Softwareunterstützung bei der Modellbildung Rüdiger Kessel Metrodata GmbH
Inhalt Einführung Modellierung im industriellen Alltag Modellierungsmethode: Messprozessmodell Graphische Elemente zur Modellierung Vorgehensweise zur Erstellung des Prozessmodells Beispiel: Endmaßprüfung Aufstellen eines Prozessmodells Softwareunterstützung Nutzung von Expertenwissen Zusammenfassung 2
Einführung In der industriellen Praxis dienen Messergebnisse als Basis für Entscheidungen mit teilweise erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Die Messunsicherheit des Ergebnisses beschreibt dabei, wie verlässlich die gewonnene Information ist. Seit 20 Jahren steht ein einheitlicher Leitfaden für die Ermittlung der Messunsicherheit (GUM) zu Verfügung. In der industriellen Praxis bestehen jedoch weiterhin erhebliche Schwierigkeiten, die Messunsicherheit anzugeben. Die vorhandenen Leitfäden beschreiben in erster Linie die Rechentechniken und gehen zu wenig auf die Modellierung ein. 3
Modellierung im industriellen Alltag Unterstützungsbedarf bei der Modellierung Mitarbeiter im Messraum verfügen typischerweise über umfangreiches Wissen über die Abläufe der Messungen. Kenntnisse über statistische und mathematische Methoden sind deutlich geringer ausgeprägt. Relevantes Wissen liegt bei erfahrenen Messtechnikern teilweise nur in impliziter Form vor. Spezifische Schwierigkeiten der Modellierung in der Industrie Messungen werden im Arbeitsalltag im Hinblick auf die Handlungsabläufe betrachtet. Für die Messunsicherheitsanalyse ist aber eine systemorientierte Sichtweise notwendig. Physische Komponenten des Messsystems werden als Ganzes als eine Art Black Box betrachtet. Oft sind die genauen physikalischen bzw. mathematischen Zusammenhänge des Wirkmechanismus unbekannt. 4
Modellierungsmethode: Messprozessmodell (Messkette) Realer Messprozess Viele nachrangige Details Wirkungen nicht klar erkennbar Messprozessmodell (Ursache Wirkungskette) U x Voltmeter U anz Beschreibung der Wirkungen Auf die messtechnischen Fakten reduziert
Graphische Elemente zur Modellierung von Messprozessen Symbol Element Beschreibung Y Quellengröße Quellengrößen sind die Haupteinflussgrößen, die normalerweise Ziel der Messung sind. X IND X IND X Y sqrt() Name ID X 1 X 2 X 3 Beschreibung Y 1 Y 2 Verknüpfung Anzeige Einflussgröße Ausgangsgröße Mathematische Funktion Unterprozess (Teilprozess) Bei der Verknüpfung der Größen wird angegeben, wie die Größen miteinander operieren (Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division. Das Anzeigeelement kombiniert die angezeigte Ausgangsgröße (des Prozesses) mit der Einflussgröße für die Auflösung. Die Einflussgrößen sind die Eingangsgrößen des Messprozesses. Die Ausgangsgrößen sind das Ergebnis des Prozesses. Eine spezielle Form der Ausgangsgröße ist die Anzeige. Dieses Element unterstützt mathematische Standardfunktionen mit einem Eingang und einem Ausgang, Der Unterprozess repräsentiert einen Teilprozess, der in einem separaten Prozessdiagramm modelliert wird. Es sind die Ein- und Ausgänge sowie eine Beschreibung des Teilprozesses angegeben. Substitution Die Substitution wird verwendet, wenn bei der Messung zwei Quellen verglichen werden. 6
Vorgehensweise zur Erstellung des Prozessmodells Es gibt grundsätzlich zwei Vorgehensweisen, um zu einem Prozessmodell zu kommen: Von der Struktur zu Details (Top-Down): Zunächst wird die übergeordnete Prozessstruktur erfasst, die dann über die Beschreibung der definierten Teilprozesse immer weiter detailliert wird. Von den Details zur Struktur (Bottom-Up): Zunächst werden Teilprozesse mit den zugehörigen Einzelheiten beschrieben, die dann zur Beschreibung eines kompletten Systems oder Prozesses geeignet kombiniert werden. 7
Beispiel: Endmaßprüfung I SRC S - Endmaß TRANS S - Messuhr Nullen IND - Messuhr SRC X - Werkstück TRANS X - Messung WS Darstellung der Endmaßprüfung im Überblick 8
Beispiel: Endmaßprüfung II SRC S - Endmaß TRANS S - Messuhr Nullen Endmaß Keramikendmaß Toleranzklasse I ES Positionieren PoS Nullen N Positionieren und Antasten mit Messuhr Nullpunkt setzen Messuhr L L 1 L 2 L 1 L 2 IND - Messuhr Anzeige Messuhr L Differenz Werkstück - Endmaß AM SRC X - Werkstück Werkstück Material Form WX L TRANS X - Messung WS Positionieren Positionieren und Antasten mit Messuhr PoX L 1 L 2 Darstellung der Endmaßprüfung mit Details zum Messablauf 9
Beispiel: Endmaßprüfung III Name: Endmaß ID: ES Name: Positionieren ID: PoX L Endmaß L L 1 Handling Erwärmung L 2 L.Temp.ES L.Kal.ES PoX t PoX h UP.PoX Beschreibung: Keramikendmaß Toleranzklasse I Beschreibung: Positionieren und Antasten mit Messuhr Name: Null ID: NUL Name: Anzeige Messuhr ID: AM L 1 L 2 L h ind h Res h NP.NUL h PMÜ.AM h MPE.AM Beschreibung: Nullpunkt setzen Messuhr Beschreibung: Differenz Werkstück - Endmaß Details der Prozesskomponenten für die Endmaßprüfung 10
Aufstellen eines Prozessmodells Die Beschreibung eines Systems erfolgt in folgenden gedanklichen Schritten, die parallel oder iterativ ausgeführt werden können: Beschreibung der grundsätzlichen Methode der Messung, d. h. direkte oder indirekte Messung und Erfassung der Werte über Ausschlag-, Differenz-, Substitutions- oder Kompensationsmethode Beschreibung des groben Ablaufs durch Eingangs- und Ausgangsgrößen sowie Prozessbausteine, mit denen diese verknüpft werden Detailbeschreibung der einzelnen Prozessbausteine durch die relevanten physikalischen Größen und deren Verknüpfung Analyse der dargestellten Prozesse und Ergänzung von Einflussgrößen auf den Prozess, die zu einer Abweichung von der idealen Messung führen Mathematische Beschreibung der Zusammenhänge der verschiedenen Größen 11
Softwareunterstützung Graphischer Eigenschafts- Editor Editor Diagramm-Daten Graphische Elemente Verbindungs- Liste Analyse Tool Interface Modul (OLE) MU Rechner Laden und Speichern Komponenten Bibliothek Algebra Tool (CAS) Datei Datenbank Strukturdiagramm eines Software-Systems zur Unterstützung der graphischen Modellbildung 12
Konsistenzprüfung Ein vollständiges Prozessmodell muss folgende Anforderungen erfüllen: Alle Ein- und Ausgänge müssen verbunden sein. Die Verbindungen dürfen keine Schleifen enthalten. Namen dürfen nur einmal verwendet werden. Verbindungen müssen hinsichtlich der angegeben Einheiten zusammenpassen. Die Anzahl der Messgrößen muss gleich der Anzahl der Anzeigen sein. 13
Nutzung von Expertenwissen für Komponenten Mathematische und statistische Kenntnisse werden hauptsächlich bei der Erstellung der Details zu den Prozesskomponenten benötigt. Damit ergibt sich eine Schnittstelle zwischen Experten, die die Komponenten entwickeln und Messtechnikern, die diese Komponenten in ihre Diagramme einbauen. Komponenten besitzen deshalb zwei Ansichten: Blockansicht zum Einbau in andere Diagramme. Detailansicht zum Erstellen der Funktion. Physikalische Instrumente können sinnvoll als Komponenten implementiert und z.b. vom Hersteller mitgeliefert werden. 14
Zusammenfassung Die Bestimmung und Analyse der Messunsicherheit nach GUM bietet für die industrielle Praxis viele wichtige Informationen. Als besonders problematisch gilt dabei die Aufstellung eines geeigneten Modells. Eine handlungsorientierte Beschreibung der Messung und die sukzessive Sammlung und Zuordnung von relevanten Informationen erleichtert die Modellierung. Die Modellierung von Messungen entlang der Ursache- Wirkungskette erlaubt die Wiederverwendung von vordefinierten Prozesskomponenten. Das beschriebene Konzept soll dazu beitragen, die Messunsicherheit stärker in die industrielle messtechnische Praxis zu integrieren. 15
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Danksagung: Besonderer Dank geht an Frau Teresa Werner für die Mitarbeit an diesem Konzept.