Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit



Ähnliche Dokumente
Die Arbeit in Mutter-Kind-Einrichtungen: Eine fachliche und persönliche Herausforderung

Vertrauen als Konstrukt

Freiwilligkeit und Zwang:

Fakultät Wirtschaftsund Sozialwissenschaften

Bildung ist Lernen mit offenem Ausgang. Weiterbildung Gestaltpsychologie und Konstruktivismus in Verbindung mit Transaktionsanalyse

Trends in der Stationären Erziehungshilfe

Die Psychosoziale Beratungsstelle des Instituts für Soziale Gesundheit der Katholischen Hochschule für Sozialwesen

Bindungswissen als Ressource im BeWo Sucht?! Eine Fragebogenerhebung im Zuständigkeitsgebiet des LVR

Vergleich der 'advokatorischen Ethik' nach Micha Brumlik und der Literatur 'Soziale Arbeit als Kontrolle' nach Klaus Wolf

Zehn Wege zur Resilienz

Qualifizierung als TrainerIn im Wissenschaftsbereich. Weiterbildungsprogramm

Arbeitsfelder, Zielgruppen und. Arbeitsfelder, Zielgruppen und Organisationen der Sozialen Arbeit. Vorlesung Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl

Angelika Grimm Öffentlich

Zertifizierungsstelle des European Centre for Clinical Social Work e.v.

Vorwort und Dank... V Verzeichnis der Abbildungen... XI

Praxis-Tagung vom 30. Januar 2013

in Kinderschuhen Möglichkeiten und Wege der Partizipation Kinder unter drei Franziska Schubert-Suffrian 21. April 2010

Modulverzeichnis Bachelorstudiengang Soziale Arbeit in Humandiensten (BA SAH) (ab WS 09/10)

Ethisch- moralische Kompetenzentwicklung in der Pflegeausbildung

Vorwort Ernst Wüllenweber 11

Bachelor of Arts Soziale Arbeit Modulname

Distanzierte Nähe Ein Spannungsfeld bei der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen

Beziehung gestalten die Rolle von Fachkräften und Teams

Bildung ist Lernen mit offenem Ausgang. Weiterbildung Gestaltpsychologie und Konstruktivismus

Beratung für Kinder in Not

Praxiszentrum Resozialisierung und berufliche Wiedereingliederung

Kompetenz Gesundheit Arbeit (KoGA) Betriebliches Gesundheitsmanagement im Bundesdienst

Grundkonzepte der Klärungsorientierten Gesprächspsychotherapie

Bewährungshelfer/innen in der Bewährungshilfe. Seminar Wiesbaden. DBH-Fachverband für Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik

Syllabus/Modulbeschreibung

Die strukturelle Einbindung der Sozialen Arbeit in Palliative Care Teams

Sozialarbeit in Familien mit psychisch krankem Elternteil

Haltung bewahren. Zielgruppen, Methoden, Perspektiven in der Arbeit mit straffällig gewordenen jungen Menschen DVJJ Praktikertagung Hofgeismar 2016

Mit Respekt Veränderungen begleiten

Der Therapieprozess. IPP 2001 Prof. Dr. Rainer Sachse 1

Beziehungsgestaltung im Erwachsenenschutz im Spannungsfeld von Person, Methode und Können

Kinder- und Jugendpsychotherapie

Referat Psychiatrie Pflege in der Ausbildung heute

Das Intensivtagebuch als Instrument der Angehörigenarbeit auf der Intensivstation

3 Lernfelder. Lernfeld A: Handlungsansätze, Handlungsformen und Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit

Case Management in der Krankenhaussozialarbeit. Das doppelte Mandat

Soziale Unterstützung der Mutter im Wochenbett

Nähe und Distanz als Herausforderungen professioneller Beziehungsgestaltung

Inhaltsverzeichnis. O. Einleitung I. Problemdarstellung... 23

- INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER GANZTAGSSCHULE

Das Beste für die Kleinsten: Frühförderung als Kinderspiel

Diplomausbildung in Erziehungsberatung Schulpsychologie

Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit im Spannungsfeld betrieblicher Kooperation. Dr. Marita Sperga aib Universität Bremen

Kompetenzprofil Studiengang SB KOMPETENZPROFIL

Berufliche Schlüsselprobleme als Grundlage einer kompetenzorientierten Fachdidaktik Ergotherapie R E N A T E V O N D E R H E Y D E N

gastfreunde Begleiten, Beraten und Betreuen Ambulante Betreuungsangebote für Menschen mit psychischer Erkrankung Perspektive Leben.

Kindertageseinrichtungen auf dem Weg

Im Kolloqium wählen Sie eine dieser Säule aus und stellen in Ihrer Präsentation dar, wie sich diese Gegebenheiten auf die anderen Säulen auswirken.

Macht Supervision gesund? Untersuchung von Supervisoren und der Entwicklung von deren Ressourcen in ihrer Arbeitswelt.

Interaktionsarbeit und neue Herausforderungen an eine humane Arbeitsgestaltung

Begabungsförderung und Bildung in einer Schule für Alle

Fort- und Weiterbildungsprogramm 2. Halbjahr 2017 / 1. Halbjahr 2018

Supervision. In der Craniosacral Therapie

Personal finden, Personal binden

Methodisches zur Verhaltensänderung im Erwachsenenschutz

Was man sparen nennt, heißt nur, einen Handel für die Zukun7 abschließen. Bernhard Shaw

Case Management in der Suchthilfe (Identifikation)

Praxisreferat. Arbeitshilfe. zur Analyse und Reflexion als Unterstützung für Praktika und Praxisberichte im Studiengang Soziale Arbeit

Impressum: KEPOS Institut für Qualitätsausbildungen ein Unternehmen von. factor happiness Training & Beratung GmbH Wien

Klinische Sozialarbeit

Was braucht die postmoderne Gesellschaft an psychosozialer Beratung? Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner -

Modulhandbuch. Besondere Erweiterungsfächer im Bachelorstudiengang Lehramt Grundschule

LEITBILD der Johannes Brenz Altenpflege ggmbh (April 2009)

1. Anforderungen an Führungskräfte heute. 2. Modell der Emotionalen Intelligenz

Selbstbestimmung über Liebe,Partnerschaft und Sexualität im Alter(-sheim)

Kompetenzprofil des Bachelor-Studiums der HSA FHNW

Curriculum (Universität) - Musik

Familiengruppen in der Heimerziehung

Hausbesuch Mit den Eltern reden, aber wie? Dr. Dieter Hinze, Diplom-Psychologe

Leitbild Soziale Arbeit im Gesundheitswesen

Motivierte Klienten trotz Zwangskontext

Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

Erwartungen an und Effekte von Supervision

Untersuchungshaft- Vermeidung und Verkürzung

Weiterbildung. Case Management

Mobbing- und Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen

Was machen Bewohner, wenn sie wohnen? Der Beitrag der Alltagsbegleitung für einen gelingenden Alltag

Beziehungsräume in der Sozialen Arbeit

Erfolgsfaktoren-Coaching und die Möglichkeiten der Transak8onsanalyse. DGTA Kongress Hamburg Mai 2016

Coaching - schillerndes Konzept oder wichtiges Instrument der Personalentwicklung?

Einleitung 11. Grundlagen 15

Masterstudiengang Soziale Arbeit, KatHO NRW, Abtl. Köln

Thematischer Initiativkreis Gesund Pflegen. Informelles Lernen und Kompetenzentwicklung in Pflegeberufen - eine individuelle Art der Problemlösung?

Supervision im (sozial) pädagogischen Arbeitsfeld

Pädagogische Grundprinzipien

Therapeutische Prinzipien und Regeln

AUSBILDUNG: BERATUNGSKOMPETENZ ALS KOM PLEMENTÄRKOMPETENZ. 1. Ausgangssituation

Therapeutische Ansätze: Psychotherapie

Soziale Arbeit als Beruf

VORTRAG DR. JAN V. WIRTH HS DARMSTADT FB GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN UND SOZIALE ARBEIT

Der Übergang ins Erwachsenenalter aus der Sicht ehemaliger Pflegekinder

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Die Dienstleistungen zur Kompetenzfeststellung des Berufspsychologischen Service der Bundesagentur für Arbeit

Transkript:

Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit dargestellt am Beispiel klinisch sozialarbeiterischer Berufspraxis Masterthesis im Studiengang M.A. Klinische Sozialarbeit Annegret Böhme / September 2009 Klinische Sozialarbeit: Psychosoziale Gesundheit - hard to reach?

Therapiebeziehung Eine gute Therapiebeziehung hat eine unmittelbar positive Auswirkung auf den Klienten, der sich in seinem Selbstwert gestärkt fühlt und sich mit erhöhtem Zutrauen mit seiner Lebenssituation auseinander setzt (vgl. Grawe, 1992) Beziehungsgestaltung und Therapieerfolg (Sachse, 2006, S.23) 1 I13

Sozialarbeiter-Klient-Beziehung Eine gute Beziehung zwischen Sozialarbeiter und Klient wird in der Sozialen Arbeit als entscheidende Voraussetzung für einen gelingenden Hilfeprozess betrachtet (vgl. Heiner, 2007) Beziehungsarbeit wird aber als nicht planbares Element eines methodisch reflektierten Handlungskonzeptes betrachtet (ebd.) Beziehungsgestaltung wird eher als rein intuitiv erlebt und verstanden (ebd.) Sozialarbeiter- Klient- Beziehung und das in ihr eingeschlossene Vertrauen werden in der Fachliteratur eher randständig behandelt (Arnold, 2003) 2 I13

Merkmale psychosozialer Fallarbeit Psychosoziale Fallarbeit geschieht unter der Prämisse des doppelten Fokus: Klient und seine soziale Situation werden als wechselseitige Beziehung erfasst (vgl. Geißler-Piltz, 2005) Ziel und Thema psychosozialer Beratung ist die Bewältigung lebenspraktischer, psychischer und psychosozialer Probleme (vgl. Kottler, 2004) Klinische Sozialarbeit umfasst Interventionen, die auf interpersonale Interaktion, intrapsychische Dynamiken sowie Lebensbezüge und Managementangelegenheiten ihren Blick richten (National Federation of Societies for Clinical Social Work, zit. nach Kottler, 2004) 3 I13

Forschungsinteresse Ziel: Durchleuchtung des Beziehungsbegriffs bezogen auf das Handlungsfeld der Klinischen Sozialarbeit, auf Basis persönlicher und berufspraktischer Erfahrungen und Einstellungen von SozialarbeiterInnen Befragung von Sozialarbeitern, wie sie mit dem täglich angewandten Medium der professionellen Beziehung arbeiten und ob dieses eine relevante Dimension für erfolgreiches sozialarbeiterisches Handeln einnimmt. 4 I13

Forschungsteil Methodik: qualitatives Vorgehen in Form einer induktivzusammenfassenden Inhaltsanalyse (Mayring, 2008), halbstrukturiertes Leitfadeninterview InterviewpartnerInnen: Befra gter Berufsabschluss tätig im Feld der Klinischen Sozialarbeit aktuelles Arbeitsfeld Zusatzqualifikation B1 Pädagogin M.A. 2003 Ambulante Erziehungshilfe system. Paar- u. Familientherapeutin B2 Diplom- Sozialpädgogin 2001 Ambulante Mutter-Kind- Betreuung B3 Diplom-Sozialpädgogin 2002 Ambulante Erziehungshilfe system. Paar- u. Familientherapeutin B4 Diplom- Sozialpädgoge 2001 Wohnungsnotfallhilfe M.A. Klinische Sozialarbeit keine 5 I13

Ergebnisse aus den Interviews Vertrauen herstellen - eine wesentliche Dimension Umgang mit der strukturellen Asymmetrie - die andere Dimension Kontinuum zwischen Hilfe und Kontrolle - Begrenzung Selbstreflexion - die Basis 6 I13

Erkenntnisse Vertrauen herstellen - eine wesentliche Dimension Vertrauen entscheidet über Art der Annahme der Unterstützung und Grad der Problembearbeitung partnerschaftliche Beziehungsgestaltung Aufbau von personalem Vertrauen (vgl. Sachse, 2006) Kompetenzvertrauen (ebd.) Aufbau von Vertrauen des Klienten zu sich selbst (ebd.) 7 I13

Erkenntnisse Drei-Phasen-Modell des Vertrauensaufbaus (Petermann, 1985, S.121) 8 I13

Erkenntnisse Umgang mit der strukturellen Asymmetrie - die andere Dimension Machtgefälle aufgrund der Berufsrolle und des offiziellen Arbeitsauftrags Rolle bestimmt Beziehungsgestaltung einseitige vertrauensfördernde Vorleistung und intensive Reflexion des Sozialarbeiters erforderlich je klarer und transparent der offizielle Auftrag, desto leichter mit Klientensystem in Kontakt 9 I13

Erkenntnisse Kontinuum zwischen Hilfe und Kontrolle - Begrenzung Gratwanderung zwischen Zurückhaltung und Einflussnahme (vgl. Heiner, 2007) Rollenpolarität fördert Dilemma zutage: Anwendung von Techniken und Interventionen, die die Beziehung und Vertrauensgrundlage zum Klienten gefährden (vgl. Arnold, 2003) Differenzierung der vertrauensorientierten Perspektive zugunsten der Abwehr von Gefährdungsmomenten sozialarbeiterisches Handeln wird deutlich durch offiziellen Auftrag begrenzt 10I13

Erkenntnisse Selbstreflexion - die Basis Selbstreflexion nimmt wesentliche Steuerungsfunktion für die Beziehungsgestaltung ein Spannungsfeld zwischen Akzeptanz und Grenzen, welches stetig reflektiert werden muss eigene Übertragungsprozesse berücksichtigen reflektierte Empathie (vgl. Heiner, 2007) bewusste Reflexion sichert das bestehen der Handlungsfähigkeit 11 I13

Implikationen für die Praxis Vertrauen schaffen können: Anwendung von Beziehungsmodellen und Modellen zum Vertrauensaufbau (Petermann, 1985) Diagnostische Kompetenz (Pole der Beziehungsgestaltung nach Heiner, 2007) Methodenkompetenz (z.b. kongruente Beziehungsgestaltung) mit Rollenpolarität bewusst umgehen: Fallsteuerung: Methoden- und Gesprächsführungskompetenzen Selbstreflexion und (Selbst)Differenzierungsarbeit (z.b. Focusing) Selbstreflexion: bewusste Hinwendung zu sich selbst: durch Supervision, kollegiale Beratung 12I13

Zitat zum Schluß Ich schau, dass ich das offenlege von Anfang an, also den Zwangskontext benenne. Und an die Klienten ein Stück zurück gebe, was wir jetzt mit der Situation machen. [Ich] erkläre die Situation und frage die Familie, wie können wir jetzt das beste daraus machen? (...)Und wie wir das am (...) Sinnvollsten gestalten können. 13I13