Investitionsschwäche in Deutschland



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Transkript:

Investitionsschwäche in Deutschland DIHK-Schlaglicht Wirtschaftspolitik Sommer 2014

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 2 Investitionsschwäche in Deutschland Die Investitionen von heute sind das Fundament für Wachstum und Arbeitsplätze von morgen. Die schwache Investitionstätigkeit in Deutschland gibt deshalb Anlass zur Sorge. Aktuelle Entscheidungen wie Rente mit 63, Mindestlohn und Mütterente haben das Potenzial, zusätzlich negativ zu wirken. Mit ihnen errichtet die Politik weitere Investitionshürden. Wir laufen Gefahr, in einer Hoch-Zeit unseres Erfolges die Weichen für eine negative Entwicklung zu stellen. Wir brauchen dringend eine neue Standortdebatte, um Chancen auch künftig zu nutzen und den bestehenden Herausforderungen zu begegnen. Gerade der Mittelstand mit seiner auf den Standort Deutschland ausgerichteten Langfristorientierung muss wissen, dass er hierzulande willkommen und wichtiger Bestandteil von Wirtschafts-, Regional und Gesellschaftsstruktur ist. Von Demografie über Energiewende bis hin zu Steuern und Bürokratie gibt es eine weite Bandbreite von Ansatzmöglichkeiten für eine verantwortungsbewusste und nachhaltige Politik zugunsten von mehr Investitionen der Unternehmen am Standort Deutschland. Hierzu gehört auch ein Mittelstandspakt, der eine Investitionsagenda formuliert. Deutschland hat eine Investitionslücke von 3 Prozent des BIP Die Investitionsquote in Deutschland ist zu gering gemessen an der Wirtschaftsstruktur und auch im internationalen Vergleich. Während Deutschland 2012 beispielsweise 17,5% seiner Wirtschaftsleistung investiert hat, waren es im Schnitt der anderen Industrieländer 21,4% (z. B. Österreich 27%, Schweden 21%). In den Jahren davor sah es nicht viel besser aus, so dass sich nach DIHK-Berechnungen seit 2005 im internationalen Vergleich eine durchschnittliche Investitionslücke von etwa 3% am BIP ergibt. D.h. es hätten pro Jahr etwa 80 Mrd. Euro mehr in Deutschland investiert werden müssen. Mindestens denn ob das ausreichend gewesen wäre, ist nicht einmal sicher: Deutschland braucht wegen seines hohen Industrieanteils und der damit verbundenen hohen Kapitalausstattung eher noch mehr Investitionen. 1 Das oft angeführte Argument, der Rückstand sei auf den Immobilienboom andernorts zurückzuführen, trägt nicht. Rechnet man den Wohnungsbau heraus, liegt die deutsche Investitionsquote immer noch etwa 2% niedriger als im Durchschnitt aller Industrieländer. Außerdem zeigt die Analyse der Zahlen, dass das strukturelle Investitionsdefizit zurückreicht bis zum Jahr 2000. Die Finanzmarktkrise sowie die Staatsschuldenkrise im Euroraum oder der Russland-Ukraine-Konflikt sind Verstärker des strukturellen Investitionsmangels, nicht aber dessen eigentliche Ursache. 1 Das DIW beziffert die Lücke ebenfalls auf etwa 3% des BIP. Die DIW-Rechnung basiert auf einem ökonometrischen Modell (Investitionen in Abhängigkeit von Wirtschaftskraft, Wachstum sowie Spar-, Beschäftigungs- und der Industriequote).

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 3 Bruttoinvestitionsquote (in Prozent) 23 Deutschland Durchschnitt (gew., ohne D)* 22 21 20 19 18 17 16 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 * Durchschnitt der Länder Australien, Österreich, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Mexico, Niederlande, Slowakei, Schweden, Vereinigtes Königreich, USA (soweit verfügbar); Quelle: DIHK, OECD. Der Anteil der Investitionen an der Wirtschaftsleistung ist mit 17,5% immer noch etwas niedriger als in den 2000er Jahren (18%) und klar niedriger als in den 1990ern (22%). Rechnet man die Investitionen zum Erhalt des Kapitalstocks heraus (Nettoinvestitionen), investiert Deutschland nur 3% seiner Wirtschaftsleistung zum Vergleich: Österreich 10%, Schweden und Belgien 7%, Finnland 6%. Die hierzulande verbesserte Investitionsbereitschaft 2014 ist konjunkturell bedingt. Der DIHK rechnet 2014 mit einem Investitionsplus von 5,5%. Dazu trägt der Bau wesentlich bei. In anderen konjunkturell guten Jahren (2006: 8,2%, 2010: 5,7%, 2011: 6,9%) war die Investitionsdynamik allerdings kurzzeitig höher. Zunächst führte 2008/2009 die Finanzkrise zu einem Investitionseinbruch (allein 2009 um fast 12%). 2012 und 2013 ließ die Euro-Krise viele Unternehmen vorsichtiger agieren. Die Kapazitätsauslastung erholt sich seitdem nur allmählich. Das Vorkrisenniveau hat die Investitionsquote noch immer nicht erreicht und die war, wie der internationale Vergleich zeigt, ohnehin schon zu niedrig. Viele Unternehmen haben ihre gute Wettbewerbssituation auch genutzt, um eine dünne Eigenkapitaldecke aufzubessern Grundlage für eine verbesserte Bonität und mehr Investitionen. Zudem sorgt die verschärfte Regulierung des Finanzsystems dafür, dass Unternehmen langfristig mehr Liquidität im Betrieb halten. Ein Drittel der Unternehmensgewinne fließt in Investitionen.

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 4 Die hohen Auslandsinvestitionen waren einer der Schlüssel zum Erfolg der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren auch für die Weiterentwicklung des heimischen Standorts. Die Unternehmen haben die Märkte in den dynamischen Weltregionen rechtzeitig erschlossen. So sind die hohen Auslandsinvestitionen nicht zuletzt Folge der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung in diesen Regionen. Außerdem gilt: Investitionen im Ausland und im Inland lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Die aufgestockten Auslandsbudgets der Industrieunternehmen kommen dem Inland zugute. Das zeigt die DIHK-Umfrage zu den Auslandsinvestitionen seit mehreren Jahren: Betriebe mit Auslandsinvestitionen wollen auch hierzulande kräftiger investieren und ihre Beschäftigung aufstocken. Der industrielle Mittelstand erschließt Auslandsmärkte in der Regel nicht mit eigenen Produktionsstätten, sondern über den Export. Um den US-Markt von hier aus beliefern zu können, ist er auf vereinfachte Zertifizierungsverfahren und die gegenseitige Anerkennung von Standards angewiesen. TTIP wäre hier ein wichtiges Aufbruchssignal. Mittelständische Industriebetriebe könnten hierzulande für den US- Markt produzieren und investieren. Problematisch ist es jedoch, wenn Betriebe aus Kostengründen Investitionsprojekte eher im Ausland realisieren. Diese Betriebe zeigen sich am heimischen Standort deutlich zurückhaltender. Bedenklich ist: 2014 gewinnt das Kostenmotiv für die Auslandsinvestitionen erstmals seit langer Zeit wieder leicht an Bedeutung (Anstieg des Anteils von 20 auf 21%). Zuvor hatte es seit 2003 nahezu kontinuierlich verloren. Der seit der Agenda-Politik erlahmte Reformwille der politischen Akteure hinterlässt hier seine Spuren. Die Investitionstätigkeit spiegelt die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wider Der Staat investiert dauerhaft zu wenig und zwar schon seit dem Jahr 2000. Gut ein Viertel der Investitionslücke wäre geschlossen, wenn der Staat zumindest die jährlichen Abschreibungen auf seine Infrastruktur in Höhe von über 60 Mrd. Euro ersetzen würde. Die tatsächlichen Investitionen im Umfang von 42 Mrd. Euro müssten um über 40% höher liegen. Schon seit mehr als einem Jahrzehnt verzeichnet Deutschland somit Jahr für Jahr einen Substanzverlust bei der öffentlichen Infrastruktur von bislang bis zu 18 Mrd. Euro (d.h. 0,7% des BIP gehen kontinuierlich verloren; siehe Grafik). Die deutsche Maut-Diskussion wird der Bedeutung der Problematik bei der Verkehrsinfrastruktur nicht gerecht die 600 Mio. Euro wären allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein und dieser ist zudem noch teuer erkauft. Die Erfahrungen bei Einführung der LKW-Maut haben zudem gezeigt, dass zusätzliche Einnahmen durch gleichzeitige Kürzungen von Haushaltsmitteln nicht zu Mehr-Investitionen führen müssen. Die Investitionslücke im privaten Bereich liegt damit bei etwa 60 Mrd. Euro. Bezogen auf das Investitionsvolumen des privaten Sektors von insgesamt rd. 430 Mrd. Euro sind das etwa 14 Prozent. Nachholbedarf gibt es im Bereich der Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur: Über die nächsten Jahre entstehen beispielsweise für die Versorgung aller Haushalte mit Breitband (50 Mbit/s) Investitionsbedar-

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 5 fe von etwa 5 Mrd. Euro pro Jahr 2 (insgesamt 20 Milliarden Euro bis 2018). In etwa so hoch ist das für den Ausbau der Energieinfrastruktur nötige Volumen mit ca. 4 Mrd. Euro jährlich. Gerade energieintensive Branchen weisen in den letzten Jahren eine schwache Investitionsentwicklung auf. Unternehmen dieser Bereiche haben ihre Abschreibungen in Deutschland seit 2001 nicht wieder komplett neu investiert. Bei den Investitionen der Metallerzeuger fehlten 11% zum Ausgleich der Abschreibungen, in der Chemie 12%, bei Papierherstellern 17% und in der Glasindustrie sogar 29%. Allein diese Defizite summieren sich auf eine Differenz zum Kapitalstock von 2001 von 13 Mrd. Euro. Dies steht dafür, dass Deutschland an Standortqualität verliert. Die Notwendigkeit zur Standortverlagerung in der Industrie nimmt aufgrund der in Deutschland steigenden Energiekosten weiter zu das zeigen DIHK-Umfragen. Investitionslücke in Deutschland Investitionsrückstand Deutschland ggü. anderen Industrieländern (ohne Wohnungsbau) (in Punkten) Nettoinvestitionen des Staates (in %) 0,0 0 Investitionsrückstand/Nettoinvestitionen -0,5-1,0-1,5-2,0-2,5-3,0-3,5-0,6-0,6-0,6-1,3-2,0-2,6-0,7-0,7-0,7-2,7-2,6-3,0-2,4-0,6-0,7-0,7-0,7-2,5-2,5-3,2-20 -40-60 -80 in Mrd. Euro (2010) -4,0 Quelle: DIHK, DeStatis, OECD 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012-100 2 TÜV Rheinland

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 6 Identifikation der wichtigsten Investitionshemmnisse Mehr als jedes zweite Industrieunternehmen sieht neben der konjunkturellen Entwicklung Hemmnisse am Standort Deutschland, die seine Investitionsvorhaben beeinträchtigen. 3 Vor allem Unternehmen der Chemieund Pharmaindustriesind hiervon in besonderem Maße betroffen (60%) sowie Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern (63%). Dabei nennen die Unternehmen vor allem steuerliche Aspekte als konkrete Investitionsbremsen. Neben der Höhe und der Komplexität zählen dazu auch die Abschreibungsbedingungen, die dem tatsächlichen Wertverlust nicht gerecht werden. Die Energiekosten haben sich mittlerweile zu einem echten Standortnachteil entwickelt und schlagen voll auf die Investitionsbereitschaft durch. Auch die Verfügbarkeit und die Qualität der Fachkräfte lassen zu Wünschen übrig und bremsen den Expansionsdrang vieler Unternehmen. Würde eine Verbesserung bei folgenden Standortfaktoren in Ihrem Unternehmen zu mehr Investitionen im Inland führen?* (in Prozent) Steuern und Abgaben Flexibilität des Arbeits- und Tarifrechts Energiekosten Steuerrecht Komplexität / Praxistauglichkeit Fördermög. für unternehmerische Innovationsakt. Einführung einer degressiven AfA Planungs- und Genehmigungsverfahren Verfügbarkeit von geeigneten Fachkräften Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen Effizienz der Behörden Politische Unterstützung im globalen Wettbewerb Einstellung der Bevölkerung zu Großprojekten Umweltschutzauflagen Qualität von Fachkräften Demografische Entwicklung IT-Infrastruktur Zusammenarb. Forschung/Hochsch. mit Unternehmen Rechtssicherheit Vereinbarkeit von Familie und Beruf Verkehrsinfrastruktur Verfügbarkeit von Gewerbeflächen Energiesicherheit Verfügbarkeit Zulieferunternehmen/Dienstleister Verfügbareit von Rohstoffen Sozialer Friede Quelle: DIHK 0 20 40 60 80 * Unternehmen, die Hemmnisse am Standort Deutschland sehen; Summe der Antworten "deutlich mehr Investitionen"und "mehr Investitionen" 3 Erste Ergebnisse einer laufenden Umfrage der IHK-Organisation mit bislang rd. 1.000 Unternehmensantworten.

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 7 Was zu tun ist: Gute Politik für mehr Investitionsschwung Gute Wirtschaftspolitik setzt den Rahmen. Nach einer Schwächephase zu Beginn der 2000er Jahre erholten sich die Investitionen hierzulande im Zuge sinnvoller wirtschaftspolitischer Weichenstellungen durch die Agenda-Politik (insb. Arbeitsmarktreformen, moderate Lohnpolitik, Unternehmensbesteuerung, Rente mit 67) und einer konsequenten Erneuerung in den Unternehmen. Diese Reformpolitik hat sich ausgezahlt nicht nur beim Beschäftigungsaufbau, auch bei Investitionen. Allerdings ist seitdem nichts Nennenswert es mehr passiert. Im Gegenteil: Es ist nicht mal einmal geglückt, das Niveau zu halten. Auch aktuell wird eher die Rolle rückwärts geprobt. Bereits vor der Staatsschulden-Krise wurden zahlreiche Reformen wieder verwässert oder sogar zurückgedreht. Dazu zählen z. B. bei der Gewerbesteuer die Hinzurechnungen und die Zinsschranke. Hinzu kommen derzeit weitere neue Investitionsbremsen. So wünschenswert aus sozialer Perspektive Projekte wie Mütterrente, Mindestlohn und Mietpreisbremse sein mögen, sie verändern die Kostensituation der Unternehmen und verschieben die Rahmenbedingungen zulasten privater Investitionen. Gleichzeitig verlagern sich die Haushaltsschwerpunkte weiter in Richtung konsumptiver Ausgaben auf Kosten der so dringend notwendigen öffentlichen Investitionen. Das Geld für mehr öffentliche Investitionen ist da. Allein durch die Steuermehreinnahmen bis 2017 entstehen beim Bund jährlich rd. 4 Mrd. Euro Spielraum für zusätzliche Infrastrukturinvestitionen, der Rest kann durch Umschichtungen ausgeglichen werden. Auch klammen Kommunen kann geholfen werden. Mehr Spielraum auf der für Investitionen besonders wichtigen Ebene der Städte und Gemeinden könnte eine Stabilisierung ihrer Finanzen schaffen. Eine Reform der Gewerbesteuer sowie die Neuordnung der Aufgaben und daran anschließend der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sind hier zu nennen. Dabei kann helfen, dass die Kommunen das Jahr 2013 mit einem Plus von 1,1 Mrd. Euro abgeschlossen hat. Der Bund ist bereits aktiv geworden und entlastet die Gemeinden um fast 6 Mrd. Euro jährlich durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie die vorgesehene Entlastung bei der Eingliederungshilfe. Genau diese Mittel sollten die Kommunen für Infrastrukturerhalt und -umbau nutzen. Auch die Länder müssen ihrer Pflicht zur angemessenen Finanzausstattung ihrer Kommunen nachkommen. Aus eigener Kraft kann sich die kommunale Seite zusätzliche Spielräume durch eine höhere Effizienz gerade auch bei der Erfüllung der Pflichtaufgaben eröffnen. Entflechtung und Ausgabendisziplin im Verwaltungsbereich ermöglichen ein stärkeres eigenverantwortliches Handeln. Derzeit sorgen sich viele Familienunternehmen um eine drohende Neuregelung der Erbschaftsteuer. Bei einem Wegfall der Verschonungsregel und gleichbleibenden Steuersätzen würde rein rechnerisch eine zusätzliche Erbschaftsteuerlast von jährlich fast 11 Mrd. Euro bei Unternehmen entstehen (Grundlage: Daten von 2012). Bei einem Investitionsanteil am Gewinn wie in den letzten Jahren von ca. 34 % (Berechnungen DIHK) könnten also knapp 3,7 Mrd. Euro pro Jahr weniger investiert werden. Da Investitionen und Beschäftigungsaufbau in einem engen Verhältnis zueinander stehen, würde dies wiederum jährlich rund eine halbe Million Arbeitsplätze gefährden. Damit schlüge das Pendel zurück auf die öffentlichen Haushalte: Weniger Arbeitsplätze führen zu weniger Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer, zu geringeren Einnahmen bei der Sozialversicherung

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 8 sowie weniger Umsatzsteuern. Die Gesamtbelastung der öffentlichen Haushalte hierdurch beliefe sich auf etwa 10 Mrd. Euro jährlich. Die Bundesregierung ist gut beraten, weiterhin deutlich zu machen, dass bei dieser wichtigen Frage der Koalitionsvertrag gilt: Unternehmensnachfolge soll auch künftig durch die Erbschaftsbesteuerung nicht gefährdet werden. Notwendig ist daher eine verfassungsfeste und mittelstandsfreundlich ausgestaltete Erbschafts- und Schenkungsteuer, die einen steuerlichen Ausnahmetatbestand bei Erhalt von Arbeitsplätzen vorsieht. Hinzu kommen Unwägbarkeiten in der Energiepolitik. Die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise ist seit mittlerweile vier Jahren größtes Geschäftsrisiko der Industrieunternehmen (derzeit 58%; sogar 61% der Betriebe, die mehr investieren wollen). Bei unseren Nachbarn sind die Energiepreise teilweise erheblich niedriger. 4 Das zeigt: Für eine gelungene Energiewende brauchen wir einen europäischen Energiemarkt. Die neue EU- Kommission sollte hier rasch Vorschläge unterbreiten. Die Bundesregierung sollte die Weichen in Richtung Europa stellen. Anders ist die Energiewende nicht zu stemmen. Zweitgrößtes Geschäftsrisiko für Unternehmen mit Investitionsplänen ist mittlerweile die Sorge um geeignete Fachkräfte. Vor dem Hintergrund, dass das Erwerbspersonenpotenzial in den kommenden zehn bis zwölf Jahren in Millionenhöhe abnimmt, wirkt die abschlagsfreie Rente mit 63 hier künftig noch verschärfend. Das Halten älterer Arbeitnehmer ist mittlerweile ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Mangel an qualifiziertem Personal. Weiterbildung mit 63 müsste die Devise heißen statt Rente mit 63. Hinzu kommt, dass die Frühverrentungsmaßnahmen zu höheren Rentenbeiträgen führen werden und damit Investitionsspielräume der Unternehmen zusätzlich verengen. Schon jetzt wurde die eigentlich vom Gesetz vorgeschriebene Senkung der Beiträge abgesagt. Neben den heimischen Potenzialen gilt es, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Die demografische Entwicklung hat für Deutschland auch eine zusätzliche Dimension: Familienunternehmen sitzen häufig nicht in den Ballungszentren. Die Attraktivität der Regionen für Fach- und Führungskräfte ein zentrales Aktionsfeld der IHKs wird damit essenziell. Ansonsten bekommen nicht nur die mittelständischen Unternehmen die demografische Keule zu spüren. Die Regionen werden zu Verlierern, was hier und da schon der Fall ist. Die IHKs werben bereits um Fachkräfte national wie international, beispielsweise in Spanien. In eigens eingerichteten Fachkräfteservicestellen erhalten Neubürger ein Rund-um-Paket aus einer Hand für den Start am neuen Lebensort. Beim Thema Bürokratieabbau lässt die Politik den Mittelstand inzwischen wieder im Stich. So haben die Unternehmen hierzulande die elektronische Bilanz eingeführt die meisten Finanzämter drucken die Daten aber wieder auf Papier aus und bearbeiten sie in herkömmlicher Weise weiter. So können Aufbewahrungsfristen nicht verkürzt, Betriebsprüfungen nicht beschleunigt und das Investitionshemmnis Bürokratie nicht gesenkt werden. Dabei könnten allein durch die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen Bürokratiekosten in Höhe von 4 Mrd. Euro eingespart werden. Die Bundesregierung sollte rasch mit einem Projekt Elektronisches Finanzamt nachziehen. 4 Faktenpapier Strompreise in Deutschland, DIHK 2014.

DIHK-Schlaglicht ÊInvestitionsschwäche in Deutschland 9 Auch rasche Sofortmaßnahmen können zu einem besseren Investitionsklima beitragen 1. Zurück zur degressiven AfA: Befragt nach ihren Investitionshemmnissen, sagen 60% der Industrieunternehmen in einer aktuellen DIHK-Industrieumfrage, die degressive Abschreibung würde Investitionsentscheidungen erleichtern. 2. Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter seit einem halben Jahrhundert unverändert: Seit 1965 liegt die Grenze für sofort abschreibbare geringwertige Wirtschaftsgüter bei 410 Euro. Ein realistischer Wert wären 1.000 Euro. 3. Rahmenbedingungen für Wagniskapital verbessern: Die Gründung von Hightech-Unternehmen ist durch das Angebot an Wagniskapital begrenzt. Ein zentrales Hemmnis für Wagniskapital liegt in den restriktiven Regelungen zur Nutzung des Verlustvortrags ( 8c KStG, auch Mantelkaufverbot), sie sollten auf Missbrauchsfälle beschränkt werden. 4. Breitbandversorgung flächendeckend ausbauen: Der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsdatennetzen ist eine Voraussetzung für moderne Unternehmen. Er erfordert gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten wie Netzanbieter, Bund, Länder, Kommunen und Politik. 5. Gewerbeflächen verfügbar machen: Investitionen am Standort Deutschland verlangen funktionsfähige, gut erreichbare Flächen für Ansiedlung sowie Erweiterung und Modernisierung von Industrie und Gewerbe. Die Errichtung moderner Anlagen muss mit überschaubaren und verlässlichen Planungszeiten verbunden sein. Dies gelingt im Dialog mit der Wirtschaft am besten.