Morphologie und Syntax (BA)



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Transkript:

Morphologie und Syntax (BA) Morphologie und Syntax: Kongruenz, Kasus, Status, Subkategorisierung PD Dr. Ralf Vogel Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Universität Bielefeld, SoSe 2007 Ralf.Vogel@Uni-Bielefeld.de 26.4.2007 1 / 51

Gliederung 1 Übungsaufgabe 3 2 Flexion 3 Kongruenz 4 Kasus 5 Verb-Status 6 Analytische Konstruktionen 7 Übungsaufgabe 4 2 / 51

Übungsaufgabe 3 Übungsaufgabe 3 (1) Betrachten Sie die beiden folgenden deutschen Flexions-Beispiele: Sg Pl Nom Tag e Gen es e Dat en Akk e Sg Pl 1.Pers. leg e en 2.Pers. st t 3.Pers. t en Welche Hinweise bekommen Sie hier für die Beurteilung, ob das Deutsche eine analytische, agglutinierende oder flektierende Sprache ist? 4 / 51

Übungsaufgabe 3 Übungsaufgabe 3 Die Flexionsform des Nomens, die wir hier sehen, nennt man auch Grundformflexion, und die des Verbs Stammflexion. Bei der Grundformflexion taucht die einfache unaffigierte Form selbst im Paradigma auf. Wenn man sich den Plural des Nomens betrachtet, fällt auf, dass man ein Plural-Affix, -e-, und ein Dativ-Affix, -n-, identifizieren kann. Parallel kann man das -s- im Singular als Genitiv ansehen. Man könnte also aufgrund dessen Deutsch als aglutinierende Sprache ansehen. Im Kontrast dazu ist das verbale Paradigma typisch für eine flektierende Sprache. 5 / 51

Übungsaufgabe 3 Übungsaufgabe 3 (2) Auch im Deutschen könnten Morphemschichten hilfreich sein, um Umlaut und Ablaut zu erfassen. a. Versuchen Sie, für Boot Bötchen eine Repräsentation zu entwerfen, die das Verkleinerungsmorphem so repräsentiert, dass der Umlaut mit erfasst wird! b. Versuchen Sie das Gleiche für den Ablaut singen sang! 6 / 51

Übungsaufgabe 3 Übungsaufgabe Ó Ø 3 M Ò C V C C V C [+vorne] Ø M Ò C V C C V C [+vorne] M M 7 / 51

Übungsaufgabe 3 Æ M Übungsaufgabe 3 C V C M Die einfache Vergangenheit bei sing sang lässt sich, wenn man möchte, parallel zu arabischen Binyanim ableiten. Der Vokal bestimmt die Tempusflexion. 8 / 51

Übungsaufgabe 3 Morphologie und Syntax Wir haben gesehen, dass das Deutsche morphologisch relativ reichhaltig ist. Verben, Nomen und Adjektive werden nach mehreren Kategorien flektiert. Wir werden heute betrachten, unter welchen Umständen die Gestalt von Wörtern, insbesondere ihre Flexion, von anderen Wörtern abhängt. Das betrifft im Deutschen insbesondere die Phänomene der Kongruenz, der Kasus-Selektion und des verbalen Status. 9 / 51

Flexion Flexion Wir haben festgestellt, dass im Deutschen neben Funktionswörtern wie Hilfsverben, Pronomen und Artikel drei lexikalische Wortarten flektiert werden: 1 Nomen (der Ball, des Balles, dem Ball, den Ball... ) 2 Adjektive (alter Wein, alten Weines, altem Wein, alten Wein... ) 3 Verb (ich singe, du singst, er/sie/es singt... ) Nomen, Adjektive, Pronomen und Artikel werden nach folgenden Flexionskategorien flektiert: Genus Numerus Kasus Bei Nomen ist das Genus lexikalisch festgelegt. Der Numerus eines Nomens ergibt sich in der Regel durch die Bedeutung, die ausgedrückt werden soll. Der Kasus wird über den syntaktischen Kontext bestimmt. Adjektive und Artikel richten sich in allen drei Kategorien nach dem Nomen, zu dem sie gehören. Das nennen wir Kongruenz (englisch: agreement ). 11 / 51

Flexion Nomen-Flexion ein Beispiel Das Genus des Nomens Ball ist lexikalisch auf Maskulinum festgelegt: (1) der Ball, *das Ball, *die Ball Der Numerus kann bei den meisten Nomen variieren: (2) Singular Plural a. Ball Bälle b. Fleisch *Fleische,*Fleischs,*Fleischen c. *Leut Leute Ausnahmen sind Massennomen wie Fleisch, Holz, Wasser, die nur im Singular erscheinen, oder Nomen wie Leute, die nur im Plural existieren. Diese Einschränkungen lassen sich aber über die Bedeutung der Nomen verstehen. 12 / 51

Flexion Nomen-Flexion ein Beispiel Welchen Kasus ein Nomen hat, bestimmt sich über den syntaktischen Kontext. (3) Nominativ Der Bauer lachte (*des/*dem/*den Bauern) Genitiv Der Hund des Nachbarn bellte (*der/*dem/*den Nachbar(n)) Dativ Maria folgte dem Gastgeber (*der/*des/*den Gastgeber(s)) Akkusativ Der Gläubige besuchte den Papst (*der/*dem/*des Papst(es)) Präpositionen verlangen oft einen bestimmten Kasus, oder variieren semantisch mit verschiedenen Kasus: (4) a. zu diesem/*diesen Ort Dativ/*Akkusativ b. durch diesen/*diesem Ort Akkusativ/*Dativ c. an diesem Ort Dativ: Position d. an diesen Ort Akkusativ: Richtung 13 / 51

Flexion Nomen-Flexion Kasus Wie wir bereits gesehen haben, ist die Flexions-Morphologie von Nomen eher spärlich: Tabelle 1: Nominale Flexionsparadigmen des Deutschen, nach Sternefeld (2006) Die Flexionsmorpologie der Nomen unterscheidet insbesondere nicht eindeutig zwischen den Kasus. 14 / 51

Flexion Nomen-Flexion Kasus Oft kann im Deutschen der Kasus nur mithilfe von Artikeln ( der/die/das, ein/eine ) oder Artikelwörtern ( dies-/jen-/kein- etc.) bestimmt werden. (5) a. der Ball, des Balles, dem Ball, den Ball b. ein Ball, eines Balles, einem Ball, einen Ball c. dieser Ball, dieses/n Balles, diesem Ball, diesen Ball Bei Abwesenheit eines Artikels oder Artikelworts übernimmt auch ein Adjektiv diese Funktion: (6) alter Käse, alten/*altes Käses, altem Käse, alten Käse Zu beachten ist der Unterschied zwischen Artikel(wort) und Adjektiv im Genitiv. Der Genitiv ist der einzige Kasus, der im Maskulinum Singular zumeist auch am Nomen erkennbar ist. 15 / 51

Kongruenz Kongruenz in Nominalphrasen Artikel, Artikelwort und Adjektiv kongruieren mit dem Nomen in Kasus, Numerus und Genus: (7) a. Ich habe von dem frischen Bier getrunken. b. Ich habe vielen alten Leuten geholfen. Man drückt dies auch in Form von Merkmalen aus. Die nominalen Flexionsmorpheme realisieren bestimmte Merkmalskombinationen. -en steht hier für <Kasus=Dativ,Numerus=Plural>. Genus wird im Plural nicht unterschieden. Diese Merkmalskombination wird von den kongruierenden Elementen Artikel(wort), Adjektive übernommen. Kongruenz ist eine syntaktische Relation. Die morphologische Gestalt eines Wortes hängt von der eines anderen Wortes ab, wenn die beiden in einer bestimmten syntaktischen KOnfiguration stehen. 17 / 51

Kongruenz Kongruenz in Nominalphrasen Die syntaktische Konfiguration, um die es hier geht, besteht darin, dass Artikel(wort), Adjektiv und Nomen eine Nominalphrase bilden: (8) von [ NP dem frischen Bier] Beispielsweise kann der definite Artikel in (9) nur mit Bier kongruieren, nicht aber mit Sängerin. (9) Eine Sängerin hat von dem/*der/*die frischen Bier getrunken. 18 / 51

Kongruenz Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb Neben der Kongruenz innerhalb von Nominalphrasen gibt es die Kongruenz zwischen dem finiten Verb und dem Subjekt eines Satzes. (10) a. Ich habe Migräne. b. Du hast Migräne. Das Subjekt eines Satzes steht im Deutschen im Nominativ. So gut wie jeder Satz im Deutschen muss ein Subjekt haben. In manchen Fällen, bspw. bei Wetter-Verben, haben wir nur ein sogenanntes expletives Subjekt, das Pronomen es, das Kongruenz in der 3. Person Singular am Verb auslöst. Auch bei italienischen Wetter-Verben wird das Verb in der 3.Person Singular flektiert, obwohl kein Expletivum erscheint: (11) a. Es regnet/schneit/hagelt. b. piove regnet-3sg es regnet (Italienisch) 19 / 51

Kongruenz Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb Kongruenz in der 3. Person Singular finden wir auch bei Nebensätzen, die als Subjekt fungieren (12-a). Unpersönliche Passive kommen sogar ohne Subjekt aus. Auch hier flektiert das Verb in der 3.Person (12-b). (12) a. Dass es regnet, stört mich. b. Hier wird nicht gelacht. 3.Person Singular ist in vielen Sprachen die Standardflexion (englisch: default ) für das Verb, wenn kein Subjekt zur Verfügung steht, das die nominalen Merkmale für die verbale Kongruenzflexion vorgibt. Auch dieses Kongruenz-Phänomen, die Subjekt-Verb-Kongruenz, unterliegt also einer syntaktischen Bedingung: Das Verb übernimmt die Merkmalsspezifizierung für Numerus und Person vom Subjekt des Satzes. 20 / 51

Kongruenz Kasus-Kongruenz bei Nomen Ein dritter Fall von Kongruenz ist im Deutschen die Kasus-Kongruenz eines Nomens. Sie lässt sich in zwei Arten von Konstruktionen beobachten: (13) In einer Präpositionalphrase mit als, z.b. bei komparativen Adjektiven: a. Der Polizist ist grösser als der Demonstrant. (Nominativ) b. Auf Usedom trifft man einen Dichter öfter als einen Maler. (Akkusativ) (14) Als Prädikatsnomen, bspw. bei Verben wie nennen : a. Sie nannte ihn einen Verräter. (Akkusativ) b. Er wurde von ihr ein Verräter genannt. (Nominativ) Auch die Kasus-Kongruenz bei Nomen ist also auf bestimmte syntaktische Konfigurationen beschränkt. 21 / 51

Kongruenz Kongruenz bei Pronomen Pronomen kongruieren in Numerus und Genus mit ihrem Bezugsnomen: (15) Personalpronomen: Das ist Peter. Ich kenne ihn/*sie seit unserer Jugend. (16) Relativ-Pronomen: Das ist der Mann, den ich seit unserer Jugend kenne. Man spricht bei Personalpronomen auch von Bindung des Pronomens durch sein Bezugsnomen. Binder und Pronomen müssen dabei nicht unbedingt in einer syntaktischen Relation, bspw. im selben Satz, stehen. 22 / 51

Kongruenz Kongruenz bei Pronomen Ein interessanter Unterschied zwischen Personalpronomen und Relativ-Pronomen lässt sich für das Bezugsnomen Mädchen beobachten: (17) a. Relativsatz: Das Mädchen, das/*die ich kenne... b. Das Mädchen steht dort. Es/Sie ist nett. Für das Personalpronomen kann entweder das grammatische (Neutrum) oder das semantische (Femininum) Genus verwendet werden. Das Relativpronomen muss das grammatische Genus verwenden. Das hängt damit zusammen, dass beim Relativ-Pronomen in (17-a) Binder und Pronomen im selben Satz stehen, während Binder und Personalpronomen in (17-b) in verschiedenen Sätzen stehen. 23 / 51

Kongruenz Kongruenz bei Possessiv-Pronomen Ein interessanter Fall sind Possessiv-Pronomen (besitzanzeigende Pronomen). Ihr Wortstamm kongruiert in Genus und Numerus mit ihrem Binder. Ihr Flektionssuffix richtet sich in Kasus, Numerus und Genus nach dem Kopfnomen ihrer Nominalphrase: (18) Das ist Peter. Ich habe seine Bücher gelesen. 24 / 51

Kongruenz Kongruenz Zusammenfassung Fassen wir die vier betrachteten Kongruenz-Relationen zusammen. kongruierendes Element Kategorie Merkmalsquelle Adjektiv, Artikel(wort) Genus, Numerus Kopfnomen der NP finites Verb Person,Numerus Subjekt Prädikatsnomen Kasus modifiziertes Nomen Pronomen Numerus, Genus Binder Tabelle 2: Kongruenz-Relationen im Deutschen 25 / 51

Kasus Kasus Der Kasus einer Nominalphrase wird von ihrem syntaktischen Kontext bestimmt. Kasus wird an eine Nominalphrase zugewiesen. Als Kasuszuweiser können Verben, Präpositionen, Adjektive und Nomen fungieren. (19) Kasuszuweisung durch eine Präposition: a. Wir liefen zu dem Feld. b. Sie sprang durch den Reifen. zu weist Dativ zu, durch Akkusativ. (20) Kasuszuweisung durch ein Nomen: a. Peters Auto b. Die Eroberung Trojas Innerhalb einer Nominalphrase wird Genitiv vom Kopf der Nominalphrase (hier: Auto, Eroberung ) zugewiesen. 27 / 51

Kasus Kasus (21) Kasuszuweisung durch ein Adjektiv: ein seiner Frau treuer Ehemann Adjektive wie treu weisen Dativ an ihre nominale Ergänzung zu. Eine Nominalphrase im Nominativ ist im Deutschen obligatorisch, wenn ein finites, also für Person, Numerus und Tempus flektiertes Verb vorhanden ist: (22) Kasuszuweisung durch ein finites Verb: a. Es regnet. b. Er/*ihm/*ihn lachte. Bevor wir die weiteren Kasus-Relationen bei Verben betrachten, beschäftigen wir uns noch mit zwei für die Analyse wichtigen theoretischen Konzepten, grammatischen Funktionen und syntaktischen Kategorien. 28 / 51

Kasus Grammatische Funktionen Mit grammatischen Funktionen bezeichnen wir die Rollen, die einzelne Satzteile oder Satzglieder in einem Satz übernehmen. Eine Funktion, die wir bereits kennengelernt haben, ist das Subjekt. Subjekt Ein Subjekt steht im Deutschen im Nominativ. Wir unterscheiden mehrere Typen von Objekten: Akkusativ-Objekt Ein Akkusativ-Objekt steht im Akkusativ. Dativ-Objekt Ein Dativ-Objekt steht im Dativ. Genitiv-Objekt Ein Genitiv-Objekt steht im Genitiv. Präpositional-Objekt Ein Präpositional-Objekt wird mit einer Präposition eingeleitet. 29 / 51

Kasus Grammatische Funktionen Einige Beispiele: (23) a. Akkusativ-Objekt: Maria fuhr einen BMW. b. Dativ-Objekt: Peter folgte einem Audi. c. Genitiv-Objekt: Er entledigte sich seiner Pflichten. d. Präpositional-Objekt: Er kämpfte mit einem Löwen. Welcher Objekt-Kasus erscheint, wird durch das verwendete Verb bestimmt. (24) a. *Maria fuhr einem BMW. b. *Peter folgte eines Audis. c. *Er entledigte sich seine Pflichten. Auch die Präposition von Präpositional-Objekten kann durch das Verb verlangt sein: (25) Wir warteten auf/*für/*von den Zug. 30 / 51

Kasus Syntaktische Kategorien Die Wörter sind die Grundbausteine eines Satzes. Wir haben bereits drei lexikalische Wortklassen anhand ihrer morphologischen Eigenschaften unterschieden: Nomen, Adjektive und Verben. Als vierte Klasse kommen die morphologisch uninteressanten Präpositionen hinzu: in, an, auf, für, mit,... Dies sind die wichtigsten syntaktischen Kategorien. Sie bilden die syntaktisch wichtigsten Phrasentypen NP, VP, PP, AP. (für Nominal-, Verb-, Präpositional- und Adjektiv-Phrase) Funktionswörter wie Artikel und Konjunktionen bilden eigene Kategorien. Pronomen werden kategorial zu den Nomen gezählt. Hilfs- (sein, haben, werden... bei analytischen Zeitformen) und Modal-Verben (sollen, müssen, können... ) werden zunächst einmal als Verben klassifiziert. 31 / 51

Kasus Subkategorisierung Wie bereits gesehen, unterscheiden sich Verben voneinander u.a. darin, welche Objekt-Typen sie verlangen. Anhand dieser unterschiedlichen Selektionseigenschaften unterteilen wir die Kategorie der Verben noch einmal in mehrere Unterkategorien ( Sub-Kategorien ) oder Verb-Klassen. Eine gebräuchliche Unterteilung ist die in intransitive, transitive und ditransitive Verben. Intransitive Verben selegieren lediglich eine Ergänzung, die in der Regel als Subjekt des Satzes erscheint. (26) Intransitive Verben: Die Lehrerin hustete/lachte/spielte/sang... 32 / 51

Kasus Subkategorisierung Transitive Verben selegieren neben einem Subjekt noch ein Objekt, zumeist ein Akkusativ-Objekt. (27) Akkusativ-Objekt: Renate kaufte/fuhr/mietete... einen Toyota. (28) Dativ-Objekt: Holger half/gratulierte/dankte... seiner Freundin. (29) Genitiv-Objekt: Wir gedachten/erinnerten uns des ehemaligen Präsidenten. Meist werden die Akkusativ-selegierenden Verben als Standardfall von transitiven Verben angesehen. Diejenigen Verben, die Dativ oder Genitiv zuweisen, gelten als Ausnahmen. 33 / 51

Kasus Subkategorisierung Ditransitive Verben selegieren neben dem Subjekt noch ein Akkusativ-Objekt und ein Dativ-Objekt. (30) Ich gab/schenkte/schickte... das Buch der Studentin. Zumeist werden Verben, die zusätzliche PPn (und keinen Dativ) verlangen, hier nicht mitgezählt: (31) Ich versah die Tür mit einem Schloss. Die PP kann hier ncht weggelassen werden, und die Präposition darf nicht durch eine andere ersetzt werden. (32) a. *Ich versah die Tür / *Ich versah mit einem Schloss. b. *Ich versah die Tür aus/von/an einem Schloss. 34 / 51

Kasus Subkategorisierung Die Einteilung in intransitiv, transitiv, ditransitiv ist nur sehr grob. Sie berücksichtigt nicht, dass sich das Selektionsverhalten von Verben auf vielfältigste Weise ausdifferenziert. Man kann aber auch das unterschiedliche Selektionsverhalten in bezug auf Anzahl und Art der verlangten Ergänzungen von Verben als Grundlage für die Verbklassifizierung nehmen. So hat bspw. Levin (1993) für das Englische 183 Verb-Klassen festgestellt. Die von einem Verb selegierten Ergänzungen sind manchmal auch fakultativ. Auch dies kann als Unterscheidungskriterien für Verb-Klassen herangezogen werden. (33) a. Maria versorgte uns (mit Kuchen) b. Maria versah die Tür *(mit einem Schloss) Wenn wir in (33-b) die PP mit einem Schloss weglassen, ist der Satz nicht mehr akzeptabel. 35 / 51

Kasus Subkategorisierung Die Selektionseigenschaften von Verben werden im Lexikon einer Sprache festgehalten. Zur Wiederholung: Eine Sprache kann als ein System aufgefasst werden, das aus zwei Komponenten besteht: 1 Ein Lexikon, das die kleinsten Einheiten der Sprache, Morphe und Morpheme, mit ihren kategorialen Zuordnungen und Selektionseigenschaften auflistet. 2 Eine Grammatik, die die Regeln für die Kombination dieser Einheiten zu Wörtern (Morphologie) und Sätzen (Syntax) kodiert. Die Grammatik des Deutschen wird bspw. beinhalten, dass ein Verb im Allgemeinen mit einem Akkusativ-Objekt kombiniert werden kann. Im Lexikoneintrag des Verbs helfen wird aber festgehalten, dass dies für dieses Verb nicht gilt. 36 / 51

Kasus Subkategorisierung Eine Eigenschaft, in der sich im Deutschen die intransitiven Verben noch einmal voneinander unterscheiden, ist das Hilfsverb für die vollendeten Zeitformen. Verben wie kommen, gehen, sterben, laufen, folgen etc. verwenden das Verb sein, während ansonsten die meisten Verben haben verwenden. Das korreliert mit anderen Unterschieden: (34) a. Das Taxi traf soeben ein. b. Das Taxi ist soeben eingetroffen. c. Das soeben eingetroffene Taxi (35) a. Das Taxi hupte soeben. b. Das Taxi hat soeben gehupt. c. *Das soeben gehupte Taxi. 37 / 51

Kasus Subkategorisierung Bei Verben, die sein verwenden, lässt sich das Verb als partizipiales Adjektiv zu dem Subjekt des Verbs umformen. Ds geht bei Verben, die haben verwenden, ist diese Umformung nicht möglich. Bei transitiven Verben geht diese Umformung mit dem Akkusativ-Objekt: (36) a. Maria hat die Kinder beschenkt. (Kinder=Akkusativ-Objekt) b. Die beschenkten Kinder (37) a. Holger hat den Kindern Bücher geschenkt (Kinder=Dativ-Objekt) b. *Die geschenkten Kinder 38 / 51

Kasus Subkategorisierung Man nimmt augrund der beobachteten Gemeinsamkeiten mit Akkusativ-Objekten an, dass Subjekte von sein -selegierenden Verben quasi heimliche Objekte sind: eintreffen, gehen, kommen etc. haben also demnach kein Subjekt, sondern nur ein Objekt. Dass dieses Objekt trotzdem Nominativ bekommt, ist einer anderen Regel des Deutschen geschuldet: In jedem Satz muss eine NP mit Nominantiv stehen. Dies verschleiert den Unterschied zwischen den beiden Typen intransitiver Verben. Man kann sich dies auch so klarmachen, dass man das transitive Verb als Normalfall betrachtet und zum Ausgangspunkt nimmt. Um ein intransitives Verb zu bilden, hat man dann zwei Möglichkeiten: Man lässt das Subjekt weg ( gehen, kommen, eintreffen... ) Man lässt das Objekt weg ( lachen, husten, singen, hupen... ) 39 / 51

Verb-Status Verb-Status Verben kommen in finiter und infiniter Form vor. Das finite Verb ist die nach Person, Numerus, Tempus, Modus flektierte Form. Infinite Formen kommen im Deutschen in drei Varianten vor, die wir mit Bech (1957) auch Status nennen können: Infinitiv sing-en, lach-en, tanz-en etc. Partizip ge-sung-en, ge-lach-t, ge-tanz-t etc. zu-infinitiv zu singen, zu lachen, zu tanzen etc. Welchen Status eine Verb-Form annimmt, wird von anderen Verben bestimmt. Bei vollendeten Zeitformen haben wir das Partizip: (38) a. Maria hat/hatte gesungen. b. Sonja ist/war eingeschlafen. 41 / 51

Verb-Status Verb-Status Den Infinitiv eines Verbs finden wir bei unvollendenten Zeitformen wie dem Futur, sowie nach Modalverben: (39) a. Herbert wird singen (Futur) b. Herbert will/kann/darf singen (Modalverb) Der zu -Infinitiv wird von bestimmten, nicht allen, Verben selegiert. (40) a. Er begann zu singen. b. Er hat vorgeschlagen zu singen. c. Sie hat mir versprochen zu singen. d. *sie hat gesagt zu singen. 42 / 51

Verb-Status Morphologie und Syntax Wir haben drei syntaktisch, d.h. durch andere Elemente im engeren oder weiteren sprachlichen Kontext gesteuerte, morphologische Phänomene betrachtet: 1 die Kongruenz bei Adjektiven, Artikeln, finiten Verben und Pronomen, 2 die Kasus-Zuweisung an Nominal-Phrasen, 3 die Bestimmung des Verb-Status. Bei Kongruenz übernehmen die kongruierenden Elemente Eigenschaften eines Nomens. Bei Kasus-Zuweisung richten sich Nominalphrasen nach den Selektions-Forderungen ihrer Kasuszuweiser. Der Verb-Status wird von Hilfs- und Modalverben (Infinitiv, Partizip) bzw. lexikalischen Verben (zu-infinitiv) bestimmt. 43 / 51

Analytische Konstruktionen Lücken im Flexionsparadigma Wir haben zwischen inhärenter Flexion und Kongruenzflexion unterschieden. Die inhärenten Flexionsmerkmale, die uns hier interessieren, sind... beim Nomen Kasus, beim Verb Tempus, beim Adjektiv Komparation. Kann es vorkommen, dass eine bestimmte Flexion nicht möglich ist, und was passiert dann? Typischerweise beobachten wir in solchen Fällen den Wechsel von einer flektierenden zu einer analytischen Konstruktionsweise. D.h., wenn ein Morphem fehlt, wird es durch ein Funktionswort ersetzt. 45 / 51

Analytische Konstruktionen Komparation bei englischen Adjektiven Ein gutes Beispiel ist die Komparation im Englischen. Das Suffix -er ist nur bei ein- oder zweisilbigen Adjektiven möglich: (41) a. fast-er b. easi-er c. *intelligent-er Dies hat womöglich phonologische oder einfach historische Gründe. Um mit Adjektiven wie intelligent einen Komparativ zu bilden, wird dann ein Funktionswort verwendet: (42) more intelligent Im Deutschen haben wir so eine Beschränkung nicht: (43) klein-er, lustig-er, intelligent-er 46 / 51

Analytische Konstruktionen Lücken im Flexionsparadigma Aber auch im Deutschen wird, wie im Englischen, die analytische Methode gewählt, wenn ein entsprechendes Suffix nicht zur Verfügung steht. Ein Beispiel ist die negative Komparation: (44) a. lustig, weniger lustig, am wenigsten lustig b. funny, less funny, the least funny Häufig wird auch angenommen, dass Präpositionen Kasusmorpheme ersetzen. So kann man in den folgenden englischen Beispielen to als Realisierung des Dativ und of als Realisierung des Genitiv auffassen: (45) a. John gave the book to Mary. b. The car of my parents is old. In analytischen Sprachen wie bspw. dem Japanischen lässt sich ein Unterschied zwischen Kasus und Präposition nicht gut ziehen, da beide freie Morpheme sind, die einer Nominalphrase nachgestellt werden. 47 / 51

Analytische Konstruktionen Lücken im Flexionsparadigma Auch für die Tempus-Flexion des Verbs kennen wir solche analytischen Konstruktionen. Im Englischen gibt es den sogenannten do -support: Unter speziellen syntaktischen Bedingungen muss das Tempus mittels des Verbs to do ausgedrückt werden. (46) a. John went home. b. John did nt go home. (Negation) c. Where did John go? (Nicht-Subjekt-Frage) Wenn ein Verb aus Gründen der Informationsstrukturierung im Satz vorangestellt werden soll, müssen wir dies auch im Deutschen so konstruieren: (47) Schlafen tut das Baby immer noch nicht. 48 / 51

Analytische Konstruktionen Lücken im Flexionsparadigma Auch die Kongruenzflexion kennt solche Reparaturen mittels zusätzlicher Funktionswörter. Ein Beispiel sind Relativpronomen. Was uns normalerweise nicht auffällt, ist, dass diese nur in der 3.Person existieren. Wenn wir für einen Relativsatz ein Bezugsnomen in der ersten oder zweiten Person nehmen, bekomen wir Probleme: (48) a. *Du, der hier wohnt, kannst das nicht beurteilen. b. *Du, der hier wohnst, kannst das nicht beurteilen. c. Du, der du hier wohnst, kannst das nicht beurteilen. Diese Konstruktion ist im Normalfall nicht zulässig: (49) *Peter, der er hier wohnt, kann das nicht beurteilen. 49 / 51

Übungsaufgabe 4 Übungsaufgabe 4 Worin besteht die Selektionsregularität bei dem Verb in folgenden Sätzen? (50) a. Maria hat sich mit Peter getroffen b. Maria und Peter haben sich getroffen c. *Maria hat sich getroffen (im selben Sinne wie in a. und b.) Werden der Dativ und die PP in folgenden Sätzen vom Verb selegiert? (51) a. Maria spuckte dem Peter über die Schulter. b. Holger backte der Oma einen Kuchen. (52) a. Peter ging mit Olga ins Kino. b. Holger erschlug die Fliege mit der Zeitung. 51 / 51