Mentale Gesundheit im Dialog Posttraumatische Belastungsstörungen Möglichkeiten & Grenzen in Primärbehandlung und Rehabilitation

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Transkript:

Mentale Gesundheit im Dialog Posttraumatische Belastungsstörungen Möglichkeiten & Grenzen in Primärbehandlung und Rehabilitation Samstag 1. Oktober 2016 Tagungsort Lebens.Resort Ottenschlag Xundheitsstraße 1, 3631 Ottenschlag www.lebensresort.at Wissenschaftliche Leitung Prim. Dr. Christiane Handl Weitere Vortragende Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh Univ.-Prof. Dr. Henriette Walter Dr. Christiane Richter Mag. Sandra Pitzl Mag. Renate Lipp DI Judith Nannt www.facebook.com/lebensresort

Grundlagen der Traumafolgestörungen Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Leiter des Zentrums für Psychosomatische Medizin und Supervision an der Donau-Universität Krems Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh referiert über die Grundlagen der Traumafolgestörungen. Die umfangreichen Vortragsfolien finden Sie nach dem Kongress unter www.lebensresort.at/kongress zum Download. 1

Posttraumatische Belastungsstörungen: Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung Univ.-Prof. Dr. Henriette Walter Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Leitende Oberärztin an der Medizinischen Universität Wien/AKH, Mitglied der Arbeitsgruppe "Burnout" der Wiener Ärztekammer Traumatisierende Ereignisse, wie Kriegserlebnisse, Lagerhaft, Geiselnahmen oder auch die derzeitigen Fluchterfahrungen, lösen neben Stress vor allem auch Gefühle der Hilflosigkeit aus. Daraus entstehen Angst, Spannungsgefühle und akute psychische Störungen (z.b. Zwangssymptome entspricht dem Wunsch nach Kontrolle). Die Überwindung eines solchen Traumas lässt die betreffende Person an dieser Herausforderung reifen (posttraumatisches Wachstum). Wenn ein Trauma chronifiziert, dann entstehen verzögert auftretende psychische Symptome, wie Wiederholungsträume des Traumas, Nachhallerinnerungen, flash backs, Alpträume, ein dauerndes Gefühl von Betäubtsein, Stumpfheit, Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit, Anhedonie. Die Latenz kann Wochen bis Monate dauern (selten jedoch mehr als 6 Monate). Selten kommt es zu dramatischen Ausbrüchen von Angst, Panik, Aggression. Typisch ist ein Dauerzustand vegetativer Überregtheit, mit Schreckhaftigkeit, Schlafstörung und u.u. Schlaflosigkeit, anhaltenden affektiven Störungen und Ängsten. Suizidgedanken sind nicht selten. Komplizierend können Benzodiazepin- und Alkohol- oder Einnahme von Drogen hinzukommen. Der Verlauf ist wechselhaft in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. Je nach persönlicher Resilienz, ist nach der Stabilisierungsphase in der Therapie eine Konfrontation in Einzelschritten möglich. Am schwierigsten gestaltet sich die Therapie der Übererregung. 2

Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung im ambulanten Setting unter besonderer Berücksichtigung der dissoziativen Symptome Dr. Christiane Richter Fachärztin für Psychiatrie, Geriatrie und psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeutin, Vortragende (FH), Tätig in freier Praxis sowie als Konsiliarärztin in diversen Einrichtungen in NÖ Schwerpunktmäßig möchte ich hier das Spektrum der dissoziativen Störungen vorstellen. Beim Diagnostizieren neuer Patienten ist es wichtig, immer daran zu denken, dass eventuell eine dissoziative Störung vorliegen könnte. Bei traumatischen Erfahrungen liegt die Vermutung nahe, aber sie können sich auch hinter anderen, nicht mit Traumatisierung assoziierten Erkrankungen verbergen, z.b. Depressionen, Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie, Anpassungsstörungen, Substanzmissbrauch oder Somatisierungs- und Essstörungen. Selbst hochdissoziative Störungen sind in der Praxis in hohem Maße unterdiagnostiziert. Beispiele aus der Praxis sollen dies näher erläutern. Zudem werden Grundzüge der Traumatherapie und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen näher erläutert.. 3

Die Rolle des AKUTteams in der Primärversorgung von akut traumatisierten Menschen Mag. Sandra Pitzl Klinische und Gesundheitspsychologin, Notfallpsychologin, Fachliche Leitung AKUTteam Niederösterreich Das AKUTteam NÖ bietet seit 2001 für Betroffene und Angehörige mobile Krisenintervention durch psychologische und psychotherapeutische Fachkräfte und Fachkräfte aus dem Bereich der Sozialarbeit rund um die Uhr in ganz Niederösterreich bei Akutereignissen wie Unfällen, plötzlichen Todesfällen, Gewalttaten, Suiziden, elementaren Katastrophen u.v.m. an. Die Anforderung der Betreuung durch die Fachkräfte des AKUTteams erfolgt meist über Einsatzorganisationen, Krankenhäuser, Behörden und soziale Dienste, ist vom Ereignistag an bis zu den nächsten Wochen und Monaten nach dem Akutereignis im Rahmen von 6 Stunden möglich und ist für die Betroffenen kostenlos. Ziele der Betreuung sind eine erste, ganzheitliche Stabilisierung durch rasche notfallpsychologische sowie auch existenzsichernde soziale Interventionen beginnend mit der ersten Akutphase. Dadurch sollen bestehende Resilienzfaktoren der Betroffenen aktiviert und die Bewältigung und die Rückkehr zu einem Alltag, der vermutlich anders als vor dem Ereignis sein wird, unterstützt sowie bei Bedarf bzw. Chronifizierungstendenzen zu weiterführenden Angeboten motiviert und weitervermittelt werden. Die Effektivität von Akutinterventionen lässt sich in kontrollierten Designs empirisch nur schwer untersuchen, allerdings gibt es mittlerweile Ergebnisse von Studien, die eine deutliche Reduktion von Belastungen nach potentiell traumatischen Erfahrungen durch Frühinterventionen belegen und auf eine positive Wirkung dieser hinsichtlich der Entwicklung einer posttraumatischen Symptomatik und möglicher Chronifizierungstendenzen hinweisen. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Rolle, den möglichen Interventionen und der Einbettung des AKUTteams NÖ in die bestehenden Versorgungsangebote für akuttraumatisierte Menschen im Land NÖ und informiert darüber hinaus auch genauer über das Angebot und die Alarmierung des AKUTteams. 4

Posttraumatische Belastungsstörungen: Möglichkeiten und Grenzen in der Rehabilitation Prim. Dr. Christiane Handl Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Ärztliche Leiterin des Fachbereiches Rehabilitation psychischer Erkrankungen im Lebens.Resort Ottenschlag Mag. Renate Lipp Klinische und Gesundheitspsychologin im Lebens.Resort Ottenschlag DI Judith Nannt Psychotherapeutin im Lebens.Resort Ottenschlag Traumafolgestörungen haben einen besonderen Stellenwert im Rehabilitationssetting. Ein hoher Anteil der Patienten, die das 6-wöchige Rehabilitationsprogramm im Lebens.Resort Ottenschlag in Anspruch nehmen, haben traumatisierende Vorerfahrungen. Häufig geht dies aus den Zuweisungsdiagnosen nicht hervor, da entweder die Kriterien für eine Posttraumatische Belastungsstörung nicht erfüllt sind oder der Trauma-Aspekt sich hinter den Hauptdiagnosen einer rezidivierenden Depression oder Angststörung verbirgt. Durch das primär gruppentherapeutische Rehasetting kommen viele Herausforderungen auf die Patienten und das therapeutische Team zu, die im Hinblick auf eine Trauma-Anamnese zu berücksichtigen sind: Traumatisierte Patienten haben in den Gruppentherapien häufig Abgrenzungsschwierigkeiten von den Problemen der Mitpatienten. Des Weiteren können Trauma-Wiederbelebungen in der Interaktion auftreten, die zu einer Destabilisierung führen. Das Erkennen und psychotherapeutische Vorgehen bei Traumafolgestörungen verlangt eine spezifische Herangehensweise, die den Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme schnell sprengen kann. Im Vortrag von Fr. DI Judith Nannt entsteht ein Einblick in die psychotherapeutische Arbeit im Lebens.Resort Ottenschlag, der die Erfahrungswerte und psychotherapeutische Vorgehensweise wiedergibt, die im Laufe der letzten 6 Jahre entstanden sind. Fr. Mag. Renate Lipp wird in ihrem Beitrag auf das interdisziplinäre Team und die Zusammenarbeit eingehen. Für einen erfolgreichen Rehabilitationsaufenthalt im Sinne einer Verbesserung des Kräftehaushaltes, einer Zunahme der Selbstfürsorge und verbesserten Belastbarkeit ist die Kenntnis einer vorliegenden Traumatisierung hilfreich. Wir ersuchen diesbezüglich unsere Zuweiser um anamnestische Hinweise im Antragsformular oder Begleitbefund. Unsererseits können dann, bereits im Vorfeld des Aufenthaltes und in der Therapieplanung bei Anreise, Maßnahmen getroffen werden, die zu einem guten Rehabilitationserfolg beitragen. Satz- und Druckfehler vorbehalten. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit bezieht sich jede personenbezogene Formulierung ausdrücklich auf Frauen und Männer. 5

Notizen 6