Borderline- Persönlichkeitsstörungen

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Transkript:

Borderline- Persönlichkeitsstörungen Anke Boos, Frank Deschner, Kathrin Junker, Frank Schuller Vorgelegt im Rahmen des Seminars Persönlichkeitsstörungen Leiterin der Lehrveranstaltung: Dr. Anke Kirsch Fachrichtung Psychologie der Universität des Saarlandes WS 2003/04

Psychoanalytische Borderline-Konzepte Literatur: Kind, J. (2000). Zur Entwicklung psychoanalytischer Borderline-Konzepte seit Freud. In O.F. Kernberg, B. Dulz & S. Sachsse (Hrsg.), Handbuch der Borderline Störung. Stuttgart: Schatthauer Elhardt, S. (2001). Tiefenpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer. http://www.borderline-partner.de/dsmiv.html (30.11.2003) 2

DSM IV: Borderline- Persönlichkeitsstörung Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten, bei deutlicher Impulsivität. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter. 3

Mindestens 5 von 9 Kriterien Affektive Instabilität Unangemessene heftige Wut Suizidale Handlungen/Drohungen, Selbstverletzungen Selbstschädigende Impulsivität Identitätsstörung Chron. Gefühle von Leere u. Langeweile Intensive, aber instabile Beziehungen Extreme Angst vorm Verlassenwerden Vorübergehende, belastungsbedingte paranoide oder dissoziative Symptome 4

Borderline... Psychose? Neurose? Eigenständiges Krankheitsbild? (auf der Grenze zwischen Neurose und Psychose) 5

Psychose erhebliche Beeinträchtigung psychischer Funktionen mit gestörtem Realitätsbezug, Halluzinationen, Bewußtseinsstörungen. Starke genetische Komponente. 6

Neurose Psychisch bedingte Störung bei erhaltenem Realitätsbezug. Entwicklungspsychologisch späte Entstehung (phallische Phase, ödipaler Konflikt) 7

Borderline als eigenständiges Krankheitsbild Adolph Stern (1938) beschreibt Borderline -Patienten: Idealisierung des Therapeuten Angstentwicklung bei Fehlverhalten des Therapeuten Umkippen in feindselige Sicht auf therapeutische Situation begrenzte psychotische Regression 8

Das klassische Konzept Otto Kernberg (1967): Borderline Personality Organisation Eigenständigkeit einer psychischen Struktur. Aufbauend auf Ich-Psychologie und Objektbeziehungstheorie. 9

Psychische Entwicklung nach Kernberg Böse S-O Böse S + Böse O Selbst-Objekt Repräsentanz (S-O) Gut/Böse S Gut/Böse O Gute S-O Gute S + Gute O 10

Borderline-Entstehung nach Kernberg Nicht gelingende Fusion von guten und bösen Selbst- und Objekt-Repräsentanzen Ursache: Übermaß kindlicher Agression (konstitutionell bedingt) Starke aggressive Aufladung der Repräsentanzen am negativen Affektpol. Starke Idealisierung der Repräsentanzen am positiven Affektpol. 11

Die Borderline-Mutter Masterson & Rinsley (1975): Mutter-Kind-Interaktion wichtig! Mutter reagiert auf Autonomiebestrebungen des Kindes nicht mit Freude und Hilfestellung, sondern mit Unruhe, Angst und emotionalem Rückzug. Botschaft: Entwicklung ist gefährlich....da besinnt sich das Kind, kehrt zurück geschwind. 12

Symbiose-Separationstheorie von Margaret Mahler (1975) Symbiotische Phase Loslösungs- und Differenzierungsphase (ab 4. Monat) Differenzierung Übung Wiederannäherung! (18. bis 24. Monat) Konsolidierung (24. Bis 36. Monat) 13

Psychische Entwicklung nach Kernberg/Mahler Böse S-O Böse S + Böse O Selbst-Objekt Repräsentanz (S-O) Gut/Böse S Gut/Böse O Symbiotische Phase Gute S-O Gute S + Gute O Wiederannäherungsphase Wiederannäherungsphase 14

Borderline-Entstehung nach Kernberg/Mahler Fixierung/Regression auf Entwicklungsstufe gespaltener guter und böser Selbst- und Objektrepräsentanzen. Diese Entwicklungsstufe an sich aber normal und notwendig. 15

Normale vs. Pathologische Spaltung? Rosenfeld (1981): Nicht Fixierung auf Entwicklungsstufe, sondern pathogene Fehlentwicklung: Keine primäre Spaltung in gute und böse Objekte und Selbstanteile. Zersplitterung der konfusen Objekte und des konfusen Selbst. 16

Kritik der Säuglingsforschung an klassischen Borderline-Konzepten Primär fusionierte Selbst-Objekt-Einheit? - Säugling kann früh Selbst und Objekt unterscheiden - Frühes Entwicklungsziel: Bindung, nicht Trennung Primäre Gut-Böse-Spaltung? Mehrere Affekte, nicht nur Gut-Böse-Dichotomie Borderline-Struktur Kindliche Entwicklungsphase 17

Konsequenzen für klassische Borderline-Konzepte Relativierung und Anpassung der Konzepte: z.b.: Symbiotische Momente statt Symbiotischer Phase (Pine,1992) Zurückweisung der Kritik: The Irrelevance of Infant Observations for Psychoanalysis (Wolff, 1996) 18

Gruppenarbeit 1. Was versteht man unter einer Psychose? 2. Was versteht man unter einer Neurose? 3. Was rechtfertigt die Einordnung der Borderline- Persönlichkeitsstörung als eigenständiges Krankheitsbild? 4. Welcher kritische Schritt der psychischen Entwicklung ist dem Borderline-Patienten laut Kernberg nicht gelungen? 5. Welches Fehlverhalten der Mutter führt laut Masterson & Rinsley zur Borderline-Störung? 6. Welche Phase der psychischen Entwicklung ist laut Mahler kritisch für die Genese der Borderline-Störung? 7. Welche Kritik übt die Säuglingsforschung an den klassischen Borderline-Konzepten? 19