Stand 2008. Landratsamt Karlsruhe Beiertheimer Allee 2. 76137 Karlsruhe



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Transkript:

Stand 2008 Landratsamt Karlsruhe Beiertheimer Allee 2 76137 Karlsruhe

Vorwort Seltsam ist Propheten Lied, doppelt seltsam, was geschieht. Mit diesen wenigen Worten beschreibt Johann Wolfgang von Goethe sehr zutreffend, wie schwierig es ist, Prognosen zu stellen. So geht es auch uns, wenn wir uns die Frage nach den Auswirkungen des demografischen Wandels stellen. Wir wissen, dass sich die Altersstruktur der Bevölkerung ändert. Wir können recht genau ermitteln, wie viele Menschen in welchem Alter künftig in Deutschland leben werden. Wir haben die Auswirkungen auf unsere Sozialsysteme berechnet und bereits einen demografischen Faktor in der Rentenversicherung eingeführt. Wir wissen auch, dass der demografische Wandel unseren Alltag verändern wird: Im Wohnen, bei der Arbeit, in Kultur und Freizeit. Und wir dürfen erwarten, dass die Veränderungen gravierend sein werden. Aber was genau wird auf uns zukommen? Und wie können wir als Kommunalpolitiker und Verwaltungsfachleute in unserer Verantwortung für die Zukunft bereits heute die richtigen Weichenstellungen vornehmen? Dieser demografische Bericht möchte das wiedergeben, was die Landkreisverwaltung vom demografischen Wandel erwartet. Die Aufgaben des Landkreises wurden dazu in Handlungsfelder strukturiert, in denen die Sachverhalte kurz und prägnant beschrieben sind. Es werden bewusst Handlungsoptionen dargestellt, um bereits heute zu zeigen, welche Sachverhalte wir in den Kreisgremien in absehbarer Zeit zu behandeln haben. Der Erkenntnis Goethes folgend, erhebt dieser Bericht nicht den Anspruch, die Zukunft zutreffend zu beschreiben. Er soll stattdessen Grundlagen vermitteln und zum Nachdenken anregen, in der Hoffnung, den politischen Umgang mit dieser Thematik positiv zu inspirieren. Karlsruhe, im Dezember 2008 Dr. Christoph Schnaudigel Landrat 1

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Inhalt A Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg, im Landkreis Karlsruhe und in den Landkreisgemeinden 1. Vorbemerkungen 2. Ergebnisse der Bevölkerungsvorausrechnung für die Stadt- u. Landkreise in Baden- Württemberg bis 2025 3. Ergebnisse der Bevölkerungsvorausrechnung für die Städte und Gemeinden im Landkreis Karlsruhe 4. Auswirkungen des regionalen Wanderungsgeschehens B Auswirkungen auf die Handlungsfelder des Landkreises Karlsruhe 1. Handlungsfeld Mensch und Gesellschaft 1.1 Entwicklung der Familienstrukturen und der Zuwanderung 1.2 Entwicklungsaufgaben für die Förderung von Familien und jungen Menschen 1.3 Maßnahmen im Bereich der Jugendhilfe 1.4 Auswirkungen auf die Hilfe zur Erziehung 1.5 Auswirkungen auf andere Leistungen der Jugendhilfe 1.6 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen 1.7 Auswirkungen auf die Betreuungsbehörde 1.8 Auswirkungen auf die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz 1.9 Auswirkungen auf die SGB II Bedarfsgemeinschaften 2. Handlungsfeld Bildung und Schule 2.1 Schulen in der Trägerschaft der Gemeinden und großer Kreisstädte und sonstiger Institutionen 2.2 Schulen in der Trägerschaft des Landkreises Karlsruhe 3. Handlungsfeld Senioren 3.1 Entwicklung im Bereich der Senioren 3.2 Entwicklung der Familienstrukturen 3.3 Wohnen im Alter 3.4 Entwicklungen im Bereich der Pflege 3.5 Auswirkungen auf ältere Migranten 3.6 Bürgerschaftliches Engagement im Seniorenbereich 3.7 Konsequenzen und Maßnahmen für die Altenhilfe 3.8 Auswirkungen auf die Hilfe zur Pflege 4. Handlungsfeld Gesundheit 4.1 Kinder 4.2 Senioren 4.3 Migranten 4.4 Psychische Gesundheit 4.5 Kliniken in der Trägerschaft des Landkreises Karlsruhe 5. Handlungsfeld Umwelt, Technik, Mobilität 5.1 Abfallwirtschaft 5.2 Bauen 5.3 Landwirtschaft 5.4 Forst 5.5 Öffentlicher Personennahverkehr 6. Handlungsfeld Finanzen Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit C. Fazit 3

A - Der Demografische Wandel Die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg, im Landkreis Karlsruhe und in den Landkreisgemeinden 1. Vorbemerkung Der demografische Wandel, seine Ursachen und möglichen Folgen sind mittlerweile ein viel beachtetes Themenfeld öffentlicher Diskussionen geworden. Bereits zu Beginn des neuen Jahrhunderts wurde in Baden-Württemberg die demografische Wende vollzogen. Seitdem leben im Lande erstmals mehr ältere Menschen als jüngere. Aber auch schon in den Jahrzehnten davor war die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg durch einen allmählich voranschreitenden Alterungsprozess mitgeprägt. Bei Gründung des Landes wies die Bevölkerung noch einen Anteil an unter 20-Jährigen von rund 31 % auf derzeit sind es 21 %. Der Anteil der 60-Jährigen und Älteren lag damals bei knapp 14 %, gegenwärtig bei 24 %. Das Durchschnittsalter der Baden-Württemberger ist seitdem von rund 35 Jahren auf etwas mehr als 41 Jahre zum Jahresende 2005 angestiegen. Diese demografische Alterung bedingt durch ein anhaltend niedriges Geburtenniveau und eine deutlich gestiegene Lebenserwartung vollzog sich, obwohl die Einwohnerzahl des Landes seit 1952 von rund 6,6 Mio. bis heute um gut 60 % auf etwas mehr als 10,7 Mio. zugenommen hat. Die demografischen Strukturveränderungen werden sich künftig fortsetzen und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten neue Herausforderungen mit sich bringen. Hiervon wird nahezu jeder Gesellschaftsbereich betroffen sein, die kommunalen Finanzen ebenso wie zum Beispiel die Infrastruktur, die Kinder- und Jugendhilfe, die Schulen oder der Gesundheitsbereich, um nur einige Bereiche heraus zu greifen. 4

Mit dem vorliegenden Bericht geht das Landratsamt Karlsruhe einen ersten Schritt, um diese Entwicklung umfassend und gesamtschaulich aufzugreifen. Aufbauend auf die aktuelle Situation sollen zunächst die von der Entwicklung am stärksten betroffenen Handlungsfelder des Landkreises untersucht und die sich abzeichnenden Auswirkungen dargelegt werden. Der Bericht liefert den politisch Verantwortlichen Informationen für die politische Diskussion sowie für anstehende Entscheidungen. Darüber hinaus wird der Bericht Planungs- und Arbeitsgrundlage für die Verwaltung sein. Diesem Bericht liegen die im Rahmen von Bevölkerungsvorausrechungen ermittelten Daten des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg zu Grunde. Das Statistische Landesamt betont, dass die Ergebnisse der Bevölkerungsvorausrechnungen nicht als Vorhersage missverstanden werden dürfen. So beruhen die Ergebnisse der regionalisierten Bevölkerungsvorausrechnung für die Stadtund Landkreise Baden-Württembergs bis 2025 auf einem sog. Status-quo-Ansatz. Sie zeigen somit auf, was zukünftig passieren würde, sollte es künftig so weitergehen wie bisher. Die Ergebnisse stellen eine wesentliche Grundlage dar zum Beispiel für Planungen von Kinderbetreuungseinrichtungen und im gesamten Bildungsbereich, für Einschätzungen zum künftigen Erwerbspersonenpotenzial sowie für die Renten-, Gesundheits- und Sozialpolitik (hier besonders auch für ältere Menschen). Während die so ermittelten Einwohnerzahlen mit Unsicherheiten behaftet sind, ist unbestritten, dass die ermittelten Ergebnisse den Trend hin zu einer Überalterung der Bevölkerung relativ gut abbilden. Allgemeine Trends der Bevölkerungsvorausrechung für Baden-Württemberg Rückgang der Bevölkerungszahl Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg legte im Frühjahr 2007 eine neue regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung vor, die bis zum Jahr 2025 reicht. Nach den Ergebnissen dieser Bevölkerungsvorausrechnung auf Basis des Bevölkerungsstandes zum 31.12.2005 wird die 5

Einwohnerzahl Baden-Württembergs bis 2012 nur noch um ca. 30.000 Personen auf rd. 10,77 Mio. wachsen. Wenn die Zuwanderungszahlen so niedrig bleiben, wie sie in den letzten 5 Jahren waren, und die Geburtenrate so niedrig bleibt, wie sie heute ist, würde die Bevölkerungszahl bereits ab 2012 zurückgehen. Es ist demnach also auf mittlere und längere Sicht mit einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung zu rechnen. Die zunehmenden Sterbefallüberschüsse in der Bilanz aus Geborenen und Sterbefällen würden nach 2011 zu sinkenden Einwohnerzahlen führen, weil sie dann die erwarteten Wanderungsgewinne in immer stärkerem Maße übertreffen. Nach allmählichem Beginn dürfte sich dieser Trend langfristig verstärkt fortsetzen. Unter diesen Bedingungen werden um das Jahr 2030 mit rund 10,5 Mio. Einwohnern etwa 225 000 Menschen weniger im Lande leben als heute. Bis 2050 wäre mit knapp 9,7 Mio. wieder der Bevölkerungsstand vom Frühjahr 1990 erreicht. 6

Fortschreitender Alterungsprozess der Bevölkerung Im Vergleich zur Entwicklung der Bevölkerungszahl stellen die absehbaren Veränderungen in der Altersgliederung der Bevölkerung die weitaus bedeutenderen Herausforderungen an Gesellschaft und Politik dar. Die Besetzungsstärken der einzelnen Altersjahrgänge wirken sich direkt wie indirekt auf nahezu alle Gesellschaftsbereiche aus. Die aktuelle Bevölkerungsvorausrechnung bestätigt wiederum frühere Vorausrechnungsergebnisse, dass aufgrund der demografischen Ausgangslage die künftigen Verschiebungen in der Altersstruktur weitestgehend vorprogrammiert und damit für die nächsten Jahrzehnte nahezu unvermeidbar sind. Der Anteil der nachwachsenden Generation der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird 7

voraussichtlich von gegenwärtig 21 % langsam auf 17 % im Jahr 2020 sinken, auf lange Sicht aber auf 15 % (2050) abnehmen. In einer gegenläufigen Bewegung dürfte der Bevölkerungsanteil der 60- Jährigen und älteren Menschen von heute 24 auf 29 % im Jahr 2020 ansteigen. Danach erhält diese Entwicklung einen besonderen Schub, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus der Zeit von etwa 1960 bis 1970 in die Altersphase der Älteren hineinwachsen. Um 2030 würden die 60-Jährigen und Älteren gut ein Drittel der Bevölkerung stellen. Die große Gruppe der 20- bis unter 60-Jährigen, die hauptsächlich das Erwerbspersonenangebot bildet, wird in den kommenden 15 Jahren einen Bevölkerungsanteil von rund 55 % halten. Längerfristig würde dieser Anteil auf 46 % (2050) sinken. Insgesamt gesehen würde die Alterung der Landesbevölkerung in Zukunft noch deutlich stärker ausfallen als in den fünf Jahrzehnten von 1950 bis 2000. In der Vergangenheit stieg das Durchschnittsalter der Baden-Württemberger innerhalb von 50 Jahren von rund 34 Jahren (1950) auf etwa 40 Jahre (2000). Um das Jahr 2050 läge das Durchschnittsalter bei fast 50 Jahren. Diese Entwicklungslinien sind vorprogrammiert, weil insbesondere nach 2020 die»geburtenboomer«aus den 60er-Jahren in das Seniorenalter hineinwachsen. Auf der anderen Seite ergibt sich auf Grund des seit Mitte der 70er-Jahre anhaltend niedrigen Geburtenniveaus, dass es künftig im Lande deutlich weniger potenzielle Mütter und Väter geben wird als heute. Frauen und Männer, die nicht geboren wurden, können auch nicht Eltern werden. 8

Alterung von der Basis und der Spitze des Altersaufbaus Die Entwicklung der Altersgliederung der baden-württembergischen Bevölkerung zeigt, dass sich die demografische Alterung sowohl von der»basis«wie auch von der»spitze«her vollzieht. Bereits heute hat das seit rund 30 Jahren anhaltende niedrige Geburtenniveau zu einer relativ schmalen Basis des Altersaufbaus geführt. Die nachwachsenden Jahrgänge sind beträchtlich geringer besetzt als ihre Elterngeneration die heute etwa 30- bis 40-Jährigen. Somit dürfte in den nächsten Jahrzehnten die Basis des Altersaufbaus noch schmaler werden. Andererseits wachsen die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre etwa ab 2022/2025 in das Seniorenalter hinein. Um 2030 befinden sich die meisten von ihnen in der Lebensphase zwischen 60 und 70 Jahren, um 2050 gehören sie dann zu den 80-Jährigen und Älteren. Diese natürliche lebensbiografische Entwicklung wird in ihrem quantitativen Ausmaß durch die Erwartung einer weiterhin steigenden Lebenserwartung verstärkt: Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter, die Bevölkerung altert auch von der»spitze«. Rückläufige Zahl von Kindern und Jugendlichen Gegenwärtig leben knapp 2,3 Mio. Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende im Alter von unter 20 Jahren in Baden-Württemberg. Bis zum Jahr 2020 dürfte ihre Zahl mit etwas weniger als 1,9 Mio. um ein Fünftel abnehmen, bis 2050 um rund ein Drittel gegenüber dem heutigen Stand auf dann fast 1,5 Mio. sinken. Für den Kindergartenbereich lässt sich absehen, dass die Zahl der Kinder (zwischen 3 und 7 Jahren) bis zum Jahr 2010 landesweit um etwa 10 % sinken dürfte. Während Ende 2005 rund 368 000 Kindergartenkinder in Baden-Württemberg lebten, wären es 2010 etwa 330 000 Kinder. Nach 2010 würde sich aus heutiger Sicht die rückläufige Entwicklung vorübergehend etwas abschwächen. Zwischen 2015 und 2020 könnte sich die Zahl der mit Kindergartenplätzen zu versorgenden Kinder in einer Größenordnung von 316 000 Kindern einpendeln. Überproportionaler Anstieg der Zahl alter und hochbetagter Menschen Ein besonders markantes Merkmal der künftigen Entwicklung der drei»generationen«stellt die auseinanderscherende Entwicklung von nachwachsender Generation und Altengeneration dar. Die Zahl der unter 20-Jährigen würde bis zum Jahr 2050 um ein Drittel gegenüber 2005 abnehmen, während die Zahl der 60-Jährigen und Älteren im gleichen Zeitraum um etwa 50 % anwachsen würde. Schon ab 2030 gäbe es etwa doppelt so viele ältere und alte Menschen wie junge. In den vergangenen fünf Jahrzehnten war dieses Verhältnis umgekehrt: bis Ende der 90er-Jahre lebten hier stets mehr unter 20-Jährige als 60-Jährige und Ältere. Bei den hochbetagten Menschen den 85-Jährigen und Älteren ist vor allem längerfristig mit einer im Vergleich zur Gesamtgruppe der älteren Bevölkerung überdurchschnittlich starken Zunahme zu rechnen. Ende 2005 gab es in Baden-Württemberg etwa 196 000 Hochbetagte. Bis zum Jahr 2025 könnte sich die Zahl der 85-Jährigen und Älteren etwas mehr als verdoppeln; dann wären rund 420 000 Einwohner des Landes im Hochbetagtenalter. Mit dem Hineinwachsen der 9

»Babyboomgeneration«in diese Altersphase dürfte sich ihre Zahl langfristig im Vergleich zu heute sogar fast vervierfachen. Um das Jahr 2050 würden rund 765 000 Männer und Frauen im Alter von 85 und mehr Jahren in Baden-Württemberg leben. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft und altert Die Zahl der 20- bis unter 60-Jährigen wird aus heutiger Sicht bis etwa 2011 auf rund 5,97 Mio. Personen im erwerbsfähigen Alter anwachsen, wenn jedes Jahr 17 000 Menschen mehr ins Land zuwandern als fortziehen. Das wären etwa 86 000 Menschen mehr als Ende 2005. Allerdings ist etwa ab 2012 mit einem anhaltenden Rückgang der Zahl von Menschen im erwerbsfähigen Alter zu rechnen. Bereits 2030 wäre die Erwerbsbevölkerung um nahezu 840 000 Personen kleiner als heute und 2050 sogar um 1,4 Mio. Bereits in den vergangenen Jahren ist das Durchschnittsalter der Menschen im erwerbsfähigen Alter gestiegen. Künftig wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Es wachsen immer schwächer besetzte Jahrgänge in die Gruppe der 20- bis unter 60-Jährigen nach. Gleichzeitig erhalten innerhalb des Erwerbspersonenpotenzials die»älteren«zahlenmäßig ein deutlich steigendes Gewicht. Zum Jahresende 2004 waren erstmals mehr»ältere«als»jüngere«in der erwerbsfähigen Bevölkerung vertreten. Aus heutiger Sicht ist damit zu rechnen, dass künftig die»älteren«stets die»jüngeren«zahlenmäßig überwiegen. 10

2. Ergebnisse der Bevölkerungsvorausrechnung für die Stadt- und Landkreise in Baden- Württemberg bis 2025 Bevölkerungszahl In 13 von 44 Kreisen wird die Bevölkerung wachsen. An der Spitze liegt der Landkreis Heilbronn, der auch in den letzten Jahren zu den Kreisen mit den höchsten Wachstumsraten gehörte, mit einem Plus von 2,8 %. Landesweit sinkt die Bevölkerung bis 2025 von heute 10,7 Millionen voraussichtlich um 100.000 Menschen d.h. 1%. Das Bevölkerungswachstum in den Landkreisen beruht vor allem auf der Zuwanderung aus anderen Kreisen, Bundesländern oder dem Ausland. Denn in allen Kreisen mit Ausnahme des Stadtkreises Ulm sterben zwischen 2006 und 2025 mehr Menschen als geboren werden. In 31 der 44 Kreise nimmt die Bevölkerung bis zum Jahr 2025 voraussichtlich ab. Der größte prozentuale Rückgang wird im Landkreis Heidenheim erwartet. Hier sinkt die Bevölkerung voraussichtlich um 8000 Menschen d.h. um 5,7 %. Im Gegensatz zu den wachsenden Kreisen können die schrumpfenden Kreise ihr Geburtendefizit nicht mehr durch Wanderungsgewinne ausgleichen. Alle Kreise außer den Stadtkreisen Mannheim und Stuttgart haben zwar noch einen positiven Wanderungssaldo für den Zeitraum 2006 bis 2025. Jedoch ist in den schrumpfenden Kreisen das Geburtendefizit höher als die Wanderungsgewinne. Beim Landkreis Karlsruhe sinkt die Bevölkerung geringfügig um 0,1 % von 429.603 in 2005 auf ca. 429.200. Zu den Kreisen, für die bis 2025 mit einem starken Bevölkerungsverlust gerechnet wird, zählen vor allem auch die Kreise, deren Beschäftigtenzahl in den letzten Jahren überdurchschnittlich zurückgegangen ist. Umgekehrt gehören die Kreise, für die noch mit einem deutlichen Bevölkerungswachstum gerechnet wird, überwiegend zu den Räumen, deren Arbeitsmarkt sich in der 11

Vergangenheit günstig entwickelt hat. Darüber hinaus scheinen sich landschaftlich reizvolle sowie infrastrukturell begünstigte Gebiete besonders günstig zu entwickeln. Da die Zahl älterer Menschen deutlich zunimmt, könnte in Zukunft verstärkt die Wohnortwahl dieser Bevölkerungsgruppe zum Bevölkerungswachstum in bestimmten Regionen beitragen. Alterungsprozess Zwar verläuft die Entwicklung der Bevölkerungszahl in den Kreisen und Kommunen unterschiedlich, der dynamische Alterungsprozess ist jedoch allen gemeinsam. Die Zunahme des Durchschnittsalters bis 2025 bewegt sich zwischen 2,6 Jahre im Stadtkreis Stuttgart und gut 6 Jahren im Landkreis Heilbronn. Der jüngste Kreis wird 2025 voraussichtlich der Stadtkreis Ulm mit einem Durchschnittsalter von 44,5 Jahren sein. Das höchste Durchschnittsalter hat auch 2025 voraussichtlich Baden-Baden mit 49 Jahren. Im Landkreis Karlsruhe erhöht sich das Durchschnittsalter voraussichtlich von 41,7 Jahre auf 46,5 Jahre. Dies bedeutet ein Anstieg um 4,8 Jahre. Landesweit erhöht sich das Durchschnittsalter von 41,4 auf 45,9 - ein Plus von 4,5 Jahre. Die Landkreisbevölkerung läge damit im Landesvergleich über dem Altersdurchschnitt. Besonders in Kreisen, die heute noch verhältnismäßig jung sind, z.b. Tübingen, Biberach oder Sigmaringen, wird der Alterungsprozess dynamischer verlaufen. Die Gründe liegen in einer überdurchschnittlichen Zunahme des Geburtendefizits, d.h. dass mehr Menschen sterben als geboren werden. Die heute jüngeren gut besetzten Jahrgänge wachsen weiter in höhere Altersgruppen hinein, die nachwachsende Generation ist geringer besetzt. Die Kommunen in denen die Entwicklung derartig verläuft, stehen vor der großen Herausforderung, ihre Infrastrukturplanungen darauf einzurichten. In den meisten Stadtkreisen läuft der Alterungsprozess hingegen langsamer ab, da sie bereits heute ein im Schnitt höheres Durchschnittsalter vorweisen. 12

3. Ergebnisse der Bevölkerungsvorausrechnung für die Städte und Gemeinden im Landkreis Karlsruhe Stadt/ Gemeinde Bevölke rung 2005 Bevölke rung 2025 +/- % Unter 20- Jährige 2005 Unter 20- Jährige 2025 +/- % Über 60- Jährige 2005 Über 60- Jährige 2025 +/- % Über 80- Jährige 2005 Über 80- Jährige 2025 Bad 12.146 13.479 +10,9 2.746 2.379-13,3 2.869 4.837 +68,6 778 1.405 +80,5 Schönborn Bretten 28.097 29.639 +5,4 6.274 5.109-18,5 6.440 10.484 +62,8 1.178 2.757 +134,0 Bruchsal 42.891 42.558-0,7 8.842 7.587-14,1 10.018 13.562 +35,3 1.845 2.733 +48,1 Detten- 6.746 6.191-8,2 1.463 975-33,3 1.474 2.147 +45,6 241 364 +51,0 heim Egg.- 15.220 14.979-1,5 2.970 2.573-13,3 3.747 4.992 +33,2 475 1.085 +128,4 Leop. Ettlingen 39.026 37.592-3,6 7.365 6.237-15,3 11.174 13.214 +18,2 1.940 3.366 +73,5 Forst 7.522 7.281-3,2 1.486 1.203-19,0 1.694 2.523 +48,9 299 551 +84,2 Gondelsheim 3.225 3.241 +0,5 756 576-23,8 632 1.078 +70,5 113 213 +88,5 Graben- 11.672 11.814 +1,2 2.618 1.984-24,2 2.498 4.104 +64,2 422 936 +121,8 Neudorf Hambrücken 5.390 5.641 +4,1 1.298 1.019-21,4 956 1.784 +86,6 120 318 +165,0 Karlsbad 16.135 15.530-3,7 3.518 2.560-27,2 3.680 5.361 +45,6 656 1.183 +80,3 Karlsdorf- 9.569 9.690 +1,2 2.095 1.746-16,6 2.029 3.006 +48,1 269 572 +112,6 Neuth. Kraichtal 14.900 14.908 +0,05 3.414 2.579-24,4 3.250 5.006 +54,0 579 1.143 +97,4 Kronau 5.626 5.483-2,5 1.268 952-24,9 1.096 1.741 +58,8 153 307 +100,6 Kürnbach 2.440 2.181-10,6 492 323-34,3 655 767 +17,1 136 174 +27,9 Linkenh.- 11.663 11.438-1,9 2.601 1.849-28,9 2.598 4.005 +54,1 402 923 +129,6 Hoch. Malsch 14.364 14.747 +2,6 3.114 2.581-17,1 3.306 4.857 +46,9 544 959 +76,2 Marxzell 5.435 5.614 +3,2 1.111 921-17,1 1.514 2.068 +36,5 389 544 +39,8 Oberderdingen 10.625 10.948 +3,0 2.609 2.110-19,1 2.166 3.170 +46,3 376 579 +53,9 Oberh.- 9.501 9.320-1,9 1.888 1.546-18.1 2.281 3.102 +35,9 333 576 +72,9 Rheinh. Östringen 13.003 12.772-1,7 2.966 2.304-22,3 2.749 3.972 +44,4 398 748 +87,9 Pfinztal 17.977 17.818-0,8 3.784 2.985-21,1 4.509 6.228 +38,1 838 1.490 +77,8 Philipps- 12.562 12.396-1,3 2.847 2.223-21,9 2.784 4.084 +46,7 454 922 +103,0 burg Rheinstetten 20.406 19.575-4,0 4.113 3.179-22,7 5.236 6.922 +32,2 737 1.681 +128,0 Stutensee 23.132 24.421 +5,5 4.971 4.354-12,4 5.020 7.840 +56,1 808 1.481 +83,2 Sulzfeld 4.690 4.524-3,5 1.113 778-30,1 1.120 1.510 +34,8 132 364 +175,7 Ubstadt- 12.783 12.608-1,3 2.911 2.212-24,0 2.784 4.068 +46,1 420 786 +87,1 Weiher Wag- 20.185 19.878-1,5 4.209 3.245-22,9 4.578 6.853 +49,6 761 1.612 +111,8 häusel Waldbronn 12.221 11.042-9,6 2.292 1.750-23,6 3.572 4.031 +12,8 610 1.031 +69,0 Walzbachtal 9.113 9.320 +2,2 2.074 1.740-16,1 2.076 2.863 +37,9 329 538 +63,5 Weingarte 9.617 10.200 +6,0 1.997 1.872-6,2 2.469 3.133 +26,8 520 638 +22,6 n Zaisen- 1.721 1.699-1,2 416 308-25,9 392 554 +41,3 54 130 +140,7 hausen Landkreis Karlsruhe 429.603 429.234-0,1 91.621 73.973-19,2 101.375 144.016 +42,0 17.309 32.127 +85,6 +/- % Die Fortschreibung der Bevölkerungsvorausrechnung auf Landesebene war Grundlage der vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg durchgeführten Berechnung für die Gemeinden und Kreise Baden-Württembergs. Entscheidend für die Aktualisierung der regionalisierten Bevölkerungsvorausrechnung war vor allem die auf Landesebene getroffene Annahme eines jahresdurchschnittlichen Wanderungsgewinns von nur noch 17 000 Menschen bis 2025. Dieser Wanderungssaldo wurde als Eckwert auf die regionalisierte Berechnung angelegt, ebenso die Konstanz der heutigen Geburtenrate und eine weiterhin steigende Lebenserwartung für die Zukunft. 13

Entscheidend für die Berechnung für eine einzelne Kommune sind vor allem die Wanderungsverhältnisse, der betreffenden Kommune und zwar der Jahre 1997 bis 2005. Hat eine Kommune in diesem Zeitraum überdurchschnittliche Wanderungsgewinne erzielt, so wurde dies bei der Vorausrechnung auch für die kommenden Jahre unterstellt. Für die Gemeinden unter 5000 Einwohner bietet das Statistische Landesamt eine Modellrechnung an, die die künftige Entwicklung aus dem Bestand heraus, also aufgrund von Geburten und Sterbefällen aufzeigt. Die Daten der Gemeinden Gondelsheim, Kürnbach, Sulzfeld und Zaisenhausen konnten daher in der Entwicklung nur aus dem Bestand heraus betrachtet werden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Einwohnerzahlen in den Städten und Gemeinden bis 2025 insgesamt sowie die Entwicklung in den Altersgruppen unter 20, über 20, unter 60, über 60 sowie in der Personengruppe derüber 80-Jährigen (80 Jahre und älter) für diesen Zeitraum. Kreisweit nimmt die Bevölkerung - so die Prognose dieser Bevölkerungsentwicklung - bis 2025 um 0,1 % ab. Bei den unter 20-Jährigen wird ein Rückgang von rd. 19,2 % vorausgesagt, bei den über 60- Jährigen eine Zunahme von rd. 42 % und bei den über 80-Jährigen eine Zunahme von rd. 85,6 %. In den Städten und Gemeinden verläuft die Entwicklung bei Betrachtung der Tabelle recht unterschiedlich. Bad Schönborn ist mit einem prognostizierten Bevölkerungswachstum von 10,9 % der Spitzenreiter gefolgt von Weingarten mit einem Plus von 6 %. Den höchsten Bevölkerungsverlust verzeichnet Kürnbach mit -10,6 %, gefolgt von Waldbronn mit -9,6 % und Dettenheim mit -8,2 %. In allen Städten und Gemeinden nimmt der Anteil der unter 20-Jährigen ab. Die höchsten Rückgänge verzeichnen die Gemeinden Kürnbach mit -34,3 % und Dettenheim mit -33,3%. Die geringsten Rückgänge verzeichnen die Gemeinde Weingarten mit -6,2% und die Stadt Stutensee mit -12,4 %. Im Kreisgebiet liegt der Rückgang bei -19,2 %. Oberderdingen liegt mit einem Rückgang von -19,1 % und Forst mit einem Rückgang von -19,0 % der Kreisentwicklung am nächsten. In allen Städten und Gemeinden ergibt sich ein Anstieg der über 60-Jährigen. Kreisweit liegt der Wert bei +42,0 %: mit einem Plus von 41,3% liegt Zaisenhausen dieser Entwicklung am nächsten, gefolgt von Östringen mit +44,4%. Den höchsten Zuwachs in dieser Altersgruppe verzeichnet Hambrücken mit 86,6 %, gefolgt von Gondelsheim mit 70,5 %. Der geringsten Anstieg wird für Waldbronn mit +12,8 %, gefolgt von Kürnbach mit 17,1 % und Ettlingen mit 18,2 % berechnet. Auch in den Städten und Gemeinden ist wie landesweit ein außerordentlicher Anstieg der über 80-Jährigen zu beobachten. Kreisweit steigt der Anteil der Menschen in dieser Altersgruppe um 85,6 %. Den stärksten Anstieg mit 175,7 % verzeichnet Sulzfeld und danach Hambrücken mit 165,0 %. Den geringsten Anstieg mit 22,6 % weist Weingarten aus und danach Marxzell mit 39,8 %. In der o.g. Übersicht wird der prozentuale Anteil von Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung der jeweiligen Stadt/Gemeinde dargestellt. Anhand dieser Tabelle verdeutlicht sich der Rückgang der Altersgruppe der unter 20 Jährigen an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2025, während gleichzeitig der Anteil der über 60 Jährigen zunimmt im 14

gleichen Zeitraum. Ebenso wird die Entwicklung der über 80-Jährigen verdeutlicht. Die Analyse ergibt auch, dass der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, das ist die Altersgruppe der über 20 Jährigen und unter 60 Jährigen deutlich rückläufig ist. Stadt/Gemeinde Unter 20-Jährige Über 60-Jährige (einschl. ü. 80) Über 20 bis unter 60-Jährige Über 80-Jährige 2005 2025 2005 2025 2005 2025 2005 2025 Bad Schönborn 22,6 17,6 23,6 35,8 53,8 46,6 6,4 10,4 Bretten 22,3 17,2 22,9 35,7 54,8 47,1 4,1 9,3 Bruchsal 20,6 17,8 23,3 31,8 56,1 50,4 4,3 6,4 Dettenheim 21,6 15,7 21,8 34,6 56,6 49,7 3,5 5,8 Eggenstein-Leo. 19,5 17,1 24,6 33,3 55,9 49,6 3,1 7,2 Ettlingen 18,8 16,5 28,6 35,1 52,6 48,4 4,9 8,9 Forst 19,7 16,5 22,5 34,6 57,8 48,9 3,9 7,5 Gondelsheim 23,4 17,7 19,6 33,2 57,0 49,1 3,5 6,5 Graben-Neudorf 22,4 16,7 21,4 34,7 56,2 48,6 3,6 7,9 Hambrücken 24,0 18,1 17,9 31,7 58,1 50,2 2,2 5,6 Karlsbad 21,8 16,4 22,8 34,5 55,4 49,1 4,0 7,6 Karlsdorf-Neuthard 21,8 18,0 21,2 31,0 57,0 51,0 2,8 5,9 Kraichtal 22,9 17,3 21,8 33,5 55,3 49,2 3,8 7,6 Kronau 22,5 17,3 19,4 31,7 58,1 51,0 2,7 5,6 Kürnbach 20,1 14,8 26,8 35,1 53,1 50,1 5,5 7,9 Linkenheim-Hoch. 22,3 16,1 22,2 35,0 55,5 48,9 3,4 8,0 Malsch 21,6 17,5 23,0 32,9 55,4 49,6 3,7 6,5 Marxzell 20,4 16,4 27,8 36,8 51,8 46,8 7,1 9,6 Oberderdingen 24,5 19,2 20,3 28,9 55,2 51,9 3,5 5,2 Oberhausen-Rhei. 19,8 16,5 24,0 33,2 56,2 50,3 3,5 6,1 Östringen 22,8 18,0 21,1 31,1 56,1 50,9 3,0 5,8 Pfinztal 21,0 16,7 25,0 34,9 54,0 48,4 4,6 8,3 Philippsburg 22,6 17,9 22,1 32,9 55,3 49,2 3,6 7,4 Rheinstetten 20,1 16,2 25,6 35,3 54,3 48,5 3,6 8,5 Stutensee 21,4 17,8 21,7 32,1 56,9 50,1 3,4 6,0 Sulzfeld 23,7 17,2 23,8 33,3 52,5 49,5 2,8 8,0 Ubstadt-Weiher 22,7 17,5 21,7 32,2 55,6 50,3 3,2 6,2 Waghäusel 20,8 16,3 22,6 34,4 56,6 49,3 3,7 8,1 Waldbronn 18,7 15,8 29,2 36,5 52,1 47,7 4,9 9,3 Walzbachtal 22,7 18,6 22,7 30,7 54,6 50,7 3,6 5,7 Weingarten 20,7 18,3 25,6 30,7 53,7 51,0 5,4 6,2 Zaisenhausen 24,1 18,1 22,7 32,6 53,2 49,3 3,1 7,6 15

70,0 Änderung des Alten- und Jugendquotienten von 2006 bis 2025 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0-10,0-20,0-30,0 Weingarten Stadt Ka Ettlingen Marxzell Walzbachtal Eggenstein-Leopoldshafen Oberderdingen Waldbronn Oberhausen-Rheinhausen Malsch BW Bruchsal Pfinztal Östringen Rheinstetten Landkreis KA Karlsdorf-Neuthard Ubstadt-Weiher Kraichtal Stutensee Karlsbad Philippsburg Waghäusel Kronau Dettenheim Bretten Linkenheim-Hochstetten Bad Schönborn Forst Graben-Neudorf Hambrücken Prozentuale Änderung Altenquotient von 2006 bis 2025 Prozentuale Änderung Jugendquotient von 2006 bis 2025 Änderungen der Jugend- und Altenquotienten von 2006 bis 2025 in Prozent in den Gemeinden des Landkreises ( Bsp: In Weingarten steigt der Altenquotient im Zeitraum von 2006-2025 um 5%; der Jugendquotient fällt in diesem Zeitraum dort um 12%) Der Altenquotient ist der Quotient aus Anzahl Menschen über 65 geteilt durch die Anzahl aller Menschen im Alter zwischen 20 und 65. Der Jugendquotient ist der Quotient aus Anzahl Menschen unter 20 geteilt durch die Anzahl aller Menschen im Alter zwischen 20 und 65 16

4. Auswirkungen des regionalen Wanderungsgeschehens Die Wanderungsbewegungen waren bisher der»motor«des Bevölkerungswachstums in Baden- Württemberg. Etwas mehr als 70 % des Anstiegs der Bevölkerungszahl um gut 4 Mio. Menschen resultierten seit 1952, dem Gründungsjahr des Südweststaates, aus Wanderungsgewinnen gegenüber dem Ausland und den anderen Bundesländern, die übrigen knapp 30 % aus Geburtenüberschüssen. Den höchsten Wanderungsgewinn gab es im Jahr 1990 nach dem»mauerfall«als 182 000 Personen mehr nach Baden-Württemberg zu- als wegzogen. In den letzten Jahren sind die Wanderungsgewinne stetig zurückgegangen; im Jahr 2006 erreichte der Wanderungssaldo nur noch ein Plus von etwa 4 000 Personen. Nicht nur das Wanderungsgeschehen Baden-Württembergs insgesamt war im Zeitablauf von starken Schwankungen geprägt. Auch innerhalb des Landes gab und gibt es erhebliche Unterschiede. In den letzten 10 Jahren hat Baden- Württemberg per saldo 293 000 Personen durch Wanderungen hinzugewonnen, der Anstieg der Einwohnerzahl durch Geburtenüberschüsse lag dagegen»nur«bei 72 000. Absolut betrachtet waren die Wanderungsgewinne in den bevölkerungsstarken Landkreisen Karlsruhe, Rhein-Neckar-Kreis, Heilbronn und Ludwigsburg mit jeweils über 15 000 Personen am höchsten. So lag der Wanderungssaldo im Landkreis Karlsruhe im Betrachtungszeitraum 1997 2006 mit 47 je 10.000 Einwohner sehr deutlich über dem Durchschnitt in Baden- Württemberg (28 je 10.000 Einwohner). Die Wanderungsverhältnisse in der Mehrzahl der Stadt- und Landkreise waren und sind im Zeitablauf von starken Schwankungen geprägt. Eine Zerlegung des 10 jährigen Betrachtungszeitraums in zwei Teilabschnitte zeigt, dass die Zentren in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen haben. Die Ursachen für die Zu- und Abwanderung, sind vielschichtig. Neben der sogenannten Ausbildungs-, der Familien-, der Wohnungsmarkt- sowie der Alterswanderung dürfte hierfür nicht zuletzt die Entwicklung des regionalen Arbeitsplatzangebots sein. Die neuesten Analysen haben aber auch gezeigt, dass die eigentlich arbeitsmarktinduzierte Zuwanderung häufig durch eher kleinräumige wohnungsmarktbedingte Wanderungen überlagert wird. Dies gilt insbesondere für die Verflechtungen zwischen Stadtkreisen als Arbeitsplatzzentren und angrenzenden Landkreisen. In Zukunft wird es in weiten Teilen Baden-Württembergs aufgrund der Alterungsstruktur der Bevölkerung stets mehr Sterbefälle als Geborene geben. Ein gegebenenfalls gewünschter Anstieg der Bevölkerungszahl in einer Kommune wird deshalb wohl nur noch mittels Zuwanderungen möglich sein. Da derzeit nur noch von eher moderaten Wanderungsgewinnen Baden-Württembergs 17

gegenüber anderen Bundesländern und dem Ausland ausgegangen werden muss, könnte sich unter den Städten und Gemeinden der Wettbewerb um neue Bürger in Zukunft verstärken. Quellen und weiterführende Informationen Diesem demografischen Bericht liegen Veröffentlichungen des Statistischen Landesamtes Baden- Württemberg zugrunde. Die verwendeten Grafiken, Tabellen und Schaubilder wurden uns vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt. Weiterführende Informationen stehen auf den Internetseiten des Statistischen Landesamtes unter www.statistik.de zur Verfügung. Der dort im Mai 2008 eingerichtete Demografie-Spiegel beinhaltet ein umfangreiches Informationsangebot zur Analyse des demografischen Wandels für alle 1109 Gemeinden in Baden Württemberg. 18

B Auswirkungen auf die Handlungsfelder des Landkreises Karlsruhe 1. Handlungsfeld Mensch und Gesellschaft Kinder, Jugendliche, Familien mit Migrationshintergrund, Fall- und Kostenentwicklung in der Sozialhilfe 1.1 Darstellung der Entwicklung bei den Familienstrukturen und bei der Zuwanderung In Teil A dieses Berichtes wurde aufgeführt, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen seit Jahren rückläufig ist. Bedingt durch die insgesamt stagnierende Geburtenrate wird dieser Trend auf eine längere Sicht anhalten. Bis 2015 wird der Rückgang insgesamt 11 % betragen, bis 2025 ist von einem Rückgang von sogar 19 % auszugehen. Nach den altersgruppendifferenzierten Hochrechnungen (bis 2015) stellt sich die Situation im Landkreis Karlsruhe wie folgt dar: Landkreis Karlsruhe 2005 2010 2015 abs. % abs. % abs. % 0- unter 3 11.090 100 10.510 95 10.466 94 3- unter 6 12.348 100 11.167 90 10.822 88 6- unter 12 28.113 100 25.191 90 22.901 81 12- unter 15 14.915 100 14.508 97 12.495 84 15- unter 18 15.244 100 14.554 95 14.046 92 18- unter 21 14.545 100 15.347 106 14.600 100 0- unter 21 96.255 100 91.277 95 85.330 89 Dieser auf sinkende Geburtenzahlen zurückzuführende Rückgang, der in vielen Regionen Deutschlands noch weitaus drastischer ausfällt, wird im Landkreis Karlsruhe durch die Binnenwanderung abgemildert. So betrug der Saldo der Ab- und Zuwanderungen von 1997 bis 2006 19.600 Personen und war damit das höchste aller Baden-Württembergischen Kreise. In der Relation zur ansässigen Bevölkerung betrug das Zuwanderungsplus 4,7 % und war damit das achthöchste in Baden-Württemberg. Neben der attraktiven Ausbildungs-, Kinderbetreuungs- und Wohnungsmarktsituation im Kreis ist dafür auch die positive Entwicklung des Arbeitsplatzangebotes ausschlaggebend. Allerdings muss sich diese Bevölkerungsgruppe hier neu orientieren und verwurzeln und kann nicht auf gewachsene familiäre Strukturen zurückgreifen. 19

Der Rückgang der Kinderzahlen spiegelt sich auch in dem zunehmenden Trend zur Kleinfamilie wieder. Durchschnittlich lebten 1980 1,9 Kinder in einer Familie, heute sind es nur noch 1,7. Während der Anteil kinderloser Frauen in dieser Zeit nur geringfügig angestiegen ist, hat sich der Anteil der Frauen die 3 oder mehr Kinder auf die Welt bringen praktisch halbiert. Verändert haben sich auch die Lebens- und Familienformen der erwachsenen Bevölkerung in Baden- Württemberg. Lebens. und Familienformen 1972 Ehepaare mit Kindern; 54% Ehepaare ohne Kinder; 29% Aus dieser Entwicklung wird deutlich, dass die Vielfalt der Lebensformen zugenommen hat und die klassische Familienform der Ehepaare mit Kindern zurückgegangen ist. Erkennbar gestiegen ist die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund. alleinstehende Ihr Anteil ist in der Region Mittlerer Frauen; 10% Oberrhein auf inzwischen 24 % der alleinstehende Männer; 4% Gesamtbevölkerung gestiegen, in der alleinerziehende Altersgruppe der Minderjährigen liegt er alleinerziehende Väter; 1% Mütter; 3% sogar bei über 30 %. Dabei ist der Anteil der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Landkreis Lebens- und Familienformen 2005 Karlsruhe mit 8 bis 9 % an die Gesamtbevölkerung seit Jahren relativ nichteheliche nichteheliche Lebensgmeinsc haft ohne Lebensgemeinschaft mit Kindern; 2% konstant. Allerdings ist die Zahl der Spätaussiedler, eingebürgerten Ausländer Kinder; 5% Ehepaare mit Kindern; 35% Ehepaare ohne Kinder; 30% und ihrer jeweiligen Kinder die zum Personenkreis der Menschen mit Migrationshintergrund zu rechnen sind angewachsen. Während die Geburtenhäufigkeit bei deutschen Frauen alleinerziehende Mütter; 3% alleinstehende Frauen; 13% auf inzwischen 1,3 Kinder je Frau alleinerziehende Väter; 1% alleinstehende Männer; 11% verringert hat, liegt sie bei der ausländischen Bevölkerung bei 1,6 Kindern je Frau. Angesichts der schlechteren Bildungschancen der zugewanderten Bevölkerung mit den entsprechenden Folgen für den Arbeitsmarkt stellt sich hier eine beträchtliche Integrationsaufgabe. 20

Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dieser gesellschaftlichen Entwicklung ziehen: Der strukturelle Umbruch im Altersaufbau unserer Gesellschaft ist ein dem Grunde nach unumkehrbarer Prozess. Im Zuge dieses Wandels werden Kinder, Jugendliche und Familien mehr und mehr in die Rolle einer gesellschaftlichen Minderheit geraten. Sie werden dadurch aber auch zu einem zunehmend knappen und somit kostbaren Gut. Zusätzliche Herausforderungen entstehen dadurch, dass sich Kindheit und Jugend zukünftig vermehrt in bildungsferneren und migrationsgeprägten Familien vollziehen wird. Darüber hinaus sind Veränderungen in den Rahmenbedingungen des Aufwachsens junger Menschen zu beobachten, die in Gestalt vermehrter Brüche in der Verlässlichkeit familiärer Strukturen (z. B. hoher Anteil von Kindern aus Scheidungsfamilien) und steigenden Anteilen von Kindern und Jugendlichen in belasteten Lebensverhältnissen auf die Handlungserfordernisse der Kinder- und Jugendhilfe wirken. 1.2. Entwicklungsaufgaben für die Förderung von Familien und jungen Menschen: Ausgehend von den Ausführungen des 12. Kinder- und Jugendberichtes der Bundesregierung, sieht sich die Jugendhilfe durch den demografischen Wandel zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen gegenüber, deren Lösung Garant für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist. Diese Entwicklungsaufgaben haben ihre Ursache nicht in der demografischen Entwicklung, sie gibt ihnen nur eine besondere Bedeutung. Angesichts einer alternden und schrumpfenden Erwerbsbevölkerung brauchen wir umso mehr bildungsbereite und persönlichkeitsgereifte junge Menschen. Der Kinder- und Jugendbericht formuliert 4 Hauptaufgaben: 1.2.1 Verbesserung von Bildung, Betreuung und Erziehung Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer vielfältigen, pluralen und sich ständig verändernden Welt auf. Formales und informelles Wissen und Können sind die wesentlichen Schlüssel, sowohl für individuelle Entfaltungsmöglichkeiten, als auch für den Fortbestand der ökonomischen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Bildung ist eine Zukunftsressource für junge Menschen selbst, aber auch für die Gesellschaft. Internationale Vergleichsstudien zeigen, dass in Deutschland gelingende Bildungsprozesse noch zu stark von der sozialen Herkunft abhängig sind. Im Landkreis Karlsruhe wird dies u. a. durch die Zahl der Schulverweigerer, Schulabbrecher bzw. Schulabgänger 21

ohne Hauptschulabschluss und durch die problematische Entwicklung im Berufsvorbereitungsjahr belegt. Ansatzpunkte für Veränderungen sind: Ausbau der Bildungsförderung im vorschulischen Bereich (z. B. durch Bildungshäuser für Kinder von 3 10 Jahren) Ausbau der Ganztagesbetreuung verstärkte Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe Öffnung des Lernortes Schule in das gesellschaftliche Umfeld und die Einbeziehung anderer Bildungspartner aus Kultur, Sport, Vereinen und Betrieben. Dennoch bleibt die Familie zentraler Ort für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern. Alle Bildungsakteure von der Familie über die Schule, Jugendhilfe bis hin zu Betrieben, sollen die Vermittlung sozialer und schulischer Schlüsselkompetenzen von jungen Menschen in den Mittelpunkt der Bemühungen stellen. Die jeweils spezifischen Ressourcen sind durch enge Kooperation miteinander zu verschränken. 1.2.2 Stärkung der erzieherischen und sozialen Kompetenz von Familien Jede Lebens- oder Entwicklungsphase stellt an die Familienmitglieder veränderte Aufgaben und Anforderungen. Übergänge von einer Lebensphase zur nächsten sind durch Verhaltensunsicherheiten und verstärkte Belastungen gekennzeichnet. Typische familiäre Übergangsphasen sind die Geburt des ersten Kindes, Eintritt der Kinder in Kindergarten und Schule und die Pubertät von Jugendlichen. Für eine wachsende Zahl von Familien kommen besondere Belastungssituationen hinzu wie Arbeitslosigkeit, der Verlust der Wohnung, wirtschaftliche Not und Überschuldung, schwere Erkrankungen. Aber auch der Verlust von familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen, Stress und Misserfolgserlebnisse und wachsende Spannungen im Familienleben, können desorientierend auf die weitere Lebensführung wirken. Der Sozialbericht 2006 des Landratsamtes Karlsruhe hat aufgezeigt, dass im Landkreis die Belastungsfaktoren insbesondere durch Trennung und Scheidung und die wachsende Zahl von alleinerziehenden Haushalten mit in der Regel geringerem Einkommen, anteilmäßig zunehmen. Zirka 45 % der Erziehungshilfeleistungen werden für Minderjährige aus Scheidungsfamilien bzw. alleinerziehenden Elternteilen gewährt. Die Jugendhilfe muss daher diese Personengruppe in der präventiven Arbeit besonders in den Blick nehmen. 22

Alle Hilfestellungen, die sich vorrangig an junge Menschen wenden, müssen auch die Eltern und Familien einbeziehen. Weitere spezifische Ansatzpunkte sind: der Ausbau der Familienbildung der Ausbau der Kinderbetreuung die Schaffung von Anlaufpunkten im Gemeinwesen, wo sich Eltern austauschen und unterstützen können. (z. B. Familienzentren) 1.2.3 Integration zugewanderter junger Menschen und ihrer Familien Wie aus dem Sozialbericht 2006 des Landratsamtes Karlsruhe hervorgeht, nimmt auch im Landkreis die zugewanderte Bevölkerung (d. h. ausländische- und Aussiedlerfamilien) einen wachsenden Anteil an der Bevölkerung ein. Es ist davon auszugehen, dass ca. 30 % der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben. Typische Problemstellungen dieser Bevölkerungsgruppe sind: sprachliche Verständigungsschwierigkeiten, schlechtere oder fehlende Bildungsabschlüsse im Vergleich zu Jugendlichen deutscher Herkunft: Bevölkerung in Baden-Württemberg nach Schulabschluss 44% 29% 35% 26% 20% 40% 1% 5% Abitur Realschlabschluss Hauptschulabschluss ohne Abschluss ohne Migrationshintergrund mit Migrationshintergrund höhere Arbeitslosigkeit (aktuell: Gesamtquote 4,2 %; ausländische Bevölkerung 10,3 %), höhere Kriminalitätsrate (so liegt der Anteil ausländischer Straftäter bei 15,36 % in 2006, bei einem Bevölkerungsanteil im Kreis von 7,8 %) kulturelle Isolation. 23

Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Zuwanderung Beim Personenkreis der Spätaussiedler ist von einem immer weiteren Rückgang der Zugangszahlen auszugehen, der bis 2010 evtl. gegen 0 Personen im Landkreis gehen könnte. Trotz Verbesserung der Arbeitsmarktlage besteht bei einem größeren Teil dieses Personenkreises Probleme bei der Integration in dauerhaft existenzsichernde Beschäftigungen. Junge Spätaussiedler sind eine Hauptgruppe der mit Integrationsdefiziten belasteten Migrantengruppen, vor allem im Bereich der beruflichen Qualifizierung. Im Bereich der Flüchtlinge sind Prognosen schwierig. Die Zahlen sind deutlich zurückgegangen. In den letzten Jahren sank der Anteil an Familien mit Kindern bei den Asylsuchenden, die Anzahl der Alleinstehenden stieg an. Durch die Änderungen des Zuwanderungsgesetzes und die Bleiberechtsregelung sind die Möglichkeiten der Aufenthaltsverfestigungen gestiegen. Unabhängig von nicht vorhersehbaren politischen Krisen mit der Folge von Flüchtlingsbewegungen dürfte die vorgesehene weitere Öffnung des EU-Binnenmarktes zu einem Migrationsanstieg führen. Dabei zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahre, dass die Integrationsaufgaben längerfristig und kontinuierlich weitergeführt werden müssen. Auch Migranten der zweiten und dritten Generation, die hier aufgewachsen und ihre schulische Ausbildung genossen haben, haben ein wesentlich schlechteres Bildungsniveau als ihre deutschen Altersgenossen. Bei der Integration der zugewanderten Bevölkerung ist ein Weg des Forderns und Förderns zu gehen. Insbesondere ist eine verbesserte schulische Förderung junger Menschen anzustreben und durch kleinere Klassen gezielt auf die Belange dieser Schüler einzugehen. Die Hausaufgabenbetreuung an Schulen und anderen Einrichtungen für diese Kinder ist auszubauen. Die Sprachkurse sollen auch Eltern einbeziehen. Ausländische Eltern und Kinder sind über die Vereine gezielt zu fördern und über kulturelle Begegnungen ist das Verstehen zwischen Deutschen und Zugewanderten zu verbessern. Behörden und Institutionen sind für Personen anderer ethnischer Herkunft zu öffnen und die Mitarbeiter dieser Einrichtungen über interkulturelle Ansätze fortzubilden. 1.2.4 Zusammenleben behinderter und nicht behinderter Menschen Menschen mit körperlichen, seelischen und geistigen Behinderungen sind gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft. Die Angebote zur Integration in die alltäglichen Lebensvollzüge unserer Gesellschaft, sind aber noch nicht ausreichend entwickelt. Der ungezwungene Umgang zwischen behinderten und nichtbehinderten jungen Menschen, im Sinne eines rücksichtsvollen Miteinanderumgehens, muss die Gesellschaft prägen. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, die konzeptionelle Beratung und Fortbildung von Mitarbeitern in Kindergärten und Schulen, soll die Integration behinderter junger Menschen in Regeleinrichtungen verbessern. Auch im Bereich der Freizeitstätten (z. B. Jugendhäuser) sind entsprechende Konzepte zu entwickeln. Die gesamte öffentliche Infrastruktur ist im Rahmen der Stadtplanung behindertengerecht zu gestalten (mittel- bzw. langfristig). 24

1.3. Maßnahmen im Bereich der Jugendhilfe Jugendhilfe soll dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familie sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen (SGB VIII, 1 Abs. 4). Dieses Grundsatzziel gilt in Zeiten des demografischen Wandels mit den zurückgehenden Kinderzahlen umso mehr. Allein aus ökonomischen Gründen kann sich unsere Gesellschaft eine größere Zahl junger Menschen als Verlierer und reine Empfänger von staatlichen Transferleistungen nicht leisten. Die gesellschaftlichen Strukturen, gerade auch die in der Verantwortung der Jugendhilfe, sind so zu gestalten, dass sie Chancen für junge Menschen eröffnen und jeder seine wirklichen Potenziale abrufen kann. Die Situation für Kinder und junge Menschen im Landkreis Karlsruhe ist durch folgende Problemstellungen gekennzeichnet: Ein wachsender Teil der Eltern ist berufstätig und kann sich zumindest für einen Teil des Tages nicht selbst um das Kind kümmern. Die Kinderarmut hat auch im Landkreis Karlsruhe in den vergangenen Jahren zugenommen. So ist die Zahl minderjähriger BSHG-Empfänger von 1.886 (im Jahre 1994) auf zuletzt 4.648 minderjährige Empfänger von SGB II-Leistungen gestiegen. Die jetzt zurückgehende Zahl aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklung kehrt diesen grundsätzlichen Trend nicht um. Die Veränderung in Produktions- und Arbeitsprozessen lassen die Qualifizierungsanforderungen an junge Menschen steigen. Viele Kinder aus ärmeren Schichten werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Das massive Angebot an Unterhaltungsmedien hat den Alltag der Kinder stark verändert. Der Konsum vorgefertigter Angebote dominiert, selbst gestaltete Freizeitaktivitäten werden immer seltener. Einige Eltern sind oft aus Gründen der Migration mit der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder überfordert. Die rein bundes- und landespolitischen Verantwortlichkeit zur Bewältigung dieser Problemstellungen können hier nicht weiter thematisiert werden. Im Vordergrund stehen im Folgenden die wichtigsten kommunalen Gestaltungsaufgaben zur Schaffung familienfreundlicher Lebensbedingungen im Landkreis Karlsruhe. Inwiefern sie Auswirkungen auf die Geburtenrate haben und zu einer Trendwende bei der demografischen Entwicklung beitragen, bleibt abzuwarten. 1.3.1 Ausbau der Prävention und niedrigschwelliger Hilfen: Zielsetzung des Jugendamtes ist es, Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungs- und Erziehungsdefiziten, Familien aus gefährdeten Lebensbereichen möglichst frühzeitig Hilfen und 25

Stützen im Lebensfeld anzubieten und in Kooperation mit den örtlichen Einrichtungen und Diensten bedarfsgerechte vernetzte Hilfen vor Ort zu entwickeln. In einer Zusammenstellung des Jugendamtes an den Jugendhilfeausschuss vom 23.06.2008 (siehe Vorlage Nr. 9/2008) wird eine Übersicht über die verschiedenen Präventionsleistungen im Landkreis gegeben. Diesen Bereich hat die Jugendhilfe weiter auszubauen und mit innovativen Angebotsentwicklungen unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden. Eine herausgehobene Bedeutung in der Präventionsarbeit hat das Thema Frühe Hilfen. Bereits seit Jahren führt der Landkreis das Programm Mutter/Vater-Kind durch, das sich an Alleinerziehende Eltern mit Kleinkindern wendet, die sehr häufig mit erzieherischen Überforderungssituationen konfrontiert sind. Die Einstellung des Programms durch das Land Baden- Württemberg hat im Landkreis zu einer Weiterentwicklung des Angebots für Familien mit Kleinkindern geführt. Unter der neuen Bezeichnung Frühe Hilfen richten sich die Angebote des Jugendamtes nicht nur an Schwangere und Alleinerziehende, sondern an alle werdenden Eltern oder Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern, die Bedarf an Informationen, Beratung oder Unterstützung haben. Sie dienen vor allem im Blick auf unsichere, überforderte oder belastete Eltern (z. B. Alleinerziehende, junge/minderjährige Eltern, Eltern mit Suchtproblemen) als Türöffner, um ggf. weitere Hilfen anbieten zu können. Durch die Frühen Hilfen besteht die Chance, Entwicklungsrisiken von Säuglingen rechtzeitig zu erkennen und Kindeswohlgefährdungen bei ganz kleinen Kindern aufgrund von Überforderungen oder Unkenntnissen der Eltern zu vermeiden. Voraussetzungen sind u. a. frühzeitige, niedrigschwellige Zugangswege und Angebotsformen und deren freiwillige Inanspruchnahme, aber auch eine systematische Vernetzung, insbesondere mit Institutionen und Fachkräften des Gesundheitswesens rund um die Geburt. Mit den Frühen Hilfen werden die Lücke zwischen Hebamme und Kindergarten geschlossen, präventive, bereits bestehende Beratungs- und Hilfeformen miteinander vernetzt und - wo erforderlich - neue aufgebaut. Die Angebote der Frühen Hilfen umfassen Information und Einzelberatung (Kurzberatung, Beratung zu Hause, bei Bedarf längere Begleitung), regelmäßige Mutter/Vater-Kind-Gruppen, ggf. Gruppenangebote für Eltern in speziellen Situationen (z. B. für sehr junge Mütter), Säuglings- und Kleinkind-Sprechstunden vor Ort (z. B. in Rathäusern, Kindergärten, Familienzentren), spezielle Elternkurse. Die sozialpädagogischen Kompetenzen der Fachkräfte der Frühen Hilfen des Jugendamtes werden durch enge Kooperation mit ÄrztInnen des Gesundheitsamts ergänzt. Ein gemeinsames Koordinations- und Planungsteam des Jugend- und des Gesundheitsamtes entwickelt die Strategien zur Umsetzung. 26