Weber & Scheerer Herkunft, Motivation und Arbeitshaltung Herkunft, Motivation und Arbeitshaltung von Studierenden der Sozialen Arbeit. Ein Vergleich zwischen einer privaten und einer öffentlichen Hochschule Dominik Weber & Fritz Scheerer Einleitung Im Rahmen unseres Projektstudiums im 8. Trimester haben wir eine quantitative Umfrage zur Herkunft, Motivation, und Arbeitshaltung von Studierenden der Sozialen Arbeit durchgeführt. Dabei sind die Angaben von Studierenden der Hochschule Mannheim mit denen von Studenten der SRH Hochschule Heidelberg verglichen worden. Unser Interesse für dieses Thema wurde geweckt, da sich viele Studieninteressierte der Sozialen Arbeit mit dem Umstand an einer privaten Hochschule zu studieren konfrontiert sehen. Diese haben oftmals den assoziativen Beigeschmack eines elitären Studiums, was zu der Frage führte, ob Soziale Arbeit und Elite zusammenpassen. Sind Studierende einer privaten Hochschule tatsächlich besser qualifiziert? Die Diskussion um die Einführung der Studiengebühren 6 / 7 sorgte für ein kritischeres Blickfeld. Unsere Studie soll evaluieren, ob an Hochschulen mit stark unterschiedlichen Finanzierungsbeiträgen der Studenten auch deutliche Unterschiede im Arbeitsverhalten und der Studienmotivation feststellbar sind. Möglicherweise lassen sich aus den Ergebnissen der Befragung Argumente für den Nutzen unterschiedlicher Hochschulmodelle ableiten. Die Durchführung der Befragung erfolgt in drei Kursen des 1., 5., und 8. Trimesters der Heidelberger Hochschule, sowie unter Studierenden der Hochschule Mannheim. Ergebnisse Stichprobe Insgesamt haben an der Studie n=123 Studierende der Sozialen Arbeit teilgenommen. Tabelle 1 stellt die Anzahl der befragten Studierenden beider Hochschulen geschlechtsspezifisch dar. Tabelle 1: Häufigkeiten (Prozentwerte spaltenweise) nach Hochschule und Geschlecht Geschlecht w 61 (81,33%) m 14 (18,67%) Gesamt 75 (1%) Studienort 38 (79,17%) 1 (,83%) 48 (1%) Gesamt 99 (8,49%) 24 (19,51%) 123 (1%) Das Durchschnittsalter der Studierenden der SRH Heidelberg beträgt MW=23,72 Jahre (S=5,97), das der Studierenden der Hochschule Mannheim M=25,98 Jahre (S=5,26). Dieser Altersunterschied ist statistisch signifikant (p<,5). Bezüglich des Geschlechts der Studierenden ist hingegen kein signifikanter Unterschied auszumachen. An beiden Hochschulen überwiegt der weibliche Anteil mit etwa 8% deutlich. 4
Nr. 1, 12 Wahlverhalten der Studierenden Im Wahlverhalten der beiden Probandengruppen sind deutliche Unterschiede erkennbar. Die Grünen stellen in beiden Hochschulen mit Abstand die stärkste Partei dar, mit 37% in Heidelberg und 56% in Mannheim. Als zweitstärkste Partei bekommt die SPD 23,3% der Stimmen auf der privaten und 18,8% auf der öffentlichen Hochschule. Hingegen erhält die CDU mit 19,2% an der SRH deutlich mehr Stimmen als bei der Vergleichsgruppe mit 2,1%. Die FDP bekommt nur einen geringen Stimmanteil von 4,1% in Heidelberg und keinerlei Stimmen an der öffentlichen Hochschule. Bei den Piraten ergibt sich kein prozentualer Unterschied, bei den Linken beträgt dieser 6 Prozent. Sie erhalten 2,7% an der privaten und 8,3% der Stimmen an der öffentlichen Hochschule. Die NPD erhält an beiden Hochschulen keinerlei Stimmen. 9,6% bzw. 1,4% der Befragten enthalten sich. Die Unterschiede im Wahlverhalten sind somit signifikant (p<,5). 6 5 4 3 1 CDU FDP Die Grünen Die Linken Die Piraten SPD keine Abb. 1: Wahlverhalten Finanzierung des Studiums Bei der Auswertung der Fragen zur Finanzierung des Studiums und des Lebensalltages lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den Probandengruppen der beiden Hochschulen ausmachen. 19,5% der Heidelberger Studierenden geben eine eigenständige Finanzierung ihres Studiums an, in Mannheim beläuft sich die Prozentzahl auf 62,5% (p<,5). 7,1% der Studierenden der SRH werden durch ihre Familien finanziell unterstützt, wohingegen dies nur bei 47,9% der Studierenden der öffentlichen Hochschule der Fall ist (p<,1). Dies zeigt deutlich, dass die hohen Kosten der privaten Hochschule zum großen Teil nicht selbstständig getragen werden können bzw. finanzielle Ressourcen innerhalb der Familien vorliegen, die das Studium dort ermöglichen. Einen weiteren signifikanten Unterschied von p=,36 gibt es bei der Finanzierung des Studiums durch die Aufnahme eines Kredites. 13% der Probanden der SRH geben an, einen Kredit aufgenommen zu haben. An der öffentlichen Hochschule taten dies nur 2,1%. Bei der Finanzierung durch Bafög und Stipendium zeigen sich keine bedeutenden Unterschiede, lediglich ein Proband der Befragten wird durch ein Stipendium gefördert. 13% der Studierenden an der SRH und 25% der Studierenden in Mannheim beziehen Bafög. Die Kategorie Sonstiges ist an der SRH mit 14,3%, in Mannheim mit 4,2% vertreten. Eine mögliche Erklärung hierfür bietet die Entwicklungsgeschichte der privaten Hochschule, die zu Beginn eine reine 5
Weber & Scheerer Herkunft, Motivation und Arbeitshaltung Hochschule für Rehabilitanden war und auch heute noch von einer hoher Anzahl an Personen besucht wird, die an einer Umschulungsmaßnahme teilnehmen. Die Ren- tenversicherung als unterstützende finanzielle Hilfe geben mehrere Probanden als zusätzliche Antwortmöglichkeit im offenen Teil dieser Frage an. 8 6 4 Abb. 2: Finanzierung des Studiums durch... Arbeitseinstellung und Zufriedenheit Im Vergleich der Arbeitshaltung der Probandengruppen gibt es bei der Vor- und Nachbereitung von Vorlesungsstunden, der Zeit die mit Sekundärliteratur zugebracht wird, sowie beim Anfertigen von Studienarbeiten kaum Unterschiede. Ein signifikanter Unterschied (p=,25) zeigt sich in der Dauer der heißen Lernphase. Hier fangen die Mannheimer Studenten im Schnitt 16,86 Tage vor den Klausuren an zu lernen, in Heidelberg sind es 13,44 Tage. Beim täglichen Lernpensum zeigen sich hingegen kaum Unterschiede. 5,5 h bei den privat Studierenden, 4,91 h in der Vergleichsgruppe. Bei der prozentualen Angabe von Fehlzeiten ist der Unterschied zwischen beiden Hochschulen ebenfalls signifikant (p<,1). In Heidelberg fehlen die Studenten 6,98% der Vorlesungszeit, wohingegen die Mannheimer Studenten mit 15% circa doppelt so häufig Vorlesungen ausfallen lassen. Dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Anwesenheitspflicht der privaten Hochschule zurückzuführen. Hier dürfen lediglich % der Vorlesungen verpasst werden. In Mannheim gibt es eine solche Regelung nur in einzelnen Seminaren, das Gebot der Anwesenheit wird an der öffentlichen Hochschule scheinbar großzügiger ausgelegt. Da sich das Arbeitspensum der beiden Probandengruppen ansonsten die Waage hält, ist anzunehmen, dass sich das Anspruchsniveau der verglichenen Hochschulen nur geringfügig unterscheidet. 15 1 5 Tage Abb. 3: Heiße Lernphase (in Tagen) 6
Nr. 1, 12 Bei der Umfrage werden die Probanden auch diesbezüglich befragt, wie zufrieden sie mit dem Studium, der Qualität der Lehrkräfte, den inhaltlichen Schwerpunkten sowie der Organisation der Hochschule sind. Bei allen vier Fragestellungen schneidet die Hochschule Mannheim besser ab. Dieses Ergebnis lässt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf die gesamten Bachelor-Studenten der Sozialen Arbeit beider Hochschulen übertragen, betrachtet man das Signifikanzniveau von p1=,2, p2<,1, p3=,19 und p4=,1 6 5 4 3 1 Abb. 4: Zufriedenheit mit dem Studium 6 4 Abb. 5: Zufriedenheit mit der Qualität der Lehrkräfte 6 4 Abb. 6: Zufriedenheit mit den Schwerpunkten des Studiums 4 3 1 Abb. 7: Zufriedenheit mit der Organisation der Hochschule 7
Weber & Scheerer Herkunft, Motivation und Arbeitshaltung Motivation Die Überprüfung der Ausbildungsmotivation hat keine signifikanten Unterschiede ergeben. Den höchsten Mittelwert erreicht die Hoffnung auf Erfolg, mit 16,3% in Heidelberg und 15,9% in Mannheim. Danach folgt mit 14,7% und 14,1% die Furcht vor Misserfolg. Beide Studenten-Gruppen sind demnach gewillt, ihr Studium erfolgreich zu absolvieren. Vergleicht man die Hoffnung auf Erfolg mit der Anzahl der Tage, die die heiße Lernphase beinhaltet, so korrelieren diese beiden Angaben mit dem Wert von -,6. Eine Signifikanz ist mit p=,28 gegeben. Dies bedeutet, dass die Hoffnung auf Erfolg in der Klausur ansteigt, je kürzer die Lernphase ist. Der Vergleich in Bezug auf Gewissenhaftigkeit und Arbeitseinstellung hinsichtlich Klausuren, lässt im Sinne dieser Thesen weder eine Befürwortung, noch einen Ausschluss zu, da keine signifikanten Unterschiede festzustellen sind. Resümee Die Auswertung der Fragebögen hat ergeben, dass es zwischen den Studierenden der beiden Hochschulen im Vergleich wenig Unterschiede gibt. Der größte und auch am ehesten zu erwartende Unterschied macht sich bei der finanziellen Unterstützung bemerkbar. Heidelberger Studenten erfahren deutlich mehr materielle Zuwendungen als die Vergleichsgruppe aus Mannheim, was bei den sehr viel höheren Studiengebühren der privaten Hochschule naheliegend ist. Mannheimer Studenten sind im Durchschnitt älter, wobei es interessant wäre herauszufinden, inwieweit sich der Mannheimer Altersdurchschnitt mit dem der Gesamtheit aller Studierenden Ich wollte damals in der 3. Klasse Dinosaurierforscher werden, meine Mutter musste deswegen zum Elterngespräch. Jetzt bin ich Psychologe und ich weiß nicht, ob das besser ist?! (D. Köhler) der Sozialen Arbeit in Baden-Württemberg deckt, bzw. inwiefern die jüngere Studentenschaft in Heidelberg dem Gesamtdurchschnitt entspricht. Ein solcher Vergleich wäre auch bezüglich der Geschlechterverteilung denkbar. Die Ergebnisse der Wahlumfrage zeigen ein unterschiedliches politisches Meinungsbild und Wahlverhalten der Studentengruppen. Fraglich bleibt, ob die Ergebnisse lediglich eine Momentaufnahme der politischen Meinung darstellen, oder ob politische Motive bei der Wahl der Hochschule eine Rolle spielen. Hierzu müsste man untersuchen, ob die beiden Hochschulen ein politisches Profil besitzen, d.h. ob sie sich öffentlich als z.b. liberal-, konservativ-, alternativ- oder linksorientiert präsentieren. Mögliche Ergebnisse ließen sich folgend mit der Wahlumfrage vergleichen, wobei Rückschlüsse gezogen werden könnten, welche politischen Überzeugungen ausschlaggebend für die Wahl der privaten bzw. öffentlichen Hochschule sind. Im Vergleich der Arbeitseinstellung der beiden Probandengruppen zeigte sich in der Vorbereitungszeit auf die Klausur ein signifikanter Unterschied. Die Stundenanzahl bezog sich auf die heiße Lernphase, da es schwierig ist, den Vorbereitungszeitraum vergleichbar zu machen. Die Hochschule Mannheim lehrt im Semesterrhythmus, in Heidelberg gibt es eine Trimesterstruktur. Wie wirkt sich dieser strukturelle Unterschied auf den Inhalt der Lehrveranstaltungen aus? Wie viel Zeit liegt zwischen den Vorlesungszeiten und den Klausuren? Welche Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Qualität der Lehre und der Lehrenden? 8
Nr. 1, 12 Es ließe sich des Weiteren die Frage nach der Nebenberufstätigkeit stellen. Hier ließe sich zum Beispiel überprüfen, in welcher Relation die Arbeitstätigkeit mit dem restlichen wöchentlichen Zeitbudget eines Studenten steht bzw. welchen Anteil das Studienengagement an der tatsächlich verbleibenden Zeit (außerhalb der Berufstätigkeit) einnimmt. Tiefere Einblicke und Untersuchungen zu diesen Fragestellungen würden dem Stellenwert der Umfrageergebnisse sicherlich zu Gute kommen, sowie eine genauere Herausarbeitung der Unterschiede zwischen den beiden Hochschulen gewährleisten. Ein struktureller Vergleich öffentlicher und privater Hochschulen wäre nach diesen Überlegungen der nächste Schritt. Mit Hilfe eines solchen könnten die erzielten Ergebnisse über die Ressourcen und Persönlichkeiten der Studierenden mit den strukturellen Bedingungen und Charakteristika der Hochschulen in Verbindung gebracht werden, was ein weiteres Fass für Nachforschungen hinsichtlich der Hochschultypen öffnet. 9