S I B Moralphilosophie Beitrag 3 Zur Ethik David Humes 1 Wie kommt die Moral in die Welt? Zur Ethik David Humes (1711 1776) Ulrich Plessner, Freiburg, und Dr. Carlo Schultheiss, Singen Bild: Werner Horvath: David Hume. Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm, 2001. Klasse: 10 13 Dauer: 14 Stunden Arbeitsbereich: Moralphilosophie / Ansätze philosophischer Ethik Seine empirisch-skeptizistische Vorgehensweise, die Entdeckung des Sein-Sollen-Fehlschlusses und die Ausformulierung des Standpunktes der Moral machen David Hume zu einem Klassiker der Moralphilosophie. Seine Überlegungen haben bis heute enormen Einfluss sowohl auf die moderne Moralphilosophie als auch auf die Sozialwissenschaften. Seine Ausführungen sind ein Vorbild an rationaler Argumentation. Ihre Nüchternheit und Transparenz zeigen exemplarisch, wie ethische Konflikte in einer pluralistischen Gesellschaft friedlich gelöst werden können. Humes skeptisch-empirische Einstellung bildet ein Gegengewicht zu Moraldogmatismus und -fanatismus. An ihr lässt sich zeigen, dass es möglich ist, strittige moralische Fragen rational zu diskutieren. Was moralisch gut ist, welche Rolle das Gefühl bei moralischen Urteilen spielt und worin der Unterschied zwischen dem Menschenbild Hobbes' und Humes liegt, dies und viel mehr erfahren Ihre Schüler in diesem Beitrag.
6 Zur Ethik David Humes Materialübersicht Stunde 1 und 2 M 11 (Ab) M 12 (Bd) M 13 (Tx) Stunde 3 und 4 M 14 (Tx) M 15 (Tx) M 16 (Tb) Stunde 5 und 6 Welche Rolle spielen Vernunft und Gefühl beim moralischen Urteilen? Was ist moralisch gut? Was ist an einem Raubüberfall moralisch unrecht? Welche Rolle spielt das Gefühl beim moralischen Urteilen? Wie fällt man logisch gültige moralische Urteile? Was ist ein Argument? Führt ein Weg vom Sein zum Sollen? Metaethik oder: Wie verhält es sich mit der Sprache der Moral? Ist der Mensch von Natur aus ein kooperatives Wesen? M 17 (Ab) Der Mensch, ein zu bändigender Wolf? Thomas Hobbes` Menschenbild I M 18 (Tx) Der Mensch, ein zu bändigender Wolf? Thomas Hobbes` Menschenbild II M 19 (Tx) Der Mensch, ein bedürftiges und soziales Wesen? David Humes Menschenbild M 10 (Tx) Warum kooperieren Menschen überhaupt miteinander? Stunde 7 und 8 M 11 (Ab) M 12 (Tx) M 13 (Tx) M 14 (Sb) Stunde 9 und 10 Wie kommt der Mensch zur Moral? Warum und wozu Versprechen halten? Ein persönlicher Fragebogen Die Institution des Versprechens Entstehung und Funktion Der lange Weg zum Privateigentum Wie entstand der Respekt vor dem Besitz des anderen? Zahlt sich Kooperation aus? Ein Exkurs in die moderne Sozialtheorie M 15 (Tx) Das Dilemma der Gefangenen M 16 (Ab) Kooperieren oder nicht? M 17 (Tx) Wie entstehen Übereinkünfte unter Menschen? Zum Rudererbeispiel Humes M 18 (Sb) Hume und das Gefangenendilemma Stunde 11 und 12 M 19 (Tx) M 20 (Ab) Stunde 13 und 14 M 21 (Tx) M 22 (Sb) M 23 (Sb) Was tun wir eigentlich, wenn wir moralische Urteile fällen? Der moralische Standpunkt und die Bedeutung des Mitgefühls Schlüsselbegriffe der humeschen Moraltheorie Hume kontrovers: Wie aktuell ist Humes Moralphilosophie? Zusammenfassung: Die Moral als menschliche Erfindung Was ist aktuell an Humes Moraltheorie? Die Moraltheorie David Humes im Überblick Leistungsmessung / Lernerfolgskontrolle M 24 (Ab) M 25 (Tx) Einen philosophischen Essay schreiben Klausurvorschlag: Das moralische Gefühl
S I B Moralphilosophie Beitrag 3 Zur Ethik David Humes 7 M 1 Was ist moralisch gut? Die zentrale Fragestellung der Ethik lautet seit jeher: Was ist moralisch gut? Philosophen haben auf diese Frage ganz unterschiedliche Antworten gefunden. Einige dieser Antworten aus den letzten 2500 Jahren finden Sie auf dieser Liste. Moralisch gut ist Ja Nein 11., was nützliche Folgen für möglichst viele hat. 12., was die Gesellschaft als lobenswert erachtet. 13., aus Mitleid Bedürftigen zu helfen. 14., Gottes Gebote zu befolgen. 15., das mit dem Verstand als gut Erkannte zu tun. 16., was den Interessen möglichst vieler entspricht. 17., was Lustgefühle mit sich bringt und Unlustgefühle vermeiden hilft. 18., was mir am meisten nützt. 19., was der goldenen Regel entspricht: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst. 10. dasjenige Verhalten, dem alle unparteiisch urteilenden, vernünftigen Wesen zustimmen können. 11., was die Vernunft fordert: Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst. 12. dasjenige Verhalten, welches in mir bei der Betrachtung emotionale Zustimmung auslöst. Aufgaben (M 1) 1. Kreuzen Sie an, welche Antworten Sie überzeugen. 2. Begründen Sie Ihre Entscheidung. 3. Diskutieren Sie Ihre Überlegungen im Plenum.
8 Zur Ethik David Humes M 2 Was ist an einem Raubüberfall moralisch unrecht? Der schottische Philosoph David Hume stellte als erster Moralphilosoph die provozierende Frage, woran man eigentlich erkennen könne, dass eine Handlung moralisch unrecht sei. Betrachten Sie den Comic und überlegen Sie sich, was Sie antworten würden. Bilder aus: Law, Stephen: Philosophie. Abenteuer Denken. Arena Verlag, Würzburg 2002, S. 165 f. Aufgaben (M 2) 1. Beschreiben Sie, was auf der Karikatur zu sehen ist. 2. Benennen Sie mögliche Argumente des Menschen in der ersten Illustration für sein moralisches Urteil, der Raubüberfall sei moralisch unrecht. 3. Zeigen Sie nun denkbare Argumente der Außerirdischen in der zweiten Illustration auf, mit denen diese ihre Position begründen könnten, an dem Raubüberfall sei nichts Unrechtes zu erkennen.
18 Zur Ethik David Humes M 8 Der Mensch, ein zu bändigender Wolf? Thomas Hobbes Menschenbild II Thomas Hobbes beschreibt in seinem Hauptwerk Leviathan das Wesen des Menschen im sogenannten Naturzustand, einem nicht vergesellschafteten Zustand. Aus der Natur des Menschen leitet er an anderer Stelle die Notwendigkeit ab, einen allmächtigen Staat zu gründen, um ein dauerhaft friedvolles Zusammenleben der Menschen sicherzustellen. 5 10 15 So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: erstens Konkurrenz, zweitens Misstrauen, drittens Ruhmsucht. Die erste führt zu Übergriffen der Menschen des Gewinnes, die zweite der Sicherheit und die dritte des Ansehens wegen. Die ersten wenden Gewalt an, um sich zum Herrn über andere Männer und deren Frauen, Kinder und Vieh zu machen, die zweiten, um dies zu verteidigen, und die dritten wegen Kleinigkeiten wie ein Wort, ein Lächeln, eine verschiedene Meinung oder jedes andere Zeichen von Geringschätzung, das entweder direkt gegen sie selbst gerichtet ist oder in einem Tadel ihrer Verwandtschaft, ihrer Freunde, ihres Volkes, ihres Berufs oder ihres Namens besteht. Daraus ergibt sich klar, dass die Menschen während der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaum haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden (bellum omnium contra omnes). Denn Krieg besteht nicht nur in Schlachten oder Kampfhandlungen, sondern in einem Zeitraum, in dem der Wille zum Kampf genügend bekannt ist. Und deshalb gehört zum Wesen des Krieges der Begriff Zeit, wie zum Wesen des Wetters. Denn wie das Wesen des schlechten Wetters nicht in ein oder zwei Regenschauern liegt, sondern in einer Neigung hierzu während mehrerer Tage, so besteht das Wesen des Krieges nicht in tatsächlichen Kampfhandlungen, sondern in der bekannten Bereitschaft dazu während der ganzen Zeit, in der man sich des Gegenteils nicht sicher sein kann. Jede andere Zeit ist Frieden. 25 20 Deshalb trifft alles, was Kriegszeiten mit sich bringt, in denen jeder eines jeden Feind ist, auch für die Zeit zu, während der die Menschen keine andere Sicherheit als diejenige haben, die ihnen ihre eigene Stärke und Erfindungskraft bieten. In einer solchen Lage ist für Fleiß kein Raum, da man sich seiner Früchte nicht sicher sein kann; und folglich gibt es keinen Ackerbau, keine Schifffahrt, keine Waren, die auf dem Seeweg eingeführt werden können, keine bequemen Gebäude, keine Geräte, um Dinge, deren Fortbewegung viel Kraft erfordert, hin und her zu bewegen, keine Kenntnis von der Erdoberfläche, keine Zeitrechnung, keine Künste, keine Literatur, keine gesellschaftlichen Beziehungen, und es herrscht, was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz. Text: Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hrsg. von Iring Fetscher. Luchterhand Literaturverlag, München in der Random House GmbH. Aufgaben (M 8) 1. Vervollständigen Sie mithilfe des Textes die Lücken des Schaubildes M 7. 2. Legen Sie dar, was Hobbes unter einem Krieg aller gegen alle (Z. 11) versteht. Führen Sie dabei aus, ob die Vorstellung richtig ist, dass sich nach Hobbes die Menschen im Naturzustand permanent Gewalt zufügen. 3. Zeigen Sie, wie aus dem von Hobbes beschriebenen Naturzustand zwangsläufig ein Krieg aller gegen alle entsteht. Zeigen Sie anschließend, wie Hobbes den Ausweg aus diesem Kriegszustand beschreibt. 4. Diskutieren Sie Hobbes Menschenbild und seine Überlegungen zum Naturzustand und seiner Überwindung.
34 Zur Ethik David Humes M 18 Hume und das Gefangenendilemma Fragestellung des Gefangenendilemmas: Kann es unter rationalen Egoisten zur Kooperation kommen? Zwei Antworten Einmaliges Gefangenendilemma: Allseitige Nichtkooperation (Defektion) als Lösung Suboptimale Lösung: Allseitige Kooperation wäre aus der Sicht der Akteure der allseitigen Defektion vorzuziehen Wiederholtes (iteriertes) Gefangenendilemma: Unter bestimmten Voraussetzungen: spontane Kooperation unter rationalen Egoisten (d. h. ohne Eingriff einer zentralen Autorität) Wie du mir, so ich dir als Handlungsprinzip Empirisches Beispiel: Leben und leben lassen im Stellungskrieg des Ersten Weltkriegs Beispiel bei Hume? Die beiden Ruderer: Sie sind rational und egoistisch (siehe Gefangenendilemma) Kooperation, indem der einzelne Ruderer die Ruderleistung des anderen durch Weiterrudern belohnt, sein etwaiges Nachlassen durch eigenes Nachlassen bestraft
42 Zur Ethik David Humes M 23 Die Moraltheorie David Humes im Überblick Humes Moraltheorie umfasst Moralische Aussagen zweiter Ordnung (Metaethik, Ontologie der Moral) Wichtige Standpunkte Humes: A. Metaethik: Moralische Aussagen erster Ordnung: eher Ausdruck des Gefühls als des Verstandes, Annäherung an den Emotivismus ( Treatise ); Zusammenspiel von Gefühl und Verstand ( Enquiry ) Aus deskriptiven Aussagen alleine lässt sich nicht auf normative Aussagen schließen (humesches Gesetz) B. Moralontologie: Es gibt keine objektiven Werte (moralischer Subjektivismus) In der Hauptsache moralpsychologische und moralsoziologische Aussagen (Hauptstoßrichtung: empirische Moralanalyse, Vorbild: Newtons Physik) Empirisch-individualistische Untersuchung der Entstehung moralischer Institutionen ( Treatise ), Erforschung der mentalen Grundlagen moralischer Unterscheidungen ( Enquiry ) Wichtige Standpunkte Humes: Abnehmende Fähigkeit zu Altruismus im persönlichen Fernbereich Unterscheidung zwischen natürlichen und künstlichen Tugenden Die im Fernbereich wirksame Moral als stillschweigende Übereinkunft der Menschen und als nicht beabsichtigtes Resultat eigeninteressierten Handelns (Wahrgenommener) sozialer Nutzen als eine wesentliche Grundlage moralischer Werturteile, Hervorhebung der Empathiefähigkeit des Menschen In geringerem Maße moralische Aussagen erster Ordnung Zum Beispiel Ablehnung der trügerischen Auslegungen des Aberglaubens und der falschen Religion, namentlich der monkish virtues (z. B. Kasteiungen, Fasten, Buße) (vgl. Enquiry ) Theoretischer Hintergrund Humes empiristische Erkenntnislehre und Sprachphilosophie: Vorstellungen (ideas) als schwächere Abbilder von Sinneseindrücken (impressions); Vorstellungen als Bedeutung sprachlicher Ausdrücke; Zweifel an philosophischen Termini, die sich nicht in letzter Instanz auf Eindrücke beziehen lassen; Kritik an metaphysischer Spekulation