Elterliche Sorge - Das Kindesrecht Persönlicher Verkehr



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Transkript:

Elterliche Sorge - Das Kindesrecht Persönlicher Verkehr Konflikte zwischen dem nicht obhutsberechtigten Elternteil und einem Kind sind sehr mühsam. Oft ist bei solchen Konflikten, wenn sie einmal ausgebrochen sind, das jeweilige Kind die leidtragende Person. Das Recht bzw. die Gerichte können oft nicht viel gegen eine solche Konfliktsituation tun. Besteht auf Seiten der Eltern die nötige Einsicht, drängt sich in einer derartigen Situation die Durchführung einer Mediation auf. Die neue ZPO bietet hierfür auch Hand. Zum persönlichen Verkehr gibt es einige bemerkenswerte Gerichtsentscheide, welche kurz vorgestellt werden. Entzug, Verweigerung, Beschränkung Der Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr fliesst aus den Persönlichkeitsrechten des Kindes, aber auch aus jenen des nicht obhutsberechtigten Elternteils. Allein die Tatsache, dass die Ausübung des Besuchsrechtes mit Konflikten verbunden ist, vermag eine vollständige Unterbindung des persönlichen Verkehrs nicht zu rechtfertigen (BGE 5C.71/2003). Eine gänzliche Aufhebung des Besuchsrechtes ist nur in besonderen Ausnahmefällen zu tolerieren. Wenn das Kind bloss die Sicht und Werturteile des Erwachsenen wiedergibt, rechtfertigt sich die Aussetzung des Besuchsrechtes grundsätzlich nicht. Schilderungen des Kindes aus seiner eigenen Erfahrungswelt, die ganz konkret mit ihm selber zu tun haben, kommt ein grösseres Gewicht zu (Urteil Obergericht Kanton Luzern vom 23. Mai 2002, FamPra.ch, 1/2003, Seite 191).

Die Regelung des Besuchsrechtes muss den aktuellen Bedingungen angepasst sein und vor allem dem Kindeswohl dienen. Ist die Beziehung zwischen den Eltern derart von Streitigkeiten geprägt, dass das (hier 5-jährige) Kind psychisch belastet und in einen Loyalitätskonflikt gestürzt wird, der seinem Wohlbefinden und seiner Entwicklung schaden kann, so verlangt es das Kindeswohl, vom bisher praktizierten ausgedehnten Besuchsrecht (zwei Abende pro Wochenende und jedes zweite Wochenende) zu einem normalen Besuchsrecht überzugehen; so wird verhindert, dass das Kind allzu oft den Streitigkeiten und Spannungen zwischen seinen Eltern ausgesetzt ist. Zusätzlich sind häufige Verschiebungen während der Woche angesichts der Entfernung zwischen den beiden Wohnungen (20 bis 25 Autominuten) dem Alter des Kindes nicht angepasst (BGE 5C. 133/2003 vom 10. Juli 2003). Die Entführungsgefahr durch die Mutter wurde im vorliegenden Fall als lediglich abstrakt beurteilt, obwohl sechs Jahre zuvor tatsächlich eine Kindesentführung stattgefunden hatte. Das Bundesgericht hat festgestellt, dass der Wunsch der Tochter zu vermehrtem Kontakt mit ihrer Mutter für ihre Persönlichkeitsentwicklung ernst zu nehmen sei und dass das Besuchsrecht schrittweise ausgedehnt werden könne (BGE vom 08. November 2002, FamPra.ch 2/2003, Seite 449). Auch beim Umfang des Besuchsrechtes ist das Kindeswohl massgebend; es geht nicht um einen Interessenausgleich zwischen den Eltern. Der nicht sorgeberechtigte Elternteil kann deshalb keine de-facto-obhut mittels Besuchsrecht erlangen, wenn die Voraussetzungen für die gemeinsame elterliche Sorge nicht erfüllt sind. Es ist im Übrigen zulässig, die Modalitäten des Besuchsrechtes für die beiden Töchter unterschiedlich zu regeln, wenn dies dem Kindeswohl entspricht; im vorliegenden Fall hatten die beiden Töchter ein unterschiedliches Alter und die jüngere Tochter hatte gewisse Hemmungen (BGE 5C.11/2009 vom 09. Februar 2007). Es ist allgemein bekannt, dass konflikthafte Elternverhältnisse das Besuchsrecht nicht einschränken. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 19. Januar 2005 auch festgehalten, dass der regionalen Übung bezüglich Umfang des Besuchsrech-

tes eine gewisse Bedeutung zukommt. Weiterhin oberste Richtschnur bildet aber das Kindeswohl. Konflikte zwischen den Eltern sind, so das Bundesgericht im besagten Entscheid, (131 III 209,) kein Grund für eine Beschränkung des Besuchsrechtes gegenüber dem Kind. Eine Beschränkung rechtfertigt sich einzig, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände davon auszugehen ist, dass die Gewährung des üblichen Besuchsrechtes das Kindeswohl gefährdet. Das Besuchsrecht kann folglich nicht eingeschränkt werden, sofern das Verhältnis des Kindes zum besuchsberechtigten Elternteil gut ist, auch wenn zwischen den Eltern erhebliche Spannungen bestehen. Eine Einschränkung ist allerdings möglich und zulässig, wenn das Kind in einen Loyalitätskonflikt gerät; solche Konflikte sind jedoch nicht leichthin anzunehmen. Loyalitätskonflikte stellen keineswegs eine geradezu notwendige Begleiterscheinung elterlicher Trennung dar und eine Beschränkung des Besuchsrechts erscheint insoweit ohnehin als geeignete Massnahme. Tatsache ist, dass sich die meisten Kinder eine harmonische Beziehung zu beiden Elternteilen wünschen. Das Bundesgericht hält sodann fest, dass die positiven Aspekte der regelmässigen Besuche beim andern Elternteil klar überwiegen. Das Gericht nennt folgende Vorteile: Erleichterung der Trennungsverarbeitung, Ergänzung der Erziehungsstiele, Identifizierungsmöglichkeit, Steigerung des Selbstwertgefühls, Beratungsmöglichkeit in der Pubertät und später bei der Berufswahl, die einzig negativen Aspekte sind die anfänglichen Beunruhigungen und mögliche Belastungen.

Zwangsvollstreckung Leider kann es vorkommen, dass das Besuchsrecht vollstreckt werden muss. Bei der Vollstreckung des Besuchsrechtes hat der Berechtigte die Übergabe des Kindes nach den im Urteil festgelegten Modalitäten wie Zeitpunkt und Dauer zu verlangen. Dies setzt aber voraus, dass die Besuchsordnung durch die anordnende Instanz in einer Weise konkretisiert worden ist, dass sie bestimmt ist, oder ohne weiteres bestimmt werden kann. Dies hat das Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahre 2003 festgehalten (BGE 5C 105./2003). Das Besuchsrecht ist auch dann zu vollstrecken. Wenn die Kinder dieses ablehnen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Ablehnung wesentlich durch die von der Mutter übernommene Gegeneinstellung geprägt ist. Dies hat das Bundesgericht in einem Entscheid vom 31. August 2001 festgestellt (BGE 5C.170/2001). Kosten für die Ausübung des Besuchsrechtes Die Kosten für die Ausübung des Besuchsrechtes sind grundsätzlich vom Besuchsberechtigten zu tragen, ausser der obhutsberechtigte Elternteil lebt in wesentlich besseren wirtschaftlichen Verhältnissen. Allerdings kann es sich rechtfertigen, bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums des nicht obhutsberechtigten Elternteils einen zusätzlichen Betrag für die Kosten zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechtes stehen (BGE 5P.17/2006 vom 03. Mai 2006). In einem Entscheid des Obergerichtes des Kantons Luzern vom 23. Dezember 2002 wird diesbezüglich festgehalten, dass die Kostentragung durch den Besuchsberechtigten auch dann richtig erscheint, wenn dieser wirtschaftlich etwa gleich oder gar günstiger gestellt ist als der Inhaber der Obhut. Befindet sich der Besuchsberechtigte aber in ungünstigeren Verhältnissen, so können die Kosten ganz oder zum Teil dem

leistungsfähigeren obhutsberechtigten Elternteil überbunden werden (FamPra.ch 4/2003 S 957). Ein geschiedener Vater hat vor Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahre 2005 durchgesetzt, dass seine Kosten für die Wochenend- und Ferienbesuche des Sohnes in seinem betreibungsrechtlichen Notbedarf berücksichtigt werden (BGE 7B.145/2005 vom 11. Oktober 2005). Selbstbestimmungsrecht des Kindes Das Selbstbestimmungsrecht des Kindes ist indirekt aus dem ZGB zu entnehmen. Darin heisst es, dass die Eltern, welche die elterliche Sorge haben, berechtigt und verpflichtet sind, alle Entscheidungen für das Kind unter Berücksichtigung des Kindeswohls, seiner eigenen Handlungsfähigkeit und seiner Persönlichkeit zu treffen haben. Auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes des Kindes ist in wichtigen Angelegenheiten auch auf seine Meinung Rücksicht zu nehmen (301 abs. 1 ZGB). Im Scheidungsfalle kommt dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes ebenfalls eine Bedeutung zu. Das Bundesgericht hat sich verschiedene Male zum Selbstbestimmungsrecht des Kindes geäussert. Das 7-jährige Kind wurde im Verfahren hinsichtlich der Regelung des persönlichen Verkehrs mit dem Vater nicht befragt, obschon eine Anhörung ausdrücklich verlangt worden war. Die Anhörung durch den Richter oder die Anhörung durch eine beauftragte Drittperson stehen auf gleicher Stufe; für eine Anhörung durch den urteilenden Richter spricht die Unmittelbarkeit, für die Anhörung durch eine beauftragte Fachperson die spezifische Ausbildung und Erfahrung. Von einer wiederholten Anhörung ist abzusehen, so das Bundesgericht, weil dadurch dem Kind eine unzumutbare Belastung zukommt. Allenfalls hat der Richter für seinen Entscheid auf die Ergebnisse der Anhörung durch eine Drittperson abzustellen, wobei auch ein Gutachten berücksichtigt werden kann, das in einem anderen Verfahren in Auftrag gegeben worden ist. Vorausgesetzt ist allerdings, dass es sich beim Dritten um eine unabhängige und

qualifizierte Fachperson handelt, welche das Kind zu den Entscheid relevanten Punkten beauftragt hat und das die Anhörung aktuell ist. Im Verfahren 133 III 553 hat das Gericht auf den Therapiebericht einer Jugendpsychologin sowie auf ein Schreiben des damaligen Erziehungsbeistandes verwiesen. Beide Dokumente vermochten jedoch eine Anhörung durch das Gericht nicht zu ersetzen, weshalb Art. 144 Abs. 2 ZGB verletzt war. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 23. September 2005 (BGE 5C.209/2005) festgehalten, dass das Kind im Alter von 11 Jahren bis 13 Jahren (mit der Entwicklung der sprachlichen Differenzierungs- und Abstraktionsfähigkeit) über die erforderliche Fähigkeit verfügt, selbst seine Anhörung zu verlangen. In einem Entscheid aus dem Jahre 2006 (BGE 5C.250/2005) ging es darum, dass zwei urteilsfähige Kinder (13-jährig bzw. 15-jährig) den Umgang mit ihrem Vater kategorisch ablehnten. Der Vater ging ins Exil, um für die FIS zu kämpfen. Das Bundesgericht erachtete, dass von der Erteilung eines Besuchsrechtes abzusehen sei; ein gegen den starken Widerstand der Kinder erzwungener Kontakt ist weder mit dem Zweck des Umgangsrechtes im Allgemeinen, noch mit dem Persönlichkeitsrecht der Kinder vereinbar. Zwar wäre der Kontakt mit dem Vater für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder wünschenswert; da die Kinder den Vater vorliegend aber seit 10 Jahren nicht mehr gesehen haben und ein Treffen mit diesem klar ablehnen, durfte davon abgesehen werden, zur Wiederaufnahme des Kontaktes ein begleitetes Besuchsrecht anzuordnen.

Es stellt sich die Frage, ob ein Kind anzuhören ist, wenn ein Gutachten erstellt wurde. Das Bundesgericht hat sich in einem Entscheid vom 28. September 2005 dahingehend geäussert, dass davon nicht die Rede sein kann. Der Umstand, dass ein Gutachten erstellt wird, befreit die Vormundschaftsbehörde nicht von ihrer Pflicht, das betroffene Kind anzuhören; die Anhörung lässt sich nicht einfach mit einer kinderpsychiatrischen Begutachtung gleichsetzen. Eine Anhörung durch den Beistand, der die Ausübung des Besuchsrechtes zu überwachen hat, genügt nicht. Hinsichtlich der Frage der Zuteilung der elterlichen Sorge ist ein Kind im Allgemeinen ab dem zwölften Altersjahr urteilsfähig. Bezüglich des Besuchsrechtes dürfte die Urteilsfähigkeit schon bei etwas jüngeren Kindern gegeben sein. Allerdings kann der ablehnenden Haltung eines Zehnjährigen nicht ausschlaggebendes Gewicht zukommen, zumal das Kind nicht abzuschätzen vermag, was der Abbruch des persönlichen Kontaktes mit seinem Vater mittel- und längerfristig für Folgen haben könnte (BGE 5C.293/2005 vom 06. April 2006). Das Kind kann grundsätzlich ab dem Alter von 6 Jahren angehört werden. Wird eine entsprechende Anhörung verlangt (entweder vom Kind selbst oder von einer der Parteien), so muss sie vorgenommen werden. Im Alter von 11 Jahren bis 13 Jahren verfügt das Kind über die erforderliche Urteilsfähigkeit, selbst seine Anhörung zu verlangen (BGE 5C.209/2005 vom 23. September 2005). Nachholen verpasster Besuchstage In einem Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahre 2002 (BGE 5P.10/2002) müssen nach herrschender Lehre Besuchstage in der Regel nicht nachgeholt werden, ausser der Betroffene konnte sie aus Gründen nicht beziehen, welche beim Inhaber der elterlichen Sorge oder Obhut liegen. In jedem Fall gilt es eine Akkumulation von Besuchstagen zu vermeiden, welche für das Kind schädlich sein könnte; es geht nicht darum, den Anspruch auf persönlichen Verkehr und dessen Verwirkli-

chung buchhalterisch genau zu berechnen, sondern darum, einen angemessenen Kontakt zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil zu sichern. Der Richter entscheidet letztlich nach freiem Ermessen, wobei das Besuchsrecht vorab den Interessen des Kindes zu dienen hat. Im genannten Entscheid beurteilte es das Bundesgericht als nicht willkürlich, die Kompensationstagen zu verweigern, welche der Vater versäumt hatte weil er beruflich in Genf abwesend war oder im Ausland weilte. Begleitetes Besuchsrecht In einem Entscheid aus dem Jahre 2005 (BGE 5C.250/2005) hielt das Bundesgericht dazu was folgt fest: Der Kontakt mit dem Vater sei für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder wünschenswert. Da die Kinder, welche 13- bzw. 15-jährig waren, den Vater vorliegend aber seit 10 Jahren nicht mehr gesehen haben, und ein Treffen mit diesem klar ablehnten, war es richtig, zur Wiederaufnahme des Kontaktes ein begleitetes Besuchsrecht anzuordnen. Gibt es ein Besuchsrecht des inhaftierten Vaters? Warum nicht. Vorliegend wurde es aber verneint (BGE 5C.93/2005). Das Bundesgericht entschied wie folgt: Der Entzug des Besuchsrechtes eines Vaters, der wegen mehrfacher Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 7 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, ist vorliegend zulässig. Zwar ist es wichtig, dass das Kind seinen Vater persönlich und nicht nur aus dem von der Mutter gezeichneten Negativbild kennt. Indessen vermag ein Fünfjähriger keine Beziehung zu seinem Vater aufzubauen, wenn er diesen bloss monatlich eine Stunde in der Strafanstalt besuchen kann. Zudem wäre auf Grund der Persönlichkeit des Vaters zu befürchten, dass dieser das Kind im Konflikt mit dessen Mutter zu instrumentalisieren sucht. Bei solchen Gegebenheiten könnte der Gefährdung des Kindeswohls auch durch eine besondere Ausgestaltung des persönlichen Verkehrs im Sinne einer Besuchsbegleitung in der Strafanstalt nicht wirksam begegnet werden.

Besuchsrecht und Unterhaltspflicht Das Verweigern jeglichen Kontaktes mit dem pflichtigen Elternteil durch das erwachsene Kind führt in der Regel zur Unzumutbarkeit der Unterhaltsleistung (BGE 129 III 375). Viele Elternteile vermischen das Recht auf persönlichen Verkehr mit der Unterhaltspflicht. Vor allem die Väter sind oft der Meinung, wenn sie den persönlichen Verkehr mit dem Kind nicht hätten, seien sie berechtigt, die Kinderalimente nicht zu bezahlen. Das Bundesgericht hat oft dazu gesagt, dass zwischen dem Recht auf persönlichen Verkehr und der Unterhaltspflicht kein Zusammenhang bestehe. Ein rechtmissbräuchliches Verhalten der Mutter oder des Kindes kann allerdings in Ausnahmefällen eine Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen, wenn zum Beispiel die finanziellen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners weit über der Norm liegen, dadurch die Inhaberin der elterlichen Sorge direkt begünstigt wird, diese aber ihrerseits ihre Pflichten schwerwiegend verletzt. Im Fall BGE 120 II 177 wurde ein solches pflichtwidriges Verhalten verneint. 18. Juni 2012/SG/ug Homepage: DasKindesrecht