Bindungsverhalten und Lernen

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Transkript:

Bindungsverhalten und Lernen Lernen durch Motivation Motivation durch Beziehung Man kann sich nicht NICHT BEZIEHUNGSMÄßIG verhalten. (Julius, 2009) DIE LEHRER/IN- SCHÜLER/IN- BEZIEHUNG IST DIE BESTE VORHERSAGE FÜR SCHULERFOLG! Eine bessere Vorhersage als Intelligenz!!!!!!!!!!! (neue Untersuchung von Pianta Studie über Lehrer- Schüler - Verhalten) Ziel einer pädagogischen Beziehung: Die Lehrperson muss eine sichere Bindung zur Schülerin/ zum Schüler entwickeln, damit sie/ er lernen kann Die Bindungstheorie (entwickelt von John Bowlby, 50er Jahre) begreift das Streben nach engen emotionalen Beziehungen als spezifisch menschliches schon beim Neugeborenen angelegtes und bis ins hohe Alter vorhandenes psychisches Grundbedürfnis. Das Bindungsverhalten des Kindes ist biologisch begründet und soll dazu dienen, die Nähe zu einer Pflegeperson herzustellen oder aufrechtzuerhalten. Das Schreien, Lächeln, Plaudern eines Babys trägt dazu bei, die Bindungsfigur herzuholen bzw. dazubehalten. Das Bindungssystem ist als ein eigenständiges Überlebens- und Schutzsystem zu sehen, das Sicherheit vermittelt. Komplementär zum Bindungsverhalten des Kindes ist das elterliche Fürsorgeverhalten. Sucht das Kind Nähe und Sicherheit, kümmern sich die Eltern bzw. die Bindungsfiguren um das Kind, trösten es, geben ihm Halt und Sicherheit. Frühe Kontrollerfahrungen (schreien Mama kommt dann geht es mir gut) sind extrem wichtig!! Es kommt zur Entwicklung internaler Arbeitsmodelle: Andere sind für mich da, wenn ich in Gefahr bin. Während in unsicheren Situationen das Bindungsverhaltenssystem aktiviert ist (Bezug zur Bindungsfigur herstellen, die für mich da ist), ist in sicheren Situationen das Explorationsverhalten aktiv. Es ermöglicht die Erkundung der Umwelt und das Sammeln von Lernerfahrungen. 1

Je verlässlicher ein Kind in Situationen der Unsicherheit und Angst auf seine primären Bezugspersonen zurückgreifen kann, desto besser ist es in der Lage zu explorieren. Die primäre Bindungsfigur muss nicht die leibliche Mutter/ Vater sein. Ursachen der Entwicklungsstörungen von Kindern Organische Risiken durch prä- oder/ und perinatale Komplikationen Psychosoziale Belastungsfaktoren: Aufwachsen in Armut hat Folgen (Armut nimmt zu) Auflösung traditioneller familiärer Strukturen Es wurden unterschiedliche Muster in der Bindungsbeziehung zwischen Mutter und Kind durch Beobachtungen festgestellt (Mary Ainsworth, Ende der 70er Jahre): Das sichere (B-Typ) das unsicher-vermeidende (A-Typ) das unsicher-ambivalente Bindungsmuster (C-Typ) Neben diesen traditionellen Bindungsmustern wurde in neuerer Zeit noch ein viertes Bindungsmuster identifiziert, das sogenannte desorganisierte Muster (D-Typ) Diese 4 Bindungsmuster stellen Varianten der Bindungsqualität dar, die sich zwischen einer Bindungsfigur und einem Kind im Laufe der ersten Lebensjahre entwickelt haben. Beeinflusst und bestimmt wird die Bindungsqualität durch Merkmale der Hauptbindungsfigur wie Feinfühligkeit, Responsivität d. h. auf Kommunikationsversuche des Kindes eingehen zu können, eigene Bindungsgeschichte, Eigenschaften des Kindes wie Temperament und äußere psychosoziale Belastungsfaktoren wie der Verlust von Bindungsfiguren und/ oder negative Lebensereignisse. Sicher gebundene Kinder haben erlebt, dass sie sich auf feinfühlige und verlässliche Bindungspersonen stützen können. Sie sind sich der Verfügbarkeit ihrer Bezugspersonen sicher und können daher frei explorieren. Sie sind in der Lage eigene negative Gefühle wie Angst oder Ärger offen zu äußern. Sie erleben sich als liebenswert und wertgeschätzt. Sicher gebundene Kinder in Lernsituationen können sich Hilfe holen zeigen mehr Kreativität und Flexibilität 2

haben mehr Ausdauer und autonome Exploration besitzen größere Gedächtnisleistungen zeigen mehr gemeinschaftliches Verhalten und Empathie für emotionale Situationen von anderen Personen Unsicher-vermeidend gebundene Kinder haben erlebt, dass Bindungspersonen für sie nicht verfügbar oder nicht unterstützend sind. Um die Wahrscheinlichkeit neuerlicher schmerzvoller Erfahrungen zu verringern, vermeiden sie in belastenden Situationen ihr Bedürfnis nach Unterstützung und distanzieren sich von Personen und wenden sich Sachthemen z.b. Spielsachen/Computer/ Fernseher vermehrt zu. Sie haben einen stark eingeschränkten Zugang zu ihren Gefühlen und können diese nicht mehr äußern. Unsicher gebundene Kinder in Lernsituationen - versuchen Lösungen von Problemen eher allein zu finden. - haben weniger Problembewältigungsmöglichkeiten. - zeigen Rückzug aus gemeinschaftlichen Aktivitäten. - besitzen schwächere Gedächtnisleistungen. - zeigen weniger prosoziale Verhaltensweisen und geringere Empathie für emotionale Situationen von anderen Personen. Unsicher-ambivalent gebundene Kinder haben ihre Beziehungspersonen als unberechenbar erlebt. Da sie sich deren Verfügbarkeit in emotional belastenden Situationen nicht sicher sein können, suchen sie stetig ihre Nähe. Sie sind im Volksschulalter noch sehr anhänglich und wirken kleinkindhaft. Gleichzeitig verhalten sie sich massiv aggressiv oder ärgerlich gegenüber ihren Bindungsfiguren. Desorganisierte Kinder können aufgrund eines atypischen ängstigenden Fürsorgeverhaltens der Bindungsfiguren keine organisierten inneren Arbeitsmodelle abspeichern. Sie fallen gegenüber ihren Bindungsfiguren durch kontrollierende Verhaltensweisen auf, die entweder eine fürsorgliche oder eine strafende Form annehmen und mit denen die Kinder versuchen, ihre Angst zu bewältigen. Das desorganisierte Muster beinhaltet oft den Zusammenbruch von Verhaltensstrategien. 3

Ursachen von desorganisierter Bindung (Brisch, 2012) Ungelöstes Trauma Auffälligkeiten der Pflegeperson in der Interaktion mit dem Kind extrem angstmachendes Verhalten (Gewalt in allen Formen) extrem hilfloses Verhalten massive Vernachlässigung multiple Verluste miterlebte Gewalt in allen Formen Verletzungen durch Bindungspersonen Folgen von Bindungsstörungen (Brisch, 2012) Störung in der Entwicklung des Gehirns Störung in der Stressregulation aggressives Verhalten in Stresssituationen Defizite in den kognitiven Möglichkeiten Defizite im empathischen Verhalten Kinder übertragen ihre Bindungskonzepte auf ihre Lehrer/innen. In den Bindungskonzepten der Kinder sind ihre Erfahrungen abgebildet - ihre Erwartungen werden dadurch bestimmt. Jede neue Person, zu der eine Bindung entwickelt wird, wird den bestehenden Modellen angepasst (Bowlby, 1979). Das auffällige, oft provozierend wirkende Verhalten der Kinder lässt sich als Test interpretieren, durch den das Kind herausbekommen möchte, ob der Lehrer/die Lehrerin sich genauso verhält, wie es sich das von seinen Bindungsfiguren erwartet oder gewohnt ist. In vielen Fällen zeigt die Lehrperson ein komplementäres Bindungsverhalten, indem sie das Kind in Konfliktsituationen zurückweist, anschreit, maßregelt, straft. Komplementäres Verhalten geschieht intuitiv und liegt in der Natur des Menschen. Bindungsmuster sind veränderbar!!!! durch neue sichere Bindungserfahrungen Laut Bowlby können alle jene Menschen, die dem Kind emotionale Fürsorge bereitstellen, Bindungsfiguren für die Kinder werden. Diese Kriterien können Lehrer/innen erfüllen, wenn sie entsprechend emotional und feinfühlig agieren. 4

Da es kaum andere, im Sozialberuf tätige Professionelle gibt, die so viel Zeit mit Kindern verbringen, wie Lehrer/innen, kommt diesen Beziehungen auch aus bindungstheoretischer Sicht eine große Bedeutung zu. (Julius, 2009) Ziel ist es, für unsicher gebundene Kinder die pädagogische Beziehung so zu gestalten, dass diese den bisherigen Beziehungserfahrungen widerspricht und die Entwicklung sicherer Arbeitsmodelle von Bindung fördert. Eine Lehrperson reagiert dann feinfühlig, wenn sie die Bindungssignale des Kindes wahrnimmt, korrekt interpretiert und versteht und angemessen darauf reagiert. Feinfühliges Lehrer/innenverhalten bedeutet: Wahrnehmen der Verhaltensweisen des Kindes So genannte Verhaltensstörungen stellen oft Lösungsversuche für das Kind im Umgang mit Problemen dar. Korrekte Interpretation und Verstehen der Verhaltensweisen des Kindes im Sinne der Bindungstheorie und in jedem Fall dem Kind eine positive Wertschätzung entgegenbringen. Angemessene feinfühlige Reaktionen 5

Bindungsgeleitete pädagogische Interventionen bei unsicher-vermeidend gebundenen Kindern Wahrnehmungen: - Die Kinder meiden z.b. Augenkontakt mit der Lehrerin. - Sie halten physischen Abstand ein. - Sie wehren körperliche Nähe ab. - Sie spielen auch mit Material nicht mit anderen. - Sie ersuchen zu keinem Zeitpunkt um Hilfe. - Sie werden häufig als feindselig und sozial isoliert beschrieben. - Ihr Ärger richtet sich oft gegen Objekte, Aufgaben und/ oder andere Personen in Form von Aggression oder Ungehorsam. Feinfühliges Lehrer/innenverhalten: Distanzierungsbedürfnis wahrnehmen Ich merke, dass du jetzt einen Abstand brauchst. Vermeidungshaltung des Kindes akzeptieren Ich verstehe, dass es dir zu viel wird. Lehrer/in soll Gefühl der Sicherheit, Vorhersagbarkeit und Verbindlichkeit vermitteln 6

Bindungsgeleitete pädagogische Interventionen bei unsicher-ambivalent gebundenen Kindern Wahrnehmungen: - Wunsch nach engem Körperkontakt einerseits und gleichzeitigem Ärger, wenn dieser nicht oder nicht entsprechend lange gewährt werden kann. - Ihr Verhalten wird als klammernd und kontrollierend beschrieben. - Sie möchten die Aufmerksamkeit der Lehrperson auf sich ziehen. - Sie zeigen oft offene Feindseligkeit der Lehrperson gegenüber. - Sie haben Probleme mit der selbstständigen Aufgabenbewältigung aus Angst, die Aufmerksamkeit der Lehrperson zu verlieren. Feinfühliges Lehrer/innenverhalten: Adäquate klare Grenzen setzen Wichtig ist für diese Kinder eine Kontinuität und Vorhersagbarkeit Vereinbarungen unbedingt einhalten tägliche Lehrer-Kind-Spiel-/Arbeits- und/oder Gesprächssequenzen Übergangsobjekte einsetzen z.b. Postkarte schreiben, Stein mitgeben Interpretationen für den Grund des kindlichen Verhaltens anbieten: Ich glaube, dass du herausfinden möchtest, ob du dich auf mich verlassen kannst. Eigenen Ärger kann man dem Kind gegenüber verbalisieren, man muss ihm aber immer zu verstehen geben, dass man es nicht zurückweisen wird und als Person mag. Wenn das Kind klammert oder aggressiv wird, weil die Zuwendung zu ihm beendet oder unterbrochen wird: von vornherein klare Grenzen/ Zeitrahmen vorgeben, in dem ich für das Kind da bin (Verabredungen unbedingt einhalten!!!!!) Feinfühligkeit im Umgang mit aggressiven Verhaltensäußerungen: Ich weiß, du bist sauer auf mich, weil ich jetzt gehe. Aber du weißt und kannst dich darauf verlassen, ich bin dann wieder für dich da. 7

Bindungsgeleitete pädagogische Interventionen bei desorganisiert-gebundenen Kindern Wahrnehmungen - Kontrollierendes Verhalten des Kindes (kontrollierend-strafend oder kontrollierend-fürsorglich) bedeutet für das Kind: - Solange ich kontrolliere, kann ich die Angst beherrschen!! Kinder wollen extreme Hilflosigkeit vermeiden, indem sie selbst Kontrolle ausüben. - Hinter kontrollierendem Verhalten steht immer Angst. - Mit Angst kann man nicht lernen daher: Lehrer/in Schüler/in -Beziehung muss SICHER!!!!! sein Feinfühliges Lehrer/innenverhalten: Kontrollverhalten erkennen, richtig interpretieren und Strategien zur Bewältigung von Angst anbieten Nicht mit verbalen Gegenaggressionen auf das strafendkontrollierende Verhalten des Kindes reagieren Das Verhalten des Kindes kann als Test interpretiert werden, ob die Lehrperson auch schreien oder schlagen wird. Interpretationen für das Verhalten des Kindes anbieten: idealerweise durch Geschichten und dann durch direkte Interpretation des Verhaltens des Kindes: Ich merke, dass du dich ärgerst. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin für dich da. Ich werde dich nicht anschreien oder schlagen. Bei fürsorglich-kontrollierendem Verhalten des Kindes soll die Lehrperson nicht die Rolle annehmen, die ihm das Kind zuschreibt, sondern ihm vermitteln, dass sie die Ältere und Verantwortliche ist. Interpretationen für das Verhalten des Kindes anbieten: Ich merke, dass du für mich sorgen möchtest, aber ich bin dazu da, für dich zu sorgen. Lehrperson muss die Rolle des Fürsorgers einnehmen. ständige Versicherung, dass die Lehrperson das Kind nicht schlagen oder misshandeln wird 8

Bindungsgeleitete pädagogische Interventionen Mit Angst kann man nicht lernen!!! daher: Sicherheiten für das Kind aufbauen!!!! Verabredungen einhalten: wenn ich etwas vergessen habe, dann unbedingt beim Kind entschuldigen; gemachte Fehler im Umgang mit dem Kind mit ihm besprechen Dem Kind immer das Gefühl geben, dass man für es da ist und das auch aussprechen: Ich bin für dich da! Du kannst dich auf mich verlassen! Ich sorge für dich! Die Empfindungen des Kindes verbalisieren und sagen, dass man es versteht das verändert etwas beim Kind. Ich merke, du ärgerst dich, bist wütend,... Ich verstehe, dass du dich so verhältst. Sicherheiten durch Regeln aufbauen Regeln geben dem Kind Halt = um das Kind wird ein Gerüst gebaut, in dem es sich sicher bewegen kann Wenn Kinder auszucken, muss die Schule ein sicherer Ort werden. Das Kind muss in jeder Phase des Auszuckens wissen, was passiert. Diese Schritte (Regeln) müssen mit dem Kind erarbeitet werden und ständig reflektiert (positive Verstärker) werden. Besondere Bedürfnisse besonderer Kinder mit den anderen Kindern besprechen (manche Kinder brauchen zusätzlich noch besondere Regeln). Persönliches Gespräch mit dem Kind: Wie ging das gestern vor sich, als du wütend wurdest. Versuch, Muster des Auszuckens zu entdecken (Videoanalysen!!!) Intervention mit dem Kind besprechen Was soll ich machen, dass es gut für dich ist? Was könntest du machen? (dem Kind Vorschläge machen, Alternativen ausprobieren!!!) 9

Spielverhalten Kinder übertragen, wenn sie im Spiel ein Bindungsmuster lernen, dieses auch in den Alltag. Wissenschaftliche Untersuchung ergab: 1x pro Woche eine halbe Stunde mit dem Kind spielen verändert bei diesem Kind etwas Spielsituation Kind-Lehrperson sollte festen Platz im Arbeitsplan haben Keine konkreten Situationen vorgeben, sondern spontan mit dem Kind mit Material (Playmobil, Handpuppen,..) spielen Beobachtung: Wie spielt das Kind? Hilfestellung: Verbindung bei Verletzungen Essen kochen sich miteinander gegen einen fiktiven Feind verbünden Lehrer/innen haben Bildungs- und Erziehungsauftrag = gesetzlicher Auftrag eine zuverlässige Bindungsfigur für das Kind zu werden (Julius, 2011) Lehrer/in darf sich nicht als Opfer und das Kind als Täter sehen Das Kind ist das Opfer seines erlernten Bindungsverhaltens!!!! Bindungsgeleitet zu arbeiten ist keine Therapieform sondern die Basis der Pädagogik schlechthin!!! (Julius, 2009) Eine Bindungsfigur, also auch eine Lehrperson, kommt nicht aus der Bindung heraus und auch nicht aus den Konsequenzen. Denn: man kann sich nicht nicht beziehungsmäßig verhalten! (Julius, 2011) Quellen/Literaturempfehlungen: Henri Julius/Barbara Gasteiger-Klicpera/ Rüdiger Kißgen Bindung im Kindesalter, Diagnostik und Intervention, Hogrefe, 2009 Karl Heinz Brisch (Hrsg.) Bindung und frühe Störungen der Entwicklung, Klett-Cotta, 2011 Tanja Jungmann/ Christina Reichenbach Bindungstheorie und pädagogisches Handeln, Borgmann, 2009 Joachim Bauer Warum ich fühle, was du fühlst; Das kooperative Gen; Schmerzgrenze 10

aus "heilpädagogik" Heft 1, Jänner 2012, S.4 11