3.2 Theodor Fontane: John Maynard Sachanalyse



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Transkript:

3.2 Theodor Fontane: John Maynard 3.2.1 Sachanalyse Fontanes Quelle zu seiner Heldenballade John Maynard war vermutlich ein Zeitungsbericht über ein Schiffsunglück auf dem nordamerikanischen Eriesee, das sich am 09.08.1841 ereignet hat. Allerdings hat Fontane den Unglückshergang stark verändert, da in Wirklichkeit viele Passagiere ums Leben gekommen sind, der Steuermann sich jedoch mit schweren Verbrennungen retten konnte. 1 Die erste und die letzten beiden Strophen der Ballade bilden den Rahmen der Handlung. Ein Fremder, der offenbar vor dem Grabstein John Maynards steht und die Inschrift liest, erkundigt sich nach dessen Taten und erhält die Antwort von einem Überlebenden des Unglücks, die aber noch nichts vom eigentlichen Hergang vorwegnimmt. Bereits in dieser ersten Strophe wird jedoch deutlich, dass John Maynard eine heldenhafte Tat begangen haben muss, da die verehrenden Worte der Denkmalsinschrift und die dreimalige Nennung des Namens den Charakter des balladische[n] Preislied[es] 2 schon klar hervortreten lassen. Die letzten beiden Strophen vollenden diesen Eindruck: Hier wird die Verehrung des Helden in einer breit angelegt[en] und lyrisch gestimmt[en] 3 Passage zum Höhepunkt gebracht. In Strophe acht und neun wird der Leichenzug, an dem die ganze Stadt teilnimmt, geschildert; zum Schluss wird die feierliche Grabinschrift verlesen. Hierdurch wird einerseits die bewundernde Heldentat John Maynards noch einmal prägnant zusammengefasst und andererseits geschickt ein Bezug zum Beginn der Ballade hergestellt, weil nämlich am Ende der ersten Strophe auch ein Teil dieser Inschrift vorgetragen wird. Steigert sie an dieser Stelle die Spannung auf das zu erwartende Geschehen, vollendet die Inschrift am Schluss der Ballade die Heroisierung des Helden. Im Mittelteil (Strophe 2-7) wird im historischen Präsens 4 die eigentliche Geschichte vom Schiffsunglück erzählt. Auch hier sind die Strophen verschieden lang und es gibt sowohl breit erzählende als auch äußerst knappe, nur das Wesentlichste erfassende Passagen. So wird in der zehn Verse umfassenden zweiten Strophe ausführlich die gelöste Feierabendstimmung an Bord erzählt, welche dann jäh durch den Ruf Feuer! in Strophe drei beendet wird. Die unterschiedlich lange Ausformung und Beschreibung des Inhalts dient also dazu, eine 1 Vgl. Moritz, 1972, S.159. 2 Hinck, 1972, S.96. 3 Moritz, 1972, S.161. 4 Das historische Präsens wird an mehreren Stellen, die besonders hervorgehoben werden sollen, unterbrochen; so z.b. als in Strophe 3 der Ausbruch des Feuers gemeldet wird.

spannende und abwechslungsreiche Ausgestaltung des Stoffs zu schaffen. Spannungssteigernd sind zudem die Dialoge zwischen Kapitän und Steuermann, wobei gerade die immer knapper werdenden Antworten John Maynards deutlich dessen Not verraten. Und schließlich wird der Wettlauf mit der Zeit auf dem brennenden Schiff sehr wirkungsvoll veranschaulicht, indem am Ende der Strophen in der Regel die noch verbleibende Fahrtzeit genannt wird. Sprachlich äußerst sich der Wechsel zwischen breit erzählenden und knapp berichtenden Passagen einerseits durch stark verkürzte und grammatikalisch unvollständige Sätze, so z.b. wenn in Strophe sieben durchgängig auf die Hilfsverben verzichtet wird: Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. Gerettet alle. Andererseits dominieren in den Rahmenstrophen lange, gleichmäßig gebaute Sätze, die ruhig und würdevoll, unter Verwendung typischer Signalwörter (Blumen, Tränen, Sarg, etc.), den Preis des Helden unterstreichen. In der Regel verwendet Fontane Paarreime; die reimlosen Verse, in denen lediglich der Name des Helden genannt wird, sollen diesen besonders hervorheben. In den meist vierhebigen Versen mischen sich Daktylen und Jamben. Häufig gebraucht werden zudem Klangfiguren wie Lautmalerei und Stabreim. Die Ballade handelt von der Selbstaufopferung eines Menschen, um das Leben seiner Mitmenschen zu retten. Dieses Motiv findet sich in vielen Heldenballaden, neu ist bei Fontane, dass er nicht auf eine historische Rittertümelei des 19. Jahrhunderts und die Restauration des nordischen Heroenbildes 5 zurückgreift, sondern einen Helden der modernen Arbeitswelt beschreibt. Von John Maynards Gefühlen und Gedanken erfahren wir nichts; die Person wird dem Leser lediglich über das Lob der Mitmenschen nahe gebracht. Deutlich wird jedoch, dass dieser Steuermann ein sittliches Verhalten in einer lebensbedrohlichen Situation an den Tag legt, das weit über das normal übliche und geforderte Verhalten hinausgeht. 5 Hinck, 1972, S.97.

3.2.2 Didaktisch-methodische Überlegungen Schon die oben beschriebene spannungsreiche Handlung der Ballade rechtfertigt ihre Besprechung in der vorliegenden Unterrichtssequenz, hinzu kommt noch, dass die Heldenballade ein zentraler Typus der Gattung ist und auch von daher den Schülern nicht vorenthalten werden sollte. Fontane beschreibt einen Helden der modernen Arbeitswelt, der dank seines vorbildlichen Verhaltens bei einem Schiffsunglück eine Katastrophe verhindert. Solche Unlücke sind auch noch heute das Thema der täglichen Nachrichtensendungen und wecken deshalb das Interesse der Schüler, da leicht Parallelen zu zeitgenössischen Helden, wie den New Yorker Feuerwehrleuten wegen ihres Einsatzes am 11. September, hergestellt werden können. Erleichternd kommt noch hinzu, dass die Sprache der Ballade leicht verständlich und auch für einen Schüler gut lesbar ist. All die genannten Faktoren waren ausschlaggebend dafür, diese Ballade an den Beginn meiner Sequenz zu setzen. Methodisch wird an dieser Stelle die handelnd-produktive Methode der Zeilenkombination verwendet, bei der das versweise in Streifen geschnittene Gedicht in Partnerarbeit sinnvoll zusammengefügt werden soll. Damit ist zum einen die Forderung des handlungs- und produktionsorientierten Konzepts nach einer zunächst motivationalen, handelnd-produktiven Textbegegnung erfüllt. 6 Zum anderen handelt es sich bei der Zeilenkombination um eine relativ einfach umzusetzende Methode, so dass sie sich sehr gut für den Beginn der Unterrichtssequenz eignet, da die Schüler schon längere Zeit nicht mehr mit Balladen gearbeitet haben und auch die handlungs- und produktionsorientierten Methoden einer gewissen Übung bedürfen. Jedoch ergibt sich das Problem, dass die Zusammensetzung der gesamten Ballade viel zu lange dauern würde und wahrscheinlich für manch einen auch zu schwierig wäre. Deshalb wird die gesamte Rahmenhandlung (Strophe eins, acht und neun) den Schülern vorgegeben und es werden nach der inhaltlichen Klärung auch schon Spekulationen über die Frage Was wird wohl passiert sein? angestellt. Daran anknüpfend wird der Mittelteil in Partnerarbeit zusammengesetzt. Die Methode der Zeilenkombination hat ein zweifaches Ziel: Erstens soll so die Erfassung des Inhalts und eine intensive Auseinandersetzung mit demselben erreicht werden, zweitens bildet sie die Grundlage für die Erkenntnis, dass die Gattungsart Ballade eine Mischform ist. Beide Ziele werden sodann in einer methodisch traditionellen Unterrichtsphase verfestigt, um eine solide Basis (Hefteintrag, etc.) für die weitere Arbeit an Balladen zu gewährleisten. 6 Haas, 1997, S.45ff.

3.2.3 Unterrichtssequenz zu Fontanes Ballade John Maynard 3.2.3.1 Erste Stunde: Inhaltliche Annäherung an die Ballade mittels Zeilenkombination Der Einstieg in die erste Stunde 7 zur Heldenballade erfolgt mittels eines Fotos, das New Yorker Feuerwehrleute beim Hissen der US-Flagge auf den Trümmern des World Trade Centers zeigt 8. Sicherlich fällt bei der Beschreibung des Bildes schnell das Stichwort Helden, so dass man anschließend die Fragen diskutieren kann, warum die New Yorker Feuerwehrleute Helden seien und welche Formen der Heldenverehrung die Klasse in diesem Fall kenne. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden ihr uneigennütziger und lebensgefährlicher Einsatz und auch die teilweise kuriosen Formen der Heldenverehrung, wie z.b. die Anfertigung von Feuerwehrleutefiguren, zur Sprache kommen. Die im Folgenden erarbeitete Ballade kann so von Beginn an mit der Lebenswelt der Schüler verknüpft werden, was das Interesse an dem Text in der Regel deutlich erhöht. Sodann teilt der Lehrer die erste und die letzten beiden Strophen von John Maynard 9 aus und lässt sie von einem Schüler vorlesen. Zunächst muss der Inhalt geklärt werden: Die Schüler sollen erkennen, dass sich die vorliegende Szene auf dem Friedhof abspielt und ein Fremder vor dem Grab John Maynards steht und von einem Einheimischen über dessen Tat aufgeklärt wird. Der fehlende Text scheint die Heldentat zu beschreiben, welche auf jeden Fall für John Maynard tödlich ausgeht, wie der Begräbniszug in Strophe 8 und 9 beweist. Jetzt können die Schüler Spekulationen anstellen, in welcher Form sich der Protagonist hervorgetan haben wird. Erst an dieser Stelle wird der versweise auseinander geschnittene Mittelteil der Ballade ausgeteilt. Die Schüler sollen in Partnerarbeit eine ihnen sinnvoll erscheinende Lösung, die nicht mit dem Original identisch sein muss, zusammenstellen, diese auf einer Folie fixieren und ihre Vorgehensweise bei der Zusammensetzung des Gedichts erklären und begründen können. Neben der oben schon erwähnten Zeitersparnis hat die vereinfachte Zeilenkombination an dieser Stelle auch den Vorteil, dass bei den Schülern eine gewisse Spannung hinsichtlich der Heldentat aufgebaut werden konnte und insofern eine zusätzliche Motivation geschaffen wird. Bei der anschließenden ca. zwanzigminütigen Partnerarbeit kann der Lehrer ratlosen Paaren durchaus mittels Anregungen auf die Sprünge helfen, 7 Vgl. Anlage 1: Stundenskizze John Maynard (1. Stunde), S.III. 8 Vgl. Anlage 2: Foto Feuerwehrleute, S.IV. 9 Vgl. Anlage 3: Rahmenhandlung John Maynard (TBl 1), S.V.

grundsätzlich sollten aber die Schüler ausreichend Raum und Zeit haben, die einzelnen Tricks der Zeilenkombination selber ausfindig zu machen. Zum Ende der Arbeitszeit erhalten die Schüler die Anweisung, sich eine geeignete Vortragsform zu überlegen, in die jeweils beide Schüler miteingebunden sind. Sodann werden die erarbeiteten Lösungen vorgetragen und jeweils mit der ganzen Klasse besprochen. Die Mitschüler sollen die vorgetragene Version kritisch begutachten und begründend erläutern, warum ein Teil gut gelungen oder auch missraten ist. Die Schüler werden sowohl bei der Verteidigung ihrer Version als auch bei der Beurteilung der anderen Ergebnisse auf folgende Kriterien der Zusammensetzung verweisen: Reim, Folgerichtigkeit der Handlung (z.b. Zeitangabe), folgerichtiger Aufbau der Dialoge. Wenn es die Zeit erlaubt, kann nach der Besprechung der Schülerversionen der Originaltext präsentiert werden, allerdings wird dies in den meisten Fällen wohl nicht möglich sein, da sowohl die Partnerarbeit als auch die Präsentation relativ zeitraubend sind. 3.2.3.2 Zweite Stunde: Die Besonderheiten der Gattungsart Ballade Um an die vorhergehende Stunde anzuknüpfen, ist es durchaus möglich, dass zu Beginn dieser Stunde 10 noch ein oder zwei Schülerversionen vorgestellt werden, in jedem Fall sollte aber eine kurze Wiederholung der letzten Stunde erfolgen, um eine gewisse Erwartungshaltung hinsichtlich des Originaltextes 11 aufzubauen. Dieser wird nun an die Schüler verteilt und laut vorgelesen und dann mit den Schülerproduktionen verglichen. Sodann wird der Inhalt und Aufbau anhand eines Arbeitsblattes 12 in Stillarbeit erarbeitet. Die inhaltliche Erfassung der Ballade dürfte nach der intensiven Befassung mit dem Text in der letzten Stunde im Allgemeinen kein Problem mehr darstellen. Die graphische Gestaltung des Arbeitsblattes gibt darüber hinaus wichtige Hinweise zum Aufbau der Ballade. Zum einen wird durch die aufsteigende Anordnung der Strophen zwei bis sechs die Spannungssteigerung in diesen Strophen mit dem Höhepunkt in Strophe sieben deutlich gemacht und zum anderen wird die besondere Stellung der Rahmenstrophen optisch verdeutlicht. Anschließend wird die Gattungsproblematik im Lehrgespräch erarbeitet. Fragt man die Schüler, welcher Gattung sie die Ballade zuteilen würden, werden sie die meisten Schüler spontan der Lyrik zuordnen. Somit kann man zuerst die lyrischen Kriterien einer Ballade 10 Vgl. Anlage 5: Stundenskizze John Maynard (2. Stunde), S.VII. 11 Vgl. Anlage 6: Theodor Fontane: John Maynard (TBl 2), S.VIII. 12 Vgl. Anlage 7: Inhalt und Aufbau John Maynard (AB 1), S.IX.

erarbeiten (Reim, Strophe, Metrum, etc.). Für die weiterführende Frage, ob sich noch Ähnlichkeiten mit anderen Gattungen fänden, kann nun sowohl auf die Zeilenkombination der letzten Stunde als auch auf das vorliegende Arbeitsblatt zurückgegriffen werden. Die erzählte Handlung an sich und der Aufbau der Handlung (Rahmenhandlung, Höhepunkt) erinnern deutlich an epische oder auch dramatische Texte. Das Auftreten von Dialogen wiederum ist ein typisches Merkmal des Dramas. Gerade die Dialoge werden für die meisten Schüler ein wichtiges Kriterien für die Anordnung der Verse gewesen sein und auch beim Vortragen der Ballade werden die meisten Schüler wohl die Rollen automatisch nach den vorkommenden Dialogen aufgeteilt haben. Genauso wird die immer wiederkehrende Zeitangabe für die Schüler ein wichtiges Ordnungskriterium gewesen sein. Auch hierin erkennen die Schüler nun ein typisches spannungssteigerndes Mittel für epische Texte, wie es auch gerne in Filmen verwendet wird. Insofern sind es gerade die handlungs- und produktionsorientierten Methoden, die dem Schüler deutlich machen, dass die Ballade als Mischform verstanden werden muss. Die von den Schülern gesammelten Merkmale für die drei Gattungen werden in einem weiteren Arbeitsblatt 13 festgehalten. Zum Abschluss wird noch in einem kurzen Lehrvortrag die ursprüngliche und die heutige Bedeutung des Wortes Ballade erklärt und John Maynard im Lehrgespräch als Heldenballade klassifiziert. 14 Gleichzeitig schafft dieser Schluss einen Anknüpfungspunkt zum Beginn der Unterrichtseinheit (Diskussion über die Helden des 11. September) und rundet insofern die Sequenz schön ab. 13 Vgl. Anlage 8a,b: Die Ballade (AB 2), S.X-XI. 14 Auch diese Ergebnisse werden in AB 2 zusammengefasst; dieses AB wird auch in den folgenden Stunden Verwendung finden und versteht sich insofern als ein zusammenfassendes Arbeitsblatt zu wesentlichen Merkmalen der Ballade.