Die Internationalisierung des deutschen Bauarbeitsmarktes

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Transkript:

Arbeitspaket 6 im Rahmen der Zukunftsstudie Baugewerbe Nordrhein-Westfalen Die Internationalisierung des deutschen Bauarbeitsmarktes Georg Worthmann Kurzfassung

- 1 - Kurzfassung Die Gestaltung des deutschen Bauarbeitsmarkt erfolgt über tarifvertragliche Vereinbarungen, die durch gesetzliche Regelungen flankiert werden: Als zentrale Institutionen haben die Tarifvertragsparteien Sozialkassen geschaffen, an die alle Baubetriebe Beiträge abführen müssen. Aus diesen Mitteln werden Aufwendungen für die Berufsausbildung, eine Zusatzrente sowie für die Urlaubsvergütung und einen Lohnausgleich für gewerbliche Arbeitnehmer ü- berbetrieblich finanziert. Die staatliche Arbeitsmarktpolitik sichert die Tarifverträge zu den Sozialkassen und zu zentralen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen durch die Allgemeinverbindlicherklärungen ab und verhindert durch das Verbot der Leiharbeit im Bauhauptgewerbe den Import branchenfremder Standards. Soziale Nachteile von Bauarbeitern werden über das gesetzliche Schlechtwetter- bzw. Winterausfallgeld und die Winterbauumlage reduziert. Dieses über Jahrzehnte entwickelte System von miteinander verschränkten tariflichen und gesetzlichen Regelungen übernimmt wichtige Funktionen der Arbeitsmarktgestaltung: Es dient der Aufrechterhaltung eines überbetrieblichen Facharbeitermarktes, indem Sozialleistungen nicht an die Betriebs-, sondern an die Branchenzugehörigkeit gebundenen sind. Funktionsvoraussetzung für dieses System ist es, die Außenseiterkonkurrenz von nichttarifgebundenen Arbeitgebern zu verhindern. Für den nationalen Bauarbeitsmarkt gelang dies über allgemeinverbindliche Tarifverträge oder Gesetze. Seit etwa 15 Jahren sind auf deutschen Baustellen vermehrt ausländische Unternehmen aktiv. Sie haben ihren Firmensitz im Ausland und entsenden ihre Beschäftigten zur Auftragserbringung nach Deutschland. Bis zum Beginn der Entsendungen waren im nationalen Wettbewerb alle deutschen Baubetriebe verpflichtet, bestimmte tarifliche, für allgemeinverbindlich erklärte sowie gesetzlich festgelegte Arbeits- und Sozialbestimmungen einzuhalten. Teile der Lohnnebenkosten wurden so aus dem zwischenbetrieblichen Wettbewerb genommen. Lohntarifverträge waren zwar nicht allgemeinverbindlich, eine untertarifliche Entlohnung von Arbeitnehmern kam allerdings nur vereinzelt vor. Weil die Kosten für Lohn, Urlaub, Ausbildung oder Zusatzrente für alle deutschen Baubetriebe gleich sind, konzentriert sich der zwischenbetriebliche nationale Wettbewerb auf Produktinnovationen und die Optimierung von Produktionsverfahren sowie auf die Qualität von Bauten und Baudienstleistungen. Im heutigen internationalen Wettbewerb existieren andere Wettbewerbsbedingungen. Entsendeunternehmen konnten zunächst zu den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Herkunftslandes Bauleistungen in Deutschland ausführen. Für den zwischenbetrieblichen Wettbewerb bedeutete dies die Wiedereinführung eines Lohnwettbewerbs. Vor allem die di-

- 2 - rekten Lohnkosten, aber auch indirekte Lohnkosten etwa über national unterschiedliche Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen oder Unterschiede im Sozialversicherungs- und Steuerrecht wurden zum Wettbewerbsfaktor. Sozialpartner und Staat versuchten durch Werkvertragsabkommen, Arbeitnehmer- Entsendegesetz und Tariftreuegesetze die Lohnkostenunterschiede zwischen deutschen Baubetrieben und Entsendeunternehmen zu reduzieren. Diese Regelungen verpflichten Unternehmen dazu, ihren Beschäftigten die deutschen tariflichen (Mindest-) Löhne zu zahlen. Allerdings muss lediglich für ein Fünftel der entsandten Arbeitskräfte das gesamte Tarifgitter, also alle sechs Tariflohngruppen, angewendet werden. Dieser Personenkreis erhält gemäß Werkvertragsabkommen und Tariftreuegesetz einen Lohn, wie er auch von tarifgebundenen deutschen Baubetrieben gezahlt würde. Die übrigen vier Fünftel erhalten nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz einen Mindestlohn, der der niedrigsten Gruppe des Lohntarifvertrags für die Bauwirtschaft entspricht. Für viele Entsendeunternehmen lohnt sich die legale Auftragserbringung in Deutschland nicht mehr, sie ziehen sich in ihr Heimatland zurück. Dies zeigt sich u.a. daran, dass der Anteil an registrierten entsandten Arbeitskräften aus Niedriglohnländern seit Einführung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Mindestlohn-Tarifvertrages sinkt. Hingegen steigt der Anteil der Arbeitskräfte aus Ländern mit hohen Arbeits- und Sozialstandards. Vor allem die Entsendung von ungelernten Arbeitskräften insgesamt (und auch von Fachkräften aus Niedriglohnländern) lohnt sich bei der derzeitigen Mindestlohnhöhe nicht. Daher verlagert sich der Einsatzbereich entsandter Arbeitskräfte vermutlich auf Bausegmente, die höhere Ansprüche an die Qualifikation des Personals stellen. In diesen Segmenten können von Entsendeunternehmen allerdings Fachkräfte zu einer Lohnhöhe eingesetzt werden (Mindestlohn), die zwar in ihrem Heimatland dem normalen Lohn entspricht, die der überwiegende Teil der deutschen Unternehmen jedoch nur an ungelernte Arbeiter zahlt. Der Unterschied zwischen dem Mindestlohn und dem Lohn für Fachkräfte liegt bei mindestens 20%. Nicht-tarifgebundene deutsche Arbeitgeber, die ihre Facharbeiter ganz legal unterhalb der tariflichen Facharbeiterlöhne bezahlen können, hat es auch in den vergangenen Jahrzehnten gegeben. Sie sind in den letzten 15 Jahren gemeinsam mit den Entsendeunternehmen jedoch zu einer bedeutsamen Größe auf dem Bauarbeitsmarkt geworden. Sie können günstiger kalkulieren als tarifgebundene Arbeitgeber und prägen durch ihre Preisgestaltung das gesamte Baugewerbe.

- 3 - Da ein bedeutender Teil der bauspezifischen Arbeitsmarktinstrumente über Beiträge finanziert wird, die sich an der Bruttolohnsumme orientieren, zahlen nicht-tarifgebundene Arbeitgeber, die untertarifliche Löhne zahlen, auch geringere Beiträge etwa an die Sozialkassen. Außerdem führen z.b. unterschiedliche nationale Arbeitszeitregelungen zu indirekten Lohnkostenvorteilen für Entsendeunternehmen, weil für sie häufig die im Herkunftsland geltende (tarifliche oder gesetzliche) Wochenarbeitszeit höher liegt als in der deutschen Bauwirtschaft. Das bedeutet, dass im Vergleich zu heimischen Arbeitskräften bei gleicher Arbeitszeit für entsandte Arbeitskräfte häufig keine oder geringere Mehrarbeitszuschläge anfallen. Viele Unternehmen sind aber auch illegal in Deutschland tätig. Unter Missachtung von Gesetzen können sie Bauleistungen erheblich günstiger anbieten, als es regulär tätigen Firmen möglich ist. Mit der illegalen Beschäftigung am Bau wurde bisher die "klassische" Schwarzarbeit verbunden. Seitdem verstärkt ausländische Unternehmen auf dem deutschen Baumarkt aktiv sind, treten jedoch andere Formen in den Vordergrund: groß angelegte Illegale Arbeitnehmerüberlassung, Beitrags-, Umlagen- und Steuerhinterziehung, Verstöße gegen das Ausländer- und Arbeitserlaubnisrecht sowie gegen die neu geschaffene Regelungen, vor allem das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Kontroll- und Ahndungsstatistiken weisen darauf hin, dass in erheblichem Umfang gegen deutsche Vorschriften verstoßen wird. Dies bestätigen auch Behördenvertreter, die zudem auf eine hohe Dunkelziffer nicht aufgedeckter Delikte verweisen. Zu diesem Kontrolldefizit kommt ein Sanktionsdefizit, da viele aufgedeckte Verstöße nicht oder nur gering sanktioniert werden. Das Kontroll- und Sanktionsdefizit hat mehrere Gründe: Die Kontrolle regulärer Beschäftigungsbedingungen ist gerade in der Bauwirtschaft auf Grund von Produktionsbedingungen und wegen des internationalen Arbeitskräfteaustauschs schwer zu kontrollieren. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass sich die illegale Beschäftigung von kurzzeitigen, kleinen Arrangements mit wenigen Personen, wie sie bei der Schwarzarbeit zu beobachten ist, zu internationalen Netzwerken mehrerer Haupt- und Nachunternehmer bis hin zur Organisierten Kriminalität entwickelt hat. Bei solch verschachtelten Konstruktionen ist die Kontrolle weder schnell noch umfassend möglich. Die Sanktionierung scheitert häufig an fehlendem Beweismaterial oder an der Landesgrenze, weil viele Verstöße im Ausland nicht geahndet werden können. Verstärkt werden die Defizite durch unzweckmäßige Zuständigkeits- und Kooperationsstrukturen der an der Kontrolle und Sanktionierung beteiligten Einrichtungen. Diese Strukturen verhindern eine effektive Umsetzung der bestehenden Regelungen. Für eine effektive Um-

- 4 - setzung ist es wichtig, das Kontroll- und Sanktionsdefizit für den deutschen Bauarbeitsmarkt abzubauen. Handlungsoptionen Politik, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften können verschiedene Optionen nutzen, um Lohnkostenunterschiede zwischen deutschen Baubetrieben und Entsendeunternehmen weiter zu reduzieren und eine effektivere Umsetzung von Gesetzen und damit auch von Tarifverträgen zu erlangen. Zwei Wege der Lohnkostenangleichung auf der Ebene der Fachkräfte bestehen: 1. Eine Ausdehnung weiterer oder aller Tariflohngruppen auf alle Bauunternehmen in Deutschland: Dies ist nur über die Allgemeinverbindlicherklärung der Lohn- und Gehaltstarife möglich. Mit der rechtlichen Einbindung der Lohntarifverträge in das Arbeitnehmer- Entsendegesetz wären diese auch von Entsendeunternehmen anzuwenden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die zweite Mindestlohnstufe für qualifizierte Arbeitskräfte, die ab September 2003 gilt. Auf alle Bauunternehmen ausgedehnte Lohntarifverträge könnten die Werkvertragsabkommen ablösen. 2. Eine begrenzte Ausdehnung weiterer Tariflohngruppen kann über Tariftreuegesetze erreicht werden. Diese auf Bundes- oder Landesebene geltenden Gesetze beziehen sich aber nur auf öffentliche (Hoch-) Bauaufträge. Ausnahmen von der Tariftreueverpflichtung, die den Anwendungsbereich noch weiter einschränken, sollten vermieden werden. Andere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen können über das selbe Verfahren auf Entsendeunternehmen ausgedehnt werden. Die EU-Entsenderichtlinie sieht dies explizit für Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten sowie für Überstundenregelungen vor. Für eine effektivere Umsetzung bestehender und zukünftiger Regelungen sind mehrere Handlungsoptionen zu nutzen. Insgesamt 20 Einzelmaßnahmen tragen dazu bei, illegale Beschäftigung besser zu verhindern. Sie unterscheiden sich in den drei Ansatzpunkten Kontrolle, Sanktionierung und Prävention. Die Kontrolle wird etwa durch die Verlagerung der Kontrollkompetenz auf erfahrenere Behörden, durch einen besseren Zugang der Kontrollbehörden zu Informationen anderer Einrichtungen oder durch umfassendere und schnellere Prüfungen auf der Baustelle verbessert. Zu einer angemesseneren Sanktionierung von Verstößen wird beigetragen, indem schwere Verstöße spürbar geahndet werden und so auch eine abschreckende Wirkung erzielt werden kann. So sollten etwa schwere oder wiederholte Verstöße gegen das Arbeitnehmer- Entsendegesetz als Straftat geahndet werden. Zudem bietet diese Option wie auch Rechts-

- 5 - mittelabkommen mit anderen Staaten den Vorteil, dass Rechtsverstöße auch im Ausland geahndet werden können. Als besonders wichtig werden präventive Maßnahmen erachtet, weil sie bereits das Zustandekommen von illegalen Beschäftigungsformen verhindern und so die Ressourcen der Kontroll- und Sanktionsinstanzen schonen. Diese Möglichkeit besteht über die Einrichtung eines Registers für unzuverlässige Unternehmen, auf das möglichst viele Auftraggeber Zugriff haben. Für öffentliche Auftraggeber bedeutet ein Registereintrag, dass das Unternehmen von einer Auftragsvergabe ausgeschlossen ist. Eine präventive Wirkung wird auch von der stärkeren Verantwortlichkeit der Auftraggeber für die Abwicklung eines Bauvorhabens erwartet. Außerdem würde ein Abzugverfahren für Steuern, Umlagen und Beiträge, das bereits vor der Auftragsausführung einsetzt, das Interesse an und die Möglichkeiten von illegalen Praktiken reduzieren.