VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v. Eckpunktepapier Bewertung von Geruchsimmissinen Konzept für die zukünftige Behandlung von Geruchsimmissionen im immissionsschutzrechtichen Genehmigungsverfahren Stand 17.07.2003 Der VCI hat sich gegen die Anwendung der Geruchsimmissionsrichtlinie NRW ausgesprochen, da diese eine Bewertung von Gerüchen ausschließlich aufgrund der Häufigkeit ihres Auftretens vorsieht. Er hat darauf hingewiesen, dass Einflussfaktoren wie der hedonische Charakter (angenehm-unangenehm-qualität) und die Intensität von Gerüchen (subjektiv empfundene Geruchsstärke) einen Einfluss auf die Belästigungsreaktion von Anwohnern haben. Inzwischen liegen belastbare Daten zu diesen Einflussfaktoren aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden- Württemberg sowie des VCI vor. ( Untersuchungen zur Auswirkung von Intensität und hedonischer Geruchsqualität auf die Ausprägung der Geruchsbelästigung ). Die Gutachter zeigten, dass die Prognose der Belästigung von Anwohnern entscheidend verbessert wird, wenn neben der Häufigkeit von Gerüchen auch der hedonische Charakter berücksichtigt wird. Dabei ist eine Berücksichtigung der Hedonik durch die zwei Kategorien angenehm und nicht angenehm ausreichend. Eine differenziertere Berücksichtigung der Hedonikurteile von Probanden, führte nur zu einer geringen Verbesserung der Prognose, ist jedoch erheblich aufwendiger. Das Gutachten gibt keine Grundlage dafür, dass auch die Intensität der Gerüche zusätzlich zu berücksichtigen wäre. Da die Streubreite der Intensitätsschwankungen bei den untersuchten Anlagen jedoch gering war, ermöglicht das Gutachten keine abschließende Aussage zur Relevanz der Intensität. Auf Basis dieser Ergebnisse und Immissionsschutz-rechtlicher Anforderungen sind aus Sicht des VCI bei einer zukünftigen Regelung von Geruchsimmissionen die folgenden Eckpunkte relevant: Karlstr. 21 60329 Frankfurt Postfach 11 19 43 60054 Frankfurt Telefon +49 69 2556-0 Telefax +49 69 2556-1471
- 2 Hedonik muss berücksichtigt werden Die hedonischen Kategorien angenehm und nicht angenehm müssen bei der Bewertung von Geruchsimmissionen zwingend berücksichtigt werden. Festlegung der Erheblichkeit einer Geruchsbelästigung Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen sind gemäß 5 Abs. 1 Nr.1 BImSchG verpflichtet ihre Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden. Ein Konzept zur Bewertung von Geruchsimmissionen muss deshalb an der Geruchsbelästigung von Anwohnern ansetzen und Aussagen zum relevanten Kriterium erhebliche Belästigung treffen, mit deren Hilfe Geruchsimmissionen hinreichend klar eingeordnet werden können. Die Gutachter bildeten auf Basis von Unzumutbarkeitsurteilen der Anwohner Belästigungsmaße. Es ist nahe liegend für die von den Gutachtern gebildete Kategorie der sehr stark Belästigten das Vorliegen einer erheblichen Belästigung im Sinne des BImSchG dann zu bejahen, wenn ein entsprechend hoher Prozentsatz der Anwohner bezogen auf den Anlagengeruch dieser Kategorie zuzuordnen ist. Bei der Festlegung eines Schwellenwertes für die Anlagengenehmigung ist es deshalb zwingend notwendig, dass diese Schwelle so gesetzt wird, dass mit ihrem Überschreiten tatsächlich eine erhebliche Belästigung der Anwohner verbunden wäre. Diese Schwelle ist sicherlich erst bei Werten, die den Prozentsatz von 10 % sehr stark Belästigte übersteigen, erreicht. Zulässige Häufigkeiten von Geruchsimmissionen auf Basis der Belästigung Der von den Gutachtern getrennt für die angenehmen und die nicht angenehmen Anlagen ermittelte Zusammenhang zwischen Belästigung und Belastung kann genutzt werden, um die zulässige Häufigkeit von Geruchsimmissionen, die einen Anteil sehr stark Belästigter von 10 % entspricht, zu ermitteln.
- 3 Unter Berücksichtigung der Konfidenzintervalle bedeutet dies: Bei Neuanlagen wird der Grenzwert von 10 % sehr stark Belästigten sicher eingehalten, wenn für Anlagen mit nicht angenehmer Hedonik, Geruchsimmissionen mit einer Häufigkeit von maximal 11 % auftreten. Bei Altanlagen wären nachträgliche Anordnungen (analog zur TA Luft) nur dann gerechtfertigt, wenn Geruchsimmissionen mit einer Häufigkeit von mehr als 17 % der Jahresstunden auftreten. Für Anlagen mit angenehmer Hedonik ist auf Basis der Projektergebnisse keine Begrenzung erforderlich. Integration in die TA Luft Eine Regelung von Geruchsimmissionen konkretisiert die Betreiberpflichten nach 5 BImSchG. Deshalb sollten diese Anforderungen in die TA Luft integriert werden, so dass ein bundeseinheitlicher Vollzug gewährleistet wird. Gleichzeitig muss die Regelung flexibel genug sein, um eine angemessene Berücksichtigung individueller lokaler Besonderheiten (z. B. Kampagne-Betriebe, soziale Akzeptanz gewisser industrieller Einrichtungen vor Ort) zu ermöglichen.
- 4 Ermittlung der Häufigkeit von Geruchsimmissionen durch Ausbreitungsrechnung Die Methode zur Ermittlung der Häufigkeit von Gerüchen muss sowohl repräsentative, reproduzierbare Daten liefern, als auch kosteneffizient sein. Diese Anforderung erfüllt eine Ausbreitungsrechnung auf Basis des Partikelmodells (vgl. auch Anh. 3 der TA Luft 2002) in besonderer Weise: - Es stehen bundesweit repräsentative meteorologische Daten zur Verfügung. - Bei der neuen Ausbreitungsrechnung werden die Zusatzbelastungen am/an den Punkt(en) der höchsten Belastung ermittelt. - Bei bestehenden Anlagen können die erforderlichen Emissionsdaten olfaktometrisch ermittelt werden. - Es dürfen bei der Ermittlung der Häufigkeit von Gerüchen ausschließlich Geruchsstoffkonzentrationen berücksichtigt werden, die einem eindeutig identifizierbaren Anlagengeruch entsprechen. Diese Konzentrationen liegen deutlich oberhalb der Wahrnehmungsschwelle und können auf Basis der Wahrnehmungsschwelle (x Faktor 5-10) ermittelt werden. Begehungen sollten, wenn überhaupt, nur gezielt als Fahnenbegehungen zu besonderen für die Ausbreitung von Gerüchen repräsentativen, aber auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen durchgeführt werden; die zu erwartenden Immissionen/Kenngrößen lassen sich prognostisch mittels Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anhand entsprechender meteorologischer Daten ableiten. Hiermit können der Aufwand bei der Geruchsimmissionsprognose und auch die finanziellen Belastungen minimiert werden. Rasterbegehungen, wie sie in der GIRL vorgesehen sind, sind weder zielführend, noch für einen großen Bereich des begangenen Gebietes aussagekräftig, wie auch stark voneinander abweichende Einzeldaten vergleichender Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojektes gezeigt haben. Schwellenwerte Bagatellwerte Irrelevanzschwellen Geruchsimmissionsprognosen sollten Anlagenbetreibern nur dann auferlegt werden, wenn eine erhebliche Belästigung der Nachbarn im Umfeld einer Anlage nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb sollten für die Genehmigungspraxis wichtige Bagatellwerte für Geruchsstoffströme eingeführt werden, unterhalb derer die Geruchsproblematik für die Anlagengenehmigung als nicht mehr relevant zu betrachten ist. Sinnvoll wäre es diese Schwellen sowohl in Abhängigkeit von der Art
- 5 des Geruches (angenehm oder unangenehm) als auch von den Ableitbedingungen festzulegen. Da Geruchsimmissionen primär im Nahbereich einer Anlage relevant sind, sollten auch Kriterien unter denen auf eine Ermittlung der Vorbelastung verzichtet werden kann, benannt werden. Sonderfallprüfung Auch für Geruchsimmissionen sollte die Möglichkeit einer Sonderfallprüfung eingeräumt werden. Fazit: Aus Sicht der chemischen Industrie sollte eine Regelung für Geruchsimmissionen zumindest die folgenden Anforderungen erfüllen: Bundesweite Regelung Integration in die TA Luft Berücksichtigung des hedonischen Charakters von Geruchsimmissionen zusätzlich zur Häufigkeit von Gerüchen Definition der Erheblichkeit auf Basis der Belästigung Absoluter Vorrang der Ausbreitungsrechnung als Methode zur Ermittlung von Geruchsimmissionen/Zusatzbelastungen, Fahnenbegehungen höchstens in Sonderfällen, keine Rasterbegehungen Kriterien unter denen keine Ermittlung von Geruchsimmissionen erforderlich ist: - Bagatellwerte für Geruchsemissionsströme (abhängig von Hedonik und Schornsteinhöhe), irrelevante Zusatzbelastung, - unerhebliche bzw. nicht zu berücksichtigende Vorbelastung Sonderfallprüfung