Konsensus der Deutschen und der Österreichischen Gesellschaften für Wundheilung und Wundbehandlung zur Vakuumversiegelung und V.A.C.



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Transkript:

Konsensus der Deutschen und der Österreichischen Gesellschaften für Wundheilung und Wundbehandlung zur Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapieeinheit Stand der aktuellen Textfassung: August 2003

INHALTSVERZEICHNIS Seite 1. Zusammenfassung... 3 2. Teilnehmer... 5 3. Grundlagen der Vakuumversiegelung und der V.A.C.-Therapieeinheit... 6 4. Indikationen der Vakuumversiegelung und der V.A.C.-Therapieeinheit... 8 5. Kontraindikationen der Vakuumversiegelung und der V.A.C.-Therapieeinheit... 9 6. Medizinisch wissenschaftliche Studienlage und Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen... 10 7. Qualitätssicherung... 11 8. Fazit... 13 1

1. ZUSAMMENFASSUNG Im Rahmen des drei Länder-Kongresses zur V.A.C.- Therapie am 16. und 17. Mai 2003 in Salzburg wurde eine Konsensuskonferenz mit Mitgliedern des Präsidiums der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Wundbehandlung einberufen. Aufgrund der uneinheitlichen Bewertung der V.A.C.- Therapie durch die Kostenträger erschien es sinnvoll, innerhalb der beiden Gesellschaften für Wundbehandlung Deutschlands und Österreichs einen Konsensus über Bedeutung und Indikationsbereiche bei der Behandlung von Wunden mit der Vakuumversiegelung zu erarbeiten. Bei der Vakuumversiegelung von Wunden handelt es sich um eine seit Jahrzehnten angewandte Methode. Dies spiegelt sich auch in einer zunehmenden Anzahl wissenschaftlicher Publikationen wider. Seit den ersten klinischen Anwendungen in den 40er Jahren haben sich bis heute sowohl das Indikationsspektrum stetig erweitert als auch die Anzahl der Anwendungen ständig erhöht. Neben unterschiedlich zusammengestellten und verschiedenen Systemen der Vakuumversiegelung gibt es eine computer-kontrollierte Technologie, deren Patentrechte bei der Firma KCI liegen und als V.A.C.-Therapie (Vacuum Assisted Closure-Therapie) etabliert ist. Diese wird im stationären und ambulanten Bereich eingesetzt. Aufgrund der nachgewiesenen günstigen Wirkung auf die Wundheilung muss die Vakuumversiegelung und die V.A.C.-Therapie als fester Bestandteil heutiger Wundheilungskonzepte angesehen werden. In einzelnen Indikationsbereichen gilt sie als Therapie der Wahl, da keine gleichwertigen Alternativmethoden zur Verfügung stehen. Aus ökonomischer Sicht ist die Vakuumversiegelung und die V.A.C.-Therapie kosteneffizient. Bei Schulung der beteiligten Ärzte und Pflegekräfte und Aufklärung des Patienten kann die Vakuumversiegelung und die V.A.C.-Therapie unproblematisch auch im ambulanten Bereich eingesetzt werden. 3

2. TEILNEHMER Vorsitzende Universitäts-Dozent Dr. med. Gerald Zöch Plastischer Chirurg des Donauspitals im SMZ Ost Wien Präsident der AWA (Austrian Wound Association) Dr. med. Walter Wetzel-Roth Facharzt für Chirurgie Thorax-Cardio-Vaskular-Chirurgie, Phlebologie Offizieller Vertreter und Vorstandsmitglied der DGfW (Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung) Buchloe Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) Dr. med. Karl Schuhmann Facharzt für Plastische Chirurgie Abt. f. Plastische Chirurgie/Handchirurgie Evangelisches KH Lütgendortmund Dortmund Prof. Dr. med. Raymund E. Horch Direktor der Abteilung für Hand- und Plastische Chirurgie Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dr. med. Stefan Robek Chefarzt der niederösterr. Gebietskrankenkasse Niederösterreichische Gebietskrankenkasse St. Pölten Vertreter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Dr. med. Joachim Riedel Facharzt für Innere Medizin (MDK Sachsen, Beratungs- und Begutachtungszentrum Zwickau) Dr. med. Hubert Krause Facharzt für Chirurgie Mitglied der DGfW (MDK Bayern, Beratungsund Begutachtungszentrum Augsburg) Vertreter der Gesundheitsökonomie Prof. Dr. Günter Neubauer Uni.-Prof. an der Uni d. BW München Prof. Dr. Dietrich Nord Universität Konstanz Dr. med. Dorothee Dill-Müller Oberärztin der Universitätshautklinik und Poliklinik Leitung: Operative Dermatologie Universitätskliniken des Saarlandes Homburg/Saar Österreichische Gesellschaft für Wundbehandlung (AWA) Dr. med. Thomas Wild Universitätsklinik für Chirurgie, Klinische Abteilung für Allgemeinchirurgie AKH Wien Vorstandsmitglied der AWA (Austrian Wound Association) Stellv. Leiter des Österreichischen Wundnetzes 5

3. GRUNDLAGEN DER VAKUUMVERSIEGELUNG UND DER V.A.C.-THERAPIEEINHEIT Bei der Vakuumversiegelung handelt es sich um eine Methode, die bereits seit Jahrzehnten klinische Anwendung findet und verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen hat. Das Prinzip dieser Therapieform besteht darin, dass die normalerweise eng umschriebene Sogwirkung einer Drainage durch einen offenporigen Schwamm flächig auf die gesamte Wundhöhle bzw. Wundoberfläche verteilt wird. Die Wunde und der auf ihr liegende Schwamm wird hermetisch durch eine wasserdampfdurchlässige, transparente und keimdichte Polyurethanfolie abgedichtet. Damit kann keine Umgebungsluft angesaugt werden. Es werden verschiedene Schwämme angewandt. Derzeit stehen Polyurethan- und Polyvinylschwämme zur Verfügung. Diese haben unterschiedliche Eigenschaften in Porengröße und Stabilität. Über eine Konnektion wird der Schlauch, der von der Wunde kommt, mit einem Sekretauffangbehälter verbunden. Das induzierte Granulationsgewebe kann Gewebsdefekte auffüllen und weist ein beschleunigtes Wachstumsverhalten auf. Unter anderem deshalb wird es zur Behandlung vor Defektdeckung mittels Haut- oder Lappenplastiken eingesetzt. Ein wesentlicher Therapieeffekt besteht in der Gewebsödemreduktion. Mit der Vakuumversiegelung und V.A.C.- Therapie wird eine Granulationsgewebsbildung induziert und ein sicheres Exsudatmanagement gewährleistet. Es gibt experimentelle Hinweise, dass die Therapie mit intermittierendem Sog und druckkontrolliertem Monitoring einen besonders granulationsfördernden Aspekt hat. Angewandt werden zur Zeit von Operateuren selbst zusammengestellte Vakuumversiegelungssysteme mit Schwämmen, Folien und Schläuchen, die mit Redonflaschen angeschlossen werden. Auch das Herstellen des Vakuums über Wandabsaugung und mechanische Absauggeräte findet statt. Als komplette Einheit, patentrechtlich geschützt, steht die V.A.C.-Therapieeinheit der Firma KCI bisher als alleiniges Komplett-System auf dem Markt zur Verfügung. Dieses System wird mit dem Begriff V.A.C.-Therapieeinheit (Vacuum assisted closure therapy) beschrieben. Letzteres weist wesentliche technische Besonderheiten auf. Im Falle einer relevanten Undichtigkeit des Systems meldet die V.A.C.-Therapieeinheit akustisch und optisch Alarm. Die Alternativen wie Wandabsaugung und Redonflasche weisen diese Sicherheitsfunktion nicht auf. Der Exsudatauffangbehälter wird in der V.A.C.- Therapieeinheit in eine Pumpe eingeschoben, mit der ein frei wählbarer Sog zwischen 50 und 200 mmhg einstellbar ist. Bei einem Sog von 125 mmhg findet eine maximale Progredienz der Wundheilung statt. Aufgrund des speziell verwendeten 5-lumigen Schlauches wird während der Anwendung kontinuierlich der erzeugte Sog auch im Bereich der Wunde gemessen und falls erforderlich mittels Sogstärken-änderung gegenreguliert. Dieser Feedback-Regelkreis ist erforderlich, da bei ungünstiger Lokalisation der Wunde kleinste Luftlecks trotz Folienversiegelung verbleiben können. Beim Vergleich zu den möglichen alternativen Sogerzeugern, der Wandabsaugung und der Redonflasche, bestehen in aller Regel keine exakten Angaben über die Sogstärken, und im Falle eines Lecks besteht keine Kompensationsmöglichkeit. Alternative Methoden zur Erzeugung des Unterdrucks sind nicht wissenschaftlich validiert und bieten keine Alarmfunktion bei Sogverlust auf der Wundfläche. Bei Anwendungen mit der Redonflasche (Sogstärke ist abhängig vom Füllungsstadium zwischen 50 und 900 mmhg) kann es bei einem kleinen Leck zu einem Verlust des Soges und zur Notwendigkeit eines ständigen Flaschenwechsels kommen. Bei der Wandabsaugung kann es bei einem Leck zum unkontrollierten Durchsaugen von Luft mit konsekutiver Aus-trocknung und Nekrosebildung im Bereich der Wunde kommen. Mit der V.A.C.-Therapieeinheit (der Fa. KCI) können diese Komplikationsmöglichkeiten verhindert werden. 6

Vorteile des Therapieprinzips der Vakuumversiegelung sind: Verkleinerung der Wundfläche durch einen Unterdruck in der Wunde, der die Wundränder aneinander zieht (Wundretraktion) Granulationsgewebeneubildung, Anregen der Bildung von Granulationsgewebe, durch verstärkte Kapillareinsprossung (nachgewiesenermaßen auch bei bradytrophem Gewebe, sowie über Knochen und Metallimplantaten) Diese Vorteile sind in ihrer Gesamtheit von keinem der anderen bekannten Verfahren der Wundtherapie realisierbar. Um auch eine ambulante Therapie zu ermöglichen, wurde zusätzlich eine kleine und leichte Therapieeinheit (Mini-V.A.C.) entwickelt, in der alle Therapie- und Sicherheitsfunktionen integriert wurden. In den USA und der Schweiz wird seit geraumer Zeit die Vakuumversiegelung und V.A.C.- Therapie als State of the Art Behandlung für die nachfolgenden Indikationen angesehen. Von den dortigen Kostenträgern wird sie auch in der häuslichen Pflege übernommen. Sicherer, kontinuierlicher Abtransport von Wundexsudat mit einer Art innerer Wundspülung Fortsetzung der effektiven Wundreinigung (Absaugen kleinerer Gewebetrümmer, Débridement) nach suffizientem chirurgischen Débridement der Wunde Keimdichtigkeit des Wundverbandes (besonders bei Problemkeimen) Transparenz des Verbandes durch die durchsichtige Folie damit ist eine kontinuierliche klinische Kontrolle der umgebenden Haut möglich Geruchsneutralität, ständiges Durchnässen des Verbandes und der Patientenkleidung kann vermieden werden Notwendigkeit eines Verbandwechsels nur alle 2 3 Tage, unter kontrollierten und sterilen Bedingungen bis zu 7 Tagen Einfache Mobilisierbarkeit des Patienten infolge eines geschlossenen (auch Batterie betriebenen) Systems Verminderung des pflegerischen Aufwandes Kosteneffizienz laut gesundheitsökonomischer Analysen (seltenere Verbandwechsel, Möglichkeit der ambulanten Behandlung) Möglichkeit der Exsudatanalyse, Keimbestimmung aus dem Sammelcontainer 7

4. INDIKATIONEN DER VAKUUMVERSIEGELUNG UND DER V.A.C.- THERAPIEEINHEIT Als Indikationsbereiche werden anerkannt Dekubitus (nach chirurgischem Débridement im Zeitraum bis zum Wundverschluss durch Sekundärnaht oder durch plastisch-chirurgischen Eingriff) Der Stellenwert der Vakuumversiegelung und der V.A.C.-Therapie für Verbrennungswunden ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt. Die ersten Erfahrungen sind jedoch der Literatur entsprechend positiv zu bewerten. Ulcus cruris (nach chirurgischem Débridement im Zeitraum bis zum Wundverschluss durch Sekundärnaht oder durch plastisch-chirurgischen Eingriff) Chronische Wundheilungsstörungen wie z.b. beim diabetischen Fußsyndrom Posttraumatische und postoperative Wunden - initial infizierte Wunden nach chirurgischem Débridement (Bissverletzungen, Insektenstiche, nekrotisierende Fasziitis), - Weichteilverletzungen (Riss-Quetschwunden, Ablederungen), - Verletzungen mit Exposition von Knochen oder bradytrophem Gewebe, - Wunden nach Spaltung eines Kompartments an einer Extremität. (In diesen Fällen ist die Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie nach chirurgischem Débridement im Zeitraum bis zum Wundverschluss durch Sekundärnaht oder durch einen plastisch-chirurgischen Eingriff als Therapie der Wahl anzusehen.) Sichern eines Hauttransplantates (mesh-graft, bis zur sicheren Einheilung des Transplantates am 5. 6. Tag) Sternale Wundinfektionen (nach chirurgischem Débridement) Offene Bauchbehandlung einschließlich Fistelbehandlung In Abhängigkeit vom klinischen Gesamtzustand des Patienten kann ein Teil dieser Wunden mittels Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie auch im häuslichen Bereich behandelt werden. Dies wird durch die selteneren Verbandwechsel und die leichte Handhabung des Therapiesystems (Therapieeinheit) ermöglicht. In einzelnen Fällen wird die ambulante Führung erst durch die V.A.C.-Therapie-Einheit ermöglicht. Vorraussetzung ist eine ausreichende Schulung des ambulanten Pflegedienstes und des ärztlichen Betreuers. 8

5. KONTRAINDIKATIONEN DER VAKUUMVERSIEGELUNG UND DER V.A.C.THERAPIEEINHEIT SIND Als Kontraindikationsbereiche werden genannt Freiliegende Gefäße, die durch den Druck des Schwammes komprimiert werden könnten. Dies gilt auch für Gefäßanastomosen. Gerinnungsstörungen (Blutungsgefahr) und bei akuten kleineren bis größeren Blutungen im Bereich der Wunde nach Verletzung / chirurgischem Débridement. Die Vakuumversiegelung und die V.A.C.-Therapie können nicht der Ersatz für ein chirurgisches Débridement sein! Sie darf nur für Wunden eingesetzt werden, in denen der Wachstumsprozess unterstützt werden soll, bei denen das Ziel einer verbesserten Gewebeperfusion und einer erhöhten Granulationsgewebebildung angestrebt wird. Daraus folgt, dass die Vakuumversiegelung und die V.A.C.-Therapie naturgemäß nicht auf malignes neoplastisches Gewebe zur Anwendung kommen sollte. In inoperablen Einzelfällen, z.b. in der infausten Situation einer verjauchend zerfallenden Tumorhöhle, erscheint es dennoch im Einzelfall sinnvoll, im Rahmen eines rein palliativen Vorgehens, mittels Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie eine hygienische und für den Patienten tolerierbare Wundabdeckung über malignem (Rest)-Gewebe anzustreben. 9

6. MEDIZINISCH WISSENSCHAFTLICHE STUDIENLAGE UND NOTWENDIGKEIT WEITERER WISSEN- SCHAFTLICHER UNTERSUCHUNGEN Während im klinischen Bereich die Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie in einem sich stetig ausweitenden Indikationsfeld eingesetzt wird, werden von Seiten der Kostenträger teilweise erhebliche Bedenken an der Effektivität dieser Methode angemeldet. Als wesentlichste Einwände werden formuliert: Es würden keine (doppelblind) randomisierten kontrollierten Studien vorliegen, die auf einem hohen Evidenzniveau die Effektivität der V.A.C.-Therapie beweisen würden Allgemein entspräche die Studienlage nicht den Ansprüchen der modernen Evidence Based Medicine (EBM) und Die V.A.C.-Therapieeinheit (KCI) sei zu teuer. Derzeit liegen weit über 700 Publikationen in internationalen und deutschsprachigen Zeitschriften zum Thema Vakuumversiegelung und V.A.C. Therapie vor. Die Publikationen, die im Zeitraum seit ca. 1994 veröffentlicht wurden, beziehen sich hierbei auf das gesamte weiter oben beschriebene Indikationsfeld. Tatsächlich sind nur wenige Studien, sogenannte randomized controlled trials (RCT), veröffentlicht worden, denen eine hohe Evidenz zugeschrieben wird. Die Mehrzahl der Studien beschreibt dennoch neutral Erfahrungen mit der Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie in zahlreichen Krankheitssituationen. Teilweise sind es Ergebnisse retrospektiver Studien, teilweise Fallberichte oder Fallserien. In Einzelfällen ergibt sich das Urteil, dass in bestimmten Indikationsbereichen die V.A.C.-Therapieeinheit ein therapeutisches Ergebnis ermöglicht, welches ausschließlich auf einem dieser Methode eigenen Erfolg beruht. Diese Beobachtung deckt sich mit der Erfahrung der Mitglieder dieser Konsensuskonferenz. Klinisch gesehen besteht hohe Evidenz für die Wirksamkeit der Methode. Der Effekt der Granulationsbildung, Gewebsregeneration, Ödemregeneration und Wundverkleinerung ist so deutlich, dass die Kriterien einer Therapie als gegeben erscheinen. Als Ursache für den bisherigen Mangel an einer größeren Anzahl prospektiver randomisierter Studien wird angesehen, dass das Kollektiv der Erkrankten sehr vielfältig ist, und dadurch prospektiv randomisierte Therapiestudien in der klinischen Praxis schwierig bzw. nur unzureichend realisierbar sind. Die Hauptursache für dieses Problem ist, dass die Wundsituation bei jedem Patienten von multiplen und zugleich variablen Faktoren geprägt wird: Wundgröße und Wundlokalisation Alter Grunderkrankung Immunkompetenz Begleiterkrankungen Compliance Ernährungsstatus körperliche Aktivität Wundursache Infektstatus lokale Durchblutung etc. Angesichts der Vielzahl dieser Faktoren, welche auf die Wundheilung Einfluss nehmen, ist die Bildung von wirklich vergleichbaren Gruppen nahezu unmöglich. Studien erscheinen jedoch vor allem im Bereich der Grundlagenforschung sinnvoll, um das Wirkprinzip der Therapie besser zu verstehen. Zudem sollten die physikalischen, biochemischen und pathophysiologischen Auswirkungen der unterschiedlichen Schwammqualitäten (Polyvinylalkoholschaum, Polyurethan), Sogstärken (50 900 mmhg) und Therapiemodi (kontinuierlich, intermittierend) untersucht werden. Weiterführende klinische randomisierte Studien zu diesen Themen wären wünschenswert. In Kosten-Nutzen-Analysen konnte gezeigt werden, dass die V.A.C.-Therapie in hohem Maße kosteneffizient ist, d.h. ihre Anwendung generiert aufgrund ihrer überlegenen Wundverschlussgeschwindigkeit messbare Einsparungen. Die V.A.C.-Therapie setzt nicht auf bekannte Methoden auf ("add-on-effect"), sondern substituiert diese völlig ("substitution-effect"). Die mit Innovationen häufig einhergehenden Mehrkosten treten bei der V.A.C.-Therapie somit erst gar nicht auf. 10

7. QUALITÄTSSICHERUNG Im klinisch-stationären Bereich besteht in aller Regel ein ausreichendes Wissen über das Indikationsspektrum und die technischen Einzelheiten der Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie. Die einfache und sichere Handhabung, der zu erwartende Gewinn an Lebensqualität für den Patienten und die Möglichkeit, durch eine frühzeitige Entlassung aus dem Krankenhaus Kosten einzusparen, führt dazu, dass die Vakuumtherapie zunehmend auch ambulant eingesetzt wird. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Behandlung in der Regel erfolgreich und ohne Komplikationen verläuft und somit Wunden günstiger Lokalisation problemlos in der häuslichen Pflege mittels Vakuumtherapie behandelt werden können. Der Ansicht der Konsensusgruppe entsprechend erscheint es nicht erforderlich, die Fachkompetenz für die Vakuumversiegelung und die V.A.C.-Therapie an bestimmte fachärztliche Ausrichtungen zu knüpfen, sondern an eine überprüfbare Expertise im täglichen Handeln. Die Indikationsstellung zur Vakuumversiegelung und V.A.C.-Therapie sollte nach wie vor ärztlicherseits erfolgen. Tatsächlich stellt die Methode nach adäquater Schulung keine besondere Herausforderung an die Qualifikation des Pflegepersonals dar. Besonders mit neueren akkubetriebenen V.A.C.-Therapieeinheiten ist eine ambulante Versorgung günstig durchzuführen. Der Erfolg der ambulanten Wundbehandlung mittels Vakuumtherapie ist an mehrere Bedingungen geknüpft: Aufklärung des Patienten und der Angehörigen Information des Hausarztes, Schulung des Pflegepersonals nachvollziehbare, objektive Wunddokumentation Gute Kommunikation im Infrastrukturdreieck Hausarzt - Patient - Klinik Grundsätzliche Aufnahmebereitschaft des Patienten in der Klinik bei Auftreten von Problemen. Prinzipiell ist zu fordern, dass modernes Wundmanagement institutionalisiert wird. In der Zukunft sollte aufgrund ihrer Komplexität die Wundbehandlung nur von speziell ausgebildeten und zertifizierten Ärzten und Pflegeeinrichtungen durchgeführt werden. Interdisziplinäre Wundzentren sind Beispiele für eine effiziente diagnostische und therapeutische Versorgung. 11

8. FAZIT Die Vakuumversiegelung von Wunden und die Vaccum Assisted Closure Therapy ( V.A.C.-Therapie ) wird heute zur Behandlung von Wunden im stationären und ambulanten Bereich eingesetzt. Seit den ersten klinischen Anwendungen haben sich von 1995 bis heute sowohl das Indikationsspektrum stetig erweitert als auch die Anzahl der Anwendungen ständig erhöht. Dies spiegelt sich auch in einer zunehmenden Anzahl wissenschaftlicher Publikationen wider. Prof. Dr. med. Raymund E. Horch Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg Aufgrund der nachgewiesenen günstigen Wirkung auf die Wundheilung muss die V.A.C.-Therapie als fester Bestandteil heutiger Wundheilungskonzepte angesehen werden. In einzelnen Indikationsbereichen gilt sie als Therapie der Wahl, da keine gleichwertigen Alternativmethoden zur Verfügung stehen. In ökonomischer Hinsicht ist die V.A.C.-Therapie kosteneffizient. Die Vakuumversiegelung sollte auch in Form der V.A.C.-Therapieeinheit indikationsspezifisch in den Pflichtleistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden. Bei ausreichender Schulung der beteiligten Ärzte und Pflegekräfte und umfassender Aufklärung des Patienten kann die V.A.C.-Therapie unproblematisch auch im ambulanten Bereich eingesetzt werden. Dr. med. Dorothee Dill-Müller Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar Dr. med. Thomas Wild AKH Wien, Universitätskliniken Dr. med. Stefan Robek St. Pölten Dr. med. Joachim Riedel MDK Sachsen Universitäts-Dozent Dr. med. Gerald Zöch KH Donauspital SMZ Ost Dr. med. Hubert Krause MDK Bayern Dr. med. Walter Wetzel-Roth Buchloe Prof. Dr. Günter Neubauer Bundeswehrhochschule München Dr. med. Karl Schumann Evangelisches KH Lütgendortmund, Dortmund Prof. Dr. Dietrich Nord Universität Konstanz 13