Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Carolus-Magnus-Kreises 1954-2004



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Transkript:

"Ne croyons pas que nous défendrons le français dans le monde si nous ne sommes pas capables de défendre l allemand." Jean Pierre Raffarin, 22. 1. 2004 Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Carolus-Magnus-Kreises 1954-2004 Zwei europäische Völker und ihre Identitäten im Wandel. 50 Jahre deutsch-französische Begegnungen im Prisma des Carolus-Magnus-Kreises

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Herausgegeben von: Hans-Günter Egelhoff und Lutz Rüstow unter Mitarbeit von Dr. Rüdiger Pfromm und Christine Theiß Zwei europäische Völker und ihre Identitäten im Wandel. 50 Jahre deutsch-französische Begegnungen im Prisma des Carolus-Magnus-Kreises Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Carolus-Magnus-Kreises. - 1. Ausg. 2004 - Auflage 800, ISBN 3-00-014330-0 Der CAROLUS-MAGNUS-KREIS dankt - den Sponsoren, der Areva Energietechnik GmbH Schorch Transformatoren, Mönchengladbach, dem Holiday Inn Mönchengladbach, der Bogart MG Moden Vertriebsgesellschaft mbh Mönchengladbach, der Verlagsgruppe Klett, Klett AG, Stuttgart und Frau Helga Martienssen, Eutin für die finanzielle Unterstützung. - den Autoren für ihre Beiträge. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den namentlich verzeichneten Autoren der Beiträge. Redaktion: Hans-Günter Egelhoff, Lutz Rüstow Mitarbeit: Dr. Rüdiger Pfromm, Christine Theiß Layout: Anja Pittelkow, third eye media [www.third-eye-media.de] Bilder: Hans-Günter Egelhoff, Lutz Rüstow 3

Inhaltsverzeichnis 6 Vorwort Lutz Rüstow: 1. Vorsitzender 8 Einleitung Rüdiger Hoffmann: So war es, zu Beginn... 11 Grußworte Erwin Teufel, Ministerpräsident Baden-Württemberg 12 Klaus Neubert: Grußwort des Deutschen Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Paris 13 Ilse Brigitte Eitze-Schütz: 50 Jahre - dazu gratuliert der PAD gerne 15 Institutionen der deutsch-französischen Zusammenarbeit 15 Peter Müller, Beitrag zur Festschrift 22 Andreas Schockenhoff: Nach mehr als 40 Jahren deutsch-französischer Freundschaft: Reformansätze im Miteinander und gemeinsamer Blick nach vorn 25 Alain Juppé: Déployer la culture franco-allemande 28 Rudolf von Thadden: Zivilgesellschaften in Deutschland und Frankreich 31 André Bord: 50 Jahre Carolus-Magnus-Kreis 35 Dietrich Gross: Deutsch-französische Erfahrungen 40 Robert Picht: Paradigmenwandel in den deutsch-französischen Beziehungen. 46 Frank Baasner: Bedingungen, Aufgaben und Motive der deutschfranzösischen Arbeit im Wandel eines halben Jahrhunderts 50 Jean-Michel Hannequart: L enseignement de l allemand en France 54 Begleiter/Autoren der deutsch-französischen Beziehungen 54 Alfred Grosser: Frankreich und Deutschland: Aufstieg und Niedergang 57 Henri Ménudier: Das Jahr 1954 und die deutsch-französischen Beziehungen 61 Albert Raasch: Aus seiner Qualität erwächst ihm Verpflichtung. Herausforderungen für den CMK 66 Johannes Thomas: Die deutsch-französische Zusammenarbeit für Europa im Spiegel der Zeitschrift Dokumente. Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog 73 Heiner Wittmann: Die deutsch-französischen Beziehungen aus Verlagssicht. 4

80 Rüdiger Pfromm: Die Publikationen des CMK im Spannungsfeld von Politik, Forschung und Praxis 87 Manuela Zeilinger-Trier: Motivation durch Telekommunikation? 93 Barthold C. Witte: Engagierte Bürger - Fundament der Freundschaft 96 Stimmen der A.L.F.A. 96 Pierre Chevallier: Au Carolus-Magnus-Kreis 100 Jeannette Larrodé: A.L.F.A. et C.M.K.: Deux partenaires et amis fidèles 105 Claude Pierre-Lusset: Des chemins qui se croisent depuis les années 60: L ALFA et la revue <<Allemagne d aujourd hui>> 109 André Dabezies: Dialogue toujours à recommencer 114 Persönliche Erfahrungsberichte 114 Hannelore Braun: Eine lange Zeit mit dem und für den CMK ganz persönliche Erinnerungen eines Ehrenmitgliedes 118 Fritz Hirschfeld: Poitiers gab den Anstoß: Ein Gründungsmitglied des CMK erinnert sich 121 Wilhelm Haun: Vor 50 Jahren als Assistant in Frankreich 123 Klaus Citron: Das Jahrestreffen des CMK 1958 auf dem Sonnenberg im Harz 125 Ingo Hertzstell: Individuelle Begegnung als Element deutsch-französischer Verständigung 129 Edith Fiscal: Eine große Chance: Assistante d Allemand in Frankreich 134 Hans-Günter Egelhoff: Rückblick auf einen einzigartigen Schüleraustausch oder: der Carolus-Magnus-Kreis als Ideengeber 142 Christoph Kodron: Abenteuer in Paris. Erfahrungen mit einer arbeitsorientierten Drittortbegegnung 150 Kristian Raum: Als Fremdsprachenassistent in Fontainebleau... 156 Lutz Rüstow: 100 Jahre Fremdsprachenassistenten - 50 Jahre CMK - 25 Jahre ehrenamtliche Arbeit für die deutsch-französische Verständigung für ein Europa von morgen 164 Anhang 164 Autoren 166 Jahrestreffen in Deutschland 167 Congrès en France 5

Vorwort Im Laufe der 50 Jahre seiner Arbeit hat der Carolus-Magnus-Kreis die Entwicklungen und Veränderungen im deutsch-französischen Zusammenspiel mitgestaltet. Die leitenden Ideen seiner Arbeit sind bis heute so erhalten geblieben wie sie 1954 im Protokoll der Tagung auf dem Schauinsland bei Freiburg festgelegt wurden, nämlich die Betreuung französischer Studierender in Deutschland und die Verbreitung französischer Kultur. Um diese Arbeit effektiv gestalten zu können, wurde 1956 eine Partnerschaft mit einer gleichgesinnten französischen Vereinigung geschlossen. Die Zusammenarbeit mit der ALFA bildete über mehr als 45 Jahre eine einzigartige Partnerschaft, die lange alle Wechsel und Veränderungen, auch die deutsche Einigung, überdauerte. Mit der Jahrestagung CMK-ALFA in Berlin im Jahre 2000 fand diese Verbindung ein Ende, da die Schwestervereinigung in Frankreich nicht mehr die notwendige Unterstützung erhielt. Absicht dieser Festschrift ist es daher, diese Zeit zu würdigen, allerdings nicht durch eine chronologische Darstellung der Entwicklungen und des Wirkens beider Vereinigungen. Vielmehr sollen die hier zusammengestellten Beiträge der Generationen von Gestern bis Heute die deutsch-französische Zusammenarbeit zweier nicht-offizieller, ehrenamtlich arbeitender Vereinigungen wie in einem Spiegel beleuchten, so dass sich jeder Leser ein Bild von den Schwierigkeiten dieser Arbeit, den Impulsen und dem Wandel im Laufe der Jahrzehnte bilden kann. Dank gilt all jenen, die in diesen 50 Jahren sei es durch ihre Mitgliedschaft und/oder durch ihren Einsatz und ihre Aktivitäten mit dazu beigetragen haben, die Ziele der beiden Vereinigungen durch eine intensive Zusammenarbeit zu verwirklichen, die Tagungen und Treffen mit Leben zu erfüllen, den Austausch zur Förderung des gegenseitigen Verstehens immer wieder neu zu gestalten. Im Anhang findet sich eine Übersicht über die Jahrestreffen CMK-ALFA, über die seit 1978 durchgeführten Austauschlehrerseminare und den dazugehörigen Dokumentationen und eine Liste der Regionalseminare der letzten Jahre. Diese nicht vollständige Aufstellung lässt die Kräfte erahnen, die die Mitglieder einsetzten, um den Verein, die Begegnungen mit Leben zu erfüllen. Getragen von dem Wunsch, die Vergangenheit zu überwinden, die Grenzen in Europa abzubauen und Freundschaften hier beim Bier und Volkslied und dort beim Wein und Chanson zu gestalten. 6

Abschließend danke ich im Namen des Carolus-Magnus-Kreises allen, die durch ihre Mitarbeit an dieser Festschrift zu deren Gelingen beigetragen haben. Mögen die vielen Facetten der deutsch-französischen Zusammenarbeit, die in diesen Beiträgen zum Ausdruck kommen, Motivation und Ansporn sein für die neuen Entwicklungen in Europa, Beispiel für die junge Generation, dass es sich lohnt, die Freundschaft mit den Nachbarn zu leben und Herausforderung für das Zusammenwachsen der Völker in einem sich wandelnden Europa, die neuen deutsch-französischen Beziehungen zu gestalten. Lutz Rüstow 1. Vorsitzender Gründungstreffen 1954 auf dem Schauinsland 7

Einleitung Rüdiger Hoffmann So war es, zu Beginn... Beim Nachblättern in abgelegten CMK-Briefen, stoße ich auf einen, der aus Anlass des 10jährigen Bestehens des Kreises entstanden war. Er datierte vom 29. Januar 1964 und war an den damaligen Vorsitzenden, Herrn Dr. Rohling, gerichtet. Außer ihm erhielten jenen Text noch Herr Blank, der damals den Rundbrief redigierte, und Herr Hillebrand, der nach mir den Vorsitz übernommen hatte. Absichtlich habe ich hier Namen genannt, die von vielen der heutigen Mitglieder nicht mehr gekannt werden, die aber wesentliche Verdienste um den Aufbau des CMK haben. Im genannten Brief ist zunächst von dem Gründungstreffen die Rede, das am 31. Juli und 1. August 1954 auf dem sogenannten Fachschaftshaus der Universität Freiburg auf dem Schauinsland, dem Freiburger Hausberg, stattfand. Natürlich war diesem Treffen gute Vorarbeit vorausgegangen, die im wesentlichen vom Freiburger Kreis getragen worden war. Freiburger Kreis? Das war kein organisierter Zusammenschluss, sondern eine lose Gruppe von Ehemaligen, die sich mehr oder weniger zufällig kannten. Ein Rundbrief an alle ehemaligen Lektoren, Assistenten und Studenten in Frankreich kam zustande. Die Adressen hatte die Kulturabteilung der Französischen Botschaft, damals in Mainz, zur Verfügung gestellt. Hier sei der Name von Monsieur Arnold festgehalten, der dem CKM viel geholfen hat, auch in finanzieller Hinsicht. Dieser Rundbrief hatte eine ungeahnte Resonanz: allseits wurde ein Zusammenschluss für wichtig und nötig gehalten. Statt die Briefe alle zu beantworten, rief man zu jenem Treffen auf dem Schauinsland auf, das ein voller Erfolg wurde. Ein Zusammenschluss als e.v." - manche wehrten sich gegen diese Vereinsmeierei aber unsere Juristen, die Herren Wegener und Kremer, überzeugten uns von der Richtigkeit dieses Aktes, kam zustande. Aber welchen Namen sollte der Kreis tragen? Der Name Antares, ein Vorschlag von Nino Erné, fand keine Gegenliebe; er schmückte aber dann eine Monatszeitschrift dieses Namens, die die Mitglieder des Kreises danach unentgeltlich zugestellt bekamen. 8

Nach langer Diskussion wurde schließlich der Name Carolus-Magnus-Kreis, ein Vorschlag von Fritz Hirschfeld, angenommen. Des weiteren wurde über mögliche Aktivitäten heftig diskutiert: ein regelmäßiges Mitteilungsblatt, ein jährliches Treffen mit Vorträgen, bei denen natürlich Kommilitonen aus Frankreich dabei sein sollten, dann die Bildung örtlicher Gruppen u.a.m. Ausführlicher wurden solche Aktivitäten bei dem Arbeitstreffen am 23./ 24. April 1955 in Göttingen, im dortigen Fritjof Nansenhaus diskutiert und zum Teil auch festgeschrieben. So die Vermittlung von Auskünften über das heutige Frankreich. Das Ziel hieß: Verbreitung eines objektiven Frankreichbildes. Beschlossen wurde, eine Broschüre über das Studium in Frankreich herauszubringen. Auch sollten Kontakte mit anderen Organisationen aufgenommen werden. Und nicht zuletzt erkannte man die Wichtigkeit der Betreuung der französischen Assistenten und Studenten in Deutschland. Hier sei auf die fleißige Arbeit von Fräulein Zöllin hingewiesen, die u.a. auch die Kasse führte. Das erste richtige Jahrestreffen war dann in Mannheim am 30. Oktober und 1. November 1955 in einer Gaststätte im Rheinuferpark. Als Redner war es gelungen, Herrn Prof. Dr. Hugo Friedrich von der Universität Freiburg zu gewinnen. Des weiteren referierte Dr. L. Specht über die Rheinschiffahrt. Da diese Treffen sowohl repräsentativ als auch gesellig sein sollten, hatte man in Mannheim erfolgreich die Presse zugezogen (so den Mannheimer Morgen und die Stuttgarter Zeitung"). Und die Geselligkeit kam zu ihrem Recht in einem schönen Tanzabend. Der Dank für die örtliche Organisation gebührte Herrn Neumann. Wichtig war, dass auch französische Kommilitonen anwesend waren, unter ihnen das Ehepaar Chevallier, das sich nicht nur als ausgezeichnete Walzertänzer hervortat, sondern hier die Grundlagen legte für eine französische Parallelorganisation. Und dies ganz nach deutschem Vorbild: also die ALFA (Association des Anciens Lecteurs, Assistants et Boursiers français en Allemagne), wie sie später genannt wurde. Geholfen hat dazu auch Mlle Bouligand. Die ALFA brachte alsbald ein Bulletin heraus, das ab der 8. Nummer für einige Zeit mit dem Mitteilungsblatt des CMK verschmolzen wurde. Nachdem in Mannheim wichtige Entscheidungen getroffen worden waren, fand man sich zu Pfingsten 1956 gelockerter in Darmstadt zusammen, wo Frl. W. Bauer das Organisatorische bestens vorbereitet hatte. Heinrich Heine stand im Mittelpunkt der Referate als 9

Mittler zwischen Deutschland und Frankreich. Beeindruckend der Beitrag von Kasimir Edschmid. Hohen Besuch hatte das Treffen aus Paris: da waren Monsieur Denis vom Office National des Universités et Ecoles Françaises sowie Monsieur Lelièvre vom Pariser Außenministerium. Deutscherseits wurde der Kreis mit Dr. Neumann vom Pädagogischen Austauschdienst in Bonn bekannt, der den Kontakt mit Dr. Fritz Schenk vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg herstellte. Dies war sehr wichtig, weil wir in seinen Räumen ein eigenes Büro einrichten konnten, das erst Herr Heyer und dann Frl. Braun jahrelang führte. Wie sehr der CMK inzwischen bekannt geworden war, zeigte sich u.a. daran, dass er zu den Informationstagungen für die nach Frankreich ausreisenden Assistenten in Mainz zugezogen wurde. Und: nach feierlicher Eröffnung des Deutschen Hauses in der Cité Universitaire in Paris konnte der CMK darin ein Pariser Büro als Kontaktstelle etablieren, das zunächst von Frl. H. Heintz betreut wurde. Dank der Französischen Botschaft wurden die Assistants français, die in Deutschland wirkten, zu einem Erfahrungsaustausch in Mainz zusammengerufen, wobei der CMK mitwirkte. Das nächste Jahrestreffen 1957 fand in Ludwigsburg statt, natürlich in den Räumen des Deutsch-Französischen Instituts von Dr. Schenk. Wie schon in Darmstadt fanden sich 80 CMK-Mitglieder ein und ebenso viele französische Teilnehmer. Hochinteressante Referate von Prof. M. Wandruszka von der Universität Tübingen und von Prof. A. Grosser aus Paris prägten dieses Treffen. Schließlich sei noch an das achttägige Treffen auf dem Sonnenberg bei Andreasberg im Harz erinnert, das 1958 statt fand. Das Internationale Haus Sonnenberg, wird getragen vom Sonnenberg-Kreis, der sich die Verständigung zwischen den Völkern ganz allgemein zum Ziel gesetzt hat. Er hatte mit deutsch-dänischen Begegnungen begonnen, arbeitete aber inzwischen weltweit. Da passte eine deutsch-französische Studientagung von CMK und ALFA gut dazu. Als Referenten seien stellvertretend genannt: Dr. Karbe, André Alers, Erich Kuby, Dr. Dürr, Armin Mohler sowie Monsieur Conilh von der Zeitschrift Esprit. Thematisch ging es um die geistigen und pädagogischen Grundlagen künftiger deutsch-französischer Zusammenarbeit. Diese großzügige Tagung war von Herrn Dr. Citron akribisch vorbereitet worden. Mit dieser recht anstrengenden und zugleich anspruchsvollen Tagung in schönster Umgebung und in einem guten Haus ging die Amtszeit des bisherigen 1. Vorsitzenden, Dr, Rüdiger Hoffmann, zu Ende. Er übergab die Leitung des Carolus-Magnus-Kreises an Herrn Heinz Hillebrand aus Soest. 10

Grußworte Erwin Teufel Deutsch-Französische Beziehungen weiter vertiefen Zum 50-jährigen Bestehen des Carolus-Magnus-Kreises gratuliere ich allen Mitgliedern in Frankreich und Deutschland sehr herzlich. Gegründet wurde die Vereinigung für deutschfranzösische pädagogische und kulturelle Zusammenarbeit damals auf dem Schauinsland bei Freiburg. Sicher kein Zufall, denn Baden-Württemberg hat eine besondere und besonders gute Beziehung zu seinem Nachbarland. In vielen Projekten und Kooperationen hat sich die grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit vielfach bewährt. Der Carolus-Magnus-Kreis bietet Lehrerinnen und Lehrern, Assistenten und Lektoren die Gelegenheit zum Austausch, zur Fortbildung und zur Begegnung mit Kollegen aus dem eigenen Land sowie aus dem Nachbarland. Das weit verzweigte Beziehungsgeflecht ist nicht zuletzt ein deutliches Zeichen für die feste Freundschaft zwischen beiden Ländern. Fragen zum modernen Fremdsprachenunterricht stehen für den Carolus-Magnus-Kreis im Mittelpunkt. Die Sprache ist ein Schlüssel zum Verständnis eines fremden Kulturraums. Dass die Zahlen der Schüler, die auf beiden Seiten der Grenze die Nachbarsprache erlernen, drastisch zurückgehen, ist ein alarmierendes Zeichen. Wir haben in Baden-Württemberg eine erste Fremdsprache schon ab der Grundschule eingeführt. In grenznahen Regionen wird den Kindern Französisch beigebracht. Damit entsprechen wir der Lebenswirklichkeit der Kinder vor Ort. Wir legen hier eine solide Basis für eine weiterhin funktionierende deutschfranzösische Freundschaft. Auf einer intakten deutsch-französischen Beziehung ruht nicht zuletzt die erfolgreiche weitere Vertiefung der Europäischen Union. Es ist von besonderer Bedeutung, dass sich die Bürgerinnen und Bürger der beiden Nachbarländer in Europa gegenseitig kennen, ihre nachbarschaftlichen Kontakte weiter ausbauen und pflegen. Europa ist eine in der Geschichte einmalige Friedensgemeinschaft. Den Wert dieser Gemeinschaft gilt es der jungen Generation gerade im Fremdsprachenunterricht in den Schulen zu vermitteln. Die Mitglieder des Carolus-Magnus-Kreises tragen dazu mit ihrem ehrenamtlichen Engagement und großem persönlichem Einsatz maßgeblich bei. Dafür sage ich allen Dank und Anerkennung. Zu Europa gibt es keine Alternative. François Mitterrand hat es auf den Punkt gebracht, als er bei seinem letzten Auftritt vor dem Europäischen Parlament in Straßburg sagte:,,nationalismus, das ist der Krieg. Europa, das ist der Frieden." Ich wünsche dem Carolus- Magnus-Kreis und allen seinen Mitgliedern in Deutschland und in Frankreich daher von Herzen für die weitere Arbeit viel Erfolg und alles Gute. 11

Klaus Neubert Carolus-Magnus-Kreis weitermachen! Vor wenigen Tagen unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 25 Mitgliedstaaten der EU den europäischen Verfassungsvertrag. Nach dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten, der endgültigen Überwindung der Spaltung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, wird damit ein Zeichen gesetzt: wir haben die große Chance, das erweiterte Europa politisch handlungsfähig zu machen, es politisch zu integrieren und das Einigungswerk in den vor uns liegenden zwei Jahrzehnten tatsächlich zu vollenden. Am Anfang dieses historischen Prozesses standen Frankreich und Deutschland: der Aufruf von Robert Schuman vom 9. Mai 1950 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dessen Datum wir inzwischen jedes Jahr als Europatag feiern; das gemeinsame Wirken von General de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer, das sich am 22. Januar 1963 im Elysée-Vertrag niederschlug. Am 6. Juni 2004 haben unsere beiden Länder den 60. Jahrestag des so genannten D-Day in Frankreich miteinander begangen. Jeder hat gespürt, dass die Franzosen und die Deutschen, die beiden Völker, die so häufig blutige Kriege gegeneinander geführt haben, einander so nahe sind wie wahrscheinlich noch nie zuvor. Zu dieser einzigartigen Annäherung haben nicht nur die Politiker beigetragen, sondern die Bürger beider Länder in ihrem jeweiligen lokalen oder beruflichen Umfeld. Ohne Städtepartnerschaften, Schüleraustausch und andere unzählige Begegnungen,,von Mensch zu Mensch" wäre das heutige deutsch-französische Verhältnis nicht vorstellbar. Auch der Carolus-Magnus-Kreis, der in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen feiert, hat hierzu seinen bleibenden Beitrag geliefert. Ihm gebührt Respekt und Anerkennung. Seine Aufgaben sind heute aktueller denn je: die Defizite beim Erwerb der Partnersprache sind uns allen sehr bewusst. Sie bedürfen des unablässigen Engagements aller Verantwortlichen auf beiden Seiten: angefangen von Präsident Chirac und Bundeskanzler Schröder bei den deutsch-französischen Ministerräten bis hin zu den Fremdsprachenassistenten und Austauschlehrern, die sich im Carolus-Magnus-Kreis zusammengeschlossen haben. Das gesellschaftliche Umfeld mag sich verändert haben, Innovation und Kreativität mögen stärker gefragt sein als je zuvor. Dennoch und gerade deswegen ermutige ich Sie ausdrücklich, in Ihren Anstrengungen nicht nachzulassen: auch das geeinte Europa der Zukunft braucht eine enge und vertrauensvolle deutsch-französische Zusammenarbeit. Jede Kooperation beruht auf Kommunikation; helfen Sie mit, dass auch künftige Generationen Deutscher und Franzosen in Land und Sprache des Nachbarn und Partners zuhause sind. 12

Ilse Brigitte Eitze-Schütz 50 Jahre - dazu gratuliert der PAD gerne! 1954 wurde der Carolus-Magnus-Kreis (CMK) auf Initiative ehemaliger Fremdsprachenassistenten und Lektoren in Frankreich gegründet. Ihr Ziel war es, die Erfahrungen, die sie während ihres Aufenthaltes gesammelt hatten, auszutauschen und weiterzugeben. Wenn heute daran erinnert wird, ist es gut, sich die politische Lage in Deutschland Anfang der fünfziger Jahre zu vergegenwärtigen: Die in ihrer Souveränität eingeschränkte Bundesrepublik Deutschland unternahm erste Schritte auf dem internationalen Parkett. Bundeskanzler Konrad Adenauer reiste 1951 erstmals nach Paris und Rom. Mit den westlichen Alliierten verhandelte er über eine Revision des Besatzungsstatus. In diese Zeit fällt auch der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10./11.08.1951 in Königswinter, den Pädagogischen Austauschdienstes einzurichten, der dann im Laufe des Jahres 1952 - zwei Jahre vor dem Carolus-Magnus-Kreis - seine Arbeit aufgenommen hat. Es war in der damaligen Situation mutig und weitsichtig zugleich, den internationalen Austausch für die Schule zu fördern und auch institutionell abzusichern. Mutig, weil der Wunsch, durch persönliche Begegnungen Brücken zu bauen, Verständnis über nationale Grenzen hinweg zu ermöglichen und damit in der Schule mündige Bürger auf das Leben nach der Schule vorzubereiten, nur durch - seinerzeit keineswegs selbstverständlich - kooperationsbereite Partner in Europa und Übersee ermöglicht wurde. Nur mit ihnen gemeinsam und getragen von der Überzeugung, dass menschliche Begegnungen zum gegenseitigen Verstehen beitragen und Frieden dauerhaft sichern können, war es möglich, diesen Weg nur wenige Jahre nach Beendigung des Krieges zu beschreiten. Dies hat sich bis heute als ein tragfähiges Konzept erwiesen. Weitsichtig, weil der Beschluss der damaligen Kultusminister und die Initiative ehemaliger Austauschlehrer und -assistenten sich bis heute bewährt haben. Bewährt hat sich dabei auch, in diese Begegnungen alle schulischen Akteure einzubeziehen - Lehrkräfte, Schulleitungen, Schüler, Fremdsprachenassistenten. Der CMK ist bis heute aktiv, der PAD ist weiterhin als einzige staatliche Einrichtung für den internationalen Austausch im Schulbereich tätig. Ein Blick auf die Ziele des CMK macht deutlich, dass die Initiatoren einen hohen Anspruch an ihre eigene Arbeit und ihre Selbstverpflichtung haben: - Eine gemeinsame Zukunft in einem geeinten Europa - Erfahrungen und Informationen austauschen - Kenntnisse über die Partnerländer vertiefen - Förderung des Fremdsprachenunterricht und der Sprache des jeweiligen Partnerstaates - Begegnung zwischen Deutschen und Franzosen ermöglichen und zu einem positiven Erlebnis gestalten 13

Dem PAD hatte das Plenum der Kultusministerkonferenz 1951 ins Aufgabenheft geschrieben,,,als Sammelstelle für Angebote und Anfragen in Bezug auf Lehrer- und Schüleraustausch aus dem Ausland zu wirken, generelle Verhandlungen über diese Fragen mit dem Ausland und ausländischen Organisationen sowohl in Bezug auf Gruppen- wie Einzelaustausche zu führen, Austauschangebote aus dem Ausland weiterzuleiten und zur Förderung der von einzelnen Kultusministerien geplanten und in Angriff genommenen Austausche mit dem Ausland grundsätzliche Verhandlungen [zu] führen, die Vorbereitung und Durchführung des Assistentenaustausches sowie anderer Austausche und die Betreuung von ausländischen Pädagogen in Deutschland." Die Ziele von CMK und PAD sind also ähnlich, die Überschneidungen beim Austausch mit Frankreich besonders deutlich. Die persönlichen Erfahrungen von Austauschlehrern und -assistenten konnten dem PAD bei der Erfüllung der Aufgaben nützlich sein. Die eigenen Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang stellen zu können und dadurch mit größerem Erfolg anzuwenden, war wiederum für die ehemaligen Austauschlehrer und -assistenten sinnvoll und nützlich. Von Beginn an haben daher der Carolus-Magnus-Kreis und der Pädagogische Austauschdienst der Kultusministerkonferenz sich gegenseitig informiert und zusammen gearbeitet, wo es möglich war. Grundlage dazu war das gemeinsame Bemühen um die Verbesserung des internationalen Verständnisses, die Intensivierung von Austauscherfahrungen und das Herstellen von Synergien und Nachhaltigkeit. Die Zusammenarbeit aus den Anfangszeiten der beiden Einrichtungen ist kontinuierlich fortgesetzt worden und besteht bis heute. Für den PAD wie für den CMK haben die deutsch-französischen Beziehungen und die Austauschprogramme zwischen den beiden Staaten einen herausgehobenen Stellenwert, der durch die Erklärungen der Regierungschefs in Poitiers 2003 verstärkt worden ist. Der Carolus-Magnus-Kreis und die für ihn tätigen Mitglieder sind ein gutes Beispiel dafür, dass Austauscherfahrungen prägend und besonders dann nachhaltig sind, wenn sie durch Erfahrungsaustausch gestärkt und gefestigt werden. Sie sind auch als Zeichen des Bedürfnisses anzusehen, eigene gute Erfahrungen, zu denen die Möglichkeit gegeben wurde, anderen zugänglich machen zu wollen und an diese weiter zu geben. Der PAD hat Respekt vor der ehrenamtlichen Tätigkeit der Mitglieder des CMK und wünscht gutes Gelingen für die weitere engagierte Tätigkeit! 14

Institutionen der deutsch-französischen Zusammenarbeit Peter Müller Zwei europäische Völker und ihre Identitäten im Wandel. 50 Jahre deutschfranzösische Begegnungen im Prisma des Carolus-Magnus-Kreises Die Idee des Carolus-Magnus-Kreises, zu seinem 50-jährigen Bestehen eine Festschrift herauszugeben, ist insbesondere auch deshalb zu begrüßen, weil der Kreis mit dem Thema der Festschrift "Zwei europäische Völker und ihre Identitäten im Wandel. 50 Jahre deutschfranzösische Begegnungen im Prisma des Carolus-Magnus-Kreises" die Aktualität seines selbstgegebenen Auftrages unterstreicht und zugleich die europapolitische Bedeutung des Jubiläumsjahres 2004 berücksichtigt. Sowohl zu dieser Idee als auch zu seinem 50-jährigen Jubiläum möchte ich dem Carolus-Magnus-Kreis herzlich gratulieren. Die Gründung des Carolus-Magnus-Kreises im Sommer 1954 vollzog sich in einer Zeit, in der es galt, den Dialog zwischen Deutschen und Franzosen unter schwierigen Voraussetzungen wieder aufzunehmen. Vieles hat sich mittlerweile im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich verändert. Aus der jahrhundertelangen Rivalität entwickelte sich eine nachhaltige Phase der Aussöhnung, die inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden ist nicht zuletzt auch ein Verdienst des Elysée-Vertrages, dessen 40-jähriges Jubiläum wir im vergangenen Jahr gefeiert haben. Aus dem Gegeneinander der Vergangenheit wurde in der Nachkriegszeit zunächst ein friedliches Nebeneinander. Aus dem Nebeneinander begründete der Elysée-Vertrag das verstärkte Miteinander und den ständigen Dialog beider Staaten auf unterschiedlichen Ebenen. Aus vermeintlichen Erbfeinden wurden Freunde, die gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Dies ist eine der großartigsten Leistungen des vergangenen Jahrhunderts. Der Elysée-Vertrag stellt dabei eine entscheidende Wegmarke dar. Mit seinem bewährten und erfolgreichen Austauschprogramm leistete der Carolus-Magnus- Kreis in der Vergangenheit als eine der ersten Vereinigungen einen wesentlichen Beitrag dazu, dass sich die deutsch-französische Zusammenarbeit zu einer von Vertrauen geprägten Freundschaft entwickeln konnte. Deutschland und Frankreich sind dadurch auch zum zentralen Motor der europäischen Einigung geworden, die inzwischen 25 Staaten in der Europäischen Union vereint und damit zum größten Friedensprojekt unseres Kontinents geworden ist. 15

Der 40. Jahrestag des Elysée-Vertrages im letzten Jahr bot Anlass, auf dieses einzigartige Aussöhnungs- und Freundschaftswerk zurückzublicken und neue Ziele ins Auge zu fassen. Die damals historische Aussöhnung beider Nationen, die für unsere Väter und Großväter etwas Besonderes darstellte, ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Aussöhnung ist daher zwar die Basis, aber nicht mehr die Antriebskraft des Miteinanders beider Seiten. Gerade für die junge Generation beider Länder bedarf es jetzt einer über die historische Aussöhnung hinaus gehenden Perspektive. So stellt bereits das erste Treffen der französischen Regionalratspräsidenten und der deutschen Ministerpräsidenten am 27. und 28. Oktober 2003 in Poitiers die Umsetzung einer in der Erklärung zum 40. Jahrestag angelegten Vereinbarung dar. Die deutsch-französischen Beziehungen sollen nach dem Vorbild der intensiven Zusammenarbeit auf regionaler Ebene - wie sie beispielsweise zwischen den Grenzregionen Saarland und Lothringen praktiziert wird - auch auf grenzfernere Regionen ausgedehnt werden. In den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung und Wissenschaft wird intensiv zusammengearbeitet. Damit setzt diese Initiative die im erweiterten Europa geforderte aktive Gestaltung des unmittelbaren Umfeldes um. Das Europa der Zukunft wird ein Europa der Regionen sein. Deshalb ist es richtig, im Zuge des sogenannten Poitiers-Prozesses den Stellenwert der regionalen Zusammenarbeit im Rahmen der deutsch-französischen Beziehungen zu erhöhen. Um die Jugend für die deutsch-französische Freundschaft zu begeistern, brauchen wir vor allem wechselseitige Sprachkompetenz. Deshalb ist es bedauerlich, dass immer weniger Jugendliche auf beiden Seiten die Sprache des Nachbarn erlernen. Das Werben für die Sprache des Nachbarn gerade bei jungen Menschen ist daher von zentraler Bedeutung, insbesondere auch für die Arbeit des Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Der Bildung kommt bei der grenzüberschreitenden Kooperation als einem Grundpfeiler des europäischen Brückenbaus eine besondere Bedeutung zu, denn sie schafft die Grundlagen gemeinsamer Zukunftsgestaltung. Eine hohe Qualifikation durch ein leistungsfähiges und sich auf neue Anforderungen einstellendes Bildungssystem ist die Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Länder in einer globalisierten Weltwirtschaft. Zugleich bildet die Schulerziehung eine Grundvoraussetzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaften. Auf Grund des nachlassenden Interesses am Erlernen der Partnersprache wird im Bildungsbereich vor allem auf Sprachförderung und Schulpartnerschaften gesetzt. Mit der ehrgeizigen Zielsetzung, die Zahl der Deutschlernenden in Frankreich und der Französischlernenden in Deutschland in 10 Jahren um 50% zu steigern, soll diese Tendenz aufgehalten werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Deutschland und Frankreich im jeweiligen Partnerland sichtbarer und vor allem hörbarer werden. Hierbei kommt dem Carolus-Magnus-Kreis wesentliche Bedeutung zu, denn die Fremdsprachenassistenten und Austauschlehrer spielen bei der Vermittlung des Deutschland- und 16

Frankreichbildes eine Schlüsselrolle. Da viele Schüler durch den Unterricht der Fremdsprachenassistenten und Austauschlehrer das Partnerland zum ersten Mal bewusst wahrnehmen, entscheidet die Begegnung mit ihnen darüber, ob sich die Schüler nur ungern an den Fremdsprachenunterricht erinnern oder sich auf die nächste Reise ins Partnerland freuen. Darüberhinaus sind die Fremdsprachenassistenten und Austauschlehrer für viele Schulen zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Unterrichts und - durch ihre sprachlich und kulturell anschauliche Unterrichtsgestaltung - zu einer Bereicherung des Schullebens geworden. Notwendig erscheint darüber hinaus eine Weiterentwicklung der Hochschulstrukturen. Dabei kommt auf deutscher Seite dem Saarland eine besondere Bedeutung zu: Die Universität des Saarlandes ist die einzige deutsche Universität, die französische Abschlüsse anbietet. Die deutsch-französische Hochschule hat ihren Sitz in Saarbrücken. Die Zahl der binationalen Studiengänge kann und muss weiter wachsen. Mittelfristig ist eine Fortentwicklung von einer deutsch-französischen in eine europäische Hochschule anzustreben. Kultur hat eine verbindende Kraft, gerade auch bei jungen Menschen. Nicht ohne Grund hat der große Europäer Jean Monnet auf die Frage, was er mit Blick auf die europäische Integration anders machen würde, gesagt: Wenn ich den Prozess noch einmal anfangen könnte, würde ich mit der Kultur beginnen. Der intensivere Austausch, aber auch die gemeinsame Präsentation deutsch-französischer Kultur sind reizvolle Aufgaben für die Zukunft. Denkbar wäre beispielsweise die Weiterentwicklung der Perspectives Nouvelles als bisher einziges grenzüberschreitendes Festival deutschen und französischen Theaters. Auch wäre zu überlegen, das TV-Angebot des Straßburger Senders ARTE durch ein deutsch-französisches Hörfunkprogramm zu ergänzen. Verwirklichen werden wir in wenigen Tagen die Idee einer großen deutsch-französischen Ausstellung über die Gegenwartskunst unter dem Titel Etrangement proche / seltsam vertraut. Da ein gedeihliches Miteinander in Grenzräumen erst möglich ist, wenn in einer vernünftigen Bandbreite auf beiden Seiten der Grenze vergleichbare Verhältnisse bestehen, möchte ich - ohne mich in die innerfranzösische Diskussion um eine gebietskörperschaftliche Kompetenzreform einzuschalten - betonen, dass aus Sicht des Saarlandes die Bemühungen Frankreichs um eine weitere Dezentralisierung der Kompetenzen für grenzüberschreitende Kooperationen von großem Interesse sind. Unvermeidliche Unterschiede, die historisch, kulturell und soziologisch durchaus sinnvoll sind, werden trotz der Annäherung der Regionen und der Länder bestehen bleiben. Schon im Entwurf des EU-Verfassungsvertrages steht als Devise der Union: "In Vielfalt geeint". Wir wollen keine Synchronisation historisch gewachsener, kultureller und mentaler Unterschiede; das wäre fatal. Was wir wollen, ist die Vielfalt in der Einheit. 17

Die kulturelle und sprachliche Vielfalt kann im erweiterten Europa nur durch die Beherrschung von Fremdsprachen gewahrt werden, wodurch Sprachförderung eine noch bedeutendere Stellung erhält. Das Ziel für den jungen Europäer von morgen sollte es deshalb sein, mindestens zwei Fremdsprachen zu beherrschen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die schon im Schul- und Studienalter den Kontakt und Austausch mit den Nachbarn erleichtern und Mobilitätshindernisse abbauen. Dazu gehören neben Studenten-, Schüler- und vor allem Lehreraustauschmaßnahmen, die vermehrte Schaffung integrierter Studiengänge und gemeinsamer Schul- und Ausbildungsabschlüsse sowie miteinander abgestimmte Didaktik und Lehrmaterialien. Diese Maßnahmen erhöhen die Mobilität der Arbeitnehmer und machen Leistung vergleichbar, was arbeits-, dienst- und nicht zuletzt lohnrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Als Beispiel eines neuen, weitergehenden Schrittes wird das gemeinsame deutsch-französische Geschichtsbuch mit gleichem Inhalt für beide Länder dienen, das ab 2006 für den Oberstufenunterricht in beiden Schulsystemen eingesetzt werden soll. Zukunftsweisende Beispiele im Schul- und Hochschulbereich sind die deutsch-französischen Gymnasien, die Modellcharakter für bilinguale und bikulturelle Erziehung haben, das Angebot an über 50 Schulen in beiden Ländern, gleichzeitig das deutsche Abitur und das französische Baccalauréat zu erwerben (AbiBac), und die Deutsch-Französische Hochschule, die derzeit 115 integrierte Studiengänge verschiedener Fachrichtungen fördert und die schon vor Abschluss des Bologna-Prozesses ein attraktives Abschlussangebot im tertiären Bildungsbereich bietet. Denn erst die erhöhte Mobilität, besonders der jungen Generation, garantiert die Zukunftsfähigkeit Europas. Die Integrationskraft der Europäischen Union steht durch die Erweiterung einer außerordentlichen Herausforderung gegenüber. Im Hinblick auf eine Vertiefung der künftigen Zusammenarbeit innerhalb Europas sollte deshalb auf die Erfahrungen aus der intensiven Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs zurückgegriffen werden. Die miteinander abgestimmte Zusammenarbeit mit Drittländern, wie z.b. die vorausschauende und zukunftsweisende Konstituierung der deutsch-französisch-polnischen Zusammenarbeit im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks im Jahre 2001, zeigt die Bedeutung der deutsch-französischen Partnerschaft als Motor der europäischen Integration auf. Wir dürfen uns jedoch mit dem Erreichten nicht begnügen, sondern müssen die deutschfranzösischen Beziehungen als wesentlichen Baustein des Hauses Europa weiterhin stärken. Zurecht hat der große Europäer Robert Schuman darauf hingewiesen, dass Europa ohne Deutschland und Frankreich nicht möglich ist. Beide Länder sind und bleiben die zentrale Achse Europas und es ist vorstellbar, dass sie diese Rolle gerade auch vor dem Hintergrund 18

der Osterweiterung dazu nutzen, sich gemeinsam gegenüber Dritten zu präsentieren und gemeinsam auch die Osterweiterung gestalten. Die Osterweiterung wird gewaltige Integrationsleistungen von allen Beteiligten fordern. Umso notwendiger ist ein funktionsfähiges Europa, in dessen Zentrum unweigerlich Deutschland und Frankreich stehen werden. Bilaterale Projekte sollten zunehmend durch trilaterale Projekte, insbesondere unter Beteiligung Polens, ersetzt werden. Das deutsch-polnische Jugendwerk ist dem deutsch-französischen Jugendwerk nachempfunden. Das Weimarer Dreieck kann einen neuen europäischen Nukleus schaffen, der die Zentralfunktion Deutschlands und Frankreichs in Europa in die osteuropäischen Länder weiter führt. Die erfolgreiche Aussöhnung früherer Erzfeinde kann zudem ein Modell sein, das Deutschland und Frankreich gemeinsam in der Welt vertreten und in den Dialog der Weltkulturen einbringen. Die Fragen nach nationaler und europäischer Identität haben sehr unterschiedliche, aber immer sehr tiefe historische Wurzeln, die bei der Betrachtung der Europäisierung nationaler Identität berücksichtigt werden müssen. In Deutschland standen vor allem das Erbe des nationalsozialistischen Terrorregimes und die 40-jährige staatliche Teilung im 20. Jahrhundert der Entwicklung einer Staatsidentität entgegen. Um nach 1949 die Wiedereingliederung Westdeutschlands in das internationale Staatensystem zu erreichen, war sowohl eine feste multilaterale Eingliederung in die westliche Werte- und Sicherheitsgemeinschaft als auch eine bewusste Abgrenzung von der historisch schwer belasteten nationalen Identität nötig. Nationale Interessen wurden möglichst so definiert, dass sie nicht in Konflikt zu europäischen Interessen geraten konnten. Dies führte dazu, dass die Staatsidentität grundlegend europäisiert wurde. In Frankreich hingegen behielt die nationale Souveränität einen ungleich höheren Stellenwert. Das liegt in der frühen Nationalstaatsbildung, der engen Verbindung zwischen Nationalstaats- und Demokratieentwicklung und der jakobinisch-zentralistischen Tradition begründet und äußert sich darin, dass Frankreich bis heute nie Probleme damit hatte, nationale gegen europäische Interessen zu stellen. Darüber hinaus erleichterte das für Frankreich charakteristische politische Verständnis als Bürgernation eine europäische Öffnung der eigenen nationalen Identität, ohne diese in Abgrenzung zu jener konstruieren zu müssen. Eine Symbiose von regionaler Identität und europäischem Zusammengehörigkeitsgefühl muss zum entscheidenden Faktor der künftigen Integrationsentwicklung werden. Dies gilt verstärkt für die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland. Die Chancen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit stehen nicht zuletzt in der Verantwortung für die Zukunft eines weiter zusammenwachsenden Europas, in dem die Achtung der Grundsätze von Partnerschaft und Subsidiarität sowie eine aktive Beteiligung der Bürger eine entscheidende Rolle spielen werden. 19

Für die Entwicklung eines europäischen Zusammengehörigkeitsgefühls ist ein vertieftes Verständnis der anderen Kulturen, ihrer Geschichte und Traditionen unerlässlich. In diesem Zusammenhang ist das gemeinsame Geschichtsbuch von großer Relevanz. Die Kenntnis der Sprache des Partners erleichtert die Überwindung interkultureller Probleme. Institutionen wie der Carolus-Magnus-Kreis schaffen hierfür den Nährboden und gehen mit gutem Beispiel durch das Austauschlehrer- und Fremdsprachenprogramm voran. Denn das Erlernen von Fremdsprachen dient nicht nur der Qualifikation für die praktische internationale Zusammenarbeit, sondern es trägt auch dazu bei, Vorurteile zu durchschauen, einen wachen Sinn für das Fremde zu fördern und die Lern- und Dialogfähigkeit zu stärken. Der Carolus-Magnus-Kreis leistet damit nicht nur einen Beitrag zu dem sich jeden Tag vollziehenden Prozess der Verständigung, die idealerweise zum Verständnis führt, sondern auch zu der Erziehung einer Generation, die Zukunft schaffen und europäische Verantwortung für morgen tragen wird. Ein breit angelegter, vor allem die Kräfte der Zivilgesellschaft einbeziehender Gesellschaftsdialog erscheint heute notwendiger denn je, damit der Integration der Märkte und der Währung ein lebendiger Austausch der Ideen und Konzepte entsprechen kann. Fremdsprachenassistenten stellen in einem solchen Dialog Mittler dar, die ihre genaue Kenntnis der Traditionen, Entwicklungen und Probleme ihres Heimatlandes in das gemeinsame Nachdenken über die Zukunft einbringen können. Sie machen derartige Fragen erlebbar und dadurch begreif- und diskutierbar. Es zeigt sich immer wieder, dass manche Probleme grenzüberschreitender Art für die kommunale Ebene zu groß, für die nationale Ebene dagegen zu klein sind. Insofern begrüßte die saarländische Landesregierung die Erklärung anlässlich des 40. Jahrestages des Élysée- Vertrages, die Gründung von sog. "Eurodistrikten" an der deutsch-französischen Grenze zu fördern. Dahinter steht die Idee, Grenzen nicht mehr als Trennlinien zu empfinden, sondern als Ansporn für besonders intensive Kooperation, auf der schließlich eine transnationale, regionale Identität basieren kann. Auf meinen Vorschlag hin wurde neben Kehl/Straßburg am 5. Mai 2004 ein solcher "Eurodistrikt" nun im Raum Saarbrücken/Moselle-Est gegründet. Überlegungen für weitere Regionen, wie z.b. Beispiel Freiburg/Colmar, sind Anlass zu einem zuversichtlichen Blick in die gemeinsame Zukunft deutsch-französischer Grenzregionen. Die Herausforderungen der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung der "Eurodistrikte" sind als Teil des grenzübergreifenden Alltags im täglichen Umgang miteinander konkret erlebbar. Die Europapolitik des Saarlandes, einer Grenzregion im Schnittpunkt zwischen den beiden großen Kulturräumen Frankreich und Deutschland, beruht auf dem klaren Bekenntnis zur europäischen Integration. Hierfür engagieren sich die politisch Verantwortlichen auf Ebene der Europäischen Union und nach Kräften auch im Kooperationsraum SaarLorLux, dem 20

Modell eines künftigen Europas kooperierender Regionen. Gemäß dem Grundsatz: Unser Bundesland ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft kann es gelingen, in einem Europa der Regionen den regionalen Verwurzelungen Rechnung zu tragen, zugleich aber die grenzüberschreitende Kooperation auszubauen und zu nutzen. Regionale Identität und europäische Realität sind keine Widersprüche, sondern notwendige Ergänzungen. Wenn wir ein Europa der Bürger wollen, dann müssen wir die Bürger auf dem Weg nach Europa mitnehmen. Das gelingt nur, wenn sie Europa in ihrer regionalen Identität wahrnehmen. Der Carolus-Magnus-Kreis leistet auch hierzu wichtige Beiträge und erwirbt sich damit nachhaltige Verdienste für das natürliche Zusammenwachsen Europas und dafür, dass die Menschen immer mehr Europa nicht nur als ferne Konstruktion, sondern als Teil ihres Lebens annehmen. Tagung in Pornichet, 24. März 1967 21

Andreas Schockenhoff Nach mehr als 40 Jahren deutsch-französischer Freundschaft: Reformansätze im Miteinander und gemeinsamer Blick nach vorn Der Carolus-Magnus-Kreis feiert in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen. Der eigentliche Grund zur Feier dieses Jubiläums ist aber nicht die Gründungsakt vor einem halben Jahrhundert, sondern das, was dahinter steckt: ein halbes Jahrhundert Einsatz für die deutsch-französische Zusammenarbeit im pädagogischen und kulturellen Bereich! Der Carolus-Magnus-Kreis ist damit Beleg für ein Miteinander der deutschen und französischen Gesellschaft neun Jahre vor der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages. Der Elysée-Vertrag begründete damit 1963 auf politischer Ebene das, was in unseren beiden Zivilgesellschaften zum Teil schon verwurzelt war. Er legte darüber hinaus u.a. mit der Gründung des deutsch-französischen Jugendwerkes die institutionelle Basis für unsere freundschaftliche Nachbarschaft mit Frankreich. Diese Freundschaft ist letztendlich das prägende Beispiel für den gesamten europäischen Einigungsprozess geworden. Auch mehr als 40 Jahre nach Abschluss dieses Freundschaftsvertrages hat die enge Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich nichts von ihrer europa- und auch weltpolitischen Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Die Einigung Europas bleibt auch in Zukunft auf das strategische Bündnis zwischen Deutschland und Frankreich angewiesen. Seit den ersten Ansätzen für ein gemeinsames Europa nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nicht einen einzigen elementaren Schritt in der Weiterentwicklung der Europäischen Union, dem nicht eine gemeinsame deutsch-französische Initiative vorausgegangen wäre. Wenn es keine Einigung zwischen Deutschland und Frankreich gibt, sind alle weiteren Verhandlungen und Strategien für ein gemeinsames Europa zum Scheitern verurteilt. Ebenso wie der Carolus-Magnus-Kreis im 50. Jahr seines Bestehens Bilanz zieht, will auch die Politik in beiden Ländern das Augenmerk trotz großer anstehender Herausforderungen nicht nur auf die gemeinsame Arbeit an der Einigung Europas konzentrieren. Wir wollen auch nach 40 Jahren unsere Beziehungen zueinander und die Erfüllung der uns selbst gestellten Aufgaben und Ziele im freundschaftlichen Miteinander auf den Prüfstand stellen. Denn hier stellt sich in der Tat die Frage: Welchem Wandel sind unsere beiden Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten unterlegen? Unter anderem von dieser Frage geleitet, haben zum 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages die Präsidien der Assemblée Nationale und des Deutschen Bundestages im Januar 2003 die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zum Deutsch-Französischen Jugendwerk beschlossen. 22

Aufgabe der Arbeitsgruppe war es, die Ziele, Mittel und Programme des Deutsch- Französischen Jugendwerkes vierzig Jahre nach seiner Gründung zu evaluieren. Für diesen Arbeitsauftrag gab es gute Gründe. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat wesentlich zu der einzigartigen Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen in den letzten 40 Jahren beigetragen. Die Hauptziele, die dem Deutsch-Französischen Jugendwerk 1963 gesetzt wurden, erscheinen dabei heute längst erreicht. Die Jugend unserer beiden Länder hat sich gegenseitig kennen gelernt und entdeckt. Die Versöhnung und Verständigung zwischen unseren Völkern sind durch Jugendaustausch und vielfältige Begegnungen auf einer breiten gesellschaftlichen Basis erfolgt. Aber: Die Strukturen des Deutsch-Französischen Jugendwerkes stammen aus dem Jahr 1963 und sind bis heute weitgehend unverändert. Es ist daher an der Zeit, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk neue Impulse und eine neue Arbeitsgrundlage zu geben, die den Anforderungen eines erweiterten Europa, aber auch des Binnenmarktes und der immer stärkeren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtung zwischen unseren beiden Ländern gerecht werden. Obwohl die Jugendlichen die enge deutsch-französische Freundschaft heute als selbstverständlich empfinden, geht die Kenntnis der Sprache und Kultur des Nachbarn in beiden Ländern zurück. Deswegen sollte vorrangiges Ziel des Jugendwerkes sein, die Sprachvermittlung zu fördern und zum Spracherwerb und interkulturellen Lernen zu motivieren. Schließlich wird in der Berufswelt des 21. Jahrhunderts Sprachkompetenz in mindestens zwei Fremdsprachen, also einer Fremdsprache neben dem Englischen, zu einer Schlüsselqualifikation. Natürlich kann das Deutsch-Französische Jugendwerk nicht die Aufgaben von Schule und Hochschule übernehmen, aber es muss jungen Franzosen Lust auf Deutsch und jungen Deutschen Lust auf Französisch machen, und zwar so früh wie möglich. Den Reformbedarf allein dem Jugendwerk zuzuschieben, wäre aber zu einseitig gedacht. Wir müssen auch bildungspolitisch in dieser Hinsicht viel ambitionierter werden. Für ein sehr erstrebenswertes Ziel der Politik halte ich es, dass Abiturienten künftig mehrere Monate ihrer Schulzeit obligatorisch im Partnerland verbracht haben. Zu diesem Thema muss auch der Bundespolitik mehr einfallen als der Hinweis auf die Länderkompetenzen und auf organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten. Nicht nur jungen Akademikern eröffnen Sprachen Lebens- und Karrierechancen. Das Deutsch-Französische Jugendwerk, die Wirtschaft und ihre Verbände müssen stärker als bisher Jugendliche auf handwerkliche und gewerbliche Berufe in deutsch-französischen Unternehmen vorbereiten. Das eröffnet auch den Unternehmen und Handwerksbetrieben vollkommen neue Perspektiven. Schließlich wird die ökonomische Verflechtung unserer Länder immer enger. 23

Nicht nur große, sondern auch zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen suchen Mitarbeiter, die sich sowohl in der deutschen als auch der französischen Unternehmenskultur und Sprache zurechtfinden. Derzeit können 20 000 offene Stellen und Ausbildungsplätze nicht besetzt werden, weil es keine Bewerber mit einer entsprechenden deutsch-französischen Qualifikation gibt eine Zahl, die mir angesichts der Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr zu denken gibt. Angesichts der Diskussionen über Ausbildungsplätze und Startchancen für junge Berufsanfänger in unseren beiden Ländern müssen wir Angebote schaffen, die jungen Menschen den Berufseinstieg erleichtern. Es gibt noch viele solcher Zukunftsfragen, auf die wir in Deutschland und in Frankreich am besten gemeinsame Antworten finden müssen. Zielvorgabe dabei sollte die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der beiden Nationen in zahlreichen gesellschaftspolitischen Bereichen sein. Im Zeitalter der Globalisierung, der weltumspannenden Informations- und Kommunikationsnetze und nie zuvor gekannter Bewegungsfreiheit sind wir darauf angewiesen, gemeinsame Strategien für anstehende Probleme und Herausforderungen zu entwickeln. Schließlich machen weder Wirtschafts- oder außenpolitische Krisen noch gesellschaftspolitische Fragen und Probleme wie Arbeitslosigkeit, Zuwanderung oder Generationengerechtigkeit vor der jeweiligen Staatsgrenze halt. Fest steht: Frankreich bleibt für Deutschland und Deutschland bleibt für Frankreich der größte Nachbar, der wichtigste Handelspartner und der wichtigste Partner innerhalb der Europäischen Union. Die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland ist die längste zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Beide haben keine Alternative zu dieser Partnerschaft. 1993 Straßburg, Empfang im Rathaus 24