Gender Mainstreaming in der Jugendverbandsarbeit Vortrag von Ansgar Drücker, Naturfreundejugend Deutschlands, beim Workshop des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zu Gender Mainstreaming am 18.11.04 in Halle/Saale - Folien -
Definition von Gender Mainstreaming Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Gender kommt aus dem Englischen und bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen und Männern. Diese sind - anders als das biologische Geschlecht - erlernt und damit auch veränderbar. Mainstreaming (englisch für Hauptstrom ) bedeutet, dass eine bestimmte inhaltliche Vorgabe, die bisher nicht das Handeln bestimmt hat, nun zum zentralen Bestandteil bei allen Entscheidungen und Prozessen gemacht wird.
Gender Mainstreaming in der Politik Gender Mainstreaming als Begriff hat Konjunktur seit der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 und wurde danach zunächst von der Europäischen Union aufgegriffen Im Amsterdamer Vertrag der EU von 1999 heißt es:»bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern«(art. 3/2) Seit dem Beschluss des Bundeskabinetts zu Gender Mainstreaming im Jahre 1999 ist es durchgängiges Leitprinzip der Bundesregierung. Auch verschiedene Landesregierungen und Kommunen haben Gender Mainstreaming aufgegriffen. Auf Länderebene spielt das Prinzip Gender Mainstreaming vor allem in rot(-grün) regierten Bundesländern eine Rolle.
Gender Mainstreaming im Jugendverband Mögliche Anstöße für Gender Mainstreaming: - Rückgang der Zahl oder des Engagements ehrenamtlicher MitarbeiterInnen - Männlich dominierte Sitzungs- oder Streitkultur stößt zunehmend auf Kritik - Frauen fordern Kinderbetreuung auf Sitzungen oder zeitliche Veränderungen ein, um ihre Mitarbeit zu ermöglichen - Vorgaben (oder vermutete "Vorlieben") von Geldgebern - Probleme mit hierarchischen oder patriarchalen Strukturen engen die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten ein (Kirche, Gesamtverband etc.). - Ehrenamtliche machen Geschlechtergerechtigkeit zum Thema. - Das Thema kommt durch Impulse und Erfahrungen aus der Bildungsarbeit, der JugendleiterInnen-Ausbildung oder auf Kinderund Jugendreisen auf die Agenda. - Es gibt Geld dafür.
Gender Mainstreaming im Jugendverband Mögliche Chancen: - Gender Mainstreaming kann ein Impuls für die Verbandsentwicklung sein. - Gender Mainstreaming kann Zugänge zu Fördertöpfen eröffnen (oder die Beachtung ist sogar Voraussetzung für eine Förderung). - Ein "Gender Selbstcheck" kann Defizite und Hemmnisse für mehr Engagement aufzeigen. - Gender Mainstreaming kann neue Formen und Felder sozialen Lernens eröffnen. - Gender Mainstreaming stellt stereotype Geschlechterrollen in Frage und eröffnet damit vielseitige Betätigungsfelder für beide Geschlechter. - Gender Mainstreaming ist gut fürs Image. - Gender Mainstreaming ist ein politisches u n d ein pädagogisches Thema. - Gender Mainstreaming greift auf verbandliche Vorerfahrungen in der Mädchen- und Jungenarbeit zurück.
Gender Mainstreaming im Jugendverband Mögliche Fragen, Probleme und Widerstände 1. Top-Down-Prozess - Wer gibt Gender Mainstreaming vor? - Mit welcher Legitimation? - Mit welchem Ziel? 2. Der Begriff Gender Mainstreaming - unbekannt, erklärungsbedürftig, abstrakt - setzt eine soziologische Perspektive voraus - kann Abwehrmechanismen auslösen 3. Typische Abwehrmechanismen - "Das ist doch eine aufgesetzte Diskussion!" - "Bei uns sind schon alle gleichberechtigt." - "Das lassen wir uns nicht vorschreiben!" - "Die Jungs müssen bei uns auch spülen." - "Das ist doch nur ein Modebegriff." - usw.
Gender Mainstreaming im Jugendverband 1. Kinder- und Jugendverbände stellen durch ihre kontinuierliche Arbeit einerseits und ihre laufende personelle Erneuerung andererseits ein gutes Praxisfeld für Gender Mainstreaming dar. 2. Kinder- und Jugendverbände und -ringe müssen ihren eigenen Werte-hintergrund, ihre Schwerpunkte und unterschiedlichen Ansätze in ihre jeweils eigene Auseinandersetzung mit dem Prinzip Gender Mainstreaming einbringen können. 3. Gerade der Bereich der Kinder- und Jugendreisen als aus dem Alltag heraus gelöste und längerfristige pädagogische Situationen in einer neuen Umgebung bietet gute Ansatzpunkte für die praktische Umsetzungen von Gender Mainstreaming. 4. Und da war doch noch was: Gender Mainstreaming sollte auch Männern etwas bieten. Gender Mainstreaming kann nur schwer verordnet werden.
Kritik an Gender Mainstreaming Kritik am Umgang mit Gender Mainstreaming im politischen Raum: Modethema oder durchsetzungsstarkes Politikfeld? Verpflichtung nur für andere oder Selbstverpflichtung der Politik und der Verwaltung? Kritik an der technokratischen Umsetzung von Gender Mainstreaming: Durch formalistische Regelungen allein entstehen keine gesellschaft-lichen Impulse Kritik an Gender Mainstreaming als Nischen-Strategie: Der Rest der Welt dreht sich weiter ohne Gender Mainstreaming! Kritik aufgrund der Festschreibung vermeintlich biologisch vorgegebener Geschlechterrollen: Welche Unterschiede sind biologisch, welche sozial konstruiert und welche Folgen hat die Antwort auf diese ungeklärte Frage?
Kritik am ökonomischen Inwertsetzungsinteresse von Gender Mainstreaming-Strategien: Gender Mainstreaming als Strategie zur Erschließung "brachliegender" Potentiale (Gewinnmaximierung statt Frauenförderung um ihrer selbst willen?) Kritik von Feministinnen: Rückschritt für die Frauenbewegung? Doppelstrategie als verbales Trostpflaster bei gleichzeitigen Kürzungen in der Frauenförderung? Kritik von Männern: Gender Mainstreaming-Strategien zu stark durch die weibliche Perspektive geprägt? Oft fehlt die Antwort auf die Frage: "Was können Männer hinzugewinnen?" Kritik von Schwulen und Lesben: Auch Gender Mainstreaming-Strategien gehen häufig von der "heterosexuellen Grundannahme" aus. Einbe-ziehung der Kategorie "sexuelle Orientierung"? Kritik aus interkultureller Perspektive: Das deutsche Verständnis von Gender Mainstreaming ist nicht durchgehend für die internationale Arbeit geeignet und läuft Gefahr, die interkulturelle Perspektive zu vernachlässigen.
Evaluation von Kinder- und Jugendreisen der Naturfreundejugend Deutschlands im Sommer 2004 Mädchen bewerten die sozialen Aspekte innerhalb der Gruppe der Kinder- und Jugendreisen positiver. Jungen bewerten thematische Anregungen im Vergleich positiver. Mädchen stimmen folgenden Äußerungen eher zu als Jungen: - Mit diesen TeilnehmerInnen würde ich gerne wieder auf eine Freizeit gehen. - Ich habe bei dieser Freizeit neue FreundInnen gefunden. - Manche TeamerInnen dieser Freizeit bedeuten mir sehr viel. - Es herrschte eine Atmosphäre, in der man sehr offen von sich erzählen konnte. Mädchen bewerten folgende Punkte positiver als Jungen: - Atmosphäre - Gruppe - Bademöglichkeiten Jungen stimmten hingegen eher folgenden Äußerungen zu: - Es gab "feste Cliquen", in die man als Außenstehender kaum hineinkommen konnte. Jungen reagieren offensichtlich positiver auf thematische Anregungen sowie auf äußere Rahmenbedingungen: - Die Natur und die Erhaltung der Umwelt ist mir bei dieser Freizeit wichtig geworden. - Ich habe bei dieser Freizeit neue Hobbys entdeckt. - Ich finde, dass die Freizeit zu teuer ist. Mädchen bewerten die gesamte Reise insgesamt positiver. Mädchen kommen zu einer besseren Gesamtbeurteilung der Reise und stimmen folgenden Aussagen eher zu: - Ich habe Lust bekommen, bei einer solchen Freizeit wieder teilzunehmen. - So eine Freizeit kann ich meinen Freunden weiterempfehlen.
Gender Mainstreaming auf Kinder- und Jugendreisen (Beispiel: Naturfreundejugend Nordrhein-Westfalen) "Gender Mainstreaming auf Jugenderholungsmaßnahmen" Freie Einteilung der Zeltbelegungen nach den Wünschen der TeilnehmerInnen, natürlich unter Berücksichtigung der von den Eltern in den Einverständniserklärungen gemachten Angaben Gemischtgeschlechtliche Zusammenstellung der Zeltdorfteamer um a) bei gemischtgeschlechtlichen Dörfern einen entsprechenden Ansprechpartner für die TeilnehmerInnen entsprechend ihrer unter-schiedlichen Lebenslagen als Mädchen oder Jungen zu haben und b) die Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht auch im Teamer/Teilnehmer-Verhältnis üben zu können Einrichtung von geschlechtsspezifischen Angeboten geschlechtsneutrale Verteilung der Gemeinschafts-dienste auf alle TeilnehmerInnen Unterstützung der Teilnehmer durch unsere Teamer bei der Übernahme geschlechtsuntypischer Rollen bei der Ausübung der Gemeinschaftsdienste oder bei der Beteiligung an Programmangeboten Schaffung eines geschlechtsspezifischen Freiraums für die Teilnehmer bei Bedarf Beachtung einer paritätischen Besetzung bestimmter Funktionen durch die Teilnehmer da, wo es sinnvoll erscheint, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu haben (z.b. Lagerrat) Ernstnehmen der Teilnehmer im Hinblick auf geschlechtsrelevante Belange
Ausgewählte Aktivitäten der Naturfreundejugend Deutschlands Beratung und Gender Training für die Bundesleitung (Ehrenamtliche und Hauptamtliche) Auswertung einer Sitzung des Bundesausschusses u.a. unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten Konzentration auf das Thema "Reisen und Freizeiten" in der innerverbandlichen Umsetzung des Themas, u.a. Verabschiedung eines Leitbildes für die Reisen und Freizeiten der Naturfreundejugend Deutschlands u.a. mit geschlechtsspezifischen Aussagen Evaluation von Reisen und Freizeiten der Landesverbände u.a. unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten im Rahmen eines vom BMFSFJ geförderten Projekts zu "Qualitätsentwicklung und Gender Mainstreaming" Erarbeitung der Arbeitshilfen "CHECKheft" und "BAUsteine" für die TeamerInnenausbildung mit eigenen Kapiteln zu Gender Mainstreaming Intensive Mitarbeit bei der Positionsfindung im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) Beteiligung an einer Tagung des Bundesamtes für Naturschutz und des Bundesumweltministeriums zu "Gender Mainstreaming im Naturschutz" sowie am Projekt "Gender Greenstreaming" des Deutschen Naturschutzringes (DNR) Einbringen des Themas in den Gesamtverband NaturFreunde Deutschlands (Artikel in der Mitgliederzeitschrift, Antrag für den Bundeskongress
Ausgewählte Ergebnisse der Evaluation von Reisen und Freizeiten der Naturfreundejugend Deutschlands (2004)