Tariftreueerklärungen bei kommunalen Baumaßnahmen



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Transkript:

Bau 1 Tariftreueerklärungen bei kommunalen Baumaßnahmen Neue Rechtsgrundlage für die Tariftreueerklärung Zahlreiche Kommunen haben nach dem Vorbild und der Empfehlung des Freistaats Bayern die Tariftreueerklärung (Bek. v. 02.07.1996, StAnz Nr. 27) eingeführt, d.h. sie verlangen von den Bietern eine Erklärung, daß diese die in Bayern geltenden Tariflöhne bezahlen. Die Tariftreue gehört zu den leistungsfremden Vergabekriterien, die das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26.08.1998 (BGBl I S. 2512) nur noch bis 30.06.2000 erlaubt hat, sofern sie bis dahin nicht ausdrücklich durch ein Gesetz zugelassen sind. Der Freistaat Bayern hat nun mit dem Bauaufträge-Vergabegesetz rechtzeitig die gesetzliche Grundlage für die weitere Anwendung der Tariftreueerklärung geschaffen (GVBl 2000 S. 364; siehe auch FSt 215/2000). Die Kommunen werden in diesem Gesetz zur Anwendung der Tariftreueerklärung ermächtigt, aber nur noch für den Bereich des Hochbaus. Diese Einschränkung trägt dem Beschluß des BGH vom 18.01.2000 Rechnung, der die Anwendung der Tariftreueerklärung durch einen marktbeherrschenden Auftraggeber für verfassungswidrig erachtet hat (siehe FSt 202/2000). Eine solche Marktbeherrschung wäre nach der Einschätzung des Gesetzgebers im Tiefbau gegeben, wenn sich die Kommunen der Empfehlung der Staatsregierung anschlössen (wie es in der Vergangenheit z.b. alle Landkreise getan haben). Ziel der Tariftreueerklärung Ziel der Tariftreueerklärung ist es, Wettbewerbsverzerrungen durch Dumpinglöhne zu bekämpfen. Die Tariftreueerklärung soll die bayerischen Bauarbeiter und die heimischen mittelständischen Bauunternehmen vor ausländischer Billiglohn-Konkurrenz schützen. Offenbar werden die Bemühungen, dieses Problem durch ein Arbeitnehmer- Entsendegesetz zu lösen, als gescheitert angesehen. Der Freistaat Bayern hat sich deshalb im Beschäftigungspakt Bayern gegenüber der Bauwirtschaft auf deren Wunsch hin verpflichtet, die Tariftreueerklärung zu verlangen. Die Kommunen sind zur Anwendung der Tariftreueerklärung nicht verpflichtet. Sie müssen in eigener Zuständigkeit abwägen, ob sie sich an das staatliche Vorbild halten. Probleme der Tariftreueerklärung 1. Die Tariftreueerklärung verursacht Probleme bei der Angebotserstellung Aus unserer Beratungstätigkeit und aus dem Erfahrungsaustausch mit den VOB-Stellen ist uns bekannt, daß in der Vergangenheit nicht wenige Angebote ausgeschieden werden mußten, weil die Tariftreueerklärung nicht oder nicht richtig ausgefüllt wurde. Damit gingen günstige Angebote zum Nachteil des Bauherrn verloren. Dies zeigt, welche Schwierigkeiten gerade mittelständische Firmen mit der Abgabe der Erklärung von Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Mitteilungen 1/2000 - RdNr. Bau 1 24

Anfang an hatten. Die Vielzahl der Anfragen bei uns und bei den VOB-Stellen, die entsprechenden Bekanntmachungen der Obersten Baubehörde und die Hinweise des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen in seinem Mitteilungsblatt lassen erkennen, daß immer noch zahlreiche Firmen Probleme haben, die Tariftreueerklärung richtig abzugeben. Die staatlichen Formblätter zur Formulierung der Erklärung wurden zwischenzeitlich zwar verbessert. Künftig sollen Bieter auch ankreuzen können, daß sie gar keine Ausländer beschäftigen; bisher mußten sie dies in einem eigenen Anschreiben zum Angebot mitteilen. Ob dies ausreicht, die Fehlerquote künftig auf ein vernachlässigbares Maß zu reduzieren, bleibt abzuwarten. 2. Die Tariftreueerklärung verursacht Probleme bei der Angebotswertung Wird die Erklärung nicht korrekt abgegeben, dann führt das zu Problemen bei der Angebotswertung. Wann darf, wann muß ein Angebot mit unvollständigen oder nicht plausiblen Angaben in der Tariftreueerklärung ausgeschieden werden? Die gelegentlich zu hörende Empfehlung, sich den Ausschluß offenzuhalten ( kann ausgeschieden werden ), hilft in aller Regel nicht weiter. Denn die Kriterien für einen Ausschluß muß der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen auch in bezug auf eine Ermessensentscheidung eindeutig, transparent und nachprüfbar festlegen, da er sich sonst Schadensersatzforderungen der ausgeschlossenen Bieter wegen Wertungsfehlern gegenübersieht. Wenn eine Kommune die Tariftreueerklärung einführt, sollte sie auch im eigenen Interesse konsequent sein und die Tariftreueerklärung genauso streng handhaben wie der Freistaat Bayern. Es genügt nicht, der Ausschreibung das Blatt Tariftreueerklärung beizulegen, man muß vielmehr schon in der Angebotsaufforderung verbindlich erklären, daß Angebote mit fehlerhafter oder unvollständiger Erklärung ausgeschieden werden. Dazu gehört freilich auch, Angebote, in deren Tariftreueerklärung zu niedrige oder zu hohe Zuschlagssätze angegeben werden, auszuscheiden. Damit entsteht ein neues Wertungsproblem: welche Zuschlagssätze sind angemessen? 3. Die Einhaltung der Tariftreueerklärung ist kaum durchsetzbar Die Kontrolle, ob ein Bieter die Tariftreueerklärung einhält, verlangt Einsicht in interne Unterlagen. In einem konkreten Fall haben wir bei der Prüfung von Kalkulationsunterlagen anläßlich von Nachträgen Unstimmigkeiten festgestellt, die der Auftragnehmer damit erklärt hat, die ausländischen Trupps würden nur einen bestimmten Prozentsatz der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vergütet bekommen. Formal wurde bayerischer Tarif bezahlt. In einem anderen Fall waren für bestimmte Arbeiten weit unter dem tatsächlichen Aufwand liegende Arbeitszeiten vereinbart worden. Von verschie- Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Mitteilungen 1/2000 - RdNr. Bau 1 25

denen Seiten wurden wir inzwischen über ähnliche Beobachtungen informiert. Durch derartige interne Vertragsgestaltungen läßt sich die Tariftreueerklärung so umgehen, daß eine wirksame Kontrolle der Einhaltung letztlich nicht möglich ist. Auch die meisten Bauleiter werden kein Interesse an einer wirksamen Kontrolle haben, da die Einhaltung der Tarife weder bessere Qualität noch günstigere Preise oder größere Termintreue sichert; die Aufdeckung eines Verstoßes führt vielmehr zu Streitigkeiten mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen. Daher spricht viel für die Vermutung, daß entsprechende Kontrollen in der Praxis eher selten oder nur pro forma stattfinden und dann nichts bewirken. Wir meinen: Wenn eine Kommune die Tariftreueerklärung einführt, muß sie sich auch um eine effiziente Überwachung kümmern (ggf. in Verbindung mit dem Arbeitsamt); andernfalls käme eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten solcher Bieter zustande, die sich zur Tariftreue verpflichten und sie nicht einhalten. Kann man ausnahmsweise nachweisen, daß die abgegebene Tariftreueerklärung nicht eingehalten wird, sind Sanktionen nur schwierig durchzusetzen. Eine Kündigung wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen; die Folgen für den Bauablauf liegen auf der Hand; ein anschließender Rechtsstreit belastet den Bauherrn zusätzlich. Ein Ausschluß von weiteren Aufträgen schreckt nur bei Kommunen ab, die ständig große Bauaufträge vergeben, nicht aber bei solchen, die einmal in einer Generation ein Feuerwehrhaus, eine Schule oder eine Kläranlage bauen. Eine wirksame Sanktion wäre der Ausschluß auch bei anderen Gemeinden. Dies setzt jedoch einen entsprechenden Austausch zwischen den Gemeinden voraus und ist praktisch nur schwer durchsetzbar. 4. Die Tariftreueerklärung kann Mehrkosten verursachen Die Tariftreueerklärung kann zu höheren Baukosten führen. Der Freistaat Bayern nimmt diese im Rahmen einer wirtschafts- und sozialpolitischen Gesamtbetrachtung in Kauf. Kommunen müssen selbst entscheiden, ob sie in gleicher Weise verfahren wollen; für diese Entscheidung sind die kommunalen Gremien zuständig, nicht die Verwaltung. Eine Anwendung der Tariftreueerklärung durch die Verwaltung ohne vorherige Entscheidung des Gremiums ist nicht zulässig. Mehrkosten können dadurch entstehen, daß günstige Angebote wegen fehlerhaft ausgefüllter Tariftreueerklärung ausgeschieden werden (s.o.). Weitere Mehrkosten können entstehen, wenn im Zusammenhang mit der Tariftreueerklärung manipulative Kalkulationsangaben Vertragsbestandteil werden. In der Erklärung zur Einhaltung der Tarife muß der Bieter auch den kalkulierten Zuschlag auf Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Mitteilungen 1/2000 - RdNr. Bau 1 26

die Lohnkosten in v.h. angeben. Dieser Zuschlagssatz wird Vertragsbestandteil. Er errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Mittellohn der Baustelle und dem Kalkulationslohn, ausgedrückt als prozentualer Zuschlag auf den Mittellohn. 13 Als Anhaltswerte für die spätere Vereinbarung von Nachtragsangeboten werden Kalkulationsangaben auch bisher schon im Formblatt EFB-Preis abgefragt. Einzelne Bieter nutzen diese Angabe regelmäßig, um durch manipulierte Angaben überhöhte Nachträge vorzubereiten. Der Unternehmer gibt dabei überhöhte Sätze (z.b. für Löhne und Gemeinkosten) an, mit denen er nicht wirklich kalkuliert hat, da er damit nicht konkurrenzfähig wäre und zu keinem Auftrag käme. Als Ausgleich dafür wird, um rechnerisch richtig zum Angebotspreis zu kommen, z.b. der Zeitaufwand zu gering angegeben. Bei der Kalkulation eines Nachtrags wird der Zeitaufwand richtig angesetzt, so daß sich in Verbindung mit den überhöhten Ansätzen des Kalkulationsblattes ein zu hoher Nachtragspreis ergibt (vgl. Geschäftsbericht des BKPV 1992, S. 159 ff.). Der Auftraggeber kann bisher mit diesem Problem zurechtkommen, weil die Angaben im Formblatt EFB-Preis nicht Vertragsbestandteil werden und deshalb korrigiert werden können. Für die Tariftreueerklärung ergibt sich folgendes: Da die Sozialabgaben und die Lohnnebenkosten im wesentlichen auf gesetzlichen oder tarifvertraglichen Vorgaben beruhen, läßt sich die zutreffende Höhe des fraglichen Zuschlags beziffern; sie liegt derzeit zwischen 90 % und 110 %. Im Rahmen der Tariftreueerklärung wird dieser Zuschlagssatz zum verbindlichen Vertragsbestandteil, auch wenn er unzutreffend ermittelt ist. Aus einem überhöhten Zuschlag kann der Unternehmer einen überhöhten Kalkulationslohn mit der Folge überhöhter Nachträge entwickeln. Es ist nach unseren Erfahrungen nicht anzunehmen, daß die beauftragten Architekten und Ingenieure das Problem schon bei der Angebotswertung erkennen. Eine genaue Prüfung ist aber unabdingbar, wenn der Zuschlag über 110 % liegt. Wer die Tariftreueerklärung einführt, muß deshalb sicherstellen, daß diese Frage geprüft wird. Die Entscheidung, wie ein derartiges Angebot dann zu behandeln ist, wirft im Einzelfall ohnehin erhebliche rechtliche Probleme auf: Ausschluß wegen fehlerhaft ausgefüllter Tariftreueerklärung, Ausschluß wegen Unzuverlässigkeit oder Wertung des Wirtschaftlichkeitsrisikos bei den möglicherweise zu erwartenden Nachträgen? Zusammenfassung: Das Vergabewesen wurde in den letzten Jahren durch Gesetzgebung und Rechtsprechung komplizierter. Die Rechte der Bieter - und damit auch die Anforderungen an die Rechtskunde der Auftraggeber - haben sich erheblich ausgeweitet. Das Risiko, für Vergabefehler Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gewinns leisten zu müssen, ist entsprechend gestiegen. Mit der Tariftreueerklärung werden Vergaben noch kompli- 13 Die Definition der Begriffe ergibt sich aus dem Formblatt EFB-Preis 1. Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Mitteilungen 1/2000 - RdNr. Bau 1 27

zierter. Ob man dem anerkennenswerten Ziel, den Mittelstand zu schützen, wirklich näherkommt, ist unsicher. Die mit der Tariftreueerklärung entstehenden Probleme sind nicht zu unterschätzen. Wir raten deshalb nicht zur Anwendung der Tariftreueerklärung. Wer sich für die Anwendung der Tariftreueerklärung entscheidet, nimmt höhere Baukosten und zusätzliche rechtliche Risiken in Kauf und sollte sich dessen bewußt sein. Der Freistaat Bayern hat diese Nachteile bei einer Gesamtabwägung im Rahmen des Beschäftigungspakts Bayern in Kauf genommen. Wir werden es bei der Prüfung nicht beanstanden, wenn Kommunen sich dem staatlichen Vorbild anschließen, ohne dazu verpflichtet zu sein. Die Entscheidung darüber ist den Beschlußgremien vorbehalten. EAPl.: 60 (601) Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband - Mitteilungen 1/2000 - RdNr. Bau 1 28