Klage gegen den Finanzausgleich Gegenstellungnahme der Prozessgemeinschaft Regierungsmedienkonferenz am 11.03.2014 1
Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Zeitliche Einordnung 4. März 2013: Klage von Bayern und Hessen vor BVerfG eingereicht 18. August: Betroffene Länder zur Stellungnahme durch BVerfG aufgefordert Zehn Länder in Prozessgemeinschaft mit Prof. Korioth (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland- Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) Gesonderte Vertretung Saarland und Bremen Bis 31. März 2014: Stellungnahme der Prozessgemeinschaft ggü. BVerfG 2
Bundesstaatlicher Finanzausgleich es geht um weit mehr als nur um den Länderfinanzausgleich Stufe 1 Vertikale Steuerverteilung (Art. 106 GG) (Aufteilung der Gemeinschaftsteuern wie Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer auf Bund, Ländergesamtheit und Kommunen) Beklagt werden alle drei Stufen Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4a horizontale Verteilung nach örtlichem Aufkommen und Umsatzsteuervorwegausgleich (Art. 107 Abs.1 GG) Länderfinanzausgleich im eigentlichen Sinn (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) Allgemeine Bundesergänzungszuweisungen (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG) Horizontaler Finanzausgleich Steuereinnahmeorientierter Finanzausgleich Stufe 4b Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG) Vertikaler Finanzausgleich Bedarfsorientiertes Zuweisungssystem 3
23 Prozent des Thüringer Haushalts sind Klagegegenstand in Mio. EUR 9.051,0 8.500 6.500 4.500 2.500 Auswirkungen auf Thüringen: In Summe sind rund 2,1 Milliarden Euro und damit rund 23 Prozent des derzeitigen Thüringer Haushalts Gegenstand der Klage 1.735,3 1.038,8 559,5 1.244,4 4.304,2 224,8 sonstige Einnahmen (z.b. EU, Bund-Länder,etc.) Sonderbedarfs-BEZ wegen teilungsbedingter Lasten Fehlbetrags-BEZ Länderfinanzausgleich Umsatzsteuerausgleich 500 Steuern, steurähnliche Einnahmen, sonstige BEZ, Kompensation KFZ- Steuer Ist 2012-67,2 Schuldentilgung -1.500 4
I. Grundlegende Einordnung der Normenkontrollklage zum bundesstaatlichen Finanzausgleich durch die Thüringer Landesregierung Die Landesregierung fühlt sich durch die Stellungnahme in Ihrer Auffassung bestätigt, dass das gegenwärtige Ausgleichssystem, insbesondere der Länderfinanzausgleich, verfassungskonform ist. Die Landesregierung sieht dem Ausgang der Verfassungsklage gelassen entgegen. Die Rechtsmaterie war wiederholt Gegenstand der Rechtssprechung vor dem BVerfG. Der Normenkontrollantrag zieht erneut Vorschriften in Zweifel, die das BVerfG schon einer Kontrolle unterzogen hatte. Die Konsequenz kann nur die abermalige Bestätigung dieser Regelungen sein. 5
II. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Fehlinterpretation der Klageländer Der Normenkontrollantrag versucht, das Verfassungsverständnis zu verschieben Grundthese der Kläger: Steuereinnahmen bestimmen sich grundsätzlich nach örtlichem Aufkommen, jede Abweichung davon sei eng zu begrenzen und bedarf der besonderen Begründung Primärziel der Verfassung ist jedoch ein Anderes: aufgaben-angemessene Finanzausstattung aller Gebietskörperschaften auf der Basis gesamtdeutscher Steuereinnahmen Die vierstufige Verteilung im bundesstaatlichen Finanzausgleich hat die Aufgabe, diese aufgaben-angemessene Finanzausstattung zu gewährleisten; jede der vier Stufen ist ein Baustein auf diesem Weg 6
III. Verfassungskonformität einzelner Regelungselemente A. Das solidarische System des Finanzausgleichs ist NICHT in einer Schieflage! 7
Entwicklung des Verhältnisses Geber- zu Nehmerländern 15 Die zunehmende Lastenverschiebung ist offenkundig, aber das Verhältnis Geberländer zu Nehmerländern greift zu kurz 10 11 13 10 7 5 5 4 6 4 4 6 3 6 5 3 0 1955 1965 1975 1985 1995 2005 2013 8
Verhältnis Geber zu Nehmer nach Anzahl der Länder und nach Einwohnern in Prozent 100 80 60 40 81,3 Im Verhältnis der Einwohner zeigt sich eine deutlich ausgewogenere Verteilung zwischen Nehmern und Gebern 36,2 63,8 46,3 53,7 20 18,8 0 Verteilung nach Ländern Geber Verteilung nach Einwohnern Nehmer Verteilung nach Einwohnern (ohne NW) 9
BIP-Entwicklung im Vergleich zur Entwicklung der nach dem Ausgleichssystem verbleibenden Steuereinnahmen 1995 zu 2012 in Prozent 70 60 54,4 54,2 In den neuen Ländern hinkt die Steuerentwicklung dem BIP-Wachstum hinterher, im Westen (gerade in den Klageländern) ist es umgekehrt. Das bedeutet: Geberländer profitieren überproportional von der wirtschaftlichen Entwicklung 50 40 35,1 42,8 38,3 42,1 38,3 33,2 41,7 42,5 30 20 10 0 Bayern Hessen FLW Empfänger FLO Flächenländer BIP-Wachstum Anstieg der Steuereinnahmen 10
B. Der Länderfinanzausgleich überbeansprucht die Geberländer NICHT! 11
Steuereinnahmen der Länder und Gemeinden Der Finanzausgleich unter den Ländern ist wichtig für den grundlegenden Steuerkraftausgleich zwischen den Ländern, sein Volumen wird jedoch häufig überschätzt. Den Gesamteinnahmen von Ländern und Gemeinden im Jahr 2013 von rd. 329 Milliarden Euro stand der Länderfinanzausgleich in Höhe von rd. 8,5 Milliarden Euro gegenüber, das sind gerade etwa 2 ½ %. Steuereinnahmen Länder und Gemeinden 329 Mrd. Euro Der Länderfinanzausgleich verteilt lediglich 2,5% der Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden um. Eine Überbeanspruchung ist nicht ersichtlich! Länderfinanzausgleich 8,5 Mrd. Euro bzw. 2½ % (2013) 12
Entwicklung des Volumens des LFA in Mio. EUR 9.000 8.000 Das Volumen des LFA steigt nicht kontinuierlich. Es bewegt sich parallel zum Konjunkturverlauf. 7.490 8.273 7.568 7.445 7.322 7.917 nach aktuellem FAG 8.263 7.891 7.324 8.459 7.000 6.920 6.610 6.805 6.948 6.848 7.039 6.253 6.134 6.000 5.724 5.000 4.000 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011* 2012 2013* * vorläufige Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs 2011 bzw. 2013 13
Verbleibende Mehreinnahmen der Geber nach Finanzausgleich In Mio. EUR, Basis: Abrechung 2012 3.500 3.000 2.500 2.000 2.850,0 Ein Großteil der Steuermehreinnahmen der Geberländer verbleiben dort, nur ein geringer Teil muss in den Länderfinanzausgleich eingebracht werden. 3.400,0 1.500 1.000 900,0 500 240,0 533,0 0-500 Bayern Hessen-477,0 Baden-Württemberg Steuermehreinnahmen davon Zahlung in den Finanzausgleich 14
C. Der jetzige Finanzausgleich führt NICHT zu einer Übernivellierung! 15
Finanzkraft nach Finanzausgleich - ohne Stadtstaaten in EUR je Einwohner, Quelle: vorläufige Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs 2013 3.800 3.600 Nach dem Finanzausgleich verbleiben den Geberländern durchschnittlich rd. 200 EUR je Einwohner mehr als den Empfängerländern: Eine Übernivellierung ist nicht zu erkennen 3.520 3.566 3.542 3.400 3.350 3.356 3.326 3.340 3.326 3.356 3.381 3.346 3.346 3.336 3.200 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SH SL 16
Finanzkraft nach Finanzausgleich ohne Stadtstaaten in Prozent der Ausgleichsmesszahl, Quelle: vorläufige Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs 2013 110 105 104,4 105,7 105,0 100 98,7 98,5 98,6 98,6 98,6 99,5 99,3 99,2 99,2 98,9 95 90 BB MV SN ST TH BW BY HE NI NW RP SH SL 17
Argumente der Klageländer D. Die Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft mit 64 Prozent ist verfassungskonform 18
Kommunale Finanzkraft trotz Verbesserung unterproportional Steigerung der Finanzkraft der Thüringer Kommunen um 8,3 Prozent ggü. 2011 (bundesweit +6,4 Prozent) Kommunale Steuereinnahmen (Ist 2012), in EUR je EW, Veränderung in v. H. zu 2011 1.800 1.646 1.500 1.200 1.200 1.147 1.110 1.064 1.058 Durchschnitt Flächenländer: 1.057 EUR/EW (+6,6%) 900 942 927 898 813 783 Durchschnitt neue Ld. ohne Berlin 597 EUR/EW (+5,2%) 600 628 613 584 576-3,9 +10,4 +9,1 +3,3-6,4 +5,1 +12,3 +3,2 +8,0-1,1-2,5 +3,0 +7,2 +5,6 +8,3 +4,1 528 300 0 HH HE BW BY HB NW NI BE RP SH SL SN BB ST TH MV 19
Kommunale Finanzkraft 2012 im Vergleich zu 2005 in EUR je Einwohner, Quelle: Vierteljahreskassenstatistik vom 28.03.2013 1.200 1.000 2005: rel. 50 % des Westniveaus, 2012: rel. 56 % des Westniveaus, Angleichung erfolgt, aber weiterer Nachholbedarf 1.057 800 777 600 597 Flächenländer Ost Flächenländer West 400 386 200 0 2005 2012 20
Das Grundgesetz sieht die Sicherstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland vor. Zur Erreichung dieses Ziels tragen unsere Gemeinden wesentlich bei. Das Land stellt sicher, dass die Gemeinden finanziell in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen. Infolge dessen hat das Land die unterdurchschnittliche kommunale Finanzkraft zu kompensieren. Folglich ist eine vollständige Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen kommunalen Finanzkraft bei der Bemessung des Länderfinanzausgleichs notwendig. 21
E. Die speziellen Einwohnerwertungen für Stadtstaaten und Dünnsiedler sind verfassungskonform 22
Gesonderte Einwohnerwertung für Stadtstaaten und dünn besiedelte Länder Einwohner werden mit 135% veredelt Dünnbesiedelte Länder (Mecklenburg-Vorpommern 105%, Brandenburg 103%, Sachsen-Anhalt 102%) Grund: atypische Bevölkerungsdichte, die spezifische Folgen für ihr Aufgabenspektrum, ihre Aufgabenwahrnehmung und damit für die Länderhaushalte hat. Der Verzicht auf eine Einwohnerwertung würde das System des Länderfinanzausgleichs, wie es gegenwärtig ausgestaltet ist, in eine Schieflage bringen. 23
Zeitplan: Finanzreform 2020 Thema ist organisiert Inhaltliche Auseinandersetzung ist angestoßen Eine Klage ist unnötig Oktober 2012 (Beschluss der Ministerpräsidenten) Ministerpräsidenten unter Vorsitz von Thüringen verständigt sich auf einen Zeitplan zur Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Bitte an die Finanzministerkonferenz um Bestandsaufnahme und Meinungsbild Juni 2013 Ministerpräsidenten beraten über die Bestandsaufnahme der Finanzministerkonferenz Sommer 2014 Ministerpräsidenten beraten über das Meinungsbild der Finanzministerkonferenz Aufnahme von Gesprächen mit der nächsten Bundesregierung über Finanzreform 2020 Koalitionsvertrag voraussichtlich bis Ende 2015 Beschlussfassung über die Festlegung von Eckpunkten für eine Finanzreform 2020 voraussichtlich bis Dezember 2016 Gesetzgeberische Umsetzung der Finanzreform 2020 mit Inkrafttreten zum 1. Januar 2020 24