Entdeckendes Lernen am Zahlengitter für alle Kinder

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Transkript:

Haus 7: Gute Aufgaben Entdeckendes Lernen am Zahlengitter für alle Kinder Dem Prinzip des entdeckenden Lernens kommt als zentrale Leitidee des Mathematikunterrichts eine wesentliche Bedeutung zu. So heißt es im Lehrplan des Landes Nordrhein-Westfalens, dass das Mathematiklernen durchgängig als konstruktiver, entdeckender Prozess verstanden wird (MSW 2008, S.55). Das Prinzip des entdeckenden Lernens basiert auf der Annahme, dass das Lernen umso wirkungsvoller ist, je mehr es vom Lernenden als sein eigenes Anliegen betrachtet wird, je mehr der Lernende initiativ und aktiv den [Lernvorgang] bestimmt (Winter 1994, S.14). Kinder können also nur erfolgreich lernen, wenn sie einsichtig und selbsttätig die Mathematik erfassen. Lernen vollzieht sich also als ein Prozess und ist nicht das Produkt (vgl. Floer 1990, S.8)! Um den Schülern und Schülerinnen entdeckendes Lernen zu ermöglichen, bedarf es ergiebiger Aufgaben für den Unterricht. Im Folgenden wird daher exemplarisch das Aufgabenformat Zahlengitter vorgestellt, welches die Kinder zum Erforschen und Entdecken anregt. Dieser Beitrag ist für alle Grundschullehrerinnen und Lehrer gedacht. Die Beispiele beziehen sich schwerpunktmäßig auf das 3./4. Schuljahr, wobei sie aber auch für Kinder jüngerer Jahrgänge leicht zu vereinfachen sind. Das Erkennen von Mustern und Strukturen ist zentral für die Arbeit mit Zahlengittern. Diese Fähigkeit kann bereits in frühen Jahren entwickelt werden. Durch eine Anpassung entsprechender Zahlenwerte als auch durch ergänzende Erklärungs- und Begründungsaufgaben ist das Aufgabenformat Zahlengitter auch für höhere Jahrgänge auszuweiten. Was sind Zahlengitter und welche Ansprüche stellen sie? Das Zahlengitter ist ein variables Aufgabenformat, in dem alle enthaltenen Zahlen und Aufgaben einen Zusammenhang bilden. Zunächst soll an dieser Stelle daher der Aufgaben des Zahlengitters erläutert werden. Das Zahlengitter besteht in der Regel aus 3x3 Kästchen. Das Rechnen beginnt bei der Startzahl, die oben links eingetragen wird (z.b.0). Die Startzahl wird dann um die Größe der Pluszahlen nach rechts (z.b.5) und unten (z.b.2) erhöht. Die Pluszahlen stehen auf den Pfeilen, die die Rechenrichtung bestimmen. Die rechts unten zu erreichende Zahl heißt Zielzahl die Mittlere Mittelzahl und alle weiteren heißen Randzahlen. Die Verwendung zwei gleicher Pluszahlen ist ebenso möglich, wie die der 0 (vgl. de Moor 1980, S.61ff). Abb.1 Zahlengitterbeispiel Wie können Zahlengitter das aktiv entdeckende Lernen anregen und fördern? Zahlengitter stellen ein Aufgabenformat zum Erforschen von Mustern dar. Sie bieten Kindern einen Anlass, Mathematik als Tätigkeit zu erfahren, indem die Kinder die Zahlengitter erforschen und aktiv entdecken. Dafür bedarf es einer herausfordernden Aufgabenstellung, die die Schülerinnen und Schüler zum Entdecken, Erforschen und Erklären anregt. Verschiedene Aufgabenstellungen bieten eine Reihe an Möglichkeiten, Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge herauszustellen, Muster zu erkennen und Strukturen nachzuvollziehen. Im Folgenden wird exemplarisch eine Aufgabe aus dem 3./4. Schuljahr vorgestellt, die mit Modifikationen auch in anderen Jahrgangsstufen sinnvoll ist (vgl. Selter 2004): Dezember 2010 by A.Tente für PIK AS (http://www.pikas.uni-dortmund.de/) 1

Der aktiv entdeckenden Auseinandersetzung mit Zahlengittern sollte im Unterricht zunächst eine Einführung des Aufgabenformates vorausgehen, bei der die Schülerinnen und Schüler zunächst die Rechenvorschrift des Zahlengitters kennen und ausführen lernen. Abb. 2 Einüben der Rechenvorschrift Durch herausfordernde Aufgabenstellungen sollen die Kinder dazu angeregt werden, die Muster und Strukturen des Zahlengitters zu entdecken. Voraussetzung für die Einsicht in die Beziehungen ist eine aktive Auseinandersetzung der Kinder mit den Zahlengittern. Zunächst werden die Schülerinnen und Schüler daher dazu aufgefordert, verschiedene Zahlengitter zu finden. Dabei können sie unsystematisch als auch systematisch vorgehen und ausprobieren. Finde verschiedene Zahlengitter mit der Startzahl 0 und der Zielzahl 20 Abb. 3 Zahlengitter mit Zielzahl 20 Was fällt dir auf? Wird die Aufgabe durch diese Fragestellung erweitert, so wird den Schülern und Schülerinnen, die die Aufgaben einzeln für sich gerechnet haben, der Auftrag deutlich, Regelmäßigkeiten zu finden und vielleicht sogar mathematische Zusammenhänge herzustellen (vgl. Häsel-Weide, 2010, S.10). Indem sie sich die Aufgaben genauer anschauen, können sowohl bei der Einzelbetrachtung eines Zahlengitters als auch aus dem Vergleich mehrerer Beispiele Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge entdeckt werden. So sind beispielsweise innerhalb eines Zahlengitters folgende Gesetzmäßigkeiten zu erkennen: Die Pluszahlen zusammen sind so groß wie die Mittelzahl Die Mittelzahl ist die Hälfte der Zielzahl Die Summen der Diagonalen sind gleich groß Die Summen der mittleren Waagerechten und Senkrechten sind gleich groß Abb. 4 Struktur innerhalb eines Zahlengitters Der Vergleich mehrerer Beispiele ermöglicht eine Verallgemeinerung der Auffälligkeiten: Dezember 2010 by A.Tente für PIK AS (http://www.pikas.uni-dortmund.de/) 2

Die Pluszahlen zusammen müssen immer so groß sein wie die Mittelzahl Die Mittelzahl bleibt immer gleich Die Mittelzahl ist immer halb so groß wie die Zielzahl Die Summen der Diagonalen sind immer gleich groß Die Summen der mittleren Waagerechten und Senkrechten sind immer gleich groß Die Summe eines Zahlengitters gleicht der Summen anderer Zahlengitter Abb. 5 Zusammenhänge zwischen Zahlengittern Die Einsicht in die Struktur des Zahlengitters ermöglicht die Bearbeitung weiterführender Aufgaben wie beispielsweise: Finde alle Lösungen zur Zielzahl 20. Warum hast du alle gefunden? Tipp: Ordne zunächst deine Lösungen Um alle Lösungen zur Zielzahl 20 zu finden, sollen die erkannten Beziehungen aus der vorherigen Aufgabe genutzt werden. Meint das Kind, alle Lösungen gefunden zu haben, soll es anhand der bereits erkannten Beziehungen begründen, warum es alle Lösungen sind. Es soll zeigen, warum es keine Lösung vergessen hat. Hierfür muss das Kind die Fähigkeit aufbringen, Strukturen zu nutzen, um sie auf andere zu übertragen. Leistungsschwächere Schüler und Schülerinnen, die Schwierigkeiten haben, die Beziehungen zu entdecken und zu übertragen, erhalten die Anregung die Lösungen zu ordnen. Durch die Ordnung der Lösungen entstehen meist weitere Einsichten und sie können erkennen, dass es keine weiteren Lösungen gibt. Einwand: Entdeckendes Lernen am Zahlengitter überfordert leistungsschwache Schüler Die Leitidee des entdeckenden Lernens ist im Lehrplan Mathematik verankert (vgl. MSW 2008). Trotzdem wird das Konzept besonders für leistungsschwache Kinder stellenweise immer noch kritisch bewertet. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind sich nicht sicher, ob das Zahlengitter als ein Beispiel für das entdeckende Lernen die Kinder nicht überfordere. Dem Einwand, dass leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler mit dem aktiv entdeckenden, selbstständigen Lösen der Zahlengitter überfordert sein könnten, kann entgegnet werden, dass das reichhaltige Aufgabenformat so angelegt ist, dass es unterschiedliche Vorgehensweisen und somit Bearbeitungen auf unterschiedlichen Niveaus zulässt. Das Vorgehen der Schülerinnen und Schüler kann dabei variieren. So ermöglicht das Aufgabenformat sowohl unsystematisches als auch systematisches Vorgehen. Ebenso sind unterschiedliche Entdeckungen möglich. Während manche Kinder einige weitere Zahlengitter mit der Zielzahl 20 finden, gelingt es im Sinne der natürlichen Differenzierung möglicherweise anderen, bereits allgemeine Strukturen zu entdecken und zu begründen. Zum Beispiel werden nicht alle Kinder begründen können, warum sie alle Zahlengitter zur Zielzahl 20 gefunden haben, doch kann man davon ausgehen, dass die meisten Kinder anhand der strukturellen Beziehungen alle Lösungen finden und auch erkennen, dass es alle Lösungen sein müssen, auch wenn sie nicht deutlich machen Dezember 2010 by A.Tente für PIK AS (http://www.pikas.uni-dortmund.de/) 3

können, warum das so ist. Diese Voraussetzungen bilden jedoch eine gute Basis für das Begründen. Die Zusammenhänge werden die Kinder nie entdecken! Auch lernschwache Kinder können Strukturen, Muster und Zusammenhänge entdecken. Es kommt darauf an, die Vorkenntnisse der Schüler und Schülerinnen aufzugreifen. Untersuchungen zeigen nämlich, dass schon kleinste Kinder ein Gespür für Formen, Muster, Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten haben. Sie zeigen bereits ohne formalen Unterricht erstaunliche Konzepte von Zahlen, einen eindrucksvollen Zahlensinn (vgl. Ezawa 2002, S.101). Würden diese Vorerfahrungen der Kinder genutzt und nicht unbeachtet bleiben, so würde es auch lernschwachen Schülerinnen und Schülern keine Probleme bereiten, Muster zu erkennen und Beziehungen herzustellen. Für Ezawa (2002, S.102) ist Mathematik für nicht behinderte wie für behinderte Schüler nicht schwieriger als Rechnen. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler zeigen sogar bessere Leistungen, wenn die Zahlen eine Bedeutung erhalten und wenn sie dabei Strukturen und Beziehungen aufspüren können. Schwer fällt ihnen hingegen das abstrakte Rechnen! Es scheint also in der Natur des Menschen zu liegen, dass er von Mustern und Strukturen fasziniert wird. Somit wird auch jedes Kind von Grund auf Interesse an den Zahlengittern haben. Zunächst scheint es gerade für lernschwache Kinder schwierig, Strukturen zu entdecken, doch gerade das Interesse an Entdeckungen motiviert die Kinder, an Zahlengittern zu arbeiten. Wie sollen die Kinder denn da den Überblick behalten? Ohne Hilfestellung geht das gar nicht Damit Kinder Zahlengitter bearbeiten können, müssen sie die Addition und Subtraktion grundlegend beherrschen, Freude am Entdecken und Ausprobieren mitbringen und die Fähigkeit besitzen, eine eigene Ordnung zu schaffen, die ihnen dabei hilft, Zusammenhänge zu entdecken, herzustellen und zu verdeutlichen. Weitere Fähigkeiten werden erst mit der Zeit entwickelt und erweitert, wie beispielsweise Erkenntnisse zu nutzen und zu übertragen. Gegenüber Aufgaben, die den Schülerinnen und Schülern zeigen, was sie nicht können, bietet das Zahlengitter die Möglichkeit, Fähigkeiten zu zeigen und auszubauen. Durch die Bestätigung des Lernprozesses können Unsicherheiten der Kinder behoben und die Motivation gefördert werden. Nichtsdestotrotz ist eine unterstützende Begleitung durch die Lehrperson unabdingbar, denn insbesondere für lernschwache Kinder ist das Herstellen größerer Zusammenhänge wichtig, da sie sich die notwendige Orientierung häufig nicht selbst schaffen können (vgl. Scherer 1994, S. 764f). Damit Kinder selbstständig arbeiten können, ist es notwendig, dass ihnen möglichst früh diverse Anlässe zum Entdecken, Beschreiben und Begründen geboten werden sowie eine Unterrichtskultur, in der sie das eigenverantwortliche Lernen üben können. Denn erst durch die Einsicht in Strukturen und Beziehungen erlangen die Kinder ein verständiges Bild von Mathematik. Fazit Schülerinnen und Schüler und insbesondere die leistungsschwächeren unter ihnen benötigen einen Mathematikunterricht, der es ihnen ermöglicht, Mathematik als Tätigkeit zu erleben und zu praktizieren. In diesem Zusammenhang kommt dem Prinzip des aktiv entdeckenden Lernens als zentrale Leitidee des Mathematikunterrichts eine wesentliche Bedeutung zu. Für die Unterrichtspraxis erweist sich das Aufgabenformat Zahlengitter als ein Beispiel für entdeckendes Lernen auch und sogar besonders für leistungsschwache Kinder als geeignetes Aufgabenformat. Die Möglichkeit, Zusammenhänge zu entdecken, ist bei diesem Aufgabenformat prinzipiell für alle Schülerinnen und Schüler gegeben, da die Neugierde an Zahlengittern bei leistungsschwachen Kindern genauso groß ist, wie bei allen anderen Kindern. Nicht zu unterschätzen sind allerdings die Vorerfahrungen der Kinder, die einen wesentlichen Einfluss auf das Gelingen der Umsetzung Dezember 2010 by A.Tente für PIK AS (http://www.pikas.uni-dortmund.de/) 4

im Unterricht haben. Schülerinnen und Schüler, die einen Unterricht gewohnt sind, in dem Lösungswege vorgegeben und nachzuvollziehen sind, werden größere Probleme haben, sich auf das entdeckende Lernen einzulassen, als Kinder, bei denen von Anfang an das Lernen durch Entdeckung im Mittelpunkt stand. Durch den Einsatz geeigneter Aufgabenformate wie beispielsweise der Zahlengitter kann den Kindern Mathematik als aktive Auseinandersetzung mit Mustern und Strukturen vermittelt werden und somit eine Vorstellung von Mathematik entwickelt werden, die sie durch die Schuljahre hinweg begleitet. Literatur Ezawa, B. (2002): Mathematische Ideen statt mechanischer Rechenfertigkeiten im Unterricht bei lernschwachen Schülern. In: Zeitschrift für Heilpädagogik. H. 3, S. 98-103. Floer, J. (1990): Rechnen, offener Unterricht und entdeckendes Lernen. In: Die Grundschulzeitschrift. 4. Jg., H.31, S. 6-10. Häsel-Weide, U. (2010): Lernschwache Rechner fördern. In: Fördermagazin. H. 2, S. 8-13. Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalens (2008): Lehrplan für die Grundschulen des Landes Nordrhein-Westfalen Moor, Ed de (1980): Wiskobas bulletin. Leerplanpublikatie 11. Utrecht: IOWO. Scherer, P. (1994): Fördern durch Fordern - Aktiv-entdeckende Lernformen im Mathematikunterricht der Schule für Lernbehinderte. In: Zeitschrift für Heilpädagogik. 45. Jg., H. 11, S. 761-773. Selter, C. (2004): Zahlengitter eine Aufgabe, viele Variationen. In: Die Grundschulzeitschrift. H.177, S.42-45. Winter, H. (1994): Mathematik entdecken - Neue Ansätze für den Unterricht in der Grundschule (4. Aufl.). Frankfurt am Main: Scriptor. Dezember 2010 by A.Tente für PIK AS (http://www.pikas.uni-dortmund.de/) 5