Verwahrlosung älterer Menschen

Ähnliche Dokumente
Rechtliche Grundlagen FeM - ambulant

Prof. Konrad Stolz. Fürsorglicher Zwang in der Psychiatrie? -Verfassungsrechtliche Aspekte-

Psychiatrie Jahrestagung 2012 des BeB. Betreuungsverfahren und betreuungsrechtliche Unterbringungspraxis im Lichte der UN-Konvention

RECHTLICHE GRUNDLAGEN IN DER ERWACHSENEN PSYCHIATRIE. Grundlagen der Unterbringung. Zivilrechtliche Unterbringung

Input zur Podiumsdiskussion. Anne Schwanstecher-Claßen

PsychKG auf dem Prüfstand: Anforderungen an eine rechtsprechungssichere und der UN-BRK gerecht werdende Gesetzgebung in den Ländern

Aktuelle Probleme des Betreuungsrechts aus der Sicht der gerichtlichen Praxis. Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. Peter Kieß Landgericht Dresden

Dr. Klaus-Peter Frentrup 05. Mai 2010

Angebote des Gesundheitsamtes Düsseldorf für psychisch kranke obdachlose Menschen

Betreuung, Unterbringung, Zwangsbehandlung

Die Rolle des Amtsgerichts im PsychKHG

Fixierungen in der Somatik

Voraussetzungen und Verfahren Amtsgericht Tübingen

Haftungsfragen im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen

Prof. Konrad Stolz. Psychiatriegesetzgebung -Anforderungen des Verfassungsgerichts und der Behindertenrechtskonvention-

Geschlossene Unterbringung - Zwangsbehandlung

Rechtliche Betreuung. Betreuungsbehörde der Stadt Kassel Rathaus, Obere Königsstraße 8, Geschäftszimmer H 408 a, Telefon (05 61)

Merkblatt für Ärzte. Medizinische Begutachtung im Unterbringungsverfahren nach dem Nds. Psychiatriegesetz

Merkblatt für Ärzte. Medizinische Begutachtung im Unterbringungsverfahren nach dem Nds. Psychiatriegesetz

Fürsorgerische Unterbringung und Behandlung in der Klinik (Workshop 1)

Aktuelle Entwicklungen im Recht der Zwangsbehandlung. Dr. Rolf Marschner Erkner

ETHIK UND RECHT IN DER GERONTOPSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG. 6. Gerontopsychiatrisches Symposium Hannover

Integriertes Notversorgungskonzept: Standards ordnungsrechtlicher Unterbringung und Notversorgung

Vor diesem Gesetz muss niemand Angst haben, es bringt Sicherheit für alle Betroffenen, Angehörigen und Mitarbeiter.

Fachtag Betreuungsrecht Workshop Zwangsmedikation

Angaben zur Unterbringung psychisch kranker und seelisch behinderter Personen

Standards in der (Winter)notversorgung

d) rechtmäßige Freiheitsentziehung bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;

Wer entscheidet? Medizinische Überlegungen zur Frage der Zwangsbehandlung

Neues aus dem Recht. Zwangsbehandlung, Selbstbestimmung und Betreuung bei psychischer Erkrankung

Recht zu leben. Recht zu sterben Ä R Z T E K A M M E R B E R L I N

Ethik in der Psychiatrie. Prof. Dr. Viola Balz

Der betreute Mensch als Patient. Erkner, 9. Mai 2018 Dr. Andrea Diekmann Vizepräsidentin des Kammergerichts, Berlin

Übersicht rechtliche Grundlagen zur Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen

Coaching als Brücke. Wie Umgehen mit Grenzthemen im Coaching? Dipl.-Psych. / Senior Coach DBVC. Die Coachs mit dem Trüffelschwein-Prinzip

FÜR DEN LANDKREIS TRAUNSTEIN. Herausgegeben vom Landratsamt Traunstein Traunstein,

Stellungnahme des Betreuungsgerichtstags e.v. zum saarländischen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterbringungsgesetzes (UBG) vom

Die UN Behindertenrechtskonvention und ihre Bedeutung für das Betreuungsrecht

Auswirkungen des neuen Rechts auf die Betreuung in Einrichtungen

Inhaltsverzeichnis. 1 Als letztes Mittel die Zwangseinweisung" Das Verfahren der Zwangseinweisung Zuständigkeiten 3

Aufgabenbereich der Forensischen Psychiatrie

II. 14 Betreuungsrecht

Schweigepflicht / Datenschutz bei Kindeswohlgefährdung. Nadine Maiwald Rechtsanwältin Anwältinnenbüro Leipzig

Ärztliches Zeugnis. Departement für Justiz und Sicherheit Zentrale Behörde Adoption

Synopse 1906 BGB Anstehende Rechtsänderungen lt. BT-Drucksachen 17/11513 und 17/12086 Stand: (Bundestagsbeschluss vom

Wille und Wohl des Betroffenen in der rechtlichen Betreuung

Öffentliche Bekanntgabe gem. Art. 41 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Bay. Verwaltungsverfahrensgesetz

Stellungnahme. des Sozialverbands VdK Rheinland-Pfalz e. V. zum

Fachtagung PDAG / FARO

Hilfeleistungspflicht und Ablehnung der Hilfeleistung

LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/ GESETZENTWURF. der Regierung des Saarlandes

Landtag von Baden-Württemberg. Antrag. Stellungnahme. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Abg. Stefan Teufel u. a. CDU.

beteiligte Personen, Gerichte und Behörden Fazit

Gesetzlich legitimierter Zwang in der stationären Versorgung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen/ psychiatrischen Krankheitsbildern

Kommunikation im Kinderschutz Was darf, soll und muss die Gesundheitshilfe nach dem neuen Bundeskinderschutzgesetz? Dr. iur.

Vom Vormundschaftsrecht zum revidierten Erwachsenenschutz

Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, PaDentenverfügung Mitgliederversammlung Krankenhausverein am 23. Nov Dr. Markus Dornbach & RA Smeding-

Erwachsenenschutzrecht

Themenübersicht. Definition Gesetzliche Grundlagen Grundgesetz Strafgesetzbuch Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) PsychKG und VwVG der Länder

Die konkreten Regelungen der bewegungseinschränkenden. Massnahmen

Sondersituationen. SOP - Standardarbeitsanweisung für Rettungsassistenten. Version: ÄLRD in Rheinland-Pfalz.

Göttinger Workshop UN-Behindertenrechtskonvention am 26. und

Menschen mit Demenz mitten im Leben Was ist wissenswert? Was können Sie in der Nachbarschaftshilfe tun?

Die Rechte psychisch kranker Menschen und ihre Durchsetzung Die Rechte psychisch kranker Menschen und ihre Durchsetzung

Patientenverfügung - Behandlungsvereinbarung - Fallführende Station. Dr. J. Kurmann Chefarzt Luzerner Psychiatrie MAS Philosophie und Management

Der schwierige Betroffene

Ehrensache: rechtliche Betreuung. Ehrenamtliches Engagement mit Verantwortung

BtPrax 2006, 167 (Auszug)

UN-Konvention erfordert ein PsychKG für Bayern

Die Wiesbadener Vereinbarung

Ich, (Vollmachtgeber/in)

4 Besonderheiten bei Demenz

Der betreute Mensch als Patient

Quelle: Fundstelle: GBl. 1991, 794 Gliederungs-Nr:

vor Gewalt in der häuslichen Pflege Unterstützungsbedarf älterer, pflegebedürftiger, Erwachsenenschutzes

Geschlossene Unterbringung bei Demenz - muss das sein?

2. INFORMATIONSVERANSTALTUNG 2013 der ARWED am 20. April 2013 in Hagen

Ethische u. Jur. Implikationen bei Demenz

Patientenverfügung. Rechtsdienst. Dr. iur. Jürg Müller

PsychKHG für Bayern. Dr. Rolf Marschner

Sondersituationen. Grundsätze. Hilflose Person. Version:

Das Unterbringungsgesetz Ausgewählte Themen

Gesundheitssorge im Rahmen der Betreuung

Die Änderungen rund um die Pflege zum 1. Januar Quelle: bpa

Vorsorgevollmacht. ohne Zwang und aus freiem Willen gemäß 1896 Abs. 2 BGB folgende. Vorsorgevollmacht:

Das neue Begutachtungsverfahren der Medizinischen Dienste Dr. Bettina Jonas, MDK Berlin-Brandenburg

Umgang mit Transportverweigerung

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung aus ärztlicher Sicht

Schutz und Chancen für starke Kinder

Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) erfolgte eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Das PSG II tritt ab dem in Kraft.

Fachberatung im Kinderschutz Fachtag, Hannover,

Michael Herzog Sozialamt

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Polizei- und Ordnungsrecht der fünf neuen Bundesländer

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz - Alles beim Alten? Susanne Arndt-Zygar

NOVELLIERUNG DES GESETZES ÜBER DIE HILFEN FÜR PSYCHISCH KRANKE UND SCHUTZMAßNAHMEN DES LANDES SACHSEN-ANHALT (PSYCHKG LSA)

Deklaration von Helsinki (1996)

Transkript:

Verwahrlosung älterer Menschen Rechtliche Rahmenbedingungen für behördliches Einschreiten, Kooperation von Ordnungsamt und Sozialen Diensten am Beispiel der Stadt Leonberg

1. Grundgesetz Art. 1 : Die Würde des Menschen ist unantastbar. Art. 2 : Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

Art. 13 : Die Wohnung ist unverletzlich. Eingriffe dürfen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgenommen werden.

2. Polizeigesetz Baden-Württemberg Generalklausel = 1 + 3 Polizeigesetz: Die Polizei hat die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Die Polizei hat diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.

3. Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg Psychisch Kranke können gegen ihren Willen in einer anerkannten Einrichtung untergebracht werden, wenn sie unterbringungsbedürftig sind. Psychisch Kranke sind Personen, bei denen eine geistige oder seelische Krankheit, Behinderung oder Störung von erheblichem Ausmaß einschl. einer Abhängigkeit von Rauschmitteln oder Medikamenten vorliegt.

Unterbringungsbedürftig sind psychisch Kranke, die infolge ihrer Krankheit ihr Leben oder ihre Gesundheit erheblich gefährden oder eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellen, wenn die Gefährdung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann.

Das Unterbringungsrecht dient nicht der Erzwingung einer nicht vorhandenen Krankheitseinsicht und fehlenden Behandlungsbereitschaft, sondern der Abwendung von Lebensgefahr!

Das Grundrecht der Freiheit der Person nimmt dem Staat das Recht, seine erwachsenen und zu einer freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu bessern oder daran zu hindern, sich selbst gesundheitlich zu schädigen.

Die Unterbringung nach UBG erfolgt gegen den Willen des Betroffenen. Bei psychisch kranken Personen stellt sich oftmals die Frage: Wann ist der Wille frei?

Anhaltspunkte zur Beurteilung des freien Willens : nach: Die Laienbeurteilung als Hilfestellung für die rechtliche und medizinische Urteilfindung von Dr. med. Johannes Warmbrunn und Prof. Konrad Stolz Beurteilung der Alltagskompetenzen Ausübung geistiger und körperlicher Aktivitäten Ausgeglichene Stimmungslage Gestaltung zwischenmenschlicher Kontakte Selbstversorgung mit Nahrung Sicherstellung hygienischer Verrichtungen

Zusammenfassende Feststellung, ob es, beeinflusst durch das Krankheitsgeschehen, zu einer umfassenden Überformung der Persönlichkeit gekommen ist: besteht ein Knick in der Lebenslinie? Im Zweifel ärztlichen Rat einholen!

Fazit: Verwahrlosung allein rechtfertigt keine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Die Zuständigkeit für Maßnahmen nach dem UBG und die Leitung des Sozialen Dienstes sind auf Abteilungsleiterebene angesiedelt. Jeder Neufall wird gemeinsam besprochen. Klärung der Rechtslage. Das weitere Vorgehen wird abgestimmt.

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Verwahrlosung ist immer ein schleichender Prozess. Ursachen für Verwahrlosung herausfinden Abklärung der sozialen Kontakte

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Versuch, den Betroffenen zur Mitarbeit zu gewinnen. Der Betroffene darf nicht überfordert werden. Auch kleinste Schritte sind wertvoll. Zwingend ist die Beseitigung akuter Gefahren. Auch bei alten Menschen gilt: jeder darf so leben, wie er will!

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Vertrauen schaffen. Jede Veränderung bei älteren Menschen benötigt Zeit. Übergabe an andere Dienste nur nach gemeinsamem Hausbesuch. Jede Veränderung sollte mit dem Betroffenen im Einzelnen besprochen werden.

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Aussagen gegenüber Dritten nur unter Beachtung des Datenschutzes! Rückmeldung an den Hinweisgeber in allgemeiner Form.

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Keine Kooperation durch den Betroffenen: Besteht Gefahr? Wenn ja, in welcher Form? Wie akut? Welche Maßnahmen müssen sofort getroffen werden, um die Gefahr zu beseitigen? Ggfs. Rückmeldung an das Ordnungsamt. Kritik von Dritten aushalten: Warum wird nichts getan?

Kooperation von Ordnungsamt und Sozialem Dienst in Leonberg Keine Gefahr + keine Kooperation = mit entsprechendem Vermerk zda

Verwahrlosung älterer Menschen Danke für Ihre Aufmerksamkeit!