Verbreitung. Verständnis von Geistiger Behinderung (speziell in Abgrenzung zur so genannten Lernbehinderung) = europaweit uneinheitlich

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Transkript:

Verbreitung Verständnis von Geistiger Behinderung (speziell in Abgrenzung zur so genannten Lernbehinderung) = europaweit uneinheitlich Prävalenzrate von 0,43% = 350.000 Menschen in der BRD mit dem Etikett Geistige Behinderung (Thimm, 2002)

Statistische Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz (2005): Sonderpädagogische Förderung in Schulen von 1994 bis 2003 Förderschwerpunkte Lernen Sehen Hören Sprache Körperliche und motorische Entwicklung Geistige Entwicklung Emotionale und soziale Entwicklung Förderschwerpunkt übergreifend bzw. ohne Zuordnung Kranke Insgesamt Schüler (Anzahl) 228.912 4.736 11.013 35.883 22.937 70.286 30.523 15.359 9.676 429.325 Sonderschulbesuchsquote (in Prozent) 2,58 0,05 0,12 0,40 0,26 0,79 0,34 0,17 0,11 4,84

Ursachen Medizinische Diagnostik fokussiert Funktionen und Strukturen des Gehirns als mögliche Ursache einer Geistigen Behinderung Die Geistige Behinderung selbst ist nicht mit medizinischen Mitteln im engeren Sinne zu erfassen (Seidel, 2006, S. 166) Es kommt deshalb darauf an, in Art einer Bestandsaufnahme Stärken und Schwächen zu bestimmen (Mehrfachbehinderung) und organischbiologische und psycho-soziale Grundlagen für erforderliche Behandlungsmaßnahmen zu schaffen. Durch frühzeitiges Erkennen einer Behinderung kann manchen Folgen wirksam begegnet werden (Neuhäuser & Steinhausen 2002, S. 82)

1. Pränatale Ursachen: a) Genmutationen (Stoffwechselstörungen, dominant vererbte Genmutationen, x-chromosomal gebundene Störungen) b) Fehlentwicklungen durch multiple Einflüsse (z.b. Angelman- Syndrom, Cornelia-de-Lange-Syndrom) c) Fehlbildungen des Nervensystems (Makro- oder Mikrozephalien) d) Chromosomenanomalien (z.b. Trisomie, Katzenschrei- Syndrom) e) Exogene Einflüsse (z.b. Infektionen, chemische Einwirkungen, Strahlen)

2. Perinatale Ursachen: Geburtstraumen (Verletzungen des Gehirns während der Geburt), hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (Sauerstoffmangelversorgung), Frühgeburt (unreife Organentwicklung), Erkrankungen des Neugeborenen (z.b. Atemstörungen, neonatale Meningitis) 3. Postnatale Ursachen: Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems wie Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Gehirnentzündung (Enzephalitis), Schädel-Hirn-Traumen (Hirnverletzungen durch Unfälle oder Gewalteinwirkung), Hirntumore, Intoxikationen (Hirnschädigungen durch Vergiftungen), Hypoxien (Sauerstoffmängel), Stoffwechselkrisen

Definitionen von Geistiger Behinderung Geistige Behinderung ist ein Etikett, das Menschen auferlegt wird, die angesichts spezifischer Beeinträchtigungen auf kognitiver, motorischer, sensorischer, emotionaler, sozialer und aktionaler Ebene und darauf abgestimmter Bewältigungsstrategien einen entsprechenden ressourcenorientierten Unterstützungsbedarf (...) zur Verwirklichung der Grundphänomene menschlichen Lebens benötigen, der von lebensweltbezogenen Maßnahmen (...) nicht losgelöst betrachtet werden darf. (Theunissen 2000, S. 43)

Kognitionspsychologische Modelle Geistige Behinderung ist gekennzeichnet durch Schwierigkeiten, Zusammenhänge und Ordnungen in der Umwelt und in sozialen Beziehungen zu verstehen und das eigene Verhalten dementsprechend zu planen (Sarimski, 2001, S. 45) Menschen mit geistiger Behinderung wird eine geringere Anzahl von relativ schwach ausgeprägten Intelligenzfaktoren zugesprochen (Meyer, 2000, S. 65)

Klassifikation nach ICD-10 Leichte Intelligenzminderung Mittelgradige Intelligenzminderung Schwere Intelligenzminderung Schwerste Intelligenzminderung IQ-Werte IQ 50-69 IQ 35-49 IQ 20-34 IQ < 20 Anteil (aller Menschen mit geistiger Behinderung) 80% 12% 7% 1% Behinderungsgrad Mäßig Schwer Sehr schwer IQ-Bereich 36-52 20-35 < 20 IQ-bezogene Sichtweise = äußerst fragwürdig, da der pädagogische Aussagewert gering ist!!!

Einführung des Doppelkriteriums durch die AAMR: Mental retardation is a disability characterized by significant limitations both in intellectual functioning and in adaptive behavior as expressed in conceptual, social and practical adaptive skills. This disability originates before age 18 (AAMR, 2006) schwierige diagnostische Absicherung

Definitionen von Geistiger Behinderung Es gibt Menschen, die wir aufgrund unserer Wahrnehmung ihrer menschlichen Tätigkeit, im Spiegel der Normen, in dem wir sie sehen, einem Personenkreis zuordnen, den wir als geistigbehindert bezeichnen. (Feuser, 1996, S. 18) Geistige Behinderung gibt es nicht!?

Fragen zum Text Geistigbehinderte gibt es nicht! von Georg Feuser: 1. Versuchen sie, die Aussagen von G. Feuser kurz in eigenen Worten zusammen zu fassen. 2. Wie würde G. Feuser Ihrer Ansicht nach zum Begriff und zum Konstrukt der Andersartigkeit stehen? 3. Welche konkreten Auswirkungen hat/hätte die Theorie von G. Feuser in der Praxis?