Brandenburgische Technische Universität Cottbus

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Transkript:

Brandenburgische Technische Universität Cottbus Fakultät 2 Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung Fachgebiet Holzbau Doz. Dr.-Ing. D. Steinbrecher 17. Brandenburgischer Bauingenieurtag BBIT2010 19. März 2010 Neues aus dem Holzbau Brandenburgische Ingenieurkammer Vereinigung der Prüfingenieure des Landes Brandenburg

Brandenburgischer Bauingenieurtag BBIT2010 NEUES AUS DEM HOLZBAU Herausgeber Doz. Dr.-Ing. Diethard Steinbrecher Brandenburgische Technische Universität Cottbus Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung Fachgebiet Holzbau Konrad-Wachsmann-Allee 2 03046 Cottbus Telefon 0355 692334 Fax 0355 692144 E-Mail diethard.steinbrecher@tu-cottbus.de

Vorwort Am 21. März 1997 wurde an der BTU Cottbus mit dem 4. Brandenburgischen Bauingenieurtag - BBIT97- unter dem Titel Neue Entwurfs- und Sanierungslösungen im Holzbau die erste große Veranstaltung an der BTU zum konstruktiven Holzbau durchgeführt. Es folgten 1998 das 15. Holzbauseminar und 2004 das 18. Holzbauseminar, zu jeweils aktuellen Themen aus dem Holzbau. Schließlich fand im Jahr 2007 der 14. Brandenburgische Bauingenieurtag - BBIT2007 Bauen mit Holz statt. Und nun der 17. Brandenburgische Bauingenieurtag - BBIT2010 Neues aus dem Holzbau. Holz war, ist und wird immer ein Thema sein, mit dem sich alle am Bau Beteiligten auseinander setzen müssen. Nicht nur im Neubau wenn es um Energie sparende Bauweisen geht, sondern auch beim Bauen im Bestand. Als nachwachsener Baustoff unterscheidet sich Holz wesentlich von den mit hohem Energieeinsatz künstlich Erzeugten Baustoffen. Einerseits ist es ein anisotroper, inhomogener, biologisch abbaubarer und brennbarer, andererseits ist es ein hoch leistungsfähiger Werkstoff. Die Reißlänge für Fichte, Kiefer und Lärche liegt bei ca. 18 km, Greenhart bringt es auf ca. 25 km. Üblicher Baustahl erreicht ca. 5,0 6,0 km. Aber auch bauphysikalisch besitzt Holz sehr gute Eigenschaften. Bei einer mittleren Holzfeuchte von 12 M-% liegt die Wärmekapazität bei etwa 1600 J/(kg*K) (Ziegelmauerwerk ca. 1000 J/(kg*K), Speicherzahl beträgt bei Fichte 1260000 J/(m³*K), bei Eiche 1680000 J/(m³*K) und bei Ziegelmauerwerk 1400000 J/(m³*K). Von Vorteil ist die geringe Wärmeleitfähigkeit quer zur Faserrichtung. Sie beträgt bei üblichen Nadelhölzern (u = 15%) 0,13 W/(K*m), bei Eiche 0,2 W/(K*m) und bei Voll- oder Hochlochziegel 0,68 W/(K*m). Wie verhält es sich mit den für ein Bauwerk negativen Eigenschaften wie biologisch Abbaubar und Brennbarkeit? Schadensfälle im Zusammenhang mit diesen Eigenschaften sind der Unkenntnis im Umgang mit dem Werkstoff der jeweils am Bau Beteiligten zuzuschreiben und nicht dem Werkstoff selbst. Wird eine Holzkonstruktion hinsichtlich des Holz- und Brandschutz sachgemäß geplant und ausgeführt, auch beim Bauen im Bestand, entstehen Konstruktionen mit einer Lebenserwartung von mehreren Hundert Jahren. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der guten Kombinierbarkeit von Holz mit anderen Baustoffen. Der Einsatz von Bauteilen aus Holz oder Holzwerkstoffen im Bauwesen muss gesteigert werden. Bauteile aus Holz und Holzwerkstoffe sind nicht nur die einzigen lastabtragenden Plusenergieprodukte, die im Bauwesen zum Einsatz kommen, d. h., im entsprechenden Bauteil ist mehr Energie gespeichert als zu seiner Herstellung erforderlich, sondern es sind auch die einzigen Bauteile mit negativem Global Warming Potenzial (GWP). Solange eine Holz-

konstruktion steht, wird in ihr CO 2 gespeichert und nicht, wie bei der Energiegewinnung, freigesetzt. Der BBIT 2010 ist dem Naturbaustoff Holz mit dem Ziel gewidmet, diesem ökologischen Werkstoff eine noch größere Präsenz im Denken des planenden und ausführenden Ingenieurs, aber auch eines Bauherren zu schaffen. Schwerpunktmäßig werden Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand, Schallschutz für Holzbauwerke, das Schwingungsverhalten von Decken in Holzbauwerken und Fragen des Holzschutzes betrachtet. Der Beitrag Holz-Beton-Verbundkonstruktionen zeigt unter anderem Möglichkeit zur Ertüchtigung bestehender Holzkonstruktionen auf. Ergänzt wird das Programm durch eine praxisorientierte Vorstellung neuer Entwicklungen auf dem Gebiet der Verbindungsmittel im Holzbau. Doz. Dr.-Ing. D. Steinbrecher Cottbus, 19.März 2010 Leiter Fachgebiet Holzbau

Inhaltsverzeichnis 1 Holz - Beton - Verbundkonstruktionen W. Rug 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand G. Geburtig 3 Schallschutz in Theorie und Praxis - Planung, Nachweis und Ausführung und Schallschutz bei Holzbalkendecken A. Rabold 4 Schwingungsverhalten von Holzdecken B. Mohr 5 Neue Verbindungsmittel im Holzbau W. Möbius, M. Hochstrate 6 Konstruktiver Holzschutz D. Steinbrecher Liste der Aussteller und Sponsoren

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rug FH Eberswalde FB Holztechnik FG Holzbau Alfred-Möller-Str. 1 16225 Eberswalde 1952 geboren in Tiefenort / Thüringen 1970-1974 Studium Bauingenieurwesen an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar 1974-1975 Projektingenieur in einem Kalibetrieb in Thüringen 1975-1981 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bauakademie der DDR in Berlin, Abteilung: Textile Konstruktionen 1981-1990 Aufbau und Leitung des Forschungsgebietes Holzbau an der Bauakademie der DDR in Berlin 1986 Promotion an der Bauakademie der DDR 1990-1999 Gründung und Aufbau eines Ingenieurbüros mit Sitz in Berlin 1991-1994 Regionaler Fachberater der Arge Holz e. V. Düsseldorf für Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern seit 1994 seit 1999 seit 2000 Prüfingenieur für Baustatik im Land Brandenburg Lehrauftrag für Holzbau an der FH Eberswalde Eigenes Ingenieurbüro in Wittenberge/Elbe 2000 Professur für Holzbau an der Fachhochschule Eberswalde 2008 Von der Industrie- und Handelskammer für Ostbrandenburg öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Holz- und Holzleimbau

1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rug, FH Eberswalde (www.holzbau-statik.de) 1.1 Allgemeines/Anwendung Ein Verbund zwischen Beton und Holz ist eine wirkungsvolle Hybrid- Lösung für Brücken und Balken- oder Brettstapeldecken mit hohen Beanspruchungen. Durch die Nutzung der Verbundkonstruktion Holzbalken oder Brettstapel und Betonplatte kann die Trägfähigkeit und die Steifigkeit wesentlich erhöht werden. Eine Erhöhung der Tragfähigkeit und Steifigkeit um das 2- bis 5fache im Vergleich zum einfachen Balken-Tragwerk ohne Verbund ist möglich. Gleichzeitig verbessern sich beim Einsatz als Deckenkonstruktion die Schall- und Brandschutzeigenschaften der Decke. Grundsätzlich können mit den existierenden Verbundsystemen auch Altbaudecken mit den vorgenannten Vorteilen ertüchtigt werden. Der Wirkungsgrad des Verbundes und damit die wirksame Biegesteifigkeit des Gesamtquerschnittes ist abhängig von der Steifigkeit (Nachgiebigkeit und Kraftaufnahme) der verwendeten Verbindungsmittel. Treten zwischen den beiden Verbundquerschnitten Verschiebungen auf (Bild 1) ist die wirksame Verbundsteifigkeit in der Schubfuge geringer als bei Verwendung einer starren Verbindung. An Lösungen mit Starrem Verbund unter Nutzung von Klebeverbindungen wird seit einigen Jahren geforscht [8]. Bild 1 Tragverhalten Verbundquerschnitt

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Mit Verschiebungen in der Verbundfuge, ist bei Verwendung von Nägeln, Schrauben, Betonstählen, Bolzen oder speziell entwickelten Verbunddübeln zu rechnen. Eine Aussage über das Maß der Verschieblichkeit gibt der Verschiebungsmodul des gewählten Verbindungsmittels. Als der Autor 1995 das erste Mal über die Holz- Beton- Verbundbauweise berichtete [3] gab es in Deutschland noch keine bauaufsichtlich geregelten Verbundlösungen. Dank einer intensiven Forschung in den letzten fünfzehn Jahren ist die Holz- Beton- Verbundbauweise heute eine praxistaugliche Alternative bei der Verstärkung und bauphysikalischen Ertüchtigung von Holzbalkendecken im Neu- bzw. Altbau und im Brückenbau. Zum Stand der Entwicklung geben [1], [2], [6] und [7] Auskunft. Der hier verfasste Beitrag ist eine ergänzte und erweiterte Fassung des Aufsatzes in [1]. 1.2 Herstellung/Material/Verbindungstechnik/Fertigung Die Betonplatte wird in den meisten Fällen monolithisch ausgeführt. Auf die Brettstapeldecke oder die Fußbodenbretter der traditionellen Holzbalkendecke wird eine Folie aufgebracht. Nach dem Einbringen der Verbindungstechnik und einer erforderlichen Bewehrung kann der Beton aufgebracht werden. Hauptsächlich wird Beton normaler Güte C25/30 nach DIN 1045-1 verwendet. Die Plattendicke liegt im Allgemeinen zwischen 60 und 140 mm. Das Verlegen einer Bewehrung kann entfallen, wenn die Stahlbetonplatte aus Stahlfaserbeton hergestellt wird. Hierfür ist baurechtlich aber eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich. Es können besonders bei Neubauten auch Fertigteil- Betonplatten zur Anwendung gelangen. Neuerdings werden zunehmend auch Holz- Beton- Fertigteilelemente bei Bauvorhaben eingesetzt. 1.3 Holz- Beton- Verbund nach Allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung In Deutschland wurden bis jetzt insgesamt 7 Verbindungslösungen bauaufsichtlich zugelassen (s. Tabelle 1) Tabelle 1 Holz-Beton-Verbundlösungen nach Allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (Stand 28.2.2010) Konstruktive Lösung Zulassungsnummer Verbundschrauben nach Z-9.1-342 (SFS intec GmbH ) Verschraubung kreuzweise 45/135 1.2

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Verbundschraube nach Z-9.1-445 (Timco Schweiz GmbH) Verbundschraube nach Z-9.1-603 (TCC-Schrauben) Verschraubung in eine Richtung 45 Verbundschraube nach Z-9.1-648 (WÜRTH ASSY VG plus) HBV-Schubverbinder nach Z-9.1-557 (Bathon & Bahmer GbR) Streckmetallstreifen in Nut eingeklebt Flachstahlschlösser für Brettstapeldecken nach Z-9.1-473 (Bauer) Flachstahl in untermaßigem Schlitz Holz-Beton-Verbundelement nach Z-9.1-474 (Veit Dennert KG) Nagelplatte im Beton Eine inzwischen ausgereifte und bewährte Technik sind spezielle Verbundschrauben mit einem Durchmesser mit 7,3 8,0 mm (s. Tabelle 1, Zeile 1). Der Vorteil dieser Verbindungslösung liegt darin, dass die Schrauben ohne Vorbohren in das Holz eingeschraubt werden. Pro Arbeitskraft lassen sich 200 Verbundschrauben pro Stunde einbringen. Die Verbundschrauben können paarweise im Winkel 45 / 135 gegeneinander versetzt eingeschraubt werden. 1.3

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Bei einreihiger Anordnung werden die Schrauben im Winkel von 45 so angeordnet, dass die Schubkraft in der Verbindungsfuge zwischen Holz und Beton die Schraube auf Zug beansprucht. Zwischen Betonplatte und Holzbalken darf bei diesem Verbundsystem nach den Bestimmungen der bauaufsichtlichen Zulassung eine bis maximal 30 mm dicke Schalung eingebaut werden bzw. bei Altbaudecken vorhanden sein. Grundsätzlich können mit derartigen Verbundsystemen Altbaudecken im Spannweitenbereich zwischen 4,0 bis 6,0 m auf eine Verkehrslast von 5,0 kn/m 2 ertüchtigt werden (s. Beispiel in Bild 2). Für Neubauten können bei Balkenabständen bis 3,5 m Deckenspannweiten bis 8 m mit Deckenlasten von 5 kn/m 2 hergestellt werden. Möglich ist auch eine Holz- Beton- Verbundlösung mit Brettsperrholzplatten (s. Bild 3). Bild 2 Alle Holzbalkendecken des etwa 100 Jahre alten Wohngebäudes wurden auf eine Verkehrslast von 5 kn/m 2 ertüchtigt (Deckenspannweite: 4,6 m und 5,7 m). Die Praxistauglichkeit des mit den Schrauben nach Zulassung Z-9.1-342 herstellbaren Verbundsystems konnte zum Beispiel in Deutschland anhand von bisher ca. 200 ausgeführten Objekten und in Europa bei über 700 Objekten unter Beweis gestellt werden. Bild 3 Brettsperrholz- Beton- Verbundplatte für Geschoßdecken eines Altenheims mit Oberflächenfertiger Lärchenholzuntersicht (Dicke der Brettsperrholzplatten 120 170 mm), (Foto: SFS intec GmbH) 1.4

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 TC- Schubverbinder: Der TC- Schubverbinder aus perforierten Streckmetallstreifen (Materialdicke 2,5 mm) wird in das Holz in eine 3,2 mm breite Nut eingeklebt. Anwendbar ist die Lösung im Altund Neubau. Bei Neubauten können Deckenspannweiten bis 8 m mit einer Verkehrslast von 5 kn/m 2 (s. Bild 4) und mit geringeren Verkehrslasten bis 15 m Spannweite realisiert werden. Die in Zeile 3, Tabelle 1 dargestellte Entwicklung kann auch bei Brettstapeldecken angewendet werden. In Verbindung mit Lignotrend- Elementen sind auch Fertigteildecken möglich. Bild 4a Deckenquerschnitt für ein Kaufhaus aus Lignotrend- Beton- Elementen, Brandschutz F90B, Stützweite 8,20 m, 5,0 kn/m² Verkehrslast, 0,3 kn/m² Anhänge-last, Rohdecke: 140 mm Beton, 78 mm BS-Holz-Rippen und Mineralfaser, 90 mm Brettsperrholz (aus [12]) Bild 4b Schnitt von 4 a)- Geschossdecke für ein Kaufhaus aus Lignotrend- Beton- Elementen (mit Verbindung zu einem Unterzug aus blockverklebten Brettschichtholz- aus [12]) Kürzlich wurden erstmals zwei Fußgängerbrücken mit TC- Schubverbindern hergestellt (siehe Beispiel in Bild 5). 1.5

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Bild 5 Fußgängerbrücke bei Wien, Spannweite 17,5 m (www.hbv-systeme.de) Flachstahlschlösser: Zur Herstellung eines Verbundes zwischen Beton und Brettstapeldecken wurden so genannte Flachstahlschlösser untersucht und erprobt (Tabelle 1, Zeile 4). Die Stahlgüte des Flachstahles ist S235. Die Flachstahlschlösser werden in quer zur Faserrichtung verlaufende untermaßige Sägeschlitze eingetrieben. Als Betongüte kann C 25/30 bis C 60/75 nach DIN 1045-1 verwendet werden. Mit zunehmender Betongüte erhöht sich der Verschiebungsmodul. Die maximale Stützweite beträgt 10 m. Fertigteilelemente sind ebenfalls möglich. Dennert- Holz- Beton- Verbundelement: Duobalken werden mittels Nagelplatten mit einer Leichtbetonplatte zu einem Fertigteilelement verbunden. Die Verwendung der Elemente ist auf eine Anwendung bei Dachkonstruktionen im Wohnungsbau mit unten liegender vorwiegend zugbeanspruchter Betonplatte beschränkt. Die Fertigteilelemente sind maximal 3 m breit und maximal 10 m lang. Der Abstand der Duobalken untereinander beträgt 400 bis 1000 mm (Tabelle 1, Zeile 5). Wissenswertes für die Planung Berechnung: DIN 1052:2008 und DIN EN 1995-1-1:2008 enthalten Bemessungsgrundlagen für Holz- Beton- Verbundkonstruktionen. Dafür stehen zwei Verfahren zur Verfügung. Das Möhler- Verfahren (nach DIN 1052:2008, Abschnitt 8.6.2 und DIN EN 1995-1-1:2008, Abschnitt Anhang B) und die Schubanalogie nach Kreuzinger (DIN 1052:2008, Abschnitt Anhang G und DIN EN 1995-1-1:2008, NAD (Entwurf), NA 5.6.3). Die für die Bemessung notwendigen Werte, wie Verschiebungs- und E- modul, oder charakteristischer Wert der Schubtragfähigkeit des Verbindungsmittels sind der jeweils gültigen bauaufsichtlichen Zulassung zu entnehmen. Holz- Beton- Verbund mit Verbundschrauben: Die Bemessung erfolgt mit einer spezieller Bemessungssoftware der Hersteller. Bei der Bemessungssoftware von SFS- intec kann die Bemessung nach DIN 1052:2008, SIA 265:2003 und EN 1995-1-1:2004 und in sechs Sprachen durchgeführt werden. Die Staffelung der Verbundschrauben entsprechend des Schubflusses in der Fuge ist mit dem Programm ohne weiteres möglich (s. Bild 6 und www.holzbau-software.de- HBV 4.0). Weiterhin beinhaltet das Pro- 1.6

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 gramm den Schwingungsnachweis, die Berechnung der erforderlichen Bewehrung und den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit. Bild 6 Verbindungsmitteloptimierung entsprechend dem Schubfluss Mit dem Programm HBV 4.0 von SFS- intec TC- Schubverbinder: Lignotrend- Beton- Verbundelemente können für Tragwerke mit bis zu drei Feldern und beidseitigen Auskragungen mit einer speziellen Software bemessen werden (s. www.lignotrend.de). Für Neubauten werden verschiedene Deckenkonstruktionen angeboten, so z. B. Balkendecken, Rippendecken, Kastendecken, Variodecken, Plattendecken, Akustikdecken und Hohlkastendecken (zur Konstruktion und Bemessung s. www.hbv-systeme.de). Flachstahlschlösser: In der Praxis bevorzugt werden Fertigteildecken, die durch die anbietende Firma dimensioniert werden(s. www.holzbetoninfo.de). Brandschutz: Geschoßdecken in Holz- Beton- Verbundbauweise erfüllen von oben die Anforderungen F30A, F60A, oder F90A. Von unten kann mit einer brandschutztechnisch wirksamen Verkleidung die Feuerwiderstandsklasse F60BA ohne weiteres erreicht werden. Damit sind derartige Decken besonders in der Gebäudeklassen 4, d. h. im mehrgeschossigen Holzbau bis 13 m Fußbodenhöhe geeignet. Schallschutz: Altbaudecken in Holzbauweise erfüllen häufig nicht die Mindestanforderungen an den Luft- und Trittschallschutz nach DIN 4109 für mehrgeschossige Wohnbauten. Auch im Neubau sind bei Geschoßdecken in Holzbauweise im Allgemeinen besondere konstruktive Vorkehrungen zu treffen, um die Mindestanforderungen an den Luft- und Trittschallschutz nach DIN 4108 zu erfüllen. Da sich durch die Betondecke die Masse erhöht, wirkt sich das auf eine Verbesserung des Luftschallschutzes aus (s. [4]). Die Mindestanforderungen an den Luft- und Trittschallschutz werden in jedem Fall erfüllt, wenn ein schwimmender Nassestrich auf der Betonplatte angeordnet wird. 1.7

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 1.4 Holz- Beton- Verbund- Konstruktionen ohne bauaufsichtliche Zulassung BS- Verbundanker: Es wird ein spezieller Stahlanker über Vergussmörtel in Aussparungen mit dem Holz verbunden. Zusätzlich sichern zwei Holzschrauben das Stahlteil gegen Abheben. Die Schubkraft in der Fuge zwischen Beton und Holz wird über Druck parallel zur Faser in das Holz übertragen. Das Stahlteil wird durch abgebogene Betonstähle mit dem Beton verbunden. Eine bauaufsichtliche Zulassung ist für diese Verbundlösung nicht notwendig. Das System ist für Balkendecken im Neu- und Altbau anwendbar. Bemessung: Für die Bemessung stehen Bemessungstabellen zur Verfügung (s.www.bertsche-system.de). Tabelle 2 Konstruktionsregeln für Kerven- Verbund bei Brettstapeldecken mit 10 m entsprechend den durchgeführten Parameterstudien in [9] Deckenkonstruktion in Längsrichtung Anzahl Kerven Kerven- Verbund: Der Verbund wird über im Holz eingebrachte Kerven hergestellt. Es handelt sich dabei um eine formschlüssige Verbindung zwischen Beton und Holzbalken oder Brettstapelelementen. Als Verbundmittel sind Kerven besonders für Brettstapeldecken mit Spannweiten von 5,0 bis 10 m sinnvoll (siehe [9] und Tabelle 2). Die Schubkraft in der Verbundfuge wird über Druckkontakt in der Kervenstirn aufgenommen. Das aus der Lastexzentrizität bei der Schubkraftübertragung entstehende örtliche Moment muss nicht durch eine zugbeanspruchte Schraube in Kervenmitte aufgenommen werden. Kerventiefe t k Kervenlänge k h h Holz Beton 0,6 h 0,4 h h t 8cm Beton K K 429kN/mm ser k u 2 4 cm 20 cm Anordnung der Kerven für Träger < 6 m vh1 vh2 vh3 = 5 m 25 cm 45 cm = 6 m 25 cm 25 cm 48 cm 1.8

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 h h Holz Beton 0,6 h 0,4 h h t 8cm Beton K K 429kN/mm ser k u 3 4 cm 20 cm Anordnung der Kerven für Träger 6 m vh1 vh2 vh3 = 7 m 25 cm 25 cm 63 cm = 8 m 25 cm 25 cm 80 cm = 9 m 25 cm 25 cm 99 cm = 10 m 25 cm 25 cm 120 cm Die Betonplattendicke einschließlich der Kerventiefe sollte mindestens 80mm sein. Zur Aufnahme von örtlichen Betonzugspannungen wird eine Kervenbewehrung empfohlen. Bemessung: Ausreichend genaue Ergebnisse erhält man durch eine Berechnung mittels Stabwerksprogramme. Mit dem Schubanalogieverfahren nach DIN 1052:2008, Anhang G werden ebenfalls gute Ergebnisse erzielt (s. im Einzelnen in [9]). Kopfdübel- Schubleiste für Straßenbrücken: grundlegende Untersuchungen in [10], bis [12] führten zur Entwicklung von Kopfdübel- Verbindungen zur Herstellung eines Verbundes zwischen blockverklebten Brettschichtholzträgern und einer Stahlbetonfahrbahnplatte. Bild 5 zeigt die Last- Verformungskurve der Schubdübellösung im Vergleich zu alternativen Lösungen. Obwohl die Lösung mit eingeklebten Bewehrungsstäben leistungsfähiger war, wurde die Schubdübellösung für weitere Untersuchungen ausgewählt, da hier geringere Streuungen der Verschiebungsmodule festgestellt wurden. 1.9

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Bild 7 Last-Verschiebungskurven der Kurzzeitversuche (nach Angaben in [13]) Mit einem Verschiebungsmodul für ein Verbundelement von 640.000 N/mm pro m Dübelbreite steht ein sehr leistungsfähiges Verbundmittel für hochtragfähige Brückenkonstruktionen zur Verfügung. Untersuchungen zur Ermüdungsfestigkeit verliefen erfolgreich. Darauf aufbauend wurden Konstruktionslösungen für Straßenbrücken als Einfeldträger mit Stützweiten zwischen 10 und 30 m entwickelt. Bild 8 und 9 zeigen konstruktive Vorschläge für eine einseitige und für eine zweiseitige Straßenbrücke. Durch Standardisierung der neu entwickelten Lösungen lässt sich die Wirtschaftlichkeit wesentlich verbessern. Das ist insofern wichtig, als ca. die Hälfte aller Straßenbrücken in Deutschland nur Spannweiten zwischen 10 und 30 m überspannen. Aus der Sicht des baulichen Holzschutzes entsteht mit den in geschützter Lage angeordneten blockverklebten Brettschichtholzquerschnitten (es gilt Nutzungsklasse 2 nach DIN 1052:2008) eine sehr dauerhafte Konstruktion. Gleichzeitig besitzt der Oberbau aus Beton mit Fahrbahn und Schrammbord, Gehweg und Geländer eine dauerhafte und robuste Konstruktion. 1.10

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Da blockverklebte BSH-Bauteile auch in gekrümmter Form herstellbar sind, lassen sich auch architektonisch ansprechende Überbrückungen herstellen. Bild 8 Einstegiger Plattenbalkenschnitt zur Überführung eines einspurigen Wirtschaftsweges nach [11] Bild 9 Zweistegiger Plattenbalkenschnitt zur Überführung einer zweispurigen Strasse [11] 1.5 Zusammenfassung und Ausblick Holz- Beton- Verbund- Konstruktionen gelten heute bei Geschoßdecken hoher Tragfähigkeit und Spannweite sowohl im Altbau, als auch für Neubauten als bewährte Konstruktionslösungen. Für die Praxis stehen sieben bauaufsichtlich zugelassene Verbundlösungen zur Verfügung. Einzelne Praxiserprobungen bei Fußgänger- und Straßenbrücken zeigen, dass auch in diesem Anwendungsbereich wirtschaftliche Holz- Beton- Verbund- Lösungen möglich sind. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Holz- Beton- Hybridbauweise ist mit Blick auf die noch laufenden Forschungen bei weitem noch nicht abgeschlossen. 1.11

W. Rug 1 Holz-Beton-Verbundkonstruktionen BBIT2010 Weiterführende Literatur [1] Rug, W.: Abschnitt: Holz- Beton- Verbund, In: Informationsdienst Holz Holz als konstruktiver Baustoff, holzbauhandbuch Reihe 4, Teil 1, Folge 1,Bonn/München 2008 [2] Rug, W.: Abschnitt: Holz- Beton- Verbund- Bauweise zur Ertüchtigung im Bestand, In: Informationsdienst Holz Holz in Mischbauten, holzbauhandbuch Reihe 1, Teil 1, Folge 5, Bonn/München 2006 [3] Rug, W. Verbunddecken aus Holz und Beton, In: Bautechnik, Berlin 72 (1995)7, S. 454-459 [4] Lißner, K.; Rug, W.: Holzbausanierung, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 2000 2. Auflage in Vorbereitung) [5] Holschemacher, K., Rug W. u. a.: Holz-Beton-Verbundbauweise, In: Holzbauforum 2001, Leipzig am 29.06.2001, Tagungsmaterial, Verlag für Bauwesen, Berlin 2001 [6] Rug, W.; Lißner, K.: Holz-Beton-Verbundbauweise in der Praxis, In: Beton- und Stahlbetonbau (2004) Heft 7, S. 578-586 [7] König, u. a. 2004: König, G., u. a.: Holz- Beton- Verbund, Innovationen im Bauwesen, Beiträge aus Praxis und Wissenschaft, Bauwerk- Verlag, Berlin 2004 [8] Brunner, M.; Schnuriger, M.; Roemer, M.: Holz- Beton- Verbundplatten mit Klebeverbund; In: Zukunft Holz, Statusbericht, Institut für Holzbau, Hochschule Bieberach 2009 [9] Michelfelder, B. C.: Trag- und Verformungsverhalten von Kerven bei Brettstapel- Beton- Verbunddecken, Dissertation, Institut für Konstruktion und Entwurf Stahl, Holz- und verbundbau, Universität Stuttgart 2006 [10] Simon, A.: Analyse zum Trag- und Verformungsverhalten von Straßenbrücken in Holz- Beton- Verbund- Bauweise, Dissertation, Bauhaus- Universität Weimar 2009 [11] Rautenstrauch, K.; Simon, A.: Weiterentwicklung der Holz- Verbund- Bauweise unter Einsatz von blockverleimten Brettschichtholzquerschnitten bei Straßenbrücken, AIF- Schlussbericht, Bauhaus- Universität Weimar 2008 [12] Ohne Autor: Mit Holz- Beton- Verbund in neue Regionen, bauen mit holz (2006) H. 6, S. 12-15 [13] Döhrer, A.; Rautenstrauch, K.: Hybridbrücken mit blockverleimten Brettschichtholz, In: Bautechnik (2006) H. 6, S. 394-401 [14] Rautenstrauch, K.: Holz- Beton- Verbundbauweise bei Schwerlastbrückenzum Tragverhalten und dem gebauten Projekt, In: Ingenieurholzbau Karlsruher Tage 2009, Bruderverlag TU Karlsruhe, 2009 1.12

Dr.-Ing. Gerd Geburtig planungsgruppe.geburtig@arcor.de Jahrgang 1967 1986 1991 Architekturstudium an der Hochschule für Architektur Bauwesen Weimar 1991 1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAB Weimar seit 1993 Inhaber der Planungsgruppe Geburtig, Architekten & Ingenieure 2008 Promotion zum Dr.-Ing. seit 2001 seit 2003 seit 2007 Prüfingenieur für Brandschutz Gastvorlesungen an der Bauhaus-Universität; Dozent EIPOS e. V.,, Bauhaus Akademie Schloss Ettersburg ggmbh, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Architekten- und Ingenieurkammer Mecklenburg- Vorpommern u. a. Fachbuchautor. Zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Referatsleiters Fachwerk in der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V. und seit 2006 1. Vorsitzender der regionalen Gruppe der WTA in Deutschland Mitglied im Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS. Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz. Mitglied im NA 005-52-21 AA (Arbeitsausschuss Brandschutzingenieurverfahren) beim DIN

2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand Dr.-Ing. Gerd Geburtig Planungsgruppe Geburtig, Architekten & Ingenieure, Weimar 2.1 Einleitung Der Brandschutz nimmt eine Sonderstellung im Baurecht ein. Grundsatz- und Einzelforderungen sind in den Landesbauordnungen bzw. in Sonderbauvorschriften geregelt. Gemäß DIN 4102-4 1 werden Baustoffe in Baustoffklassen und Bauteile in Feuerwiderstandsklassen eingestuft. Bei Holz handelt es sich danach ohne zusätzliche Maßnahmen um normalentflammbare Baustoffe (B2). Insbesondere durch den Fugenanteil bei historischen hölzernen Bestandskonstruktionen ist neben einer Feuerausbreitung auch eine mögliche Rauchausbreitung zu berücksichtigen. Wegen seiner Brennbarkeit treffen den Baustoff Holz seit der Mitte des 20. Jahrhunderts restriktive Vorgaben des Bauordnungsrechtes. Dennoch beinhalten bestehende Gebäude oftmals hölzerne Trag- und Ausbaukonstruktionen, die sich zwar bewährt haben, aber nach heute geltenden Regelungen oftmals nicht mehr zulässig sind. Aus dem 67 der Musterbauordnung 2002 lässt sich jedoch ein berechtigter Anspruch auf eine Abweichung herleiten, wenn das Schutzziel auch auf einem anderen Weg wirksam erreicht wird. Es ist daher zunehmend eine Abkehr von so genannten Standardnachweisen mit ihren starr formulierten Bauteilanforderungen hinsichtlich des Brandschutzes wahrzunehmen. Dagegen gewinnen Sicherheitsnachweise an Bedeutung, die diese Abkehr von den konkreten Anforderungen hin zu schutzzielorientierten Brandschutzkonzepten befördern, die mit durchaus unterschiedlichen Inhalten ein den konkreten Bauteilanforderungen vergleichbares Sicherheitsniveau bieten. Es sind Nachweise, die auf vergleichenden Beurteilungsverfahren basieren von solchen grundsätzlich zu unterscheiden, die auf den individuellen Einzelfall eines Bauwerkes verschiedene Szenarien simulieren. Beides kann von ingenieurmäßigen Berechnungsmethoden unterstützt werden. Während letztere insbesondere größeren bzw. besonders wertvollen Gebäuden auf Grund des rechnerischen und damit auch finanziellen Aufwandes noch vorbehalten sein dürften, können vereinfachende und verbreitete ingenieurmäßige Nachweise bereits bei einer Vielzahl von Gebäuden in die Brandschutzkonzepte einbezogen werden. Verglichen mit dem dadurch eingesparten baulichen Aufwand, der zudem die höchsten denkmalpflegerischen Forderungen nach weitgehender Nichtbeeinträchtigung wertvoller Substanz erfüllt, ist dieser Aufwand eher gering.

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 Die konkreten brandschutztechnischen Schutzziele basieren auf den Eigenschaften des Vorhandenen und auf den gewollten Nutzungen. Das darauf abgestimmte Brandschutzkonzept ermittelt den im jeweiligen Fall notwendigen vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz ohne Regelvorgabe. Dieses darf weder auf ungenauen Vermutungen basieren, noch bedarf es unnötiger aufgeblähter" Formulierungen. Außerdem sind Maßnahmen des vorbeugenden, abwehrenden und organisatorischen Brandschutzes im direkten Zusammenhang miteinander festzulegen ein besonders wichtiger Aspekt bei der Einschätzung des wirklichen Gefahrenpotentials. Die Basis der Anwendung geeigneter Maßnahmen bei der Sanierung oder denkmalpflegerischen Behandlung von baulichen Anlagen ist ein gebäudeorientiertes Brandschutzkonzept, in dem alle örtlichen Gegebenheiten und geplanten oder vorhandenen Nutzungsabsichten vorbehaltlos aufzulisten sind. Weiterhin muss eine kritische Überprüfung von Annahmen durch eine systematische Untersuchung mit dem Ziel der Erarbeitung einer Brandgefährdungsanalyse erfolgen, da das Brandschutzkonzept für die behördliche Zustimmung Vertrauen zwischen den an der Planung und Genehmigung Beteiligten schaffen soll und das exakt für den konkreten Einzelfall dokumentierte analytische Ergebnis vorzulegen ist. Mit einem derart präzisierten Konzept können sowohl Befreiungen, Ausnahmen und Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorgaben als auch mitunter aufwendige Prüfungen im Einzelfall falls diese überhaupt durchgeführt werden können vermieden und Zustimmungen bei der Baugenehmigung erzielt werden. Den entsprechenden Intensionen kommt eine verantwortungsvolle, objektbezogene Bedeutung zu, weil durch sie deutlich wird, dass die Brandgefährdungen planmäßig und nicht zufällig ermittelt werden. Die schutzzielorientierte Betrachtungsweise innerhalb der Gesamtbetrachtung verdeutlicht, welches Sicherheitsniveau und damit auch welcher Feuerwiderstand im konkreten Fall überhaupt benötigt werden; die genügende Brandsicherheit 2 wird bei dieser Arbeitsweise offensichtlich. 2.2 Herangehensweisen und Maßstäbe für den Umgang mit hölzernen Bestandskonstruktionen Beurteilung der Gefahren Der Abbrand von Hölzern wird mittels Abbrandgeschwindigkeiten definiert. Unter dieser Abbrandgeschwindigkeit ist das Verhältnis der Abbrand- und Verkohlungstiefe in Bezug auf die Branddauer zu verstehen. Nicht nur die Holzeigenschaften, der Feuchtegehalt und die Rohdichte beeinflussen die Abbrandgeschwindigkeit, sondern auch das Verhältnis der Oberfläche zum Volumen, die Querschnittsform, die zusätzlichen Verformungen, die Holzbeschaffenheit, die Brandbelüftungsbedingungen und die reale Temperaturbeanspruchung. Holz brennt langsam und berechenbar ab; der entstehende Rauch ist vergleichsweise gering toxisch. Somit ist das Brandverhalten des Holzes besser als sein Ruf. Auswertungen von Brandereignissen und wissenschaftlich kontrollierte 2.2

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 Brandversuche beweisen das. Heute ist es anhand der genormten Abbrandgeschwindigkeiten für verschiedene Holzarten möglich, auf der Grundlage der Einheits- Temperaturzeitkurve die reale Feuerwiderstandsfähigkeit bestehender hölzerner Konstruktionen unter Berücksichtigung des aktuellen Zustandes, wie z. B. des Schädlingsbefalls, zu berechnen. Alternativ dazu steht mittlerweile die leistungsorientierte Bemessung von Holzbauteilen gemäß dem Eurocode 5 3 nach dem Naturbrandverfahren zur Verfügung. Damit kann unter Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen brandschutztechnischen Randbedingungen wie der Brandlasten sowie der Raum- und Ventilationsverhältnisse der Nachweis der Standsicherheit für eine so genannte äquivalente Feuerwiderstandsdauer erfolgen. Erschwerend für die brandschutztechnische Beurteilung historischer Gebäudeanlagen mit hölzernen Bestandskonstruktionen sind zudem vielfältige Umstände: Fahrzeuge der Feuerwehr haben erschwerte Zufahrtsbedingungen; zu geringe Durchfahrtshöhen oder -breiten sind vorhanden. Eine Löschwasserbevorratung und -versorgung oder eine Druckerhöhung für eventuelle Sprinkleranlagen gibt es nicht. Sinnvoller Kulturgutschutz verbietet oft eine solche Anlage. Weite Gebäudeausdehnungen mit fehlenden Brandabschnittsbildungen, Fluchttreppen aus brennbaren Materialien und hölzerne Deckenkonstruktionen erhöhen das Gefährdungspotential erheblich, weil starke Verrauchungen auf Grund der vorhandenen brennbaren Materialien erwartet werden müssen. Hinzu gesellen sich eingeschränkte Einsatzmöglichkeiten freiwilliger Feuerwehren kleinerer Gemeinden und die damit verbundenen Schwierigkeiten, schnell zum Brandherd zu gelangen. Für museale Nutzungen lassen sich die notwendigen Rettungswege und Treppenräume vielmals nicht ohne größere Substanzeingriffe schaffen. Die Rettungswege für behinderte Besucher und Bewohner sind erschwert, da Aufzüge dafür allgemein nicht zugelassen werden. Veraltete technische (zumeist Elektro-) Anlagen runden das vorzufindende, brandschutztechnisch desolate Bild ab. Eine Vielzahl, zum großen Teil miteinander verwobener, einschränkender Bestandssituationen gilt es in die Entwurfsüberlegungen bei einer Instandsetzungsplanung mit einhergehender Nutzungsänderung zu berücksichtigen. Dass bei dieser Komplexität der Anforderungen dennoch Möglichkeiten substanzschonender Behandlung gegeben sind, mag die Analyse ausgewählter Beispiele belegen, die u. a. deutlich machen, dass Planende und Gutachter zu einem sehr frühen Zeitpunkt das gemeinsame Gespräch suchen müssen. In diesem Zusammenhang muss der Gefahrbegriff näher präzisiert werden. Zu unterscheiden ist zwischen den juristischen Begriffen einer konkreten, damit wird die reale bezeichnet, und einer abstrakten Gefahr, die mit der potentiellen identisch ist. Die letztere entsteht aus der Rechtsverletzung, einer Nichtübereinstimmung mit dem geltenden Recht. Zur Vermeidung einer solchen Gefahrenlage hat der Gesetzgeber Vorschriften erlassen oder technische Regeln (Normen, Richtlinien) eingeführt. Zu den technischen Regeln ist anzumerken, dass z. B. gemäß 3, 3 der Thüringer Bauordnung eine Abweichung von ihnen zulässig und nicht als Abweichung zu bean- 2.3

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 tragen ist und entsprechend genehmigt werden muss, wenn das Schutzziel anderweitig gleichermaßen erreicht wird. Hier trifft jedoch die Beweislastumkehr zu, d. h. der Planer muss das beispielsweise mittels eines Brandschutzkonzeptes nachweisen. Andererseits gilt bei der Befolgung der Eingeführten Technischen Baubestimmungen sowie von nicht eingeführten, aber dennoch als allgemein anerkannten Regeln der Technik, dass keine potenzielle Gefahr vorliegt. Eine konkrete (reale) Gefahr besteht aus juristischer Sicht immer dann, wenn mit der Schädigung von Leben und Gesundheit zu rechnen ist und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden muss 4, sie liegt jedoch nicht schon vor, wenn ein Abweichen von Vorschriften, die der Sicherheit dienen festgestellt wird. 5 Nach aktueller Auffassung der Gerichte ist die fachkundige Feststellung, dass nach den örtlichen Gegebenheiten der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht unwahrscheinlich ist, erforderlich. 6 Die Einzelfallentscheidung über das Vorliegen einer realen Gefahr bedarf demnach immer einer konkreten Gefährdungsanalyse. Um festzustellen, ob im vorliegenden Fall eine erhebliche Gefahrensituation gegeben ist müsste durch einen anerkannten Fachkundigen eine brandschutztechnische Beurteilung vorgenommen werden, die z. B. die Brandlasten im Kellergeschoß der Liegenschaft, im Treppenhaus und in den Wohneinheiten, die Gefährdungspotentiale durch die Heizungseinrichtung sowie das Maß der Rauchdichtigkeit der Kellerabschlusstür sowie der Wohnungstüren ermittelt. 7 Ferner müssten die konkrete Tauglichkeit des ersten Rettungswegs und die Möglichkeit der Rettung der Bewohner näher geprüft werden. 8 Es handelt sich also bei einem bestehenden Gebäude nicht darum, jede Einzelanforderung im Brandschutz entsprechend der gültigen Rechtsvorschriften und Eingeführten Technischen Baubestimmungen zu erfüllen (Abwehren potentieller Gefahren), sondern durch das Beseitigen realer Gefährdungen ein Sicherheitsniveau zu schaffen, dass den Grundsatzforderungen zum Schutz von Leben und Gesundheit gerecht wird. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist häufig die nach den Rettungswegen. Auch in bestehenden baulichen Anlagen müssen für jede Nutzungseinheit zwei Rettungswege zur Verfügung stehen, anderenfalls liegt eine reale Gefahr vor. Geeignete Handlungsabläufe für Planungsvorgänge In der Analyse bisheriger Planungsverläufe und deren wiederkehrender Probleme wurden durch den Autor G. Geburtig während eines Promotionsvorhabens Methodiken für die geeignete Handlungsweise beim Umgang mit dem Brandschutz bei bestehenden Gebäuden erarbeitet (Abb. 1 und Abb. 2). Diese basiert auf den gewonnenen Erkenntnissen zum geeigneten und unangemessenen Umgang mit bestehenden Gebäuden bzw. Baudenkmalen, insbesondere solcher, die hölzerne Konstruktionen haben. Es wurden die beiden zu unterscheidenden Fälle Sanierung und Denkmalpflegerische Behandlung berücksichtigt. Voraussetzung für vernünftige Abläufe ist das erforderliche Hineindenken in die Erfordernisse der jeweils scheinbar einander gegenüber- 2.4

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 stehenden handelnden Seite. Es bedarf des gegenseitigen Verständnisses ohne Erfordernis des sofortigen Überlaufens oder des Aufgebens der eigenen Position und des wirklichen Bestrebens, sich verstehen zu wollen. Dann wird die Suche nach dem einvernehmlichen Brandschutzkonzept erfolgreich sein, das sich von zuvor nicht an starre Standard-Regelungen orientiert. Abb. 1 Methodischer Ablauf bei einer Sanierung ( G. Geburtig) 2.5

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 Abb. 2 Methodischer Ablauf bei einer denkmalpflegerischen Behandlung ( G. Geburtig) Anwendung der WTA Merkblätter zum Brandschutz von Bestandsgebäuden In brandschutztechnischer Hinsicht ist es geboten, beim Umgang mit hölzernen Bestandskonstruktionen auf das bereits verfügbare WTA-Merkblatt 8-12: Brandschutz bei Fachwerkgebäuden 9 zurückzugreifen. Dieses wird derzeit überarbeitet bzw. erweitert und zum Sommer 2010 neu erscheinen. Das Merkblatt 8-12 beschreibt die vorliegenden Erfahrungen beim Brandschutz und in der Praxis der Fachwerkinstandsetzung. Es gibt die allgemein anerkannten Regeln der Technik im Umgang mit den brandschutztechnischen Anforderungen an Fachwerkgebäude wider; es werden fachwerkspezifische Regelungen für den Brandschutz zusammengefasst. Zugleich sind Konflikte mit gültigen Regelwerken aufgezeigt, sowohl was die Einhaltung der Anforderungen und der Nachweisverfahren als auch die oft in den betreffenden Regelungen geforderten Bekleidungen von Holzbaustoffen betrifft. Hierfür werden Alternativen angeboten. Im Merkblatt wird die generelle Erstellung einer gebäudekonkreten brandschutztechnischen Beurteilung von Fachwerkgebäuden angeregt und favoritisiert, auf deren Basis die brandschutztechnischen Maßnahmen festzulegen 2.6

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 sind, die möglichst keine bauliche Bekleidung des tragenden Fachwerkgefüges nach sich ziehen. Die neue Ausgabe zum Jahr 2010 wird ein erweitertes Merkblatt unter dem Titel Brandschutz von Fachwerkgebäuden und Holzbauteilen vorstellen. Somit werden nicht nur Fachwerkgebäude an sich, sondern zugleich der Umgang mit allen aus brandschutztechnischer Sicht wesentlichen hölzernen Bauteilen bei bestehenden Gebäuden geregelt. Abb. 3 WTA-MB 8-12, Ausgabe 2004 Das Einbeziehen des Merkblattes in die Brandschutzplanung als anerkannte Regel der Technik kann den beurteilenden Brandschutzbehörden helfen, erforderliche Abweichungen zuzulassen. Da es immer wieder zu beobachten ist, dass zuständige Brandschutzdienststellen, insbesondere bei Sonderbauvorhaben, verunsichernde Bedenken bei der positiven Bescheidung von Abweichungsanträgen haben, schließt das vorliegende Merkblatt eine Lücke und systematisiert bisher ausschließlich in Einzelfallregelungen gewonnene Erfahrungen für eine breitere Anwendung bei Gebäuden in Holzfachwerk, kann aber auch Anwendung bei anderen bestehenden Gebäuden mit hölzernen Trag- und Ausbaukonstruktionen finden. Im Rahmen der Bearbeitung von Brandschutzkonzepten wurde durch die Autoren bereits erfolgreich auf das Merkblatt Bezug genommen. Es war dabei ein reges Interesse an derartigen Regeln von Seiten der an der Genehmigung der Vorhaben beteiligten Behörden zu verspüren. 2.7

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 2.3 Kompensationsmöglichkeiten Wenn brandschutztechnischen Vorschriften, die für die Errichtung eines Neubaus gelten, bei bestehenden Gebäuden nicht befolgt werden können, dann sind zur gleichrangigen Erfüllung der betreffenden Forderungen Ersatzmaßnahmen zu konzipieren. Stets ist im Vorfeld nach den tatsächlichen, angeblich nicht gewährleistungsfähigen Eigenschaften eines Bauwerkes zu fragen. Ein Vergleich derselben mit denen für Neubauten geforderten ermöglicht Aussagen zur tatsächlich erforderlichen Brandsicherheit. Geschieht das, dann kann analysiert werden, ob und warum Defizite des Brandschutzes ohne Ausgleich, d. h. auf dem Wege der Abweichung ohne weitere Maßnahmen, oder durch Einsatz von kompensierenden Maßnahmen zu tolerieren sind. Es handelt sich darum, dem Sinn der Vorschrift für die konkreten örtlichen Verhältnisse zu entsprechen, nicht aber deren wörtliche Formulierung zu befolgen. Eine Holzbalkendecke z. B., die einen Feuerwiderstand von annähernd 30 bis 45 Minuten hat, muss dann nicht verändert werden, wenn es sicher nachweisbar ist, dass die Evakuierung nur fünf Minuten währt. Selbst der Feuerwehr blieben nach ihrem Eintreffen dann noch 20 bis 35 Minuten für weitere Maßnahmen der Sachgutsicherung, die jedoch ausschließlich den Kulturschätzen und den Versicherungsgegenständen gelten. Die Auswertung von Abweichungen, die bei bestehenden Gebäuden gegeben sind, und von den jeweiligen kompensierenden Maßnahmen ergibt eine mögliche Grundlagenermittlung, die für eine Vielzahl bestehender Gebäude zutrifft. Es gibt allerdings verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, die für den Einzelfall konkret abgestimmt werden können. Bauliche Maßnahmen Mittlerweile wurde bauaufsichtlich die Klassifizierung hochfeuerhemmend und die mögliche Verwendung brennbarer Baustoffe eingeführt. Zumeist müssen diese Baustoffe brandschutztechnisch wirksam bekleidet sein, so z. B. solche der Klassifikation hochfeuerhemmend. Die hochfeuerhemmenden Bauteile, deren tragende und aussteifende Bauteile aus brennbaren Baustoffen bestehen und die eine allseitige brandschutztechnisch wirksame Bekleidung haben, sind nach DIN 4102 nicht geregelt. Die tragenden und aussteifenden Bauteile müssen bei der Gebäudeklasse 4 nach MBO (nur noch) hochfeuerhemmend sein. Wer deshalb aber meint, dass nachgerüstete F60- BA -Bauteile zugleich hochfeuerhemmend seien, irrt jedoch. Die Prüfung eines hochfeuerhemmenden Bauteiles muss nach dem Kapselkriterium (K 2 ) der DIN EN 13501-2 [5] erfolgen und ist daher für bestehende Holzkonstruktionen praktisch nicht zu erreichen. Dazu besteht aber aus Sicht des Autors auch keine Notwendigkeit. Für ein Bestandsgebäude mit hölzernen Konstruktionen ist es zum Erreichen des bauaufsichtlichen Schutzziels, das mit der Klassifikation hochfeuerhemmend beschrieben wird, durchaus ausreichend, nur die Bauteileigenschaft F60-B oder im Zusammenhang mit einer nachträglichen nichtbrennbaren Verkleidung F60- BA nachzuweisen. Der jeweils 2.8

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 abweichende Tatbestand muss jedoch im Brandschutznachweis deutlich benannt und ggf. eine Abweichung beantragt werden. Durchgeführte Brandversuche an unterschiedlichen intakten Holzbalkendecken mit einem maximalen Balkenabstand von 1,00 m ergaben, dass derartige trotz ihrer vielfältigen Ausbildungen im Bestand eine Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten sowohl von oben als auch von unten aufweisen. Sie entsprechen daher der normativen Klassifikation F30-B. Die Anschlüsse an flankierende Bauteile sind dabei hinsichtlich der Rauchdurchlässigkeit gesondert zu überprüfen. Durch Bekleidungen, z. B. mit Gipskarton-Bau- oder Feuerschutzplatten, können höhere Brandschutzeigenschaften erreicht werden. Eine wesentliche Grundlage für die Anerkennung eines jeweiligen allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses bzw. einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für Trockenbaukonstruktionen ist das Einhalten aller dort benannten Randbedingungen. Bekleidungen auf der Oberseite sind zumeist überflüssig und bewirken nur selten eine tatsächliche Verbesserung des Brandschutzes. Anlagentechnische Maßnahmen Insbesondere hölzerne Konstruktionen, die nicht eine Bekleidung erfahren oder als Brandlasten, z. B. in Rettungswegen, verbleiben sollen, können entweder durch entsprechende anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen kompensiert oder geschützt werden. Durch den Einsatz vernetzungsfähiger Rauchwarnmelder bzw. von Brandmeldeanlagen können auf Grund einer frühzeitigen Branddetektion die rechtzeitige Evakuierung in Gang gesetzt und damit erhebliche Verkürzungen der Evakuierungszeiten gewährleistet werden. Überdrucklüftungsanlagen wiederum können für raucharme Schichten in Rettungswegen sorgen und damit zum einen die Rauchfreihaltung während der Evakuierung der Personen aus einem Gebäude, zum anderen die Rauchableitung für die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr unterstützen. Wassernebellöschanlagen bewähren sich unter Einsatz einer nur äußert geringen Wassermenge bei der Verhinderung einer der Brand- bzw. Rauchausbreitung bei einem bereits entstandenen Brand und einem wirkungsvollen Kulturgutschutz. Selbst Lehmwickel in einer Holzbalkendecke bleiben bei der Wirkung einer Wassernebellöschanlage erhalten und müssen nicht wie nach einem Löschangriff der Feuerwehr bei einem Vollbrand entsorgt werden. Organisatorische Maßnahmen Organisatorische Maßnahmen dienen der Vorbeugung einer Brandentstehung und einer frühzeitigen wirkungsvollen Brandbekämpfung. Zugleich unterstützen sie eine geordnete Evakuierung von Personen und die Erhaltung der Wirksamkeit brandschutztechnischer Maßnahmen. Für entsprechende Maßnahmen ergibt sich eine große Bandbreite; oftmals handelt es sich um geringfügige, sogar kostenlose Anordnungen, die das Gefahrenpotenzial erheblich reduzieren helfen. Die möglichen Maßnahmen erstrecken sich dabei von Rauchverboten, Nutzungsbeschränkungen und Anweisungen beim Umgang mit gefährlichen Stoffen bis hin zur Gewährleistung der wirksamen Freihaltung 2.9

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 von Rettungswegen. Es bietet sich an, in turnusmäßige Überprüfungen eine Fremdüberwachung einzubinden, um rechtzeitig Anzeichen von Gefährdungen erkennen zu können. Eine gemeinsame Erarbeitung von Alarm-, Rettungs- und Feuerwehreinsatzplänen mit allen Beteiligten steigert die Identifikation mit der Schutzaufgabe und vermittelt den Rettungskräften wichtiges Detailwissen für den Ernstfall. 2.4 Ingenieurgemäße Nachweise Bereits seit längerer Zeit besteht zudem die Möglichkeit, die Dienlichkeit kompensierender Maßnahmen mit Hilfe von Methoden des Brandschutzingenieurwesens nachzuweisen. So können mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren, wie z. B. Wärmebilanzverfahren, Nachweise erfolgen, dass für vorgegebene bzw. erforderliche Zeiträume die vorhandenen Rettungswege (raucharm oder mit zugelassenen Belastungen) ausreichend benutzbar oder wirksame Löscharbeiten möglich sind bzw. die Standsicherheit ausgewählter Bauteile gewährleistet ist. Die in den sicherheitstechnisch erforderlichen Zeiträumen einzuhaltenden Sicherheitskriterien, die entweder der Begründung einer Abweichung oder dem Nachweis einer Kompensation dienen können, sind aufgrund anerkannter Kriterien des Brandschutzes bzw. anhand bestehender Vorschriften objekt- und schutzzielbezogen festzulegen. Sie können u. a. die Einhaltung der im Brandschutzkonzept vorgegebenen raucharmen Schicht, der Tragfähigkeit unter den ermittelten Temperaturbelastungen für einzelne Bauteile bzw. die gesamte Tragkonstruktion oder der erforderlichen Evakuierungszeiten betreffen. 10 Als Methoden des Brandschutzingenieurwesens kommen derzeit insbesondere folgende in Frage: Brandsimulationen (Handformeln, Wärmebilanzberechnungen, physikalische Modelle) als sog. design fire (anstelle von normgerechten Prüfungen), Brand- und Rauchversuche (reale Versuche zur Überprüfung des Zusammenwirkens aller Komponenten), Beurteilung des Brandverhaltens von Bauteilen und Tragwerken (z. B zur Behandlung nicht klassifizierter Beuteile), Personenstromanalysen (z. B. Berechnung der Evakuierungsdauern bei größeren Personenzahlen oder im Bestand reduzierter Ausgangsbreiten), die jeweils zum Nachweis der ausreichenden Brandsicherheit des aufgestellten Brandschutzkonzeptes genutzt werden. 2.10

G. Geburtig 2 Brandschutz bei Holzkonstruktionen im Bestand BBIT2010 Abb. 4 Mögliche Einsatzbereiche von Ingenieurmethoden bei der Sanierung bzw. denkmalpflegerischen Behandlung 11 Um die bauaufsichtliche Akzeptanz der Anwendung von ingenieurgemäßen Nachweisen für den Nachweis der Brandsicherheit verbessern zu können, ist aktuell die Normungstätigkeit zu den Brandschutzingenieurverfahren beim DIN begonnen worden. Es ist dabei vorgesehen, die Grundsätze für die Aufstellung von Nachweisen mit Methoden des Brandschutzingenieurwesens zu definieren. Explizit sollen diese Regelungen auch für bestehende Gebäude gelten. Das Ziel ist es dabei, sich vom Erfüllen fest vorgegebener Bauteilanforderungen zu lösen und anstelle dieser ingenieurgemäße, schutzzielorientierte Nachweise treten zu lassen. Ein besonderes Problem besteht dabei darin, die jeweiligen Schutzziele individuell zu bestimmen und die Akzeptanzkriterien für den jeweiligen Einzelfall festzulegen. Es soll dabei weniger darum gehen, wiederum starre Anforderungen zu definieren, sondern stattdessen die richtige und angemessene Vorgehensweise zu beschreiben und zu regeln, mit der folgerichtig eine vertretbare Brandsicherheit ermittelt und nachgewiesen werden kann. Ausgehend von der Identifizierung der Schutzinteressen (bauordnungsrechtliche und individuelle) sowie den möglichen Brandgefahren sollen bereits während der konzeptio- 2.11