Gerechtigkeit (2) Immanuel Kant über Gerechtigkeit Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797)

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Transkript:

Gerechtigkeit (2) Immanuel Kant über Gerechtigkeit Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797) Gerecht ist A. was die positiven Gesetze einer Rechtsordnung festlegen B. was dem Vernunftrecht entspricht (B) Nach dem Vernunftrecht gibt es ein inneres und äußeres Mein und Dein a) inneres: das Recht an der eigenen Person, das Menschenrecht, sein eigener Herr (sui juris) und unbescholten (justus) zu sein. (Rechtsfähigkeit, Rechtsgleichheit, Unbescholtenheit und körperliche Integrität) b) äußeres: das Recht an dem durch eigene Handlungen Erworbenen. (Eigentum an Sachen, vertraglicher Besitz von Leistungen und Zuständen anderer Personen). Grundsätzlich ist alles außer der Person privat zu erwerben. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 1

(Kant 2) I. Die ohne die Annahme des Staates erkennbaren Grundsätze des äußeren Mein und Dein bilden das Privatrecht. Aber: Etwas Äußeres als das Seine wirklich zu haben (objektiv bestimmt und gesichert), setzt einen öffentlichen Rechtszustand voraus. Eingeteilt wird das private Recht nach den Relationskategorien der Substanzialität, Kausalität und Wechselwirkung: Recht auf Sachen, Leistungen und einen Zustand der wechselseitig zustehenden, aber nicht strikt bestimmten, Pflichten. Oder: Sachenrecht, Vertragsrecht, Familienrecht. II. Die Regeln der Sicherung der Rechte durch eine öffentliche Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekutive bilden das öffentliche Recht. Dieses untereilt sich in Staatsrecht (Gewaltenteilung), Völkerrecht (internationale Verträge, Kriegsrecht) und Weltbürgerrecht (Recht des Individuums gegenüber fremden Staaten: Recht der Ansiedlung in anderen Ländern, Kolonienbildung durch Vertrag, Recht des In-Verkehr-Tretens vs. Abschließung, Recht des Reisens und Niederlassens etc.). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 2

Gerechtigkeit ist bei Kant also insgesamt Sicherung von Rechten des Individuums und der Staaten. Darüber hinaus gibt es keine Verteilungsgerechtigkeit. Justitia distributiva ist die Sicherung der privaten Rechte durch eine öffentliche Gerechtigkeit. Aber Kant nimmt im Anhang C zum Staatsrecht auch zur sozialen Gerechtigkeit Stellung. Da die Idee des Staatsvertrags auf dauerhafte Erhaltung der Mitglieder angelegt ist, muss der Staat denen, die dazu nicht in der Lage sind, das Existenzminimum sichern ( notwendigste Naturbedürfnisse ). Dies ist nur durch allgemeine Zwangsbesteuerung der Zahlungsfähigen rechtens. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 3

Nach Kant: Anfänge der Philosophie der sozialen Gerechtigkeit J. G. Fichte (1762-1814, Grundlage des Naturrechts 1796/97, Geschlossener Handelsstaat 1800): Selbstbewusstsein ist Bewusstsein der Selbsttätigkeit. Moral und Recht gründen auf das Gebot, sich selbst nach Gesetzen zum Handeln zu bestimmen. Das Recht auf Selbstbestimmung im äußeren Handeln impliziert das Recht, sich durch eigene Arbeit zu erhalten. Dafür ist eine staatliche Planwirtschaft nötig. Keine freie Berufswahl, staatliches Monopol der Außenwirtschaft, nicht-konvertierbare Währung etc. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 4

G. W. F. Hegel (1770-1831), Grundlinien der Philosophie des Rechts 1821: Der Staat muss Freiheit und Wohl der Individuen sichern. Freie Berufswahl muss zur autonomen Persönlichkeitsentwicklung erhalten bleiben, aber Markt ist strukturell krisenanfällig. Das abstrakte Recht der Privatpersonen und die Moralität ihrer Überzeugungen vom Wohl der Menschen muss in der Sittlichkeit zusammengeführt werden. Die Sittlichkeit umfasst Gruppen, Gebräuche und Institutionen, die Individualrecht und Wohl dauerhaft verbinden. Dazu gehört die Familie (solidarische wechselseitige Sorge), die berufsständischen Organisationen in einer freien Marktwirtschaft (Kammern, Kassen, Katastrophensicherung) und der Sozialstaat (staatliche Gewerbeaufsicht, Gesundheitspolitik, Strukturpolitik etc.). Ohne diese Kompensation und Stabilisierung zerfällt die bürgerliche Gesellschaft in die Klassen von Arm und Reich, deren Rechtsloyalität schwindet. Der Staat geht aber als politischer Staat (Bildung und Durchsetzung des vernünftigen gemeinsamen Willens) und als Kulturstaat (Förderung von Kunst, Religion und Wissenschaft) über den sozialen Rechtsstaat hinaus. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 5

Karl Marx (1818-1883, Frühschriften bis 1841-1847, Manifest der kommunistischen Partei 1848, Kapital seit 1867): Die Verelendung der Arbeiterklasse geht auf die strukturelle Ungerechtigkeit der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zurück. Die Arbeiter werden ausgebeutet, weil die Eigentümer der Produktionsmittel ihnen den durch die Arbeit erzielten Mehrwert teilweise vorenthalten. Aber auch die Kapitalisten sind entfremdet, weil sie den Verwertungsgesetzen des Kapitals unterliegen, sich nicht als Gattungswesen (wechselseitige Bedürfnisbefriedung) verwirklichen können. Die Krisen der kapitalistischen Gesellschaft führen notwendig zur letzten Revolution der Menschheitsgeschichte. Gründe: Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktions- bzw. Zirkulationsverhältnissen, Erzeugung eines immer größeren Heeres arbeitsloser Proletarier, Entstehung eines wahren Bewußtseins der Ungerechtigkeit bei der Avantgarde, der kommunistischen Partei. In der sozialistischen Revolution wird die Kapitalistenklasse abgestoßen, der Staat von der Arbeiterklasse übernommen und die Produktionsmittel verstaatlicht. Der Staat ist aber kein Selbstzweck, er muss im vollendeten Kommunismus absterben. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 6

Kritik: Marx hat sehr unklare Vorstellungen von der Gerechtigkeit der zukünftigen Gesellschaft. Jedem nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten, freie Assoziation etc. Hauptmangel: Das Recht wird nur als Herrschaftsinstrument einer Klasse gesehen. Daher keine Konzeption einer Festlegung und Sicherung der Individualrechte. Keine Gewaltenteilung, kein Pluralismus der politischen Meinungen und Weltanschauungen, keine Wissenschaftsfreiheit (Marxismus als wissenschaftliche Weltanschauung ). Auch keine Konzeption der gerechten Verteilung des (für die sozialistische Produktion angenommenen) Überflusses. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 7

John Stuart Mill (1806-1873, Der Utilitarismus 1863): Gerechtigkeit hat die beiden Komponenten der Sicherung individueller Freiheitsrechte (a) und der Verteilungsgerechtigkeit (b). (a) Auch die individuellen Rechte dienen dem sozialen Nutzen. Sie betreffen dessen wichtigsten Teil, die Sicherheit vor gewaltsamen Eingriffen in Leben und Freiheit. Daher werden sie streng sanktioniert und von unserem Gerechtigkeitsgefühl (Mischung zwischen Selbstverteidigungs- bzw. Vergeltungsgefühlen, Gattungssympathie und Vernunft) getragen. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 8

J. St. Mill (2) (b) Maße der Verteilungsgerechtigkeit: Verdienst-, Gleichheits- und Nutzens- (Ertragssteigerungs-)gesichtspunkte vereinen. Verdienstgesichtspunkt: die Struktur der justitia commutativa ist auf die der distributiva zu übertragen. Für beide Gerechtigkeitsarten gilt die gleiche Formel: daß wir jeden gleich gut behandeln sollen,... der sich um uns im gleichen Maße verdient gemacht hat, und daß die Gesellschaft jeden gleich gut behandeln soll, der sich um sie im gleichen Maße verdient gemacht hat (107). Das verlangt sozialen Fortschritt durch Anteil aller Bürger am Sozialprodukt und an der Kultur. Ständiges Wirtschaftswachstum führt aber zur Naturzerstörung. Wichtiger ist die Verbesserung des Anteils der Armen und ihrer Erziehung und Bildung. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 9

John Rawls (1921-2002, Eine Theorie der Gerechtigkeit 1971): Gerechtigkeit als Fairneß. Die Regeln des demokratischen Rechts- und Sozialstaats können auf einen Vertrag über die faire Verteilung der Lasten und Nutzen der Kooperation zurückgeführt werden. Ohne Wissen über ihre spätere gesellschaftliche Position würden die Teilnehmer der Vertragsverhandlung folgende Prinzipien wählen: 1. Es soll ein System möglichst vieler Grundrechte geschaffen und gesichert werden, in dem jedem gleiche Rechte zustehen. 2. Soziale Ungleichheit erhöht das gemeinsame Produkt (Regel der Anreize zu besonderen Leistungen). Sie ist unter zwei Bedingungen gerechtfertigt: A: Ämter und Positionen müssen jedem mit gleicher Qualifikation offen stehen. Chancen zur Qualifikation (Bildung) müssen möglichst gleich sein. B: Die Lage der Schlechtestgestellten muss optimiert werden (Maximinregel). Diese Regeln werden in einem Vier-Stufengang (Vertrag, Verfassung, Gesetzgebung, Rechtsprechung) zu einem Verfassungsstaat mit sozialer Wirtschaftspolitik konkretisiert. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 10

Michael Walzer (1935-, Sphären der Gerechtigkeit 1983): Gerechtigkeit als System unterschiedlicher Güterverteilungen in selbständigen Gesellschaftssphären (Spheres of Justice). Gerechte Verteilung ist abhängig von der Art der Güter in einer bestimmten Kultur (Partikularismus statt Universalismus, kommunitaristische Konzeption). Die Dominanz einer Sphäre über die anderen führt zu Ungerechtigkeit und Tyrannei. Vor allem zwischen der politischen Sphäre und der Sphäre des Geldes muss Unabhängigkeit und Gleichgewicht herrschen (Macht nicht zu erkaufen, politische Macht berechtigt nicht zu den Gütern der anderen Sphären). Eine jeweilige Kultur hat Maßstäbe der gerechten Verteilung bestimmter Güter (Staatsangehörigkeit, Sicherheit, Ämter, Wissen, harte Arbeit, Freizeit etc.). Gerecht und freiheitlich ist ein Prozess der zunehmenden Differenzierung der Sphären und der jeweils angemessenen Verteilungsregeln. Es gibt aber Mischsphären (Großunternehmen sind teilweise politisch, innere Demokratie erforderlich). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 11

M. Walzer (2) Probleme: Sind die Verteilungsregeln wirklich durch die kulturellen Werte festgelegt? Woher dann der politische Streit darüber? Kann eine partikularistische Theorie für andere Gesellschaften und Kulturen Maßstäbe abgeben? Ist sie an einen kulturellen status quo gebunden? Warum ist Eigentums- und Erbrecht gerechter als andere Ordnungen? Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 12