Schutz älterer Menschen vor Gewalt in der häuslichen Pflege Unterstützungsbedarf älterer, pflegebedürftiger, rechtlich betreuter Menschen und die Funktion des Erwachsenenschutzes Prof. Dr. jur. Dagmar Brosey TH Köln Seite: 1
Schutzpflicht des Staates Der Staat hat die Verpflichtung, die Würde und Selbstbestimmung der Menschen zu schützen, und dies im besonderen Maße, wenn diese aufgrund einer Krankheit oder Behinderung einen Unterstützungsbedarf tüt haben, um ihre eigenen tatsächlichen oder rechtlichen Angelegenheiten zu besorgen. Für Menschen mit Behinderungen, zu denen viele Pflegebedürftige zählen, sieht die UN-BRK in Art. 16 die Freiheit vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch sowohl innerhalb als auch außerhalb deren Wohnung vor und verpflichtet zu Prävention und Schaffung geeigneter Maßnahmen. Seite: 2
Erwachsenenschutzrecht Es geht darum, den Schutz von Erwachsenen sicherzustellen, die aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen und ihre Rechte wahrzunehmen. (Art. 1 Haager Erwachsenenschutzübereinkommen) Welche Instrumente fallen darunter? In erster Linie selbst erstellte Vollmacht (Vorsorgevollmacht) und die gerichtlich bestellte rechtliche Betreuung ( 1896ff. BGB) Seite: 3
Die Funktion der rechtlichen Betreuung 1. Herstellen der Selbstbestimmung durch 2. Schutz vor Selbstschädigung, insbesondere Unterstützung bei der Ausübung der rechtlichen Handlungsfähigkeit, weil der Betroffene krankheits- oder behinderungsbedingt seine rechtlichen Angelegenheiten nicht (alleine) besorgen kann; durch Unterstützung/Beratung und wenn diese nicht möglich ist, durch Stellvertretung dann, wenn die freie Willensbestimmung im Einzelfall fehlt und eine erhebliche Schädigung droht: Unterstützung/Beratung Stellvertretung Einwilligungsvorbehalt In sehr engen rechtlichen Grenzen: Befugnis zur Unterbringung Befugnis zur Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen einer Unterbringung Seite: 4 4
Wichtig!! Entmündigung ist abgeschafft. Der betreute Mensch wird auch nicht unter Betreuung gestellt. Die Vertretungsbefugnis ist ein Mittel zur Besorgung der Angelegenheiten. Betreuung erfüllt zwar eine Schutzfunktion, ist aber darauf gerichtet, die Selbstbestimmung zu verwirklichen. ( 1901, 1901 a BGB) Nach einer Betreuerbestellung kann die Intensität des Unterstützungsbedarfs unterschiedlich sein. Handlungen ohne oder gegen den Wunsch des Betreuten erfordern als Ausnahme eine besondere Rechtfertigung. Seite: 5
Welcher Unterstützungsbedarf ist gemeint? Bei der Besorgung von Angelegenheiten eines betreuten Menschen geht es nicht nur um den Abschluss von Verträgen ggf. durch Vertretung, sondern auch: um die Unterstützung bei der Rechtswahrnehmung z.b.: Pflegevertrag mit der Pflegeperson/-dienst bei medizinischen Maßnahmen: Einwilligung oder Ablehnung und Sicherstellung der Aufklärung 630d und e BGB, 1901a BGB Verhinderung von freiheitsentziehenden Maßnahmen, sofern diese nicht zwingend zum Schutz vor erheblichen Gefahren erforderlich sind. Seite: 6
Welche Mittel stehen einem Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis zu? Überwachung und Kontrolle von Pflegepersonen Umgangsbestimmung Beantragen von Maßnahmen nach Gewaltschutzgesetz (Wegweisung) Aufenthaltsbestimmungsrecht: Wohnortwechsel Rückforderung von Geld Einwilligungsvorbehalt zum Schutz vor Vermögensschäden beim Betreuungsgericht beantragen (ggf. muss der Betreuende eine Aufgabenkreiserweiterung beim Betreuungsgericht beantragen) Seite: 7
Zu diskutierende (Problem)bereiche Werden Betreuer/innen im erforderlichen Umfang Betreuungsgerichten von den überwacht (Art. 12 Abs. 4 UNBRK)? Gibt es Vorkehrungen, wenn Pflegeperson und rechtlicher h Betreuer identisch sind? Kann die Richtigkeit eines Vermögensverzeichnisses durch das Betreuungsgericht effektiv überwacht werden? Welche Anforderungen stellen sich an die Eignung als rechtlicher Betreuer (auch Kontrollbetreuer), wenn (der Verdacht von) Gewalt in der Pflege vorliegt? Welche Aufgaben hat die Betreuungsbehörde im Kontext von Gewalt in der häuslichen Pflege bei der Beratung und Vermittlung anderer Hilfen? Seite: 8
Weiterführendes: ZQP Themenreport: Gewaltprävention in der Pflege: S. 36 ff: Welchen besonderen Unterstützungsbedarf Menschen mit rechtlicher Betreuung haben abrufbar unter: http://www.zqp.de/ Lehrforschungsprojekt: Krisenintervention bei Gewalt in der häuslichen Pflege in Köln abrufbar unter: https://www.th-koeln.de/personen/dagmar.brosey/ (Projekte) Der General Comment No. 1 zu Artikel 12 der UN- Behindertenrechtskonvention und die Umsetzung im deutschen Recht in BtPrax 2014, S. 211 ff abrufbar unter: https://www.th-koeln.de/personen/dagmar.brosey/ (Publikationen) Seite: 9