Auszug aus dem Protokoll des Stadtrats von Zürich

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Transkript:

Auszug aus dem Protokoll des Stadtrats von Zürich vom 19.12.2012 1655. Schriftliche Anfrage von Severin Pflüger und Cäcilia Hänni betreffend die Tendenz zu einem dritten Kindergartenjahr und die Zunahme von Schülerinnen und Schülern mit Asperger-Syndrom oder Autismus IDG-Status: öffentlich Am 14. November 2012 reichten Gemeinderat Severin Pflüger (FDP) und Gemeinderätin Cäcilia Hänni (FDP) folgende Schriftliche Anfrage, GR Nr. 2012/426, ein: Mit der Annahme des neuen Volksschulgesetzes wurde die integrative Schulung in die Regelklasseeingeführt. Gerade bei der Einschulung und beim Übergang von Kindergarten zur Primarschule zeichnen sich gewisse Tendenzen ab, die eine genauere Betrachtung verdienen: In diesem Zusammenhang bitten wir den Stadtrat um die Beantwortung der folgenden Fragen zur Tendenz zu drittem Kindergartenjahr und der Zunahme von Schülerinnen und Schülern mit Aspergersyndrom oder Autismus: 1. Es ist eine Tendenz zu drittem Kindergartenjahr festzustellen. Wie haben sich diesbezüglich seit der Einführung des neuen Volksschulgesetzes die Zahlen entwickelt? 2. Was sind die Ursachen für diese Zunahme? 3. Vor der Einführung der integrativen Schulung gab es die Möglichkeit das erste Primarschuljahr in zwei Jahren zu absolvieren. Was sind die Vor- und Nachteile des dritten Kindergartenjahres im Vergleich zum zweijährigen ersten Primarschuljahr? 4. Es ist ein starker Anstieg von Aspergersyndrom- und Autismusdiagnosen festzustellen. Wie haben sich diesbezüglich seit der Einführung des neuen Volksschulgesetzes die Zahlen entwickelt? 5. Was sind die Ursachen für diese Zunahme? Ist eine solche Zunahme auch im Rest der Schweiz zu verzeichnen? Ist eine solche Zunahme auch in anderen europäischen Ländern zu verzeichnen? 6. Wie werden Kinder mit dieser Diagnose betreut? Der Stadtrat beantwortet die Anfrage auf Antrag der Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz der Stadt Zürich (PK) und des Vorstehers des Schul- und Sportdepartements wie folgt: Zu Frage 1: Aus den vorliegenden Zahlen kann keine Tendenz herausgelesen werden. Während in den Schuljahren 2009/10 und 2010/11 die Anzahl Kinder, die ein drittes Kindergartenjahr absolvieren, konstant bleibt, ist im Schuljahr 2011/12 ein Anstieg zu verzeichnen. Schuljahr Anzahl Kinder 3. Kindergartenjahr 2009/10 116 2010/11 117 2011/12 150 Für einen Vergleich mit der Situation vor der Umsetzung des Volksschulgesetzes kann die Anzahl Kinder betrachtet werden, die nach dem Kindergarten in die Kleinklasse A eingetreten sind und das erste Primarschuljahr in zwei Jahren absolviert haben. Die Anzahl Kinder, die die Kleinklasse A (KKA) besuchten, hat in den aufgeführten Jahren kontinuierlich abgenommen, da das Angebot der Kleinklassen im Rahmen der Umsetzung des Volksschulgesetzes sukzessive reduziert wurde. Die Zahl der Kindergartenkinder, die ein drittes Kindergartenjahr absolvieren, liegt auch im Schuljahr 2011/12 unter der Anzahl Kinder, die vor der Reduktion des Kleinklassenangebots in die KKA eingetreten sind. Schuljahr Anzahl Eintritte KKA 2005/06 163 2006/07 144 2007/08 86 2008/09 68 1655/19.12.2012

Zu Frage 2: Zur beobachteten Zunahme im Schuljahr 2011/12 liegen keine Untersuchungen vor, die eine verlässliche Beurteilung erlauben. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass das durchschnittliche Alter der Kindergartenkinder durch die Möglichkeit der vorzeitigen Einschulung (Eintritt in den Kindergarten) in den letzten Jahren leicht gesunken ist. Die geplante Verschiebung des Stichtags für die Einschulung (Eintritt in den Kindergarten) gemäss den Beschlüssen des HarmoS-Konkordats kann dazu führen, dass das durchschnittliche Alter der Kindergartenkinder in den nächsten Jahren weiter sinken wird. Die Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz (PK) beobachtet diese Situation intensiv und wird bei möglichen Auswirkungen entsprechende Massnahmen prüfen. Zu Frage 3: Eine zentrale Zielsetzung der Volksschule des Kantons Zürich besteht darin, dass alle Kinder und Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten möglichst gemeinsam in der Regelklasse unterrichtet werden. Die PK hat im Rahmen der Umsetzung des Volksschulgesetzes 2008 deshalb beschlossen, auf Kleinklassen (einschliesslich KKA) in der Stadt Zürich zu verzichten. In der Antwort auf die dringliche Anfrage betreffend Volksschule, Auflösung der Kleinklassen (GR Nr. 2008/527), werden die Gründe und Vorteile dieses Vorgehens detailliert beschrieben, so dass auf einen erneuten Vergleich zwischen Separation und Integration, wie es der geforderte Vergleich zwischen KKA und dem Besuch eines dritten Kindergartenjahrs darstellt, verzichtet werden kann. Mit der Teilnahme einzelner Schulkreise am Grundstufenversuch und der Zusammenfassung von Kindergarten und erster Klasse wurde eine Möglichkeit geschaffen, den Übergang zwischen Kindergarten und erster Klasse fliessend nach dem Entwicklungsstand der Kinder zu gestalten. Nach der Ablehnung der Initiative zur flächendeckenden Einführung der Grundstufe und des Gegenvorschlags kann nun diese Lösung nicht mehr umgesetzt werden. Die PK wird die Situation des Übertritts im Rahmen der aktuellen gesetzlichen Vorgaben neu beurteilen und das weitere Vorgehen festlegen. Zu Frage 4: Für die Diagnose «Autismus» oder «Autismus-Spektrum-Störung» (ASS) müssen Störungen in drei Bereichen vorhanden sein: Auffälligkeiten der Sprache und der Kommunikation, Auffälligkeiten der sozialen Interaktionen sowie eingeengte und repetitive Spielverhalten, Interessen und Aktivitäten. Zu den ASS zählen der frühkindliche Autismus (verbunden mit starken kognitiven Einschränkungen), das Asperger-Syndrom und der atypische Autismus. Ausprägungsgrad und Symptome können variieren. Die Ursachen der ASS sind noch wenig bekannt. Schwere und mittelschwere Formen von ASS führen bei Kindern oft zu einem Bedarf nach Sonderschulung, die integriert in der Regelschule oder separiert in einer Klasse einer heilpädagogischen Schule stattfinden kann. Vor bald zehn Jahren betreute die Heilpädagogische Schule der Stadt Zürich (HP) nach Auskunft ihres Leiters zwei Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Diese Kinder besuchten die Regelschule, sie und ihre Lehrpersonen brauchten Unterstützung bei der Integration. Nur Sonderschulen für Kinder mit geistiger Behinderung verfügten nach damaliger Regelung über die Ressourcen, um Integrationen umzusetzen. Das Volksschulamt (VSA) beschloss in der Folge, dass einzelne Sonderschulen, die für Kinder mit geistiger Behinderung zugelassen sind, in Ausnahmefällen auch Kinder mit Autismus aufnehmen können. Für die HP bewilligte das VSA sechs zusätzliche Plätze für weitere solche Einzelfälle. In der Zwischenzeit hat die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit ASS-Diagnose stark zugenommen. Die Leitung der HP berichtet von jährlich zwischen 20 und 40 Schülerinnen und Schülern mit Asperger-Diagnose, bei denen ein Übertritt in die integrierte Sonderschulung der HP zur Diskussion steht. Nur bei einem kleinen Teil kommt es schliesslich zu einem Übertritt. Für die anderen Kinder werden andere Lösungen gesucht, die ihren pädagogischen Bedürfnissen gerecht werden. 1655/19.12.2012 2/5

Zuverlässige Kennzahlen zur Häufigkeit der Diagnose ASS bei Kindern und Jugendlichen gibt es weder in der Stadt Zürich noch im Kanton. Eine Zunahme der Diagnose im Lauf der vergangenen Jahre ist aber festzustellen: In der Poliklinik des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes des Kantons Zürich (KJPD) wurde im Jahr 2005 bei 3,5 Prozent der Patientinnen und Patienten eine «tief greifende Entwicklungsstörung» (F84 nach ICD-10) festgestellt. Die Diagnose umfasst vor allem Kinder und Jugendliche mit ASS. Der Anteil dieser Kinder an der Klientel der KJPD-Poliklinik nahm darauf Jahr für Jahr zu. Im Jahr 2010 betrug er 7,5 Prozent. Kennzahlen zur Sonderschulung von Kindern der Stadt Zürich werden erst seit zwei Jahren systematisch erhoben. Die Indikation autistische Störung war im Schuljahr 2010/11 bei 2,4 Promille aller Schulungen der Volksschule ein Grund für Sonderschulung. Im Schuljahr 2010/11 erhöhte er sich auf 2,7 Promille. In diesen Zahlen nicht enthalten sind die Kinder mit ASS-Diagnose, die die Regelschule, eine Mittelschule oder auf Kosten ihrer Eltern eine Privatschule besuchen, sowie eine unbestimmte Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die von ASS betroffen sind. Die Schätzungen für die Häufigkeit der Störung in der Bevölkerung der Schweiz liegen bei ASS zwischen 5 und 10 Promille. Hinweise, dass ein Zusammenhang zwischen dieser Zunahme und der Umsetzung des Volksschulgesetzes besteht, gibt es nur sehr beschränkt, denn die Zunahme ist weltweit schon seit Beginn der 90er-Jahre zu beobachten (vgl. Frage 5). Ein Umstand ist allerdings zu beachten: Die ASS ist eine mögliche Indikation für die Zuweisung eines Kindes zur HP. Diese kann ihren Schülerinnen und Schülern die integrierte Sonderschulung in einer Regelschule ermöglichen, wenn der Schulpsychologische Dienst es beantragt und die Kreisschulpflege es so beschliesst. Der Schulpsychologische Dienst verweist Kinder mit Verdacht auf ASS jeweils an psychiatrische Fachpersonen und stützt sich auf deren Diagnose. Zu Frage 5: Zum erwähnten Anstieg der Diagnose tief greifende Entwicklungsstörung im KJPD des Kantons Zürich ist zu vermerken, dass der Dienst in den vergangenen Jahren eine eigene Autismus-Sprechstunde aufgebaut hat. Das Angebot kann zu einer Erweiterung des Einzugsgebiets und damit zu einer vermehrten Nachfrage nach Abklärungen und Beratungen in diesem Bereich geführt haben. Per 1. Januar 2010 wurde die Geburtsgebrechen-Verordnung der Invalidenversicherung angepasst. Die neue Randziffer 405 bezeichnet die ASS als ein Geburtsgebrechen, wenn sie vor dem 5. Geburtstag erkennbar wird. Fachpersonen versuchen nun auch aus versicherungstechnischen Gründen, Symptome von ASS frühzeitiger zu dokumentieren, um die Anspruchsberechtigung von Kindern auf medizinische Leistungen zu sichern. Die Zunahme der ASS-Diagnosen in den vergangenen 20 Jahren ist in den verschiedensten Ländern zu beobachten. Die Ursachen sind unklar. Einen wesentlichen Teil scheint die erhöhte Sensibilisierung der Bevölkerung und von Fachkreisen beizutragen. Laut Dr. med. R. Gundelfinger, Leitender Arzt im KJPD Zürich und Autismus-Spezialist, gibt es aus der Schweiz keine Zahlen und auch aus Europa nur wenige. Die amerikanischen Zahlen, die von den Centers for Disease Control and Prevention CDC publiziert werden, beurteilt er kritisch. Danach sind 11,3 Promille aller Kinder in den USA von ASS betroffen. Der Direktor des National Institute of Mental Health (Thomas Insel, Director s Blog, 29. März 2012) vermutet, dass es in den letzten zwei Jahrzehnten einen echten Anstieg der Fallzahlen gegeben hat. Einerseits seien mehr Kinder betroffen und andererseits werde die Diagnose bei mehr Kindern erkannt. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Diagnose in den Vereinigten Staaten von Amerika zwischen 1996 und 2007 auf (Anzahl Autismus-Diagnosen pro 1000 Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren. Quelle: Wikimedia Commons): 1655/19.12.2012 3/5

Zur Situation in der Schweiz: In den vergangenen Jahren hat sich das Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 2002 auf die Gerichtspraxis ausgewirkt. Gerichtsurteile hielten auch im Kanton Zürich den Anspruch von einzelnen ASS-betroffenen Kindern auf integrierte Sonderschulung fest (vgl. Verwaltungsgerichtsentscheid VB.2006.00450 vom 7. Februar 2007). Eltern von Kindern und Jugendlichen mit ASS haben sich in Elternvereinen und Autismus- Foren (www.autismus.ch) zusammengeschlossen. Sie informieren sich in Fachkreisen und engagieren sich für eine angemessene Förderung ihrer Kinder. ASS und insbesondere das Asperger-Syndrom waren zudem in den vergangenen Jahren häufige Themen in den Medien. Ein weiterer Grund dafür, dass Autismus als Diagnose häufiger verwendet wird als früher, liegt im Umstand, dass der Begriff der geistigen Behinderung zunehmend als diskriminierend empfunden wird. Wenn sowohl eine kognitive Beeinträchtigung als auch autistische Symptome vorliegen, wird heute eher von Autismus als von einer geistigen Behinderung gesprochen. Zu Frage 6: Neben der kinderpsychiatrischen Spezialsprechstunde des KJPD für autistische Störungen stehen Schülerinnen und Schülern, die von einer autistischen Störung betroffen sind und die die Volksschule in der Stadt Zürich besuchen, auch eine heilpädagogische Förderung (integrative Förderung, integrierte oder separierte Sonderschulung) sowie Therapien zur Verfügung. Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen können sich an der Hochschule für Heilpädagogik in einem spezifischen ASS-Zertifikatslehrgang weiterbilden. Die Heilpädagogische Schule der Stadt Zürich bietet Lehrpersonen der Regelschule, die in ihrer Klasse ein von ASS betroffenes Kind unterrichten, Beratung an. Das Angebot richtet sich auch an Lehrpersonen von Kindern, die keinen Sonderschüler-Status haben. Das allgemeine Abklärungs- und Beratungsangebot des Schulpsychologischen Dienstes ist für Eltern und Lehrpersonen von Kindern mit ASS sowie für die Jugendlichen selbst zugänglich. Viele Kinder werden von niedergelassenen kinderärztlichen, kinderpsychiatrischen oder -psychologischen Fachleuten betreut. Medizinische Leistungen und Psychotherapien können über Krankenkassen oder die Invalidenversicherung finanziert werden. Lehrpersonen (LP), die Kindern mit Autismus im Unterricht gerecht werden wollen, beachten u. a. die folgenden Regeln (vgl. www.suelarkey.com): 1. Kinder mit ASS sollten die LP im Gespräch nicht ansehen müssen. 2. Sie brauchen genügend Zeit, um die Fragen der LP zu beantworten. 3. Die LP soll sehr spezifische Fragen stellen, keine offenen. 4. Die LP soll so klar, kurz und konkret als möglich formulieren und visuelle Hilfen verwenden zur Veranschaulichung des Gesagten. 1655/19.12.2012 4/5

5. Zu viele verbale Anleitungen sind zu vermeiden. 6. Besser als Diskussionen über die schulische Arbeit sind klare Aufforderungen. 7. Kinder mit ASS brauchen viel Bestärkung und positive Kommentare, die ihnen Mut machen. Die erwähnten Regeln decken sich weitgehend mit jenen, die auch im Umgang mit Kindern wichtig sind, welche unter anderen Beeinträchtigungen leiden wie etwa dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ADS. Regellehrpersonen und heilpädagogische Fachleute, die sich allgemein im Bereich Verhaltensauffälligkeit fortgebildet haben, verfügen somit bereits über eine gute Basis für die Betreuung von Kindern mit ASS. Sie arbeiten eng mit den Eltern der betroffenen Kinder zusammen und beziehen das schulische Umfeld mit ein. Sie machen im Klassenrat und in der Schulkonferenz, bei der auch die Hortleitenden anwesend sind, auf die besondere Situation und die pädagogischen Bedürfnisse des Kindes mit ASS aufmerksam. Auf diese Weise kann es gelingen, Verständnis für das betroffene Kind zu wecken. Viele Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom besuchen in der Stadt Zürich Regelklassen. Im Gegensatz zu Kindern mit schwereren Formen von ASS ist bei ihnen eine integrative Förderung oder eine integrierte Sonderschulung meist eine gute schulische Lösung. Mitteilung an die Stadtpräsidentin sowie den Vorsteher des Schul- und Sportdepartements, die übrigen Mitglieder des Stadtrats, die Stadtschreiberin, den Rechtskonsulenten, das Schulamt (1, Schulkommission für die Sonderschulen und weitere gesamtstädtische sonderpädagogische Angebote, 1, Direktor Schulamt, 1, Abteilung Besondere Pädagogik (ABP), 1, Heilpädagogische Schule), die Schulgesundheitsdienste (1, Direktor, 1 Schulpsychologischer Dienst), die Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz und den Gemeinderat. Für getreuen Auszug die Stadtschreiberin 1655/19.12.2012 5/5