Prof. Dr. Thomas Schwartz Gut ist nicht richtig böse ist nicht falsch! Warum Wirtschafts-und Unternehmensethik in die Hochschulen gehört

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Transkript:

Prof. Dr. Thomas Schwartz Gut ist nicht richtig böse ist nicht falsch! Warum Wirtschafts-und Unternehmensethik in die Hochschulen gehört Vortrag im Rahmen der 69. Bundesdekanekonferenz Wirtschaftswissenschaften in Augsburg 1. Juni 2006, MAN-Museum

Wie bitte? Gut ist nicht richtig böse ist nicht falsch??? Gut und richtig, böse und falsch sind nicht zwangsläufig miteinander verbundene Begriffe. Sie beziehen sich auf ganz unterschiedliche Elemente des menschlichen Handelns bzw. einer menschlichen Handlung.

Bsp.: Das Robin Hood - Phänomen Das Objekt (der Gegenstand) einer menschlichen Handlung bezeichnet die erste und unmittelbare Wirkung, die eine Handlung hervorruft. Solche Wirkungen können u.a. sein: - Physische Veränderungen (Bsp. Diebstahl) - Biologische oder (Bsp. Tötung) - Psychische Wirkungen (Bsp. Lüge)

Bsp.: Das Robin Hood - Phänomen Das Ziel oder der Zweck ist der Grund, aus dem der Handelnde eine Handlung vollzieht. Er kann auch als die Wirkung bezeichnet werden, die der Handelnde subjektiv mit seinem Handeln anstrebt. Das Ziel ist für die sittliche Bewertung einer jeden menschlichen Handlung relevant. Es ist deshalb für die Beurteilung, ob eine Handlung, oder genauer: ein Handelnder gut oder böse ist, von größter Wichtigkeit.

Merke: Nur wenige Handlungen sind in sich betrachtet schlecht bzw. verwerflich (intrinsicemalum). Dazu werden heute u.a. Ehebruch, vorsätzlicher Bruch freiwillig eingegangener Verpflichtungen(Versprechen, Verträge), sexueller Missbrauch, Folter, Tötung Unschuldiger gezählt. Die meisten Handlungen gelten zunächst als sittlich indifferent. Das gilt auch im Bereich wirtschaftlicher Handlungen

Wie bitte? die Zweite: Wieso gehören Wirtschafts-und Unternehmensethik in die Hochschulen? Diese Frage ist nicht zuerst von der Ethik zu beantworten, sondern verweist vielmehr auf die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften, mithin auf ihr eigenes Selbstverständnis.

Von Aristoteles zur reinen Ökonomik Von den Griechen bis zu Adam Smith: Das Wirtschaften wird primär unter ethisch-praktischen Gesichtspunkten reflektiert. Es ging um die instrumentelle Rolleder Ökonomie für das gute Leben und gerechte Zusammenleben der Menschen. Die Wirtschaft ist eingebettet in übergeordnete Leitbilder einer wohl geordneten Gesellschaft und bezog von dieser ihre normative Orientierung. Selbst Adam Smith verstand sich selbst in erster Linie als Moralphilosoph. Er betrieb Politische Ökonomie.

Von Aristoteles zur reinen Ökonomik Von der neoklassischen Revolution bis heute: Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wollten die meisten Ökonomen keine politische Ökonomie mehr betreiben, sondern über eine wertfreie, objektive und möglichst formalisierbare Theorie verfügen. Die vorherrschende Schule der Ökonomie versteht sich heute als reine Ökonomik (Schumpeter)

Wie bitte? die Dritte: Die Frage lautet dementsprechend eigentlich nicht: Wieso gehören Wirtschafts-und Unternehmensethik in die Hochschulen? Sie müsste vielmehr so gestellt gestellt werden: Wie kam es zum geschichts- und traditionsvergessenen Programm einer sich als ethikfrei und unpolitisch verstehenden Ökonomik?

Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche Man kann die Entwicklung der ökonomischen Theorie als theoretische Spiegelung dessen verstehen, was in der Gesellschaft seit über 200 Jahren tatsächlich vorgeht (P. Ulrich): Eine aus fast allen traditionellen normativen Bindungen fortschreitend entfesselte und normativ enthemmte Ökonomisierung aller Lebensbereiche, der Welt und sogar des Denkens. Zunehmend ist die Wirtschaft ( ) nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet, sondern die sozialen Beziehungen sind in das Wirtschaftssystem eingebettet. (Polanyi)

Die Antworten der Ethik Zwei Seiten einer Medaille: Auf die Ökonomisierung Ethiker in den vergangenen Jahren unterschiedliche wirtschaftsethische Antworten zu geben. Diese lassen sich nach Ulrich in drei grundlegende Ansätze unterteilen: a) Korrektive Wirtschafts- und Unternehmensethik b) Normative Ökonomik c) Integrative Wirtschaftsethik

a) Korrektive Wirtschaftsethik Dieser von einem Verständnis der Wirtschafts-und Unternehmensethik als bereichsspezifische Form Angewandter Ethik ausgehende geht von der Ethikfreiheit der Wirtschaft aus. Ethische Normen wirken in diesem Verständnis als eine heteronome, von außen kommende Eingrenzung der ökonomischen Sachlogik, als eine Art Gegengift gegen zuviel Ökonomie. Die Anwendung ethischer Parameter kann durchaus auf Kosten ökonomischen Erfolges geschehen. Ethik korrigiert ökonomisches Handeln.

b) Wirtschaftsethik als Normative Ökonomik Dieser Ansatz versucht Ethik als eine Verfahrenslogik zu verstehen. Die ethischen Normen werden durch den Markt selbst vorgegeben. Die Moral des Marktes wird als hinreichendes gesellschaftliches Organisationsprinzip angesehen. Ethik wird in diesem Sinn gewissermaßen zu einem Schmiermittel für mehr ökonomische Rationalität. Damit wird sie letztlich selbst ökonomisch instrumentalisiert und verliert damit ihre kritische Relevanz.

c) Integrative Wirtschaftsethik Die sog. Integrative Wirtschaftsethik versteht Ethik in gewisser Weise als rationaler Unterbau für eine andere sozioökonomische Realität. Sie fundiert die ökonomische Rationalität auf ethisch legitimen Grundlagen einer allgemeinen menschlichen Vernunft. Letztlich versteht sie sich als Grundlagenreflexion über die normativen Voraussetzungen wirtschaftlichen Handelns. In diesem Sinne ist sie eine Vernunftethik des menschlichen Handelns.

Integrativ aber nicht nur diskursiv! Anders als Ulrich verstehe ich eine solche integrative Wirtschaftsethik jedoch nicht auf diskursethischer Grundlage, sondern fasse sie in guter alter christlicher Tradition als naturrechtlich verfasst. Es gibt in diesem Denken grundlegende, allen Menschen als Vernunftwesen zugängliche allgemeine normative Prinzipien, die sich in allen Lebensbereichen durchhalten. Sie müssen dort angewandt werden und finden zugleich Ergänzungen aus den jeweiligen Sachlogiken. Diese lassen sich jedoch nur dann ethisch rechtfertigen, wenn sie mit den allgemeinen Prinzipien kompatibel sind.

Ebenen einer Vernunftethik des Wirtschaftens Ethik Sozialethik Wirtschaftsethik Unternehmensethik Führungsethik

Warum gehört WUE in die Hochschulen? Die Wirtschafts-und Unternehmensethik hat ihren festen Platz im Curriculum der Wirtschaftswissenschaften, weil sie -dieselben zu einer ständigen Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Selbstverständnis antreiben; -grundlegende Rationalitätsentwürfe anbietet, die die Wirtschaftswissenschaften in den gesellschaftlichen Diskurs einbetten und nicht umgekehrt. - eine Art Gewissensfunktion für die Wirtschaftswissenschafteneinnimmt. Dies gelingt jedoch nicht von außen, sondern nur als inhärente wirtschaftliche und damit zutiefst menschliche Tätigkeit.