Prof.Dr.Gerald Spindler, Übertragbarkeit digitaler Inhalte Inwieweit sollte mit dem Erwerb digitaler Inhalte das Recht verbunden sein, diese an Dritte zu übertragen?
Ausgangsproblematik Online und offline Vertrieb von digitalen Inhalten wirtschaftlich (weitgehend) gleichwertig Wert des Datenträgers irrelevant gegenüber Inhalt (mit Ausnahmen) Hybrider Charakter von digitalen Inhalten: weder reine Sache noch reines Recht Piraterierisiko versus Interesse an Verfügungsmöglichkeiten Portabilität / Interoperabilität Urheber- versus Vertragsrecht Anwendungsgebiete Software Filme Musik Fotos ebooks Hybride Inhalte (Computerspiele) 3D-Druckdaten etc. Streaming und nur zeitweiser Zugang ( access ) 2
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Urheberrecht Software: Used Soft-Rechtsprechung EuGH und nachfolgend BGH Maßgeblich: Erwerb der Software, damit erforderlich Eigentümerstellung, Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes keine Anwendung auf Software as a Service Übergabe des Programmschlüssels genügt, Löschung bei Ersterwerber erforderlich Rabatte für Ersterwerber (Bildung etc.) hindern nicht Weitergabe Selbst bei kollusivem Zusammenwirken Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes Letzte Version inkl. Patches maßgeblich Kauf soll selbst bei einem nur für ein Jahr aktivierten Programm vorliegen (BGH) 3
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Andere digitale Inhalte: Heftig umstr., Instanzgerichte (OLG Hamm, OLG Stuttgart, OLG Hamburg) Sedes materiae: Erwägungsgrund Nr. 29 InfoSoc-RL und Art. 6 WCT OLGs: online Vertrieb sei Fall von 19a UrhG used-soft Entscheidung nur zu lex specialis ergangen, keine Anwendbarkeit auf InfoSoc-RL Anhängiges Vorlageverfahren bei EuGH C-174/15 aus NL (Vereniging Openbare Bibliothken 4
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Hybride Inhalte: Nach EuGH - Nintendo Gesamtwerke paralleler Schutz der verschiedenen Bestandteile eines Computerspiels nach SoftwareRL, InfoSoc-RL etc. Dilemma Unterschiedliche Schranken (z.b. Privatkopie nicht bzw. nur rudimentär bei Software-RL) Erschöpfungsgrundsatz ggf. unterschiedlich 5
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Vertragsrecht: Software Häufig vertragsrechtliche Untersagungsklauseln in Lizenzverträgen Keine Regelungen in Software-RL Neuer Vorschlag RL über digitale Inhalte: subsidiär gegenüber Urheberrecht, keine Aussage zur Vertragstypologie und Leitbild ( nur Transparenz) OLGs: AGB-Inhaltskontrolle ausgerichtet am urheberrechtlichen Leitbild: entscheidend, ob Erschöpfung eingetreten sei Gefahr: Zirkelschluss! EuGH stellt im UrhR auf kaufvertragliches Leitbild ab, dieses wiederum wird durch urheberrechtliche Vorgaben beeinflusst Keine Anwendung auf Software as a Service RL-Vorschlag digitale Inhalte trifft hierzu auch keine Aussagen 6
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Vertragsrecht: Andere digitale Inhalte Wiederum: häufig vertragsrechtliche Untersagungsklauseln in Lizenzverträgen Keine Regelungen in InfoSoc-RL Wiederum: Neuer Vorschlag RL über digitale Inhalte: keine Aussage zur Vertragstypologie und Leitbild ( nur Transparenz) OLGs: auch hier AGB-Inhaltskontrolle ausgerichtet am urheberrechtlichen Leitbild keine Anwendung des Kaufvertragsrechts Wiederum: Zirkelschluss! Keine Anwendung auf Access to content RL-Vorschlag digitale Inhalte trifft hierzu auch keine Aussagen 7
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Vertragsrecht: Hybride Inhalte Erneut auch vertragsrechtliche Einordnung den jeweiligen urheberrechtlichen Leitbildern folgend daher unklare (bislang nicht entschiedene) Inhaltskontrolle von Veräußerungsverboten 8
Übertragung von digitalen Inhalten an Dritte de lege lata Auswirkungen von DRM-Systemen: Software Dongles und Produktaktivierungen zulässig zur Kontrolle der Löschung aber: sie dürfen nicht zur Verhinderung der Veräußerung führen (früher aa BGH Half Life, heute unklar) Schuldrechtlich in diesem Rahmen ebenfalls zulässig (sofern überhaupt relevant) von Interesse für Gewährleistungsrecht Andere Inhalte Zulässig Art. 6 Abs. 4 InfoSoc-RL, selbst gegenüber Schranken Vertragsrechtlicher Anspruch auf Aufhebung der DRM? In RL-Vorschlag zu digitalen Inhalten nur im Ansatz (Information über nteroperabilität) eher nicht Inhaltskontrolle: dürfte auch hier den urheberrechtlichen Leitbildern folgen Hybride Inhalte Anwendung sowohl InfoSoc-RL als auch Software-RL 9
Rechtspolitische Optionen Vorüberlegung: gesteigerte Verkehrsfähigkeit von digitalen Inhalten kann zu Effizienzsteigerungen führen Aber: erzeugt auch Gegentendenzen hin zu access und streaming Optionen: UrhR: Erweiterung des Erschöpfungsgrundsatzes VertragsR: zwingender Anspruch auf Verschaffung der Eigentümerstellung 10
Rechtspolitische Optionen Erforderlich: einheitliche Behandlung von Software und anderen digitalen Inhalten Möglich auf nationaler Ebene: zwingender schuldrechtlicher Anspruch (ggf. auf Verbraucher beschränkt) damit dann Auswirkung auf gesetzliches Leitbild (aus EuGH-Perspektive) Auch wenn Erschöpfung nicht eintreten sollte, bleibt schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung bestehen Nachteil: wirkt nur zwischen Vertragspartnern zudem muss Anspruch durchgesetzt werden Steigerung der Verkehrsfähigkeit daher eher auf urheberrechtlicher Ebene, hier aber keine Regelungsmöglichkeit für nationalen Gesetzgeber EuGH Entscheidung relevant 11
Portabilität de lege lata Urheberrecht Software: Str. ob von Art. 5 Abs. 1, 2 Software-RL zum bestimmungsgemäßen Gebrauch auch die Benutzung auf einem anderen Computer (z.b. Laptop) gehört. Andere Beschränkungen zulässig, z.b. Netzwerklizenzen, CPUklauseln etc. Andere digitale Inhalte: Art. 5 Abs. 2a InfoSoc-RL bzw. 53 Abs. 1 UrhG: private Kopien zulässig Hybride Inhalte: wiederum beide Rechtsgebiete anwendbar, Software-RL strenger 12
Portabilität de lege lata Vertragsrecht: RL Vorschlag über digitale Inhalte enthält Transparenzvorgaben für Portabilität, aber keinen zwingenden Kern Software: Vertragsrecht folgt hier urheberrechtlicher Wertung Andere digitale Inhalte: str., ob 53 UrhG abdingbar ist (hm: nicht), aber auch Abhängigkeit von Systemumgebungen maßgeblich; ferner: Frage der Gewährleistung (vernünftige Erwartungen) Hybride Inhalte: Portabilität oftmals per se nicht gegeben, da von digitaler Umgebung abhängig s. aber auch Gewährleistungsrecht 13
Portabilität de lege lata DRM-Systeme: Software: DRM-Systeme können nach 69f UrhG Übertragung auf andere Systeme verhindern Andere digitale Inhalte: 95a UrhG ist nicht schrankenfest, d.h. mit DRM kann 53 UrhG eingeschränkt werden (Art. 6 Abs. 4 InfoSoc-RL) 14
Portabilität de lege ferenda Vorüberlegungen: Interoperabilität sowohl aus Verbrauchersicht als auch wohlfahrtsökonomisch wünschenswert Schaffung von Märkten für digitalen Inhalten ohne Bindung an Geräte Aber: Bindungen kann auch effizienzsteigernd wirken, wenn vertikale Integration wegen Synergieeffekten sinnvoll ist, z.b. Einbindung in proprietäre Systeme Zudem: zu starke Bindungen lösen technologische Gegenbewegungen aus, z.b. durch Streaming etc. Gesamteffekt schwer zu prognostizieren, daher eher Kartellrecht als Mittel 15
Portabilität de lege ferenda Bei unterstellter politischer Entscheidung pro Portabilität: Bei Software Erweiterung der Kopienzahl zweifelhaft, da Zahl der genützten Kopien elementar für Vergütung des Softwareentwicklers Bei anderen digitalen Inhalten dagegen zwingender urheberrechtliche Anspruch auf Aufhebung von DRMSystemen national möglich, InfoSoc-RL enthält Art. 6 Abs. 4 Öffnungsklausel für Mitgliedstaaten Vertragsrechtliche Lösung dagegen unterlegen (s. oben) 16