Stellungnahme. des Medizinischen Dienstes. des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. (MDS) zur öffentlichen Anhörung



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Stellungnahme. des Medizinischen Dienstes. des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. (MDS)

Transkript:

Stellungnahme des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. (MDS) zur öffentlichen Anhörung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung menschenrechtskonform gestalten BT-Drucksache 18/3155 am 6. Mai 2015 in Berlin Seite 1 von 6

I Vorbemerkung: Die Medizinischen Dienste fühlen sich der guten Versorgung behinderter und chronisch kranker Menschen in einem besonderen Maße verpflichtet. Dies gilt zum einen für die umfangreichen Begutachtungen im Bereich der Krankenversicherung (u.a. Heilmittel, Hilfsmittel, Zahnmedizin und Rehabilitation) zum anderen für den Bereich der Begutachtungen im Bereich der Pflegeversicherung. Die Gutachterinnen und Gutachter der MDK leisten hier einen besonderen Beitrag, dass behinderte und chronisch kranke Menschen im Sinne der Artikel 25 und 26 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende Fähigkeiten sowie Teilhabe an allen Aspekten des Lebens erreichen und bewahren können. Vor diesem Hintergrund möchten wir mit dieser Stellungnahme zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vom 11. November 2014 Hinweise und Anregungen zur Ausgestaltung einzelner Regelungen geben. Ansatzpunkte sind dabei insbesondere die sozialmedizinische und pflegerische Perspektive sowie die Qualität der Leistungen im Hinblick auf die Versorgung behinderter und chronisch kranker Menschen. Seite 2 von 6

II Stellungnahme zum Antrag: Zu Nummer 9 bis 11: Hilfsmittelversorgung: Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung haben im Jahr 2013 rd. 445.000 gutachtliche Stellungnahmen zur Hilfsmittelversorgung im Auftrag der Krankenkassen erstellt. Bei den von den Krankenkassen vorgelegten Fällen handelt es sich weit überwiegend um komplexe medizinische und technische Fragestellungen. Hierbei sind zu einer sachgerechten Bewertung unter anderem das Versorgungsziel und mögliche Behandlungsalternativen unter medizinischen und technischen Aspekten zu beurteilen. Die sozialmedizinischen Stellungnahmen des MDK zu Hilfsmittelversorgungen werden durch entsprechend auf die Hilfsmittelbegutachtung spezialisierte Fachärztinnen und Fachärzte sowie nichtärztliche Gutachter aus den Bereichen Orthopädie- und Schuhtechnik erstellt. Die Begutachtung erfolgt gemäß bundeseinheitlichen Begutachtungsvorgaben der MDK-Gemeinschaft. Darüber hinaus beraten die MDK und der MDS den GKV-Spitzenverband bei der Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses. Vor diesem Hintergrund können die im vorliegenden Antrag genannten Ansätze grundsätzlich zu einer Verbesserung der Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderung beitragen. Insbesondere die Notwendigkeit einer besseren Vermittlung von Fachkenntnissen zur Behandlung von behinderten Menschen in der Aus-, Fort-, und Weiterbildung der Gesundheitsberufe im Hilfsmittelbereich kann bestätigt werden. Die Stärkung von Qualitätsaspekten im Zusammenhang mit Ausschreibungen in der Hilfsmittelversorgung würde die bereits heute bestehende Möglichkeit der Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen ( 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V) positiv flankieren. Seite 3 von 6

Zu Nummer 12: Heilmittelversorgung: Der Antrag bezieht sich auf 32 Abs. 1a SGB V in Verbindung mit 8 Abs. 5 der Heilmittel-Richtlinie (Heilmittel-RL) sowie den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) über ein Merkblatt Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlung nach 32 Abs. 1a SGB V in Verbindung mit 8 Abs. 5 Heilmittel-RL vom 22.November 2012. In der Begründung zu Nummer 12 wird darauf verwiesen, dass in der Vergangenheit - ein Antrag für Menschen mit Behinderung häufig eine zu hohe Hürde darstellte, entscheidend sollte die medizinische Notwendigkeit sein. Es sei zu prüfen, ob der Beschluss des G-BA vom 12. November 2012 zu einer Vereinfachung des Verfahrens und zu einer besseren Versorgung der Betroffenen geführt habe. Der G-BA hat sich bereits umfassend mit den Erfahrungen der Umsetzung des langfristigen Heilmittelbedarfs befasst. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein erforderlicher Änderungsbedarf der Heilmittel-RL im Sinne der Ziffer 12 des vorliegenden Antrags mit der nächsten Überarbeitung der Heilmittel-Richtlinie im Wesentlichen umgesetzt wird. Ferner solle nach dem vorliegenden Antrag geprüft werden, ob bei Menschen mit Behinderungen, bei denen eine Heilmittel-Therapie vorrangig zum Erhalt bzw. zur Vermeidung einer Verschlechterung durchgeführt werde, die Zahl der verordneten Heilmittel nach Ermessen für einen längeren Behandlungszeitraum als zwölf Wochen verordnet werden könne. Nur in seltenen Fällen sei bei den Betroffenen innerhalb von zwölf Wochen Veränderungen zu erwarten, so dass auf die nach diesem Zeitraum geforderte Untersuchung verzichtet werden könne. Auch bei Menschen mit schweren Behinderungen, bei denen primäres Ziel der Heilmittel-Therapie der Statuserhalt oder die Vermeidung einer Verschlimmerung ist, sind langfristigere Verordnungszeiträume, die über die bisherigen 12 Wochen hinausgehen, medizinisch nicht angezeigt. Auch hier bedarf es einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle, da im Behandlungsverlauf z.b. bei geänderter Leitsymptomatik ein Wechsel des Heilmittels erforderlich ist oder eine Anpassung der Therapiefrequenz. Eine dauerhafte, nicht dem tatsächlichen Therapiebedarf angepasste Behandlung, ist auch mit Risiken behaftet, die nur durch eine regelmäßige ärztliche Kontrollen vermieden werden können. Seite 4 von 6

Zu Nummer 14: Präventive zahnmedizinische Leistungen: Der G-BA soll nach entsprechender gesetzlicher Regelung - damit beauftragt werden, auf dem aktuellen evidenzbasierten Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft über die Ausgestaltung präventiver zahnmedizinischer Leistungen gezielt für kognitiv und motorisch eingeschränkte Menschen zu beraten. Hierdurch soll insbesondere bei Menschen mit schweren geistigen oder körperlichen Behinderungen das Risiko für Karies und für Erkrankungen des Zahnfleisches sowie Folgeerkrankungen reduziert werden. Im Rahmen des zurzeit sich in der Beratung befindenden GKV-Versorgungsstärkungsgesetz soll bekanntlich ein neuer 22a SGB V geschaffen werden. Dieser sieht vor, dass Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen sowie Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz einen eigenen Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen erhalten sollen. Die Leistungen sollen insbesondere die Erhebung eines Mundgesundheitsstatus, die Aufklärung auch der Pflegepersonen des Versicherten über die Bedeutung der Mundhygiene und über Maßnahmen zu deren Erhaltung, die Erstellung eines Planes zur individuellen Mund- bzw. Prothesenpflege sowie die Entfernung harter Zahnbeläge umfassen. Es ist zu begrüßen, dass der Zustand der Mundgesundheit von Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen sowie Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz als Handlungsfeld erkannt worden ist und dass Anstrengungen zur Verbesserung unternommen werden sollen. Tatsächlich ist die Mundgesundheit von Teilen der genannten Personengruppen schlechter als im Bevölkerungsdurchschnitt. Bedingt ist das durch verbreitete Multimorbidität, Multimedikation und eingeschränkte Selbstvorsorgekapazitäten. Zweifellos bestehen bei Pflegenden und Unterstützungspersonen einschließlich der Angehörigen Wissens- und Fertigkeitsdefizite im Hinblick auf die Mundgesundheit. Dies zu verbessern, ist nicht allein eine Aufgabe der vertragszahnärztlichen Versorgung, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ihre Bewältigung beginnt schon bei der verbesserten Aus- und Fortbildung der Pflegepersonen und der Schulung der Angehörigen, beispielsweise am Übergang von stationärer Versorgung in die Pflegebedürftigkeit. Zur Verankerung von Gesundheitsförderung in Lebenswelten sind eine politikfeldübergreifende gesundheitsförderliche Strategie und Vernetzungsprozesse zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen, Institutionen oder informellen Gruppen erforderlich. Einzubeziehen sind die Beteiligten in den jeweiligen Settings. Dabei handelt es sich um Betroffene, Angehörigen bzw. Betreuer, ambulante Dienste, stationäre Einrichtungen und alle Berufsgruppen, die einen Einfluss auf die Mundgesundheit haben: Pflege- und Personal der Behindertenhilfe, Hausärzte, Betreuer, Apotheker, Heimträger, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Heimaufsicht etc. Dieser breitere Ansatz bezieht verschiedene Versicherungszweige ein. Der Beitrag der gesetzlichen Krankenversicherung wäre noch näher im Rahmen der angedachten Richtlinien des G-BA zu bestimmen. Seite 5 von 6

Zu Nummer 19: Umsetzung des Prinzips Rehabilitation vor Pflege : Der Bundestag soll Regelungen zur wirkungsvollen Umsetzung des Prinzips Rehabilitation vor Pflege treffen. Dieser sozialrechtliche Grundsatz ist bereits heute Bestandteil einschlägiger gesetzlicher Regelungen. Akteure, die bei der Erkennung von Rehabilitationsbedarf und der Einleitung entsprechender Maßnahmen bei Pflegebedürftigen oder von Pflegebedürftigkeit bedrohten Menschen Verantwortung tragen, sind insbesondere Vertragsärzte, Krankenhäuser, die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und die Leistungsträger. Für diese gelten mit der Rehabilitations-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, den Regelungen des SGB V zum Entlassungsmanagement und dem SGB IX und SGB XI bereits weitreichende Verpflichtungen zur Umsetzung des Prinzips Rehabilitation vor Pflege. Im Rahmen der Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird deshalb standardmäßig geprüft, ob und in welchem Umfang Leistungen der medizinischen (geriatrischen) Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind. Dementsprechend enthalten die Gutachten Empfehlungen an die Pflege- und Krankenkassen. Empfohlen werden hier neben komplexen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vor allem Leistungen der physikalischen Therapie, Stimm- Sprech-, Sprachtherapie, Ergotherapie und Podologie sowie eine Hilfsmittel-/Pflegehilfsmittelversorgung bei etwa jedem vierten Antragsteller. Auch die letztgenannten Einzelleistungen (Heilmittel, Hilfsmittel) dienen hier einer rehabilitativen Zielsetzung und gehören insoweit zur Umsetzung des Grundsatzes Reha vor Pflege. Diese Leistungen spielen insbesondere aus rehabilitationsmedizinischer Sicht eine wichtige Rolle, da bei den in der Regel hochaltigen, multimorbiden und oft kognitiv eingeschränkten Antragsstellern der Pflegeversicherung eine mehrwöchige komplexe Leistung zur medizinischen Rehabilitation mit ihrer hohen Therapiefrequenz oftmals keine geeignete Maßnahme darstellt. Hinsichtlich der Umsetzung des Grundsatzes Rehabilitation vor Pflege in der GKV ist weiterhin zu berücksichtigen, dass auf Grund der unterschiedlichen Geriatriekonzepte der Länder und der besonderen Bedeutung der geriatrischen Rehabilitation bei Pflegebedürftigen die im Krankenhaus erbrachten Leistungen der Frührehabilitation mittlerweile eine bedeutende Rolle spielen. Ausweislich der DRG-Statistik des statistischen Bundesamtes wurde im Jahr 2013 insgesamt in 248.000 Fällen eine Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS 8-550) erbracht. Im Jahr 2010 lag diese Zahl noch bei 186.381 Fällen, d. h. innerhalb von 3 Jahren ist eine Steigerung dieser (Früh-) Rehabilitationsleistungen um mehr als 30 Prozent zu verzeichnen. Da man diese im Krankenhaus erbrachten rehabilitativen Leistungen zu den im Reha-Sektor erbrachten Reha-Leistungen hinzuzählen muss, ergibt sich, dass jeder dritte bis vierte Erstantragsteller der Pflegeversicherung in dem Jahr vor der Antragstellung eine rehabilitative GKV-Leistung erhalten hat. Erfahrungen aus der sozialmedizinischen Begutachtung sprechen dafür, dass es nicht an gesetzlichen Vorgaben mangelt, sondern dass vielmehr anderweitige Hemmnisse, wie ein Mangel an rehabilitationsmedizinischen Kenntnissen oder negative Einstellung der professionellen Akteure zur Rehabilitation bei Pflegebedürftigen die Umsetzung von Reha vor Pflege behindern. Um dies zu verbessern, erscheint es eher aussichtsreich, die zuletzt im Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2014 wieder bemängelte schwache Evidenzlage zur medizinischen Rehabilitation durch entsprechende Forschung zu verbessern und gleichzeitig auch niedrigschwellige evidenz-basierte Rehabilitationsangebote für diese Personengruppe zu entwickeln und umzusetzen. Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung haben in ihrem Bereich ein wissenschaftliches Evaluationsprojekt zur besseren Identifizierung von Rehabilitationsbedarf in der Pflegebegutachtung der MDK durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass es zielführend ist, die Prozesse bei der praktischen Umsetzung von Reha vor Pflege in den Institutionen zu analysieren, um mögliche Hemmnisse zu identifizieren und Verbesserungen umzusetzen. Seite 6 von 6