Psychologie Geistiger Behinderung

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Transkript:

Psychologie Geistiger Behinderung 2 Blickrichtungen: 1. Was ist das Besondere im Verhalten und Erleben von Menschen mit einer geistigen Behinderung? 2. Welches Merkmale des Verhaltens und Erlebens sind charakteristisch für die Begegnung von Menschen ohne Behinderung und Menschen mit einer geistigen Behinderung?

Psychologie Geistiger Behinderung Textauszug aus: Steinebach, C. (2000). Psychologie und Geistige Behinderung. In: H. Greving & D. Gröschke [Hrsg.], Geistige Behinderung. Reflexionen zu einem Phantom. Ein interdisziplinärer Diskurs um einen Problembegriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt (S. 40-52).

Psychologie Geistiger Behinderung 1. Ordnen Sie Ihren Text in eine der Blickrichtungen ein. 2. Was ist Ihrer Ansicht nach die Kernaussage des Textes? 3. Wird Geistige Behinderung tendenziell eher defekt-/ defizitorientiert oder stärken-/kompetenzorientiert dargestellt?

Geistige Behinderung aus Sicht klinisch-psychologischer Diagnoseund Klassifikationssysteme Ziele: 1. Formulierung international übereinstimmender Kriterien und Bezeichnungen für Krankheiten, psychische Störungen und Behinderungen 2. Erleichterung der fachlichen Kommunikation zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen

Geistige Behinderung aus Sicht klinisch-psychologischer Diagnose- und Klassifikationssysteme 1. Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) 2. International Classification of Functioning, Disability and Health (ICIDH-2 / ICF) (Herausgeber: Weltgesundheitsorganisation [WHO]) 3. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) (Herausgeber: American Psychiatric Association)

Geistige Behinderung aus Sicht klinisch-psychologischer Diagnose- und Klassifikationssysteme ICD-10 Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F30-F39 Affektive Störungen F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F70-F79 Intelligenzminderung F80-F89 Entwicklungsstörungen F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen

Geistige Behinderung aus Sicht klinisch-psychologischer Diagnose- und Klassifikationssysteme ICD-10 Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen Intelligenzminderung (F70-F79) Ein Zustand von verzögerter oder unvollständiger Entwicklung der geistigen Fähigkeiten; besonders beeinträchtigt sind Fertigkeiten, die sich in der Entwicklungsperiode manifestieren und die zum Intelligenzniveau beitragen, wie Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten. Eine Intelligenzminderung kann allein oder zusammen mit jeder anderen psychischen oder körperlichen Störung auftreten. Der Schweregrad einer Intelligenzminderung wird übereinstimmungsgemäß anhand standardisierter Intelligenztests festgestellt. Diese können durch Skalen zur Einschätzung der sozialen Anpassung in der jeweiligen Umgebung erweitert werden. Diese Meßmethoden erlauben eine ziemlich genaue Beurteilung der Intelligenzminderung. Die Diagnose hängt aber auch von der Beurteilung der allgemeinen intellektuellen Funktionsfähigkeit durch einen erfahrenen Diagnostiker ab. Intellektuelle Fähigkeiten und soziale Anpassung können sich verändern. Sie können sich, wenn auch nur in geringem Maße, durch Übung und Rehabilitation verbessern. Die Diagnose sollte sich immer auf das gegenwärtige Funktionsniveau beziehen.

Häufigkeitsverteilung der Population von Menschen mit geistiger Behinderung nach IQ-Werten

Geistige Behinderung aus Sicht sonderpädagogischer Psychologie Bestimmung des Lernortes: abhängig von Lernverhaltensweisen und Lernmöglichkeiten, die erheblich unter der altersgemäßen Erwartungsnorm liegen Aufnahmekriterien = nicht hinreichend gegebene Förderung an der Schule für Lernhilfe GB-Schule = Restschule : Schüler gelten dann als geistig behindert, wenn sie in keiner anderen Schule mehr gefördert werden können Kriterien für den Übergang bzw. die Abgrenzung zu einer Lernbehinderung = wenn die Lern- und Leistungsausfälle schwerwiegender, umfänglicher und langandauernder Art sind und durch Rückstand der kognitiven Funktionen oder der sprachlichen Entwicklung oder des Sozialverhaltens verstärkt werden

Geistige Behinderung aus Sicht sonderpädagogischer Psychologie Bestimmung des Lernortes: Eindeutigkeit der Kriterien? Objektivität? Operationalisierung nicht gegebener Fördermöglichkeiten? Wer entscheidet? Was könnten inoffizielle Entscheidungskriterien sein? Lernhilfeschule = an der Regelschule orientiert Auseinandersetzung mit oberen Grenzen, nicht aber mit Abgrenzung zu geistiger Behinderung Geistige Behinderung unter dem Gesichtspunkt des Lernens = Resultat einer besonderen Lernverhaltensdisposition (Bach 1981) auch das deutsche Rechtswesen verweist auf pädagogisch-psychologische Termini und Definitionen: BSHG und BGB verweisen auf schulische Grenzziehungen

Geistige Behinderung aus Sicht sonderpädagogischer Psychologie Bestimmung des Lernortes: Kausale Entwicklungsspirale: 1. unvollständige Entwicklung kognitiver Strukturen, 2. beeinträchtige Lernprozesse, 3. nicht alters- und situationsangemessenes Verhalten Anlehnung an das kognitive Entwicklungsmodell von Piaget: 1. Sensomotorische Intelligenz 2. Symbolisch und vorbegriffliches Denken 3. Anschauliches Denken 4. Konkrete Denkoperationen 5. Formale Denkoperationen Behauptung: Menschen mit geistiger Behinderung verharren auf einer Zwischenstufe ohne jedoch das Niveau des anschaulichen Denkens zu überschreiten Gründe? Geringere Leistungsfähigkeit? Alternative Gründe?

Differenztheorie vs. Entwicklungstheorie - Ansätze zur Erklärung der Entwicklung von Menschen mit einer geistigen Behinderung Textauszüge von Perrig-Chiello (1999)

Differenztheorie vs. Entwicklungstheorie - Ansätze zur Erklärung der Entwicklung von Menschen mit einer geistigen Behinderung Fragen zu den beiden Textteilen: 1. Was ist der inhaltliche Kern von Differenztheorien / Entwicklungstheorien? 2. Wie haben sich diese Theorieströmungen entwickelt? 3. Welche praktischen Auswirkungen haben die beiden Theorien innerhalb der didaktischen und der diagnostischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung? Wie könnte eine Förderung vor dem Hintergrund einer Differenztheorie / Entwicklungstheorie aussehen?

Differenztheorie vs. Entwicklungstheorie - Ansätze zur Erklärung der Entwicklung von Menschen mit einer geistigen Behinderung Aktueller Stand: Exklusivität der beiden Ansätze wird angezweifelt Similar-sequence-Hypothese wurde durch einen Multiplepathway-Ansatz ersetzt Entwicklungstheorie ist vor lauter Differenzierung selbst zu einer Differenz-Theorie geworden metastrukturelle Synthese fehlt allerdings immer noch dennoch: Ausgangsbasis = gemeinsames Entwicklungsmodell

Differenztheorie vs. Entwicklungstheorie - Ansätze zur Erklärung der Entwicklung von Menschen mit einer geistigen Behinderung Gemeinsames Entwicklungsmodell: Das gemeinsame Entwicklungsmodell geht davon aus, dass Entwicklungsverläufe von Kindern mit und ohne geistige Behinderung grundsätzlich gleichen Mechanismen unterliegen und lediglich durch Möglichkeiten und Erschwernisse der Adaptation der Umwelt an Kompetenzen und Bedürfnisse des betreffenden Kindes, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistiger Behinderung differieren. (Hodapp, 1998; Sarimski, 2003)

Geistige Behinderung aus Sicht klinisch-psychologischer Diagnose- und Klassifikationssysteme Kritik: häufig apodiktische Aussagen kaum Fördervorschläge ableitbar meist noch defizitorientiert Tatbestand lebenslanger Bildung & Bildbarkeit wird negiert dienen eher zur Untermauerung exklusiver Denk- und Handlungsweisen

Intelligenzforschung und Intelligenzdiagnostik Intelligenzforschung fokussiert kognitive Einschränkungen bei Personen mit geistiger Behinderung und definiert diese über eine signifikant unterdurchschnittliche Allgemeinintelligenz, die fortlaufend mit Defiziten im adaptiven Verhalten vorkommt und während der Entwicklungsperiode bestehen bleibt. (Speck, 1999, S.48)

Intelligenzforschung und Intelligenzdiagnostik Tautologische Definition von Intelligenz: Intelligenz ist das, was ein Intelligenztest misst. IQ-bezogene Sichtweise = fragwürdig, da deren pädagogischer Aussagewert ausgesprochen gering ist und kommunikative, emotionale und soziale (Entwicklungs-) Aspekte weithin ausgespart bleiben (Lingg & Theunissen 2000, S.15)

Intelligenzforschung und Intelligenzdiagnostik Die Faszination und Suche nach der Quantifizierbarkeit der vermeintlichen Andersartigkeit von Menschen mit Behinderung führten zu einer rasanten Entwicklung im Bereich der Technologie der Intelligenzdiagnostik... Warum? Welche Funktionen hat eine Intelligenzdiagnostik im Bereich von Menschen mit geistiger Behinderung? Warum ist eine Intelligenzdiagnostik in diesem Bereich auch heute noch relevant?

Intelligenzforschung und Intelligenzdiagnostik Leistungsorientierung steigt erneut Selektion wird wieder zunehmend wichtiger als Förderung Ämter, Kostenzuwendungen etc. erfordern verstärkt eine IQ-Messung Überschätzung des Persönlichkeitsmerkmales Intelligenz

Grenzen einer Intelligenzdiagnostik im Bereich von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistiger Behinderung Gütekriterien von Intelligenztests sind meist nur im sog. Mittelbereich gut Differenzierung im Bereich GB = schwierig bis unmöglich häufig liegen veraltete Normierungen zugrunde Tests sind nicht auf die Zielgruppe GB ausgerichtet nur auf den Altersbereich von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet (zudem eher schulleistungsbezogen) Ergebnisse sind sehr verfahrensabhängig Testaufgaben oft zu schwer häufig treten erhebliche Messfehler auf

Beispiel für eine Testaufgabe mit angemessenem Grad an Differenzierung und Individualisierung Damit es gerecht zugeht, bekommen Sie alle die gleiche Prüfungsaufgabe: Klettern Sie auf diesen Baum!

Lösungsansätze Adaptive Testdurchführung, die sich durch verschiedene Hilfestellungen auszeichnet: (siehe Sarimski 2003) Vorschaltung von Übungsaufgaben Wiederholung von Testaufgaben Einbeziehung leichterer Aufgaben bzw. Orientierung am potentiellen Entwicklungsalter Umformulierung von Fragen und Instruktionen schrittweise Einführung und Nutzung von Motivationssowie Lösungshilfen Erhöhung der Alltagsrelevanz der Aufgaben Veränderung oder Ausblendung von Zeitlimits Reaktionsmöglichkeiten abwandeln

Alternativen Rückgriff auf alternative Untersuchungsmethoden: Erstellung ausführlicher Anamnesen strukturierte Verhaltensbeobachtungen Gespräche und/oder Übungen, Spiele etc. mit dem Kind/ Jugendlichen/Erwachsenen Nutzung von Verhaltensinventaren (z.b. Heidelberger Kompetenzinventar [HKI] von Holtz, Eberle, Hillig & Marker, 1998 oder die Adaptive Behavior Scale [ABS] von Nihira, Leland & Lambert, 1993 etc.) Verzicht auf interindividuelle Vergleiche!!!