunftsplätze in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe 9 Grafik 1: Wohnungslose in Hotels und Pensionen (ohne Asylsuchende und Flüchtlinge) 1 Grafik 11: Asylsuchende, Aussiedler/innen und ausländische Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften 1993 13 Grafik 12: Entwicklung der Anzahl der Asylsuchenden mit Unterkunftsbedarf 1993 13 Grafik 13: Entwicklung des Unterkunftsbedarfes für Aussiedler/innen und ausländische Flüchtlinge 1993 14