Gernot Böhme: Atmosphären, Atmosphärisches / Die schöne Natur und die gute Natur Anita Aquino Garcia, 1246268 /Bettina Gruber, 1220090 180105 Theoretische Positionen und Kontroversen in der zeitgenössischen Naturästhetik LV Leiterin: Univ.-Doz. DDr. Mădălina Diaconu, Sommersemester 2016
Gernot Böhme geboren: 3. Jänner 1937 Bruder Hartmut Böhme Professor für Philosophie an der TU Darmstadt Studierte Mathematik, Physik und Philosophie Arbeiten zur Ästhetik, Natur-, Leib-, und Technikphilosophie zahlreiche Forschungsgebiete Atmosphären, Atmosphärisches, in: Aisthetik. Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre (2001), Wilhelm Fink Verlag. Die schöne Natur und die gute Natur, in: Für eine ökologische Naturästhetik (1989), Surkamp.
Aisthetik
Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre ATMOSPHÄREN vs. ATMOSPHÄRISCHES zentral = Wahrnehmung von Atmosphären Wahrnehmung als komplexe Situation subjektiver Anteil wird durch eigene Stimmung zugänglich entdeckt durch zwei Klassen von Erfahrungen Ingressionsund Diskrepanzerfahrung
Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre Ingressionserfahrung Diskrepanzerfahrung man nimmt etwas wahr, indem die Stimmung, die ich mitbringe, man in es hineingerät, etwas weicht von der Erlebten ab betritt Beispiel: ich bin traurig (Trauerfall) Beispiel: Betreten eines Raumes aber zugleich fröhlich (schöner Stimmung des Raums -> Einfluss Frühlingstag) auf die Stimmung des Menschen Gefühle schweben im Raum und können wahrgenommen werden
Ingressions- und Diskrepanzerfahrung Atmosphären werden als Gegenstand der Wahrnehmung betrachtet Ausgangspunkt: ein bereits gestimmtes ICH
Begrifflichkeit Begriff der Atmosphäre -> relativ jung und ungewohnt das Sprechen über Atmosphären -> im Alltag integriert Charakter der Atmosphäre wichtig, denn dieser bezeichnet was eine Atmosphäre von einer anderen unterscheidet Setzt man sich einer Atmosphäre aus, kann ihr Charakter bestimmt werden Was-Sein quasi-objektiv
Begrifflichkeit Atmosphäre als expliziter Begriff der Philosophie und Ästhetik -> die alltägliche Vertrautheit mit Atmosphären -> die Alltagssprache über Atmosphären -> Kompetenzen im Umgang mit Atmosphären Kompetenzen werden in ästhetischen Berufen weitergegeben Dinge oder Räume werden so gestaltet, dass sich ein Betrachter affektiv von ihnen betroffen fühlt
ATMOSPHÄRISCHES Wahrnehmungsphänomene zeigen einen Dingcharakter es fehlt das subjektive Moment Halbding = Mittelding zwischen Wahrnehmungsphänomenen von Dingen und Qualitäten freischwebende Qualitäten Halbdinge sind Phänomene, Erscheinungen, die nur sind, solange sie erscheinen und nicht Erscheinungen von etwas sind. (S.62)
Atmosphärische als künstlerisches Sujet und als Element ästhetischer Natur Atmosphärisches = Sujet künstlerischer Darstellung = ein Element ästhetischer Natur Kritik Böhmes: indirekt erscheinen und indirekt dargestellt werden
Gedicht Meeresstrand von Theodor Storm das charakteristisch Atmosphärische der Natur in affektiver Betroffenheit als Atmosphäre wahrgenommen bildliche Darstellung der atmosphärischen Erscheinungen der Natur Naturphänomene sind nur in einer ästhetischen Form zugänglich
Auffassung von Ästhetik bei KANT HEGEL an der Form der Dinge ist keine Theorie der Natur interessiert das Schöne gibt durch seine Form dem menschlichen Erkenntnisvermögen Anlass zu einem harmonischen das Schöne = das Scheinen der Idee die Idee in der Natur als organisierendes Prinzip Zusammenspiel
Die schöne Natur und die gute Natur
I. Schönheit als Indikator für gute Natur? Wer behandelt was? Moderne: Schöne, Gute, Wahre getrennt Ökologische Naturästhetik bildet Gegensatz Grundfrage: Ist Schönheit ein Kriterium für gute Natur? Gutsein der Natur heute Theologie (Physikotheologie) Schönheit der Natur heute Thema bürgerlichen Ästhetik
I. Schönheit als Indikator für gute Natur? Carl Friedrich Weizsäcker (1977) Einheit Wahrem, Schönem und Gutem auf Basis der Naturwissenschaften Naturschönheit als Mitwahrnehmung des Lebensnotwendigen Wahrnehmung des Friedens der Natur (subjektiv/real?) ökologisches Gleichgewicht Mensch später hineinentwickelt auf Pflanzen, Tiere angewiesen nimmt Harmonie wahr, ohne die er nicht leben könnte!
I. Schönheit als Indikator für gute Natur? Kritik Gernot Böhme kein arbeitender Kontext Intellektueller in seiner Freizeit Schönheit kein Indikator für Zuträglichkeit (mehr) Mensch laut Evolutionstheorie kein Fremdling, sondern Produkt, Evolutionsfaktor ökologisches Gleichgewicht nur Stabilisator der Entwicklung Entwicklung ökologische Naturästhetik nicht ohne Auseinandersetzung mit bürgerlicher Naturästhetik
II. Das Leiden an der Gesellschaft Naturästhetik auch Entfremdung der Natur Natur als Gegensatz zur Vernunft von selbst da (naiv, unreflektiert) Über lange Perioden steigerte sich das Gefühl des Naturschönen mit dem Leiden des auf sich zurückgeworfenen Subjektes an einer zugerichteten und veranstalteten Welt. (Adorno)
II. und die bürgerliche Naturästhetik Distanz zur Natur - Keine Erfahrung, sondern Beurteilung des Schönen Kant: interessenloses Wohlgefallen macht Schönheitserfahrung aus schön: Formen/Regelmäßigkeit die menschlicher Erkenntnis gefallen Naturschönheit: nicht Reizen erliegen Form beurteilen! Kant: moralisches Interesse des Menschen am Naturschönen
II. und die bürgerliche Naturästhetik Zusammenfassung Naturschönheit, -natürlichkeit nur von gebildeten Stadtmenschen gewürdigt Bildung Voraussetzung und Einschränkung für Naturerfahrung Natur als utopisches Gegenbild zur Gesellschaft
II. und die bürgerliche Naturästhetik ökologische Naturästhetik Mensch als Naturwesen, durch Umgebung sinnlich, affektiv betroffen Primär sinnliche Erfahrung der Natur Landschaftsgarten, als Teil der bürgerlichen Ästhetik, als Orientierung Parkanlage der Villa Haas (Hessen)
III. Die Schönheit als Nahrung ökologische Naturästhetik: Welche Rolle spielt Schönheit in ökologischen Gefügen? bisherige Naturästhetik: Schönheit als Beigabe ökologische Naturästhetik: Schönheit als Nahrung
III. Die Schönheit als Nahrung ökologische Naturästhetik Sinnlichkeit ist die Weise, in der sich ein Mensch in seiner Umgebung befindet Nicht nur Reiz Befindlichkeit, sondern Anblick Stimmung Einbildungskraft figuriert menschlichen Körper Qualität ökologischer Gefüge als (seelische) Nahrung
III. Die Schönheit als Nahrung ökologische Naturästhetik Gestaltung ökologischer Gefüge: Befindlichkeit betroffener Menschen als ökologisches Faktum (Bioindikator) Schönheit ökologischer Gefüge: kein sicherer Indikator für Güte Dimension des Gutseins Befindlichkeit Dimension allgemeiner Lebensqualität Naturschönheit notwendiges, nicht hinreichendes, Kriterium guter Natur
IV. Ästhetik als Teil der Ökologie Ästhetik als Dimension des Gegenstand Natur selbst (Natur = ökologische Gefüge) Neuzeitliche Philosophie: Schönheit als sekundäre Qualität (subjektorientiert) Sich-Präsentieren als Eigenschaft von Naturdingen Artikulation des Heraustretens Atmosphären für einzelne Naturdinge
IV. Ästhetik als Teil der Ökologie fehlende Kompetenzen der Ökologie (Natur)dinge strahlen durch Anwesenheit auf Umwelt aus Ökologische Gefüge als Kommunikationszusammenhänge Rehabilitation der Sprache der Natur Naturschönheit: Erfahrung des eigenen Daseins als getragen und gesteigert durch die umgebende Natur im Spiel ihrer Anwesenheit