VSW.Kompakt 16.02.2015 Die Rente mit 63 - Deutlich stärkerer Handlungsdruck für sächsische Unternehmen 1. Wesentlich mehr Anträge als erwartet Sachsen ist aufgrund der Altersstruktur der Beschäftigten und der Unternehmensstruktur von vorgezogenen Renteneintritten überdurchschnittlich stark betroffen. Die Rente mit 63 wird die aus dem demografischen Wandel und der positiven wirtschaftlichen Entwicklung resultierenden zukünftigen Fachkräfteengpässe für sächsische Firmen weiter verschärfen. Im Februar 2015 teilte die Deutsche Rentenversicherung mit, dass bis Ende Januar bereits circa 232.000 Anträge von Arbeitnehmern gestellt wurden, die mit 63 nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen wollen. Diese Gesetzesänderung war ein wesentlicher Bestandteil des am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen sogenannten Rentenpakets. Von den Anträgen waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits rund 110.000 bearbeitet und fast ausnahmslos bewilligt worden. Diese Zahlen zeigen, dass nach der Änderung des Rentenrechts deutlich mehr Arbeitnehmer bereits mit 63 in den Ruhestand gehen werden als ursprünglich vom Arbeitsministerium angenommen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass in den kommenden Jahren jährlich 350.000 bis 400.000 Arbeitnehmer anspruchsberechtigt sein werden. Auch Untersuchungen für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) belegen, dass die Inanspruchnahme der Rente mit 63 durch das Arbeitsministerium unterschätzt wurde. 1
2. Ältere Arbeitnehmer werden gebraucht - bereits jeder fünfte sächsische Beschäftigte ist über 55 Jahre alt Insbesondere auch ältere Arbeitnehmer sind auf dem sächsischen Arbeitsmarkt gefragt, da es in der zurückliegenden Dekade zu einem Beschäftigungsaufbau aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung gekommen ist. Das sächsische Bruttoinlandsprodukt ist zwischen 2004 und 2013 preisbereinigt um 7,5 Prozent gewachsen (vgl. AK VGRdL). Die Anzahl der Beschäftigten insgesamt nahm im gleichen Zeitraum sogar um 10,5 Prozent zu. Gleichzeitig stehen aufgrund der demografischen Entwicklung aber weniger junge Arbeitnehmer sowie weniger Arbeitnehmer insgesamt auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, sodass sich die Beschäftigungschancen für Ältere überdurchschnittlich erhöht haben. Ursache des Beschäftigungsaufbaus ist vor allem die Reindustrialisierung Sachsens seit den 1990er Jahren. Die Industrie ist noch stärker als die sächsische Wirtschaft insgesamt gewachsen (Anstieg der Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes 2000 bis 2013 um 46 Prozent nach Angaben des AK VGRdL). 2013 bis 2014 ist laut Bundesagentur für Arbeit die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen (Sv) Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe in Sachsen um circa 6.500 angestiegen, in den wirtschaftsnahen Dienstleistungen um circa 13.000. Deshalb bestehen Fachkräftebedarfe vor allem im Bereich der von der Industrie und den industrienahen Dienstleistungen besonders nachgefragten MINT-Tätigkeiten. 2
Die Möglichkeit, abschlagsfrei nach 45 Arbeitsjahren in Altersrente gehen zu können, gilt für diejenigen Arbeitnehmer, die bis einschließlich 1952 geboren sind. Für die Geburtsjahrgänge 1953 bis 1963 soll das Renteneintrittsalter schrittweise auf das 65. Lebensjahr angehoben werden. Ein vorzeitiger abschlagsfreier Renteneintritt kommt also für diejenigen infrage, die heute 52 Jahre und älter sind. Deren Anzahl hat sich in den letzten zehn Jahren in Sachsen nahezu verdoppelt: 2004 waren 146.000 Sv-Beschäftigte in Sachsen älter als 55, 2014 waren es schon 291.000. Damit hat sich der Anteil der über 55-Jährigen an allen Sv-Beschäftigten in Sachsen um neun Prozentpunkte auf 20 Prozent erhöht. Circa ein Fünftel aller sächsischen Sv-Beschäftigten gehört damit zum Kreis jener, die in den nächsten Jahren Anspruch auf einen abschlagsfreien früheren Renteneintritt haben könnten, wenn sie 45 Beitragsjahre geleistet haben. Sie würden dem Arbeitsmarkt dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Bundesweit liegt der Anteil der über 55-Jährigen laut Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit mit rund 17 Prozent darunter. 3. Sachsens Wirtschaft aufgrund bestehender Alters- und Betriebsstruktur besonders von Rente mit 63 belastet Der in den vergangenen Jahren beobachtbare Beschäftigungsaufbau in Sachsen trifft auf ein zurückgehendes Arbeitsangebot. Dieses wird durch die Einführung der Rente mit 63 nun zusätzlich verstärkt und beschleunigt, da ein Anreiz zum früheren Eintritt in den Ruhestand gesetzt wird. Der sächsische Arbeitsmarkt ist geprägt durch eine im nationalen Vergleich ungünstige Altersstruktur. 3
Mittelfristig wird es zu einem deutlichen Bevölkerungsverlust, vor allem im erwerbsfähigen Alter, kommen. Die Generation der Babyboomer, die zwischen 1955 und 1969 geboren wurden, geht schneller als in Deutschland insgesamt in den Ruhestand. Gleichzeitig werden deutlich weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachfolgen, da nach der Wende die Geburtenzahlen in Sachsen drastisch sanken. Die neuen Bundesländer hatten Anfang der 1990er Jahre die weltweit niedrigsten Geburtenraten. Das stellt vor allem die mittelständischen Unternehmen in Sachsen vor große Herausforderungen: Der Fachkräftebedarf muss weiterhin gedeckt werden können, damit sich die sächsische Wirtschaft fortgesetzt positiv entwickeln kann. Eine aktuelle Studie des IW Köln kommt zu dem Ergebnis, dass kleine und mittlere Unternehmen deutlich häufiger von Rekrutierungsschwierigkeiten betroffen sind als große Unternehmen. In 105 Engpassberufen in Deutschland sind mindestens 50 Prozent der Fachkräfte in KMU beschäftigt. Da die sächsische Industrie durch eine im nationalen Vergleich eher kleinteilige Betriebsstruktur geprägt ist, sind die aus den Fachkräfteengpässen resultierenden Rekrutierungsprobleme in Sachsen bedeutsamer als im Bundesvergleich. Die VSW steht für Ihre Fragen und Anregungen gern zur Verfügung: Kontakt: Lars Kroemer Tel. 0351 25593-39, Fax 0351 25593-605 4
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