Vom Auftrag bis zur Zahlung Forderungsverfolgung beim BGB-Werkvertrag unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen RA Dr. Thomas Schöne, Justiziar der RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Dortmund Vortrag vor der EG Lippe e. V. Recklinghausen, 02.02.2006
Inhalt Ausgangslage Was kann der Werkunternehmer tun? Handlungsbedarf vor und bei Vertragsschluss Handlungsbedarf während der Vertragsausführung Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes Rechtsnachteile durch Zeitablauf Verjährung Verwirkung 2
Ausgangslage Zunehmend schlechte Zahlungsmoral der Kunden nur der handwerklich und kaufmännisch befähigte Unternehmer hat eine wirtschaftliche Überlebenschance Verschenken Sie weder Zeit noch Geld 3
Ausgangslage Die Daten aus 2005 sind wenig erfreulich rd. 35.000 Unternehmensinsolvenzen zzgl. 22.000 Insolvenzen von Selbständigen Im Übrigen auch deutliche Zunahme von Verbraucherinsolvenzen, die durch besondere Kostenregelungen erleichtert wurden rd. 2 Mio. überschuldete Privathaushalte mit einer Schuldenlast von durchschnittlich 20.000,00 /Haushalt Privater Schuldenberg insgesamt rd. 1.6 Milliarden (durchschnittlich 8.000,00 /Haushalt) deutschlandweit ca. 100.000 Zwangsvollstreckungen in Immobilien in NRW bis zu 20 % Zunahme an Vollstreckungsverfahren Zahlungsunwillige Schuldner: von 3 bis 4 % in Bayern bis knapp 12 % im nördlichen Ruhrgebiet 4
Ausgangslage Andererseits aber auch Höchstes Geldvermögen der privaten Haushalte von fast 4 Billionen seit statistischer Erfassung Privates Pro-Kopf-Vermögen bei durchschnittlich rd. 48.000,00 freilich: geringe Kauflust des Verbrauchers Besserung ist freilich auf dem Konsummarkt in Sicht auch weniger Insolvenzen als in 2003 und 2004 (Ende des Gesund-Schrumpfens?) 5
Was kann der Werkunternehmer tun? Wir unterscheiden 3 Phasen des Handlungsbedarfes: vor bzw. beim Vertragsschluss während der Vertragsausführung nach Fertigstellung des Werkes Jede Phase kennt ihr eigenes juristisches Handwerkszeug (was freilich wohl nicht immer am Markt durchsetzbar ist) 6
Handlungsbedarf vor bzw. beim Vertragsschluss (1/2) So weit Kostenvoranschläge (das Gesetz nennt sie Kostenanschläge ) zur Vertragsanbahnung erstellt werden, sind diese im Zweifel nicht zu vergüten ( 632 Abs. 3 BGB): Also stets bei Kostenpflichtigkeit vereinbaren (z. B. dergestalt, dass diese Kosten bei späterer Auftragserteilung angerechnet werden) Vorkasse vereinbaren zumindest Abschlagszahlungen nach gewissen Zeitabläufen oder Baufortschritten vereinbaren nachvollziehbare Dokumentation jedes einzelnen Vorgangs vom Vertragschluss bis zur letzten Mahnung, um äußerstenfalls gut vorbereitet ein Gerichtsverfahren angehen kann 7
Handlungsbedarf vor bzw. beim Vertragsschluss (2/2) Halten Sie, so weit mit vertretbarem Aufwand zu erledigen, alles Relevante schriftlich fest, und zwar vom Vertragsschluss bis zum Vertragsende bzw. bis zur Abrechnung. Bestenfalls lassen Sie sich derartige Notizen, Vermerke und auch Kundenanschreiben gegenzeichnen. Achten Sie dabei darauf, dass Ihr Kunde Ihnen nicht nur den Empfang quittiert, sondern auch die sachliche Richtigkeit bestätigt. Andernfalls kommen Sie ggfls. in erhebliche Beweisprobleme! Es gilt: Wer schreibt, der bleibt! 8
Handlungsbedarf während der Vertragsausführung Das Gesetz räumt dem Unternehmer ausdrücklich das Recht ein, bei Fertigstellung von in sich abgeschlossenen Teilen eines Werkes Abschlagszahlungen zu verlangen, also auch dann, wenn vertraglich nichts vereinbart ist ( 632 a BGB); eine Abnahme ist hierzu nicht erforderlich, auch kein bestimmter Baufortschritt (allerdings: Mangelfreiheit!!!). Zahlt der Kunde die Abschläge nicht, steht dem Unternehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu; er braucht also zunächst nicht weiter zu arbeiten. Vorsorglich sollte trotz sofort eintretender Fälligkeit eine Frist für den Zahlungseingang von ca. 10 Tagen gesetzt werden. 9
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (1/7) zeitnahe Rechnungsstellung Fälligkeit jedoch erst nach Abnahme des Werkes ( 641 BGB) Exkurs: Hilfreich kann hier die Vereinbarung der VOB/B sein 2-Monatsfrist nach 16 Nr. (1) VOB/B aber Vorsicht: Die VOB/B kann nur als Ganzes vereinbart werden und muss (jedenfalls dem Privatkunden) gegenüber im Wortlaut zugänglich sein, am besten überreicht werden (Nachweis!!) und weitere Vorsicht: die VOB/B ist für manchen Handwerker tückenhaft, weil sie für den Laien schwer überschaubare Formen und Fristen beinhaltet 10
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (2/7) In jedem Falle konsequente Forderungsverfolgung, sonst nützen die besten Fälligkeitsfristen nichts ggfls. vor Einleitung weiterer Maßnahmen Einholung von wirtschaftlichen Daten des Kunden über eine Auskunftei (z. B. Creditreform) Vergessen Sie schon bei der außergerichtlichen Forderungsverfolgung die Verzugszinsen und Mahnkosten nicht! 11
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (3/7) Ein Kunde gerät nach 286 BGB in Verzug durch Mahnung, wenn eine Leistungszeit nicht bestimmt ist durch Ablauf der - vertraglichen oder, was in praxi auch möglich ist, in der Rechnung bestimmten - Leistungszeit (z. B. zahlbar 14 Tage nach Rechnungszugang ) spätestens nach Ablauf von 30 Tagen nach Fälligkeit und Rechnungszugang (bei Privatkunden muss auf diese Rechtsfolge in Rechnung ausdrücklich hingewiesen werden) in besonderen Fällen bei Abwägung der gegenseitigen Interessen sofort (für unser Thema nicht einschlägig) 12
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (4/7) Beachte: (außergerichtliche) Mahnung und (gerichtliches) Mahnverfahren sind zu unterscheiden! Die Verzugszinsen betragen gemäß 288 BGB 5 % über dem Basiszinssatz gegenüber Privaten 8 % über dem Basiszinssatz gegenüber Unternehmern/Kaufleuten 13
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (5/7) Basiszinssatz - was ist das? geregelt in 247 BGB ersetzt seit dem 01.01.2002 den Diskontsatz ist variabel gestaltet (konjunkturabhängig!) und wird jeweils zum 01.01. und 01.07. eines jeden Jahres nach Vorgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) überprüft und ggf. geändert beträgt seit dem 01.01.2006: 1,37 % kann unter www.bundesbank.de/presse/presse_zinssaetze.php oder www.basiszinssatz.de (mit Zinsrechner!) im Internet abgefragt werden nächste denkbare Änderung: 01.07.2006 14
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (6/7) Anträge in Mahnbescheid oder streitiger Klageschrift können variabel formuliert bzw. im MB-Formular angekreuzt werden (z. B. Der Beklagte wird verurteilt,... nebst 5 [oder 8] % über dem Basiszinssatz seit... [Verzugsbeginn] an die Klägerin zu zahlen. ) Für Verfahren bis 5.000,00 können Sie selbst vor dem Amtsgericht klagen, weil dort kein Anwaltszwang besteht Mahnbescheide können Sie selbst ausfüllen und einreichen - fragen Sie Ihre berufliche Interessenvertretung, die IHK oder die Handwerkskammern oder schauen Sie im Internet z. B. unter www.optimahnoffice.de oder www.mahn-malwieder.de 15
Handlungsbedarf nach Fertigstellung des Werkes (7/7) Mahnkosten im Verzug rd. 2,50/Schreiben ggü. Privatkunden ggfls. mehr ggü. Unternehmern (ZahlungsverzugsRiLi!) Vorsicht bei Inkasso-Unternehmen (achten Sie genau auf die Konditionen, v. a. bei Vertragsbeendigung!) 16
Verjährung Was ist Verjährung? Verjährung ist der durch Zeitablauf eintretende Verlust eines Rechtes muss als Einrede im Prozess ausdrücklich erhoben werden, wird also nicht von Amts wegen berücksichtigt nach früherem Recht zahlreiche allgemeine und spezielle Verjährungsregeln von 6 Wochen (Viehmangelrecht; 490 BGB a. F.) bis zu 30 Jahren (frühere Regelverjährung; 195 BGB a. F.) durch Schuldrechtsmodernisierung zum 01.01.2002 weitgehende Vereinheitlichung auf eine Regelverjährung von 3 Jahren 17
Verjährung Hat eine Ratenzahlungsvereinbarung Auswirkungen auf die Verjährung? Ja. Die Ratenzahlungsvereinbarung führt zu einem Neubeginn der Verjährung gemäß dem neu geschaffenen 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB Anregung für die Praxis: Eine Ratenzahlungsvereinbarung sollte stets mit einer Verfallklausel gekoppelt werden (z. B.: Kommen Sie mit einer Rate mehr als 10 Tage in Rückstand, wird die gesamte Restforderung auf einmal fällig, verzinst mit dem gesetzlichen Zinssatz ab Fälligkeit. ) 18
Verwirkung Definition: Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es eine längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Allgemeiner Rechtsgrundsatz nach den Regeln von Treu und Glauben im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen 19
Verwirkung Objektive Voraussetzungen ( Zeitmoment ) Zeitablauf im Regelfall nicht kürzer als Verjährungsfristen vom Einzelfall und vom zu verwirkenden Recht abhängig Gehen Sie bitte davon aus, dass spätestens nach 3 Jahren, auch wenn keine Verjährung eingetreten ist, eine Verwirkung grundsätzlich denkbar ist!! Subjektive Voraussetzungen ( Umstandsmoment ) Ihr Kunde hat sich schützenswert auf Grund Ihres Verhaltens darauf eingestellt, dass Sie keine Forderungen mehr stellen werden Faustregel : Je größer der Zeitablauf, um so geringer die Voraussetzungen an das Umstandsmoment 20
Alles klar??? 21