We l t Tr e n d s. Afghanistan. Zeitschrif t für internationale Politik

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Transkript:

Nr. 94 Januar/Februar 2014 We l t Tr e n d s Zeitschrif t für internationale Politik Abgrund Afghanistan Bilanz eines Krieges Afghanistan und seine Nachbarn Virus in gefährlicher Region Indiens Politik in Afghanistan WeltBlick Bürgerkrieg in Südsudan Norwegens Migranten Tod eines UN-Generalsekretärs Streitplatz Mehr Kapitalismus? Forum Polen und der Euro 1914 Wessen Schuld? Bücher & Tagungen 9,50 Eur 12 CHF ISSN 0944-8101 www.welttrends.de

2 WeltTrends 89 Inhalt 1 Editorial 4 WeltBlick 5 Staatsaufbau in Südsudan? Renate Schmidt 11 Norwegens Migrationspolitik Franka Oswald 17 Tod eines UN-Generalsekretärs Henning Melber Zwischenruf: Horchen und Kontrollieren 22 Attila Király 24 Thema: Abgrund Afghanistan 27 34 Jahre Krieg eine Bilanz Thomas Ruttig 40 Indiens Politik nach 2014 Shanthie Mariet D Souza 50 Virus in der Region Diethelm Weidemann 61 Afghanische Nachbarschaften Said Reza Kazemi 70 Afghanistan eine Chronik Historie: Der Kriegsausbruch von 1914 72 Jürgen Angelow Nachruf: Nelson Mandela 79 Thandika Mkandawire

Inhaltsverzeichnis 3 Streitplatz: Mehr Kapitalismus? 84 Von Vorteilen und Gleichgewichten 85 Albrecht Goeschel Eurokrise ohne Ende? 89 Helmut Matthes Zehn Thesen zur Systemkrise 93 Lutz Kleinwächter Kapitalismus ja aber richtig! 97 Hartmut Elsenhans Forum: Polen und der Euro 102 Chancen und Gefährdungen 103 Maciej Walkowski Perspektiven des Euro in Polen 108 Jerzy Babiaki Annäherung an die Eurozone 113 Marta Götz Bücher und Tagungen 118 Rezensionen 119 Annotationen 129 Neuerscheinungen 132 Konferenzen 134 Impressum 141 Partnerschaft mit den USA kritisch erneuern Kommentar von Stefan Liebich 142 Wort und Strich 144

22 Zwischenruf Horchen und Kontrollieren Von Attila Király Großes Empören machte sich breit in Deutschland, nachdem publik wurde, was die USA alles geheimdienstlich ausforschen. Mitten im Bundestagswahlkampf 2013 hatte die SPD Kanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, ihren Amtseid gebrochen zu haben. Weil sie nicht schärfer gegen die Machenschaften der US-Geheimdienste auf deutschem Boden vorgegangen sei. Sie ließ tatsächlich abwiegeln. Erst als auch Merkels Handy abgehört war, begann die CDU, Empörung zu zeigen. Die Kanzlerin erklärte, das ginge unter Freunden gar nicht. Sind die USA und Deutschland Freunde? Detlef Junker, Spezialist für die Beziehungen beider Staaten, schrieb vor über zehn Jahren: In geostrategischer Hinsicht war die Eindämmung der Macht des deutschen Nationalstaates im Zentrum Europas ein Leitmotiv amerikanischer Europapolitik seit dem Zeitalter des Imperialismus, als das wilhelminische Deutschland und ein imperiales Amerika ihren Status als regionale Großmächte sprengten und konkurrierende Weltmächte wurden. Deutschland wurde nur dann zu einem Problem für die Vereinigten Staaten, wenn es zum Hegemon oder Unterdrücker Europas aufzusteigen drohte. Die von Europa weit entfernten USA fürchteten, anders als Deutschlands europäische Nachbarn, nie den 1871 geschaffenen deutschen Nationalstaat, aber immer die rivalisierende Weltmacht. Dieses Motiv ungeachtet von NATO und Freundschaftsbekundungen dürfte erneut einen wichtigen Platz in den außenpolitischen Kalkülen Washingtons einnehmen. Zugleich setzte der SPD-Vorwurf auf historisches Vergessen. Sämtliche deutsche Bundesregierungen haben an der Umsetzung der US-Praktiken mitgewirkt. Nach 1945 unterstand alles in Deutschland der Entscheidungsgewalt der vier Besatzungsmächte, die ihre jeweiligen Geheimdienste auf deutschem Boden in Stellung brachten. Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten wurden auch wieder deutsche Geheimdienste geschaffen, die jeweils ihren Siegermächten affiliiert waren. Nach Einführung der Notstandsgesetze wurde 1968 eine gesonderte Vereinbarung der BRD mit den drei Siegermächten getroffen, wonach deren Dienste auch weiterhin deutsche Bürger WeltTrends Zeitschrift für internationale Politik 94 Januar/Februar 2014 22. Jahrgang S. 22 23

Zwischenruf 23 ausforschen können, und zwar gegebenenfalls mit Unterstützung der (west-)deutschen Dienste. Das war die Regierung der ersten Großen Koalition, mit Willy Brandt (SPD) als Vizekanzler. Diese Vereinbarungen haben Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über deutsche Vereinigung und Souveränität hin oder her noch heute Gültigkeit. Der Kanzler der Einheit, Helmut Kohl (CDU), hatte es offenbar verabsäumt, auch dieses alliierte Vorbehaltsrecht zu kassieren oder aber es war Bedingung des damaligen US-Präsidenten Bush I für seine Zustimmung zur deutschen Vereinigung, genau dies nicht zu tun. Inzwischen verdichteten sich die Anzeichen, dass es einen geheimen Briefwechsel zwischen beiden Regierungen in dieser Sache gab, der jedoch noch immer einen Geheimhaltungsstempel trägt. Die Spitzelei der USA in Deutschland erscheint als besonderes Kapitel in den beiderseitigen Beziehungen. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Auch der britische Geheimdienst hat in Berlin herumspioniert, ebenfalls von der Botschaft aus. Darüber hinaus haben die USA auch andere Staatschefs abgehört, darunter die Präsidentin Brasiliens, die darauf besonders scharf reagierte. Kürzlich wurde bekannt, dass auch der indonesische Präsident ausgeforscht wurde, diesmal von Australien aus. Offensichtlich existiert ein Zusammenhang. Im Epilog zu seinen Weltkriegsmemoiren betont Winston Churchill (1957) seine Rede in Fulton 1946. Darin drängte er auf die Fortdauer der speziellen angloamerikanischen Partnerschaft für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die sollte auf alle Länder des britischen Commonwealth angewandt werden. Hier waren nicht die früheren Eroberungskolonien gemeint, sondern die englischsprachigen Siedlungskolonien, also Kanada, Australien, Neuseeland. In dem Epilog resümiert Churchill: In den nächsten drei Jahren begannen diese Ideen Gestalt anzunehmen [ ]. Das bedeutet, das globale Machtkonstrukt, in dessen Zentrum die USA stehen, ist strukturiert wie eine russische Matrjoschka- Puppe: Im Inneren die USA als imperialer Machtstaat, darum herum das geheime Geflecht der besonderen Beziehungen mit den anderen angelsächsischen Staaten, dann die NATO und schließlich die UNO, die aus Sicht der USA nur instrumentelle Bedeutung hat. Deutschland als konkurrierende Macht ist zwecks Kontrolle eingeordnet in den zweiten Ring, die NATO. Ein No-Spy-Abkommen widerspräche dieser Logik.