Alzheimer und Demenzen verstehen von Kompetenznetz Kompetenznetz Demenzen e.v 1. Auflage Alzheimer und Demenzen verstehen Kompetenznetz Demenzen e.v schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG MVS Medizinverlage Stuttgart 2009 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8304 3413 9 Inhaltsverzeichnis: Alzheimer und Demenzen verstehen Kompetenznetz Demenzen e.v
Nicht medikamentöse Therapien Nicht medikamentöse Therapien Zur Behandlung eines Demenzpatienten gehören nicht nur Medikamente, sondern es stehen auch zahlreiche nicht medikamentöse Therapieformen zur Verfügung, die speziell für dieses Krankheitsbild entwickelt wurden. Es geht darum, die vorhandenen Fähigkeiten zu nutzen und zu fördern, das Selbstwertgefühl und die Identität des Patienten zu stärken, die Lebensqualität, das Wohlbefinden und die Selbstständigkeit zu erhalten und das Alltagsleben für beide Seiten so harmonisch und störungsfrei wie möglich zu gestalten. Auch wenn viele Verfahren»Therapie«genannt werden, handelt es sich dennoch um Methoden, die für jeden Betreuer eines Demenzkranken hilfreich und auch erlernbar sind. Wie zum Beispiel Validationstherapie (siehe S. 112 ff.), Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET, siehe S. 115 ff.) Wir schildern hier die Grundzüge der Verfahren und bieten einige Beispiele, sodass Sie hoffentlich schon davon profitieren. Dennoch lohnt es sich auf jeden Fall, sich ausführlicher zu informieren und eventuell auch schulen zu lassen. Doch zunächst widmen wir uns der Frage, ob und wann Psychotherapie bei Demenz sinnvoll sein kann. TIPP Informieren Sie sich! Zur Behandlung gehört ebenfalls, dass sowohl der Patient als auch die Angehörigen umfassend aufgeklärt und informiert werden. Nutzen Sie die vielfältigen Beratungs- und Hilfsangebote, die die Alzheimer-Gesellschaften, Angehörigengruppen und weitere Stellen anbieten (siehe Service S. 177 ff.). Stellenweise gibt es auch Schulungsmöglichkeiten für bestimmte Therapie- und Umgangsformen bei der Betreuung Demenzkranker. 107
Therapie Psychotherapie für Demenzkranke? Grundlage jeder Psychotherapie ist, dass der Patient in der Lage ist, seine Situation und sein Verhalten zu reflektieren und zu ändern. Diese Fähigkeiten verliert der Betroffene im Erkrankungsverlauf. Dennoch kann vor allem im Anfangsstadium eine Gesprächspsychotherapie sinnvoll und hilfreich sein. Eine Psychotherapie kann beispielsweise dabei helfen, die Diagnose»Demenz«zu verarbeiten. Gesprächspsychotherapie Mit der Diagnose»Demenz«konfrontiert zu werden, ist sowohl für den Betroffenen als auch für die Angehörigen ein Schock. Viele Fragen und Ängste tauchen auf. Neben der ausführlichen Information über die Erkrankung und ihren Verlauf unterstützen auch ausführliche Gespräche über die veränderte Situation die Verarbeitung. Es ist sicherlich hilfreich, seine Fühler zunächst in viele Richtungen auszustrecken, um dann erst zu entscheiden, welche Hilfsangebote einem persönlich am besten entsprechen. Individuelle Gesprächspsychotherapie. Eine Option stellt eine individuelle Gesprächspsychotherapie dar, wobei der Psychotherapeut in der Behandlung von älteren Patienten erfahren sein und sich mit Demenzerkrankungen gut auskennen muss. Fragen, die man in diesem Rahmen bearbeiten könnte, wären z. B.: Welche Ängste und Befürchtungen belasten mich? Wie kann ich damit umgehen? Welche Lebensziele sind mir wichtig? Wie möchte ich die nächste Zeit dafür nutzen? Wie soll die nächste Zukunft aussehen? Was möchte ich für den weiteren Verlauf regeln (Betreuung, Pflege, Vollmachten)? Gibt es Ungeklärtes und Zwischenmenschliches, das ich gern klären würde? Welche Stärken zeichnen mich aus? Kann ich die zur Verarbeitung der Diagnose nutzen? 108 Zur psychotherapeutischen Behandlung einer Depression gibt es eigene Verfahren.
Nicht medikamentöse Therapien Gruppenpsychotherapie. Eine Gesprächsgruppe kann einen tröstenden und unterstützenden Charakter haben. Man ist nicht mehr allein mit der Erkrankung und dem damit verbundenen Schicksal. Demenz ist kein Tabu und nichts, wofür man sich schämen müsste. Gemeinsam wird dies tatsächlich erfahrbar. Der Selbstwert lässt sich so stärken, der Austausch mit den anderen Betroffenen wirkt entlastend. Diese Therapieform eignet sich natürlich nur, solange der Betroffene den Kontakt zur Realität nicht völlig verloren hat, also im Anfangs- oder mittleren Stadium der Demenz. Verhaltenstherapeutische Grundsätze Eine Verhaltenstherapie in dem Sinne, dass der Demenzkranke einsieht, welche seiner Verhaltensweisen nicht angemessen oder störend sind und aktiv ändert z. B. wiederkehrende Fragen, nächtliches Umherwandern, ist nicht möglich. Denn die Demenzerkrankung verursacht diese Verhaltensweisen. Verhaltenstherapeutische Grundsätze wendet aber jeder Betreuer an, der gewünschtes Verhalten positiv verstärkt, indem er den Betroffenen dafür lobt und ihn ermuntert, es wieder zu zeigen. Nicht erwünschtes Verhalten wird dagegen übergangen und ignoriert. Pflegende Angehörige profitieren von Verhaltenstherapien, die ihnen im Umgang mit dem Erkrankten helfen. Abläufe ritualisieren Ein weiteres Instrument aus der Verhaltenstherapie, das gerade den Umgang mit Demenzpatienten erleichtern kann, ist die Ritualisierung. Wenn bestimmte Handlungen immer auf die gleiche Art und Weise ablaufen, also zu einer Art Ritual werden, hilft das dem Betroffenen, sie zu akzeptieren oder eigenständig auszuführen. Ein gutes Beispiel ist die Körperpflege. Sowohl das selbstständige Durchführen als auch das Annehmen von Hilfe bei den notwendigen Verrichtungen ruft häufig Abwehr beim Demenzpatienten hervor. Ist der Ablauf immer gleich, kann sich der Betroffene besser darauf einstellen und besser erinnern. Auch eine feste Tagesstruktur wirkt stabilisierend. 109
Nicht medikamentöse Therapien Umgang mit nächtlicher Unruhe Auftretende Verhaltensprobleme können zum Teil auch gezielt durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen modifiziert werden, was am Beispiel Schlafstörungen gezeigt werden soll. TIPP Was tun bei Schlafstörungen? Demenzkranke sind häufig tagsüber müde und nachts unruhig und schlaflos. Das sind ebenfalls Krankheitsfolgen, die durch die zunehmende Hirnschädigung bedingt sind. Doch auch wenn man diese Symptome als gegeben hinnehmen muss, kann man dennoch gegensteuern, um sie abzumildern: Regelmäßige und ausreichende Bewegung am Tag fördert die Nachtruhe. Dabei spielen sowohl die körperliche Aktivität als auch das Tageslicht eine Rolle. Der Tag-Nacht-Rhythmus wird u. a. durch die Fluktuation des Hormons Melatonin geregelt, die nur richtig funktioniert, wenn man tagsüber genug»licht tankt«. Geregelte Schlafzeiten, die dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Unter Umständen sollte also die im Bett verbrachte Zeit reduziert werden. Man kann schlaffördernde Hausmittel nutzen, beispielsweise ein warmes Bad mit Lavendelöl, ein warmes Fußbad, eine warme Milch mit Honig oder ein anderes»gute-nacht-ritual«. Wenn Ihr eigener Nachtschlaf durch die Schlaflosigkeit Ihres demenzkranken Angehörigen, zu massiv gestört wird, sollten Sie sicherlich auch, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt, Möglichkeiten einer medikamentösen Behandlung in Erwägung ziehen. Allgemeines Vorgehen bei Verhaltensstörungen Generell sollte man bei Verhaltensstörungen zunächst versuchen, sie nicht medikamentös zu beheben oder zu lindern: Den Stressauslöser identifizieren und wenn möglich vermeiden. Die Situation als für den Patienten real anerkennen. Wenn er beispielsweise meint, von der Person im Fernsehen bedroht zu werden, sollte man von dieser Ausgangssituation versuchen, das Problem zu lösen. Die dahinterstehenden Ängste erkennen und Sicherheit vermitteln. Den Patienten ablenken. Für ausreichende Beschäftigung sorgen. 111