Prof. Dr. Gerhard Robbers Sommersemester 2000

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Prof. Dr. Gerhard Robbers Sommersemester 2000 Repetitorium für Verfassungsrecht und Verfassungsprozeßrecht Verfassungsorgane (Bundesregierung, Bundespräsident; konkrete Normenkontrolle) Fragen und Antworten Bitte beachten Sie: Die nachstehenden Antworten fassen die wichtigsten Probleme ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zusammen. BUNDESPRÄSIDENT Wahl des Bundespräsidenten FRAGE 1: Wer wählt den Bundespräsidenten? ANTWORT: Für die Wahl des Bundespräsidenten sieht das Grundgesetz ein eigenes oberstes Staatsorgan, die Bundesversammlung, vor, deren Kompetenzen sich im Wahlakt erschöpfen und die deshalb nur alle fünf Jahre zusammentritt. Die Einberufung der Bundesversammlung obliegt dem Präsidenten des Bundestages (Art. 54 IV 2 GG). Er bestimmt Zeit und Ort des Zusammentritts ( 1 WahlGBPräs). Nach 8, 2 WahlGBPräs i.v.m. 7 II 1 GeschOBT hat er zudem das Hausrecht, sowie die Polizei- und Ordnungsgewalt. In der Bundesversammlung findet lediglich die Wahl des Bundespräsidenten statt. Die Bundesversammlung tagt öffentlich. Eine vorherige "Aussprache" über den bzw. die Kandidaten wird von Art. 54 I 1 GG untersagt (ebenso für die Kanzlerwahl: Art. 63 I GG). Damit soll eine die Autorität des künftigen Bundespräsidenten möglicherweise gefährdende Personaldiskussion verhindert werden (Jarass / Pieroth - Pieroth, a.a.o., Art. 54, Rdnr. 4). FRAGE 2: Wie setzt sich die Bundesversammlung zusammen? ANTWORT: Die Bundesversammlung (Art. 54 I 1 GG) besteht nach Art. 54 III GG aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl weiterer Mitglieder, die von den Landesparlamenten nach den Grundsätzen über die Verhältniswahl (d. h. in Ausrichtung an das im jeweiligen Bundesland gegebene Stärkeverhältnis der Fraktionen) gewählt werden. Wieviele Mitglieder ein Land in die Bundesversammlung

entsendet, richtet sich proportional nach der Bevölkerungszahl. (Zur Zusammensetzung der elften Bundesversammlung vgl.: http://www.bundestag.de/info/info/1548a.htm) FRAGE 3: Kann das Bundesland B nicht nur Landtagsabgeordnete, sondern auch bekannte Spitzensportler in die Bundesversammlung entsenden? ANTWORT: Die Mitgliedschaft im Landesparlament ist nicht Voraussetzung. Der Bundesversammlung können folglich Mitglieder angehören, die kein parlamentarisches Mandat innehaben (vgl. Sachs Nierhaus, a.a.o., Art. 54, Rdnr. 24). Daher ist die Entsendung von Spitzensportlern in die Bundesversammlung nicht verfassungswidrig. FRAGE 4: Wieviele Stimmen muß ein Kandidat auf sich vereinigen, damit er zum Bundespräsidenten gewählt ist? ANTWORT: Für die Wahl ist in den beiden ersten Wahlgängen die absolute Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl (nicht: Anwesenheitsmehrheit, vgl. Art. 121 GG) notwendig (Art. 54 VI 1 GG). Erst im dritten Wahlgang genügt die einfache (relative) (Anwesenden-) Mehrheit (Art. 54 VI 2 GG). Die Abstimmung erfolgt geheim ( 9 III 1 WahlGBPräs). FRAGE 5: Welche persönlichen Voraussetzungen müssen für eine Kandidatur als Bundespräsident erfüllt sein? ANTWORT: Wählbar ist nach Art. 54 I 2 GG jeder Deutsche (im Sinne des Art. 116 I GG), der das 40. Lebensjahr vollendet hat und aktiv wahlberechtigt (Art. 38 III GG i.v.m. 12ff. BWahlG) ist. FRAGE 6: Wer ist Vertreter des Bundespräsidenten? ANTWORT: Bei Verhinderung des Bundespräsidenten oder bei vorzeitiger Erledigung seines Amtes werden die Befugnisse des Bundespräsidenten gemäß Art. 57 GG durch den Präsidenten des Bundesrates (Art. 52 I GG) wahrgenommen. FRAGE 7: Ist eine Wiederwahl des Bundespräsidenten möglich? ANTWORT: Die Amtszeit des Bundespräsidenten beträgt fünf Jahre. Nach Art. 54 II 2 GG ist eine anschließende Wiederwahl des Bundespräsidenten einmal zulässig.

FRAGE 8: Besteht die Möglichkeit, daß jemand der bereits 10 Jahre Bundespräsident war, abermals Bundespräsident wird? ANTWORT: Aus dem gerade Gesagten folgt, daß eine spätere Wiederwahl dann nicht ausgeschlossen ist, wenn zwischendurch mindestens ein anderer Bundespräsident amtiert hat. Der Wortlaut des Art. 54 II 2 GG ("anschließende") läßt eine (unterbrochene) dritte Kandidatur zu (Maurer, a.a.o., 15, Rdnr. 9; Sachs Nierhaus, a.a.o., Art. 54, Rdnr. 31; Jarass / Pieroth - Pieroth, a.a.o., Art. 54, Rdnr. 3 jeweils m.w.n. zur Gegenansicht). FRAGE 9: Genießt der Bundespräsident Immunität und / oder Indemnität? ANTWORT: Durch Art. 60 IV GG wird der Bundespräsident bzgl. der Immunität den Bundestagsabgeordneten gleichgestellt. Ermittlungsverfahren gegen ihn bedürfen stets der Genehmigung des Bundestages. FRAGE 10: Kann der Bundespräsident zugleich Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung sein? ANTWORT: Nach Art. 55 I GG darf der Bundespräsident weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören. Gegenzeichnung FRAGE 11:Der Staatspräsident des Staates S hält sich in Kürze in Deutschland auf. Bundespräsident P möchte ihn zu Gesprächen über die Voraussetzungen der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen in seinem Amtssitz empfangen. Die Beziehungen zu S waren nach der von der Regierung angeordneten Vertreibung einer ethnischen Minderheit abgebrochen worden. Muß P Bundeskanzler K vom bevorstehenden Besuch des Staatspräsidenten von S unterrichten und dessen Billigung abwarten? ANTWORT: Gemäß Art. 59 I 1 GG obliegt dem Bundespräsidenten die völkerrechtliche Vertretung des Bundes. Dabei handelt es sich aber nur um die Kundgabe des Staatswillens nach außen, nicht um die innerstaatliche Bildung dieses Willens. Der Bundespräsident hat keine Befugnis zur selbständigen Gestaltung der Außenpolitik. Die Bestimmung der Richtlinien der Politik und damit auch der Außenpolitik ist gemäß Art. 65, 1 GG für den Bereich der Exekutive dem Bundeskanzler vorbehalten; innerhalb dieser Richtlinien trägt gemäß Art. 65, 2 GG der für die auswärtige Politik zuständige Ressortminister die Verantwortung (Erichsen Jura 1985, 373 (374). Diese Kompetenz des Bundeskanzlers, Leitentscheidungen im Bereich der Exekutive (hier:

der Außenpolitik) zu treffen, soll das Gegenzeichnungserfordernis des Art. 58 GG gewährleisten (Erichsen Jura 1985, 373 (381)). EXKURS: Gegenzeichnung Die Gegenzeichnung wird im GG an zwei Stellen geregelt: zum einen generell in Art. 58 GG für "Anordnungen und Verfügungen", zum anderen speziell in Art. 82 I 1 GG für die Ausfertigung der Gesetze. Nach Art. 58, 1 GG bedürfen Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen Bundesminister. Ausnahmen von diesem Erfordernis finden sich in Art. 58, 2 GG (Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers, Auflösung des Bundestages gemäß Art. 63 GG und das Ersuchen gemäß Art. 69 III GG). (Zu weiteren Ausnahmen vgl. die Darstellung bei Sachs Nierhaus, a.a.o., Art. 58, Rdnr. 13ff.) Die Gegenzeichnung obliegt dem Bundeskanzler oder dem ressortmäßig zuständigen Bundesminister; sie richtet sich also nach der Aufgabenverteilung innerhalb der Bundesregierung. Sind "Richtlinien der Politik" betroffen, so ist der Bundeskanzler zuständig. Die Gegenzeichnung erfolgt bei rechtlich verbindlichen Anordnungen des Bundespräsidenten schriftlich (in der PRAXIS wird dem Bundespräsidenten i.d.r. die bereits gegengezeichnete Verfügung zum Vollzug vorgelegt, z. B. das auszufertigende Gesetz). Bei sonstigen Handlungen und Erklärungen erfolgt die Gegenzeichnung regelmäßig konkludent durch stillschweigende Billigung der nach Art. 58 GG zuständigen Organe. Fehlt die Gegenzeichnung, so führt dies zur "Ungültigkeit" der Maßnahme des Bundespräsidenten. Dies gilt insbesondere für rechtlich verbindliche Akte. Bei sonstigen Handlungen und Erklärungen des Bundespräsidenten ist von einer Kompetenzüberschreitung auszugehen (Degenhart, a.a.o., Rdnr. 460). Folge der Gegenzeichnung ist die Übernahme der politischen Verantwortung durch die Bundesregierung. Die rechtliche Verantwortung verbleibt beim Bundespräsidenten: Er hat ein Gesetz, das nicht "nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen" ist, nicht auszufertigen, auch bei vorliegender Gegenzeichnung (Degenhart, a.a.o., Rdnr. 460). Fraglich ist, ob P, wenn er den Staatspräsidenten, ohne vorherige Absprache mit K, zu Gesprächen über die Voraussetzungen der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen empfängt, gegen das Gegenzeichnungserfordernis des Art. 58, 1 GG verstößt. Nach Art. 58, 1 GG bedürfen Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen Bundesminister. In richtlinienrelevanten Angelegenheiten ist der Bundeskanzler zuständig.

Fraglich ist, ob der Empfang und die Konsultationen in den Anwendungsbereich des Art. 58, 1 GG fallen. Nach h.a. fallen unter die Gegenzeichnungspflicht des Art. 58 GG alle amtlichen und politisch bedeutsamen Handlungen und Erklärungen des Bundespräsidenten (Stern II, 30 II 7 b)), also insbesondere auch Reden, Interviews, Empfänge u.ä., da der Bundespräsident gerade auch in diesem Bereich kraft seiner Stellung als Staatsoberhaupt politisch wirken und damit in den der Bundesregierung vorbehaltenen Bereich eingreifen kann (Degenhart, a.a.o., Rdnr. 459; Stern II, S. 213; Erichsen Jura 1985, 373 (379); Maurer, a.a.o., 15, Rdnr. 24ff. (27)). Nach dieser Ansicht bedürfen der Empfang und die Konsultationen also der Gegenzeichnung durch K, da es um einen Eingriff in den der Bundesregierung vorbehaltenen Bereich der Außenpolitik geht und nicht um bloß private Gespräche. K ist insoweit auch zur Gegenzeichnung befugt. Es geht um eine die Richtlinien der Politik betreffende Angelegenheit. Nach anderer Ansicht ist nur rechtsförmliches Handeln, d. h. rechtlich verbindliche Akte, nach außen wirkende schriftförmige Entscheidungen der Gegenzeichnung zu unterwerfen. Begründet wird dies damit, daß bereits der Wortlaut ("Gültigkeit") dafür spreche, daß nur solche Maßnahmen erfaßt werden, die ihrer Rechtsnatur nach "gültig" sein können, also Rechtsfolgen herbeiführen sollen. Allerdings sei der Bundespräsident in diesem Bereich unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsorgantreue ohnehin zur Zurückhaltung verpflichtet (Jarass / Pieroth - Pieroth, a.a.o., Art. 58, Rdnr. 2; Schenke Jura 1982, 337 (345); Kunig Jura 1994, 217 (218)). Folgt man dieser Ansicht, so fehlt es vorliegend an einem Eingriff. BUNDESREGIERUNG FRAGE 12: Welche Phasen unterscheidet man bei der Bundeskanzlerwahl? ANTWORT: 1. Wahlphase: Der Bundespräsident schlägt dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten vor (Art. 63 I GG). Erhält dieser "die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages", (sog. Kanzlermehrheit) so muß der Bundespräsident ihn ernennen (Art. 63 II GG). 2. Wahlphase: Erreicht der Vorgeschlagene nicht die erforderliche Mehrheit, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen mit absoluter Mehrheit einen Bundeskanzler wählen, ohne daß ein Vorschlag des Bundespräsidenten vorliegt (Art. 63 III GG). Die Initiative für den Wahlvorschlag geht in dieser Phase also auf den Bundestag über. Innerhalb der Frist von 14 Tagen können beliebig viele Wahlgänge durchgeführt werden (Jarass / Pieroth - Pieroth, a.a.o., Art. 63, Rdnr. 3). 3. Wahlphase: Kommt innerhalb dieser Frist eine Wahl nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt (Art 63 IV 1 GG). Auch hier müssen die Wahlvorschläge aus der Mitte des Bundestages kommen. Gewählt ist, wer die (einfache) Mehrheit der Stimmen erhält (Art 63 IV 1 GG). Erreicht der Gewählte die absolute

Mehrheit, so muß ihn der Bundespräsident ernennen (Art 63 IV 2 GG). Bei einfacher Mehrheit hat der Bundespräsident ein Wahlrecht: Er kann nach seinem Ermessen binnen sieben Tagen entweder den Gewählten ernennen oder den Bundestag auflösen (Art. 63 IV 3 GG). HINWEIS: Wahlvorschläge für den zweiten und dritten Wahldurchgang sind nach 4, 2 GOBTag von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder von einer Fraktion, die mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages umfaßt, zu unterzeichnen. FRAGE 13: Wie werden die Zahl und die Geschäftsbereiche der Ministerien festgelegt? ANTWORT: Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern (Art. 62 GG). Die Zahl ihrer Mitglieder läßt das Grundgesetz offen. Aus dem GG ergibt sich, daß es einen Stellvertreter des Bundeskanzlers (Art. 69 I GG), einen Bundesverteidigungsminister (Art. 65a GG), einen Bundesjustizminister (Art. 96 II 4 GG) und einen Bundesfinanzminister (Art. 108 III, 112,2 und 114 I GG) geben muß. Im übrigen ist der Bundeskanzler bzgl. der Zahl und der Geschäftsbereiche der Minister nicht gebunden, vorbehaltlich einer äußersten Grenze der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung (Jarass / Pieroth - Pieroth, a.a.o., Art. 64, Rdnr. 2). Der Bundeskanzler hat insoweit die Organisationsgewalt (vgl. auch 9, 1 GeschOBReg); er kann auf aktuelle Herausforderungen, die sich etwa aus Veränderungen der Verhältnisse, aus neuen Einsichten oder Verschiebungen politischer Gewichtungen ergeben können, reagieren, indem er besondere Geschäftsbereiche einrichtet (Erichsen Jura 1985, 373 (376)). FRAGE 14: Genießen die Mitglieder der Bundesregierung Immunität und / oder Indemnität? ANTWORT: Regierungsmitglieder genießen diesen Schutz nur, wenn sie zugleich Abgeordnete sind. FRAGE 15: Kann ein Bundesminister zugleich Landesminister sein? ANTWORT: Nach 4 BMinG kann ein Mitglied der Bundesregierung nicht zugleich Mitglied einer Landesregierung sein. FRAGE 16: Welche Prinzipien gelten für die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung? ANTWORT: Nach Art. 65 GG gelten für die Willensbildung innerhalb der BReg drei Prinzipien:

Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers (Kanzlerprinzip, Art. 65, 1 und 4 GG): Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Richtlinien der Politik sind nach h. M. der Inbegriff der grundlegenden und richtungbestimmenden politischen Leitentscheidungen im Bereich der Regierung. Erfaßt werden nicht nur allgemeine Grundsätze, sondern auch Einzelfälle von besonderer Bedeutung. (Stern II, 31 IV 2 a; Degenhart, a.a.o., Rdnr. 445; Maunz / Dürig - Herzog, GG, Art. 65, Rdnr. 7). Ressortprinzip (Art. 65, 2 GG): Soweit keine Richtlinien bestehen oder vorhandene Richtlinien zu konkretisieren sind, leitet jeder Bundesminister seinen jeweiligen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Kollegial- oder Kabinettsprinzip (Art. 65, 3 und 4 GG): Kommt es in ressortübergreifenden Fragen nicht zu einer Einigung zwischen den beteiligten Ministern oder geht es um wesentliche Fragestellungen, so entscheidet die Bundesregierung (vgl. auch 17 GeschOBReg). Eine Aufstellung der wichtigsten Fälle in denen die Bundesregierung als Kollegium zu entscheiden hat findet sich bei Maurer, a.a.o., 14, Rdnr. 52. FRAGE 17: Welche Möglichkeiten zur Auflösung des Bundestages bestehen? [Bsp.: Der Bundestag hat 656 Abgeordnete. Bundeskanzler K hat bisher mit Unterstützung der X- (256 Sitze) und der Y- (100 Sitze) Fraktion regiert. K verliert wegen Differenzen bei der Frage der Neuverschuldung des Bundes die Unterstützung der Y- Fraktion. Welche Möglichkeiten sieht das Grundgesetz in einem solchen Fall vor?] ANTWORT: a) Das konstruktive Mißtrauensvotum (Art. 67 GG) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Mißtrauensbekundung und Wahl des neuen Bundeskanzlers sind also gekoppelt, sie finden "uno actu" statt: Die Abwahl erfolgt durch die Neuwahl, die zugleich Kundgebung des Mißtrauens ist. Das konstruktive Mißtrauensvotum soll (im Gegensatz zum "einfachen" oder "destruktiven Mißtrauensvotum") verhindern, daß sich im Bundestag Mehrheiten zusammenfinden, die sich - negativ - in der Ablehnung des amtierenden Kanzlers einig sind, aber nicht - positiv - zur Neuwahl eines Nachfolgers bereit oder fähig sind. (vgl. Maurer, a.a.o., 14, Rdnr. 37ff.) b) Die Vertrauensfrage (Art. 68 GG) Ist eine Parlamentsmehrheit vorhanden, die die Regierungspolitik nicht billigt, zur Wahl eines neuen Kanzlers aber nicht in der Lage ist, so kann diese ("negative") Mehrheit die von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Gesetze, vor allem das Haushaltsgesetz, ablehnen und damit eine politische Machtlosigkeit der Regierung bewirken. In einem solchen Fall kann der Bundeskanzler nach Art. 68 GG die Vertrauensfrage stellen. Die Stellung der Vertrauensfrage kann isoliert erfolgen oder

in Verbindung mit einem anderen Antrag, z. B. einer Gesetzesvorlage (Art. 81 I 2 GG). Bei Verneinung der Vertrauensfrage hat der Bundeskanzler verschiedene Möglichkeiten: Der Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung können zurücktreten und damit den Weg für eine Neuwahl nach Art. 63 GG frei machen. Die Bundesregierung kann als Minderheitsregierung im Amt bleiben. Der Bundeskanzler kann nach Art. 68 GG dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorschlagen. Der Bundespräsident kann nach politischem Ermessen (BVerfGE 62, 1) den Bundestag binnen 21 Tagen auflösen (FOLGE: Neuwahlen) oder den Antrag ablehnen. Dieses Auflösungsrecht des Bundespräsidenten erlischt, wenn der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt (Art. 68 I 2 GG) oder wenn der Bundeskanzler erneut die Vertrauensfrage stellt und diese positiv beschieden wird. GRUND: Die Wahlperiode endet erst mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages (Art. 39 I 2 GG). Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Bundestag alle Kompetenzen wahrnehmen, die ihm nach dem Grundgesetz zustehen (Ipsen, Staatsrecht I, 11. Auflage 1999, Rdnr. 374). Problem: Muß der Bundestag "wirklich" dem Bundeskanzler das Vertrauen versagt haben oder genügt es, wenn die Abstimmung äußerlich einen negativen Ausgang aufweist; d. h. ist eine "materielle" oder eine "formelle" Auflösungslage erforderlich? Das BVerfG (BVerfGE 62, 1 (42f.)) hat sich für eine materielle Auflösungslage als Voraussetzung einer Bundestagsauflösung nach Art. 68 I GG ausgesprochen und eine Lage "politischer Instabilität" gefordert, dabei jedoch den zuständigen Verfassungsorganen (Bundeskanzler und Bundespräsident) bzgl. der Beurteilung dieser Voraussetzungen einen weitgehenden Einschätzungsspielraum zuerkannt. c) Rücktritt (im GG nicht ausdrücklich geregelt, wird er aber z. B. in Art. 69 II, III GG vorausgesetzt; vgl. Degenhart, a.a.o., Rdnr. 442; Maurer, a.a.o., 14, Rdnr. 36; Küchenhoff JuS 1983, 948 (949)) des Bundeskanzlers (damit endet nach Art. 69 II GG auch das Amt der Bundesminister); FOLGE: Wahl eines neuen Bundeskanzlers gemäß Art. 63 GG (vgl. Küchenhoff JuS 1983, 948 (949)) des gesamten Kabinetts Einzelne Bundesminister können nach 9 II BMinG jederzeit ihre Entlassung verlangen; nach Art. 64 I GG hat dann der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten die Entlassung vorzuschlagen. FRAGE 18: Welche weiteren Inkompatibilitäten bestehen für Mitglieder der Bundesregierung?

ANTWORT: Nach Art. 66 GG dürfen der Bundeskanzler und die Bundesminister kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohne Zustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. FRAGE 19: Kann ein Bundesminister zugleich Richter am BVerfG sein? ANTWORT: Nach Art. 94 I 3 GG dürfen die Mitglieder des BVerfG weder dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landes angehören. FRAGE 20: Kann ein Mitglied der Bundesregierung zugleich Mitglied des Europäischen Parlamentes sein? ANTWORT: Die bloße Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag ist mit dem Amt im Europäischen Parlament vereinbar, dabei steht das Interesse der Gewinnung politischer Persönlichkeiten im Vordergrund (Art. 5 DWA); hingegen kann ein Mitglied der Bundes- oder einer Landesregierung nicht zugleich Abgeordneter des Europäischen Parlaments sein (vgl. zu weiteren Inkompatibilitäten Art. 6 DWA, 22 EuWG).