Demenz und kardiovaskuläre Risikofaktoren Dirk Sander Benedictus-Krankenhaus Tutzing & Feldafing
Demenz Der Begriff Demenz leitet sich aus dem Lateinischen Dementia ab und bedeutet Unvernunft Symptome erstmals durch den römischen Satiriker Decimus Junius Juvenalis (ca. 60-140 n. Chr.) beschrieben: Aber noch schlimmer als sämtliche Gliedergebrechen ist die Demenz, bei der man selbst die Namen der Sklaven, die Miene des Freundes nicht mehr erkennt, der in vergangener nacht mit einem speiste, nicht mehr die Kinder, die man erzeugt und erzogen
Heutige Definition Alltagsrelevante Abnahme von Gedächtnis und anderen kognitiven Funktionen, die länger als 6 Monate besteht
Alois Alzheimer (1864-1915) Neurologe & Psychiater 1901: Begegnung mit Auguste D. 1906: Vorstellung einer geistigen Erkrankung - Gedächtnisverlust, Stimmungsschwankung 1911: Namensgebung durch Kraepelin - Morbus Alzheimer
Auguste D. Ich habe mich sozusagen verloren
Physiologisches vs. pathologisches Altern Stranahan & Mattson. Nat Rev Neurosci 2012
Ursachen der Demenz Frontotemporale Demenz, NPH 15 % Lewy-Körperchen Demenz 5 % Vaskuläre Demenz 15 % Alzheimer 55 % Gemischte Demenz 10 % modifiziert nach Bosser: Dementia, 2008
In Deutschland leiden ca. 1,8 Millionen Menschen an einer Demenz Verdopplung in konstanten Altersabständen von 5,1 Jahren Zunahme der Erkrankungen mit steigendem Lebensalter: ca 2-5% der 65-jährigen ca. 10-20% der 80-jährigen ca. 30% der 90-jährigen Epidemiologie Rasch wachsende personelle und finanzielle Aufwendungen für Patienten mit Demenz Bickel, 2000; Jorm und Jolley, 1998
Ätiopathogenese ß-Amyloid und Tau Synaptischer Verlust Gene und Alterung Inflammation und Hypoperfusion Neuronaler Verlust Demenz Zerebrovaskuläre Dysfunktion Zerebrale Atrophie
Alzheimer: Betroffene Hirnregionen Etgen et al. Arch Intern Med 2010
Alzheimer: Mikropathologie Amyloid-Plaques Tangles
Demenz - Klinik Symptomatik (Kognition): Aufmerksamkeitsstörungen Gedächnisstörungen Denkstörungen Orientierungsstörungen Sprachstörungen
Demenz - Diagnostik Screening-Uhrenzeichentest Aufgabe: Zeichnen eines Zifferblatts und Einzeichnen der geforderten Zeigereinstellung 11.10 Uhr Testung von: Problemlösendem Denken, räumlich zeichnerischen Leistungen Vorteile: weit verbreitet, von med. Hilfspersonal schnell durchführbar
Demenz - Diagnostik Screening-Uhrenzeichentest
Demenz - Differentialdiagnosen Häufig Vaskuläre Demenz Selten Frontallappendegeneraton Alzheimer-Demenz vaskulärer Mischtyp Parkinson-Demenz Normaldruckhydrozephalus Levy-Körperchen- Demenz Hypothyreose Chronisch-subdurales Hämatom???
Sekundäre Demenz: dementielle Syndrome bei internistischen Erkrankungen chronisch obstruktive Lungenerkrankungen chronische Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen rezidivierende Asystolien Hyper- oder Hypothyreose, Hyper- oder Hypoparathyreoidismus chronische Urämie Leberzirrhose Folsäuremangel, Vitamin-B6- oder -B12-Mangel Intoxikation durch Industriegifte (z.b. Kohlenmonoxid, Quecksilber, Blei, Perchloräthylen) Intoxikation durch Medikamente (z.b. Psychopharmaka, anticholinerge Substanzen, Antihypertonika, Antikonvulsiva, Betablocker, Digoxin) Immunvaskulitis Exsikkose (Austrocknung) Elektrolytstörungen (Hyponatriämie, Hypernatriämie, Hypokaliämie, Hyperkaliämie) Rheologisch bedingte Hirndurchblutungsstörungen (z.b. bei Polyzytämie, multiplem Myelom)
Vaskuläre Demenz Häufig abrupter Beginn Im Frühstadium vorhandene fokal-neurologische Ausfälle Meist fluktuierender Verlauf Unterscheidung zwischen vaskulärer und Alzheimer- Demenz zunehmend fragwürdiger
Vaskuläre Hypothese der Alzheimer-Demenz Eindeutiger Zusammenhang mit kardiovaskulären Risikofaktoren, die auch das Schlaganfallrisiko erhöhen (Larson et al. 2010, Daviglus et al. 2010) Kardiovaskuläre Risikofaktoren haben einen prädiktiven Wert für die Neuentwicklung einer AD (Kivipelto et al. 2006, Reitz et al. 2010) Patienten mit erhöhtem Schlaganfallrisiko aufgrund etablierter Scores weisen auch ein erhöhtes Demenzrisiko auf (Llewellyn et al. 2008)
Vaskuläre Hypothese der Alzheimer-Demenz
Leichte kognitive Störung (Minimal Cognitive Dysfunction, MCI) Fehlen einer Demenz Hinweise auf einen kognitiven Abbau durch Selbstoder Fremdanamnese objektiver Nachweis einer kognitiven Beeinträchtigung erhaltene Alltagsfunktionen oder allenfalls minimale Beeinträchtigung bei komplexen Handlungen 10-20% aller Patienten mit MCI entwickeln innerhalb eines Jahres eine Demenz (Winblad et al. 2004)
Früherkennung und Prävention!!!!!!!! nach: Jack et al. Lancet Neurol! 2013
Modifizierbare Risikofaktoren für eine Demenz Etgen et al. Dtsch Ärzteblatt 2011
Hypertonus, Schlaganfallrisiko und und Demenz Lüders et al. Internist 2012
Antihypertensive Behandlung und Demenz 7 große randomisierte Placebo-kontrollierte Interventionsstudien mit wiedersprüchlichen Resultaten 5 Studien ohne protektive Wirkung, 2 Studien mit schützendem Effekt Erhebliche Einschränkung der Ausagekraft durch heterogenes Studiendesign, unterschiedliche Nachbeobachtungsdauer und weitere methodische Probleme
Antihypertensive Behandlung und Demenz Etgen et al. Dtsch Ärzteblatt 2011
Hypertonus, Schlaganfallrisiko und und Demenz Honolulu Asia Aging Study Lüders et al. Internist 2012
White matter lesions (WML)
WML und Demenz BMJ 2010 Meta-Analyse von 22 Studien von 46 inital analysierten Untersuchungen Schlaganfall Demenz
Diabetes mellitus und Demenz: Pathophysiologisches Modell Biessels et al. Lancet Neurol 2006
Hypoglykämie und Demenz in Dm Kaiser Permanente Northern California Diabetes Registry 16667 Patienten, 4 Jahre Nachbeobachtung, Alter >55a 1 Episode Hypoklykämie: 8,8%, Demenz: 11% Wittmer et al. JAMA 2009
Ernährung und Demenz 2 prospektive Kohortenstudien (USA, Frankreich) mit dosis-abhängigen Trend für einen protektiven Effekt einer mediterranen Kost (Feart et al. 2010, Scarmeas et al. 2009) In der amerikanischen Studie Risikoreduktion um 28% für MCI nach 4,5 Jahren (Scarmeas et al. 2009) Cochrane-Review über Omega-3-Fettsäuren ohne ausreichende Evidenz bei fehlenden randomisierten Studien (Lim et al. 2006)
Lebensstil und Demenz Nikotinkonsum: Metaanalyse mit 19 prospektiven Studien (26374 Teilnehmer) (Anstey et al. 2007) 70% höheres Risiko für die Entwicklung einer Demenz Ähnliche Risikoerhöhung auch für den Endpunkt MCI (Arntzen et al. 2011)
VHF und Demenz Zusammenhang zwischen VHF und Demenz (Alzheimer und vaskulär) beschrieben (Bellomo et al. 2009, Purnell et al. 2009) Multifaktoriell reduzierte kardiale Auswurfleistung stumme Ischämien (Ferraz-Alves 2010) Gesteigerte Amyloidproduktion Assoziation auch bei fehlendem Nachweis von Schlaganfällen (Ott 1997)
VHF und Demenz Goette 2011
VHF und kognitives Defizit: Meta-Analyse Kalantarian et al. Ann Intern Med 2013
VHF und kognitives Defizit: Meta-Analyse Studien nach Schlaganfall Kalantarian et al. Ann Intern Med 2013
VHF und kognitives Defizit: Longitudinaldaten Daten der Cardiovascular Health Study, 5888 Teilnehmer ohne initiales VHF oder Schlaganfall, 7a Nachbeobachtung DSST = Digit Symbol Substitution Test Thacker et al. Neurology 2013
Chronische Niereninsuffizienz und kognitive Störung Längsschnitt Querschnitt Etgen et al. Dtsch Ärzteblatt 2011!
Körperliche Aktivität und kognitive Störung Risikoreduktion für mäßige oder starke körperliche Aktivität: 38% (Sofi et al. 2010) Etgen et al. Dtsch Ärzteblatt 2011!
Wieviel körperliche Aktivität ist nötig? Multizentrische Studie aus den USA 654.837 Teilnehmer 21-90 Jahre Mediane Nachbeobachtung 10 Jahre 82.465 Todesfälle Zusätzliche Aktivitäten zum normalen Alltag 10 min./tag 30 min./tag 60 min./tag 90 min./tag Moore et al. Plos Med 2012
Kognitive Aktivität und ß-Amyloid 65 gesunde Ältere (65 a), 10 Patienten (75 a), 11 gesunde Jüngere (24,5 a) Bestimmung der kortikalen C11-markierten Pittsburgh Compound B Aufnahme (PCB) mittels PET Geringste Amyloid-Konzentration bei regelmäßiger kognitiver Aktivität in jüngeren und mittleren Lebensjahren Landau et al. Arch Neurol 2012
Physische Aktivität und ß-Amyloid 201 gesunde Ältere (45-88 a), Fragebogen zur physischen Aktivität während der letzten Dekade, Klassifikation nach AHA-Kriterien Bestimmung der kortikalen C11-markierten Pittsburgh Compound B (PIB)- Aufnahme mittels PET und des APOE-e4 im Liquor Deutliche Reduktion von ß-Amyloidbildung durch regelmäßige körperliche Aktivität bei APOE e4-trägern Head et al. Arch Neurol 2012
Schlaganfall und Demenz Krankenhaus-basiert Populations-basiert Lancet 2009
Vaskuläre RF und Alzheimer-Demenz Dm Midlife hypertension Midlife obesity Depression Physical inactivity Smoking Cognitive inactivity Combined Barnes & Yaffe. Lancet Neurol 2011
Eine leichte kognitive Störung bzw. Demenz kann hinsichtlich Symptomatik und Verlauf durch modifizierbare Risikofaktoren beeinflusst werden. Ein sicherer bzw. wahrscheinlicher Zusammenhang besteht für die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren Hypertonus, Diabetes mellitus und Hyperlipidämie Eine antihypertensive Therapie kann leichte Hirnleistungsstörungen zumindest bei Hypertonikern mittleren Lebensalters verbessern. VHF ist mit einem signifikant erhöhten Demenzrisiko assoziiert Die chronische Niereninsuffizienz stellt einen neuen somatischen Risikofaktor dar. Mediterrane Kost, regelmäßige kognitive und körperliche Aktivität reduzieren das Demenzrisiko Zusammenfassung
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