3.3 Physikalische Effekte der Raumakustik Ungestörte Schallausbreitung

Ähnliche Dokumente
Raumakustik und baulicher Schallschutz

Auflösung Lautstärke. Wie groß ist der Schallpegel L 1 in db wenn die Intensität a) I = W/m² b) I = 4 x 10-7 W/m² beträgt?

AUDIO-TECHNIK 2. Semester

Temperaturabhängigkeit: ca. + 0,6 m/s pro C

Virtuelle Raumakustik Faltungshall, Spiegelschallquellen. von Kai Oertel

ABSORBER BAUSTEINE FÜR DIE RAUMAKUSTIK

Grundlagen der Beschallungstechnik

Für c doppelt so lang wie für c = 60 cm. Für C doppelt so lang wie für c = 120 cm.

Kommunikationstechnik I

Wohlfühlatmosphäre durch flexible Akustik

Vorkurs Physik des MINT-Kollegs

Bauen und Hören Einstieg in die Raumakustik

VORSCHAU. 4. Es werden mechanische und elektromagnetische Wellen unterschieden. Ordne folgende Beispiele.

0.1.1 Exzerpt von B. S. 134: HUYGENSsches Prinzip

2. Berechnen Sie anhand der beigefügten Korrektur-Tabelle den gesamten linearen Schallleistungs-Pegel!

Vergleich DIN EN mit VDI 2571

Raumresonanzen auch Raummoden genannt sind die Feinde guter Wiedergabe.

1 Eigenschaften von Schall

Warum braucht man Schallstreuung?

Tontechnisches Praktikum

Einführung in die Physik I. Schwingungen und Wellen 3

Grundlagen der Schallabsorption im Hallraum. Prüfwerte nach EN ISO dämmen formen kaschieren

Kommunikationstechnik I

LIEBER LEISER LERNEN

Planung der Raumakustik: Besprechungsraum

SCHREINER LERN-APP: « SCHALLSCHUTZ»

1. Die Abbildung zeigt den Strahlenverlauf eines einfarbigen

Raumakustik Einleitung der Akustik-Planung

6.2.2 Mikrowellen. M.Brennscheidt

LEXIKON der BESCHALLUNG

Physik 3 exp. Teil. 30. Optische Reflexion, Brechung und Polarisation

18.Elektromagnetische Wellen 19.Geometrische Optik. Spektrum elektromagnetischer Wellen Licht. EPI WS 2006/7 Dünnweber/Faessler

Lauter Lärm. Lärm - eine Einführung! mil. Luftraumüberwachungsflugzeug

Profilkurs Physik ÜA 08 Test D F Ks b) Welche Beugungsobjekte führen zu folgenden Bildern? Mit Begründung!

Messbericht. HiFi Raum XX. Erstellt von XX. Datum der Messung: Februar 2015

Wissenswertes zum Einsatz von Lichtleitern

RICHTIG VERSTANDEN GUTE AKUSTIK IN UNTERRICHTSRÄUMEN

Inhalt dieses Vorlesungsteils - ROADMAP

PN 1 Einführung in die Experimentalphysik für Chemiker und Biologen Karin Beer, Paul Koza, Nadja Regner, Thorben Cordes, Peter Gilch

PN 1 Einführung in die Experimentalphysik für Chemiker und Biologen

2. Das Kundtsche Rohr

Schmale Räume mit grosser Deckenhöhe und parelleln Wänden. Die Anbringung an der Decke schmaler Räume führt nicht zur gewünschten akustischen Wirkung.

Kantendiffraktion: Rundung vs. Fase

2 Mehrdimensionale mechanische Wellen

m s km v 713 h Tsunamiwelle Ausbreitungsgeschwindigkeit: g=9,81m/s 2,Gravitationskonstante h=tiefe des Meeresbodens in Meter

HARMONISCHE SCHWINGUNGEN

Raumakustik - Grundlagen und Anwendungen

Physik 2 am

Taschenbuch Akustik. Herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Fasold Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Kraak Dr.-Ing.

Fortschreitende Wellen. Station C. Was transportieren Wellen? Längs- und Querwellen

(21. Vorlesung: III) Elektrizität und Magnetismus 21. Wechselstrom 22. Elektromagnetische Wellen )

Vorteile der raumakustischen Simulation bei der Gestaltung von Aufnahme-, Regie-, und Bearbeitungsräumen

bauphysikapéro BAU- UND RAUMAKUSTIK

Jürgen Meyer. Kirchenakustik. B Verlag. Erwin Bochinsky

9 Periodische Bewegungen

Bei gekoppelten Pendeln breitet sich die Schwingung von einem zum nächsten aus

Hochwertige Auralisation der Schallfelder in Produktionsräumen. High-Quality-Auralisation of the Sound Field in Production Rooms

Holz in der Raumakustik

Digital Signal Processing Audio Measurements Custom Designed Tools

Dirk Eßer (Autor) Ultraschalldiagnostik im Kopf- und Halsbereich (A- und B- Bild- Verfahren)

13. Mechanische Wellen Darstellung harmonischer Wellen Überlagerung von Wellen, Interferenz und Beugung. 13.

Physik LK 12, Klausur 01 Wellenmechanik Lösung =265,6 Hz.

Intensitätsverteilung der Beugung am Spalt ******

Nr Herausgegeben. im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers. von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h.

21.Vorlesung. IV Optik. 23. Geometrische Optik Brechung und Totalreflexion Dispersion 24. Farbe 25. Optische Instrumente

3 Brechung und Totalreflexion

III. Elektrizität und Magnetismus Anhang zu 21. Wechselstrom: Hochspannungsleitung 22. Elektromagnetische Wellen

5. Eigenschwingungen

Akustik in Räumen. Akustikelemente USM Haller. USM Haller - Akustik. USM U. Schärer Söhne GmbH

wir-sind-klasse.jimdo.com

Astro Stammtisch Peine

Wellenwanne für Projektion DW401-2W. Versuchsanleitung

Vergleich der Schallabstrahlung von Schallwand und Waveguide

Physik B2.

4. Gleichungen im Frequenzbereich

SPRACHVERSTÄNDLICHKEIT VERTRAULICHKEIT KONZENTRATION. Akustik Handbuch. Allgemeine Grundlagen

Die Akustik des Kammermusiksaals

Beleuchtungsmodelle und Shading

Einführung in die Physik

7. Akustische Grundlagen

8. Akustik, Schallwellen

Akustik in offenen Raumstrukturen

FACHKUNDE. Naturlehre Schall. flüssigen oder gasförmigen Stoffen ausbreiten. Beschreiben Sie die Schallausbreitung. 1. zentrisch (kugelförmig)

12. Vorlesung. I Mechanik

Geometrische Optik. Optische Elemente; Reflexion und Brechung

Grundlagen der Akustik

Übungen zur Experimentalphysik 3

Formelsammlung Formelsammlung Formelsammlung. Formelsammlung Formelsammlung Formelsammlung

1.4 Elektromagnetische Wellen an Grenzflächen

Physik für Biologen und Zahnmediziner

Reflexion, Brechung, Schallleistung, -intensität, -pegel, Lautstärke

Wellenfront und Wellenstrahl

Physik für Mediziner im 1. Fachsemester

Wellen als Naturerscheinung

Tontechnik 1. Schalldruck. Akustische Grundbegriffe. Schallwechseldruck Sprecher in 1 m Entfernung etwa 10-6 des atmosphärischen Luftdrucks

Inhaltsverzeichnis Wahrnehmung von Schall Grundbegriffe der Wellenausbreitung

Musterprüfung Welche Winkel werden beim Reflexions- und Brechungsgesetz verwendet?

9. Akustik. I Mechanik. 12. Vorlesung EP. 7. Schwingungen 8. Wellen 9.Akustik

Transkript:

63 3.3 Physikalische Effekte der Raumakustik 3.3.1 Ungestörte Schallausbreitung Ist die Schallquelle im Vergleich zur Luftschallwellenlänge klein und kann der Schall sich nach allen Seiten ungestört ausbreiten, so tut er dieses im allgemeinen in Form von Kugelwellen, Bild 3.23. Die abgestrahlte Schallleistung muss sich mit zunehmender Entfernung auf immer größere Kugelflächen verteilen, man nennt diesen Effekt umgangssprachlich auch Energieverdünnung. In Pegeln ausgedrückt heißt das Lp = LW LS db mit S LS = 10 log db 1m 2 darin bedeuten S = 4πr 2 Kugelfläche in m 2 L p = Schalldruckpegel in db im Abstand r L W = Schallleistungspegel der Quelle in db L S = logarithmierte Kugelfläche, auch sog. Messflächenmaß (DIN 45635) in db. Bild 3.23. Schematische 2-dim. Darstellung Der Schalldruckpegel nimmt wegen r 2, einer Kugelwelle. Vogel- Verlag. wenn keine anderen Ausbreitungsverluste vorliegen, mit 6 db pro Entfernungsverdopplung ab, wie man durch Einsetzen in die Formel leicht feststellen kann. Wenn die Ausbreitung über einer Fläche im Freien stattfindet, ist für S lediglich S = 2π r 2 (Halbkugel) zu setzen, das Entfernungsgesetz aber bleibt. Wellenfronten heißen eben, wenn sie eine Abhängigkeit praktisch nur noch in der Ausbreitungsrichtung, also in einer Dimensionen aufweisen und quer dazu konstant sind. Die dazugehörenden Schallwellen heißen dann ebene Wellen. Solche Wellen kann man in ihrer Reinform in einem Rohr erzeugen, dessen Abmessungen in Querrichtung klein zur Wellenlänge ist, Bild 3.24. Die geometrische Pegelabnahme aufgrund der Energieverdünnung ist dann aber 0 db, weil sich die Größe der ebenen Flächen mit der Entfernung nicht ändert. Trotzdem würde auch hier der Pegel abnehmen, weil andere Ausbreitungsverluste ins Spiel kommen, beispielsweise die frequenzabhängigen Ausbreitungsverluste durch die Luft selber, sog. Dissipation, siehe untenstehende Tabelle.

64 Bild 3.24. Schematische Darstellung einer ebenen Welle, abgestrahlt von einer Flächenquelle, keine Abhängigkeit quer zur Ausbreitungsrichtung. K.G. Saur Verlag, München. Terzmitten frequenz in Hz Temperatur 0 C relative Feuchte Temperatur 10 C relative Feuchte Temperatur 20 C relative Feuchte 50% 70% 90% 50% 70% 90% 50% 70% 90% 50 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 63 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 80 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 100 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,1 0,1 0,1 125 0,0 0,0 0,0 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 160 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 200 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,1 250 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,1 315 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,2 0,2 400 0,2 0,2 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 500 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 0,3 630 0,4 0,3 0,2 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 800 0,6 0,4 0,3 0,4 0,4 0,3 0,4 0,4 0,4 1000 0,9 0,6 0,5 0,5 0,4 0,4 0,5 0,5 0,5 1250 1,2 0,9 0,6 0,7 0,6 0,6 0,7 0,7 0,7 1600 1,8 1,2 0,9 1,0 0,8 0,7 0,9 0,9 0,9 2000 2,4 1,8 1,3 1,5 1,0 0,9 1,1 1,1 1,1 2500 3,4 2,5 1,9 2,1 1,5 1,2 1,5 1,4 1,4 3150 4,7 3,5 2,8 3,0 2,1 1,7 2,0 1,8 1,8 4000 6,7 5,1 4,0 4,4 3,1 2,4 2,8 2,3 2,3 5000 7,9 6,0 4,8 5,2 3,7 2,9 3,4 2,7 2,6 6300 10,2 8,2 6,7 7,3 5,2 4,0 4,7 3,6 3,3 8000 13,1 11,6 9,5 10,5 7,6 6,0 6,9 5,1 4,5 10000 16,4 16,4 13,5 15,0 11,1 8,8 10,2 7,4 6,3 12500 20,1 21,4 18,6 20,6 15,7 12,4 14,4 10,5 8,7 Dämpfung durch Luftabsorption. Dämpfungskoeffizient α L in db/ 100m in Abhängigkeit von Temperatur und Feuchte. Pegelabnahme D= 0,01 α L s m in db, mit s m Entfernung in m (siehe auch ISO 3891).

65 Wie man der Tabelle entnehmen kann, macht sich dieser Effekt erst für mittlere und hohe Frequenzen und lange Ausbreitungswege bemerkbar, das kann die Schallausbreitung im Freien ebenso betreffen, wie Mehrfachreflexionen mit langen Laufwegen in größeren Räumen( siehe Abschnitt 3.3.3). Weitere Ausbreitungsverluste im Freien können durch Bodendämpfung entstehen (siehe VDI 2714). 3.3.2 Geometrische Gesetze der Schallausbreitung Von FERMAT (1601-1665), einem Begründer der geometrischen Optik, stammt die Erkenntnis, das Licht sich immer auf dem schnellsten Weg vom Sender zum Empfänger ausbreitet. Bei konstanter Ausbreitungsgeschwindigkeit ist der schnellste Weg zugleich aber auch der kürzeste, also bei ungestörter Ausbreitung eine Gerade. Diese Aussage lässt sich für jede Wellenausbreitung, also auch für den Schall im Medium Luft verallgemeinern. Diese Erkenntnis erklärt, warum man für die Schallausbreitung unter bestimmten Voraussetzungen die geometrischen Gesetze der Strahlenoptik anwenden kann. Dazu muss man die von einem Schallsender erzeugte Schallenergie, auch wenn es sich um Kugelwellen handelt, in viele Strahlen zerlegen, wie Bild 3.25 für einen eingefrorenen Zeitpunkt zeigt. Diese Vorgehensweise funktioniert aber auch bei gerichteter Abstrahlung beispielsweise bei einem Sprecher oder Sänger, nur das man dann Strahlen in einer Vorzugsrichtung betrachten kann. Die einfache geradlinige Wellenausbreitung erfährt aber eine Störung, Bild 3.25 Kugel-Wellenfront zerlegt in Schallstrahlen. 2-dim. Darstellung. S. Hirzel Verlag, Stuttgart. sobald irgendeine Änderung im Ausbreitungsmedium auftritt. 3.3.2.1 Brechung Bezogen auf die Schallwelle im Freien kann eine Störung beispielsweise eine Temperaturschichtung mit der Höhe sein, in der eine unterschiedliche Schallgeschwindigkeit herrscht, weil diese von der Temperatur abhängt. Dann ist aber der schnellste Weg nicht mehr der kürzeste es gilt das Brechungsgesetz von SNELLIUS c1 1 = sin ϑ c2 sinϑ 2 mit c 1 Ausbreitungsgeschwindigkeit in Schicht 1 (Medium 1)

66 c 2 Ausbreitungsgeschwindigkeit in Schicht 2 (Medium 2) ϑ 1 Einfallswinkel aus Schicht 1 ϑ 2 Ausfallswinkel in Schicht 2, vergleiche Bild 3.26. Bild 3.26.Brechung eines Schallstrahles bei der Ausbreitung zwischen zwei Medien unterschiedlicher Schallgeschwindigkeit. S. Hirzel Verlag, Stuttgart. Die Schallwellen werden dann analog zur Brechung von Licht in ihrer Ausbreitungsrichtung gekrümmt, bei einer Inversionswetterlage etwa zum Boden hin, was erklärt, dass in solchen Fällen Schallquellen über sehr große Entfernungen gehört werden können, Bild 3.27. Bild 3.27. Krümmung von Schall bei der Ausbreitung in Luft mit (a) positivem und (b) negativem Temperaturgradienten über große Entfernungen.

67 3.3.2.2 Beugung und Reflexion Aber auch ein starres Hindernis im Ausbreitungsweg, was selber keine Schwingungen ausführt, kann die Ausbreitungsverhältnisse ändern, etwa eine Lärmschutzwand. In welcher Form das geschieht, hängt dabei ganz stark von seinen Abmessungen in Relation zur Luftschallwellenlänge ab. Um sehr kleine Hindernisse wird Schall gänzlich herumgebeugt, während bei sehr großen Hindernissen der Schall vollkommen reflektiert werden kann. Bild 3.28 machte diese Effekte anhand von Experimenten mit Wasserwellen klar. Ist ein Hindernis oder ein entsprechender Spalt relativ groß zur Wellenlänge, also nicht Bild 3.28. Momentaufnahmen der Ausbreitung von Wasserwellen. Oben lks: Hindernis groß, oben rechts: Hindernis klein zur Wellenlänge. Unten sind die entsprechenden Darstellungen, wenn Hindernis durch einen Spalt ersetzt wird. S. Hirzel Verlag, Stuttgart. ganz groß, entsteht ein geometrisch begrenzter Schallschatten beim Hindernis und ein gerichteter Schallstrahl bei der Öffnung. Man sieht außerdem, dass direkt vor den Hindernissen Reflexionen (Schallrückwürfe) auftreten, die den ursprünglichen Wellen entgegen laufen und sich mit ihnen überlagern. Ist das Hindernis oder der Spalt (Loch) hingegen klein zur Wellenlänge, so ist kaum ein Einfluss feststellbar, das Schallfeld übersieht diese Störung, eine gleich geartete Welle läuft in ursprünglicher Richtung weiter. Eine in Relation zur Wellenlänge grob gegliederte große Oberfläche eines Hindernisses reflektiert Wellenanteile, die in alle Richtungen weglaufen können, auch wenn die ankommende Welle eine bestimmt Richtung hatte. Man bezeichnet diesen Effekt als diffuse Reflexion oder aber auch Streuung, Bild 3.29.

68 Bild 3.29. Reflexion- und Streuung an einer Strukturfläche unterschiedlicher Abmessung in Relation zur Wellenlänge. Verlag f. Bauwesen Berlin Daraus folgt zusammenfassend, dass Frequenzanteile mit großen Wellenlängen um Gegenstände herumgebeugt und auch von gegliederten Begrenzungsflächen mehr oder weniger eben geometrisch reflektiert werden können, währenddessen die kürzerwelligen Anteile an den selben Gegenständen zur Schattenbildung führen und von den gegliederten Flächen diffus reflektiert werden. Diese Zusammenhänge sind beispielsweise für die Raumakustik von großer Bedeutung. Man muss dabei bedenken, dass solche wellenlängen- also frequenzabhängigen Effekte bei der Schallausbreitung den Klang (Frequenzinhalt) eines Schallereignisses verfälschen. 3.3.2.3 Reflexion an ebenen Flächen, Spiegelung Die vollständige und beugungsfreie Reflexion einer Schallwelle, die sog. reguläre Reflexion, bedarf also einer sehr glatten und sehr großen ebenen Fläche, idealisiert als Spiegelung an einer unendlich großen Wand, dabei gilt analog zur Strahlenoptik Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel (Reflexionswinkel). Dieses ist in Bild 3.30 für einen Empfangspunkt, E, gezeigt. Bild 3.30. Spiegelung eines Schallstrahls der Quelle S0 in Höhe h an einer unendlich großen ebenen Fläche. S1= Spiegelquelle, E= Empfangsort. α= Einfalls- bzw. Ausfallswinkel. S. Hirzel Verlag, Stuttgart.

69 Der Schall an diesem Punkt setzt sich zusammen aus dem Direktschall und einem reflektierten Anteil. Diesen Anteil kann man konstruieren, indem man die reflektierende Fläche durch eine sog. Spiegelschallquelle ersetzt, die den gleichen Abstand zur Wand hat wie die Originalquelle. Diese Spiegelschallquelle wird nun wie eine zusätzliche Schallquelle behandelt, deren Anteil sich am Empfangsort mit dem Direktschall überlagert. Ist die Reflexion verlustfrei, hat die Spiegelschallquelle die gleiche Schallleistung wie die Originalquelle, der Gesamtpegel am Empfangspunkt würde sich um 3 db erhöhen. Diese Vorgehensweise lässt sich nun auch auf eine Wellenfront übertragen, wie sie in Bild 3.25 gezeigt wird. Die Spiegelung an einer Wand führt dann auf die in Bild 3.31 dargestellte resultierende Wellenfront. Bild 3.31. 2-dimensional dargestellte Spiegelung einer in Schallstrahlen zerlegten Kugelwellenfront an einer ebenen Fläche. S. Hirzel Verlag, Stuttgart. Die reflektierten Schallstrahlen rückwärtig verlängert treffen sich alle in einem Punkt, S 1, dem Ort der Spiegelschallquelle. Das resultierende Schallfeld ist nichts anderes, als die Überlagerung zweier Kreisbögen mit gleichem Radius, einmal um den Punkt der Originalquelle und zum anderen um den der Spiegelschallquelle. Nach diesem Prinzip lassen sich andere Situationen beschreiben, wie zum Beispiel die rechtwinklige Ecke, Bild 3.32. Hier spiegelt sich zunächst die Originalquelle an jeder Wandseite (S 1 und S 1 ), zeitlich betrachtet zuerst an der am nächsten liegenden, zusätzlich wird aber auch die Spiegelschallquelle selber gespiegelt (S 2 ), man spricht dann von einer Reflexion zweiter Ordnung. Bei verlustfreier Reflexion würde sich der Schalldruckpegel gegenüber der einfachen Wand um weitere 3 db erhöhen.

70 Bild 3.32. 2-dimensional dargestellte Spiegelung einer in Schallstrahlen zerlegten Kugelwellenfront an einer rechtwinkligen Ecke. S. Hirzel Verlag, Stuttgart. Während die Ecke auch eine Hausecke im Freien bedeuten kann, ist für die Raumakustik der Fall wichtig, wenn sich eine Schallquelle in einem geschlossenen dreidimensionalen Rechteckraum befindet. Um die Situation nicht zu kompliziert zu machen, wird hier nur das auf vier Seiten gespiegelte Rechteck dargestellt, Bild 3.33. 3.33 2-dimensional dargestellte Spiegelung einer in Schallstrahlen zerlegten Kugelwellenfront in einem Rechteckraum. Springer- Verlag, Berlin, Heidelberg, NY. Die dann auftretenden Reflexionen bzw. Spiegelschallquellen lassen sich leicht konstruieren, wenn man sich die Ecke aus Bild 3.32 entsprechend ergänzt denkt. Es treten jetzt umso mehr Reflexionen von Reflexionen auf (Reflexionen höherer Ordnung), je länger der Beobachtungszeitraum t ist, im Bild dargestellt durch den

71 Wegpfeil r = c t (c= Ausbreitungsgeschwindigkeit). Wenn die Reflexionen verlustfrei sind und man betrachtet sie eine genügend lange Zeit, können jetzt nahezu unbegrenzt viele Spiegelräume auftreten. Was mit den Wellenfronten geschieht, zeigt Bild 3.34 für Reflexionen bis zur achten Ordnung. Die Darstellung macht klar, dass es nur eine kurze Zeit bedarf, bis sich ein schallharter Raum mit vielen Reflexionen gleichmäßig füllt, man spricht dann von einem diffusen Schallfeld. Die Anzahl N der Reflexionen ergibt sich näherungsweise aus dem Verhältnis Kugelvolumen V K mit dem Radius r = c t zum Raumvolumen des Originalraums V 0 N V K = = V 0 3 π ( c t). V 4 3 0 Für ein Raumvolumen von beispielsweise 200 m 3 ergeben sich daraus etwa 800.000 Reflexionen innerhalb der ersten Sekunde, die Dichte der Reflexionen nimmt dabei ständig zu: dn dt 2 c c = 4π ( t). V 0 Bild 3.34. Reflektionen einer Kugelwelle in einem Rechteckraum bis zur 8. Ordnung. 2 dim. Darstellung. S.Hirzel Verlag, Stuttgart. Trägt man den Direktschall und jede Reflexionen für einen Beobachtungspunkt im Raum energetisch über der Zeit auf, kommt man zu Bild 3.35, dem sog. Reflektogramm, manchmal auch Echogramm genannt. Computerprogramme rechnen ein Reflektogramm mit Hilfe des sog. Ray-Tracing aus. Es lässt sich auch messtechnisch durch Impulsanregung eines Raumes erfassen und heißt dann Impulsantwort. Wenn man keine weiteren Verluste berücksichtigt, würden aufgrund der reinen Energieverdünnung die Amplituden des Reflektogramms zu einem konstanten Wert hin konvergieren. Tatsächlich entstehen aber Verluste durch die weiter oben erwähnte Dissipation und vor allem dadurch, dass reale Raumbegrenzungsflächen immer auch Schallenergie absorbieren. Dadurch werden die Reflexionen mit zunehmender Ordnung immer schwächer, das heißt, je länger die Laufwege sind, die sie zurücklegen und je häufiger sie eine Begrenzung treffen. Im Reflektogramm macht sich das dann durch einen exponentiellen Abfall der Amplituden gegen Null bemerkbar. Wie schnell dieses Abklingen vonstatten geht, lässt sich durch die Nachhallzeit ausdrücken, deren Verlauf sich aus der Integration des Reflektogramms ergibt, siehe Abschnitt 3.3.3.

72 Bild 3.35. Direktschall und Reflexionen (Schalldruckquadrate) über der Zeit, sog. Reflektogramm. Springer Verlag, Berlin. 3.3.2.4 Flatterecho Die Gleichmäßigkeit des durch Spiegelschallquellen entstandenen Schallfeldes kann durch ungleichmäßiges Vorhandensein von Absorption gestört sein. Ein Extremfall im Rechteckraum läge zum Beispiel dann vor, wenn zwei gegenüberliegende Wände bedämpft und die anderen beiden stark reflektierend wären. Damit würde ein sog. Flatterecho zwischen den verbleibenden parallelen und stark reflektierenden Wänden möglich sein, man hat es dann mit der Spiegelung zwischen zwei parallelen Flächen zu tun, wie Bild 3.36 zeigt. Bild 3.36. Zur Entstehung eines Flatterechos an zwei parallelen stark reflektierenden Flächen. S. Hirzel Verlag, Stuttgart Es leuchtet sofort ein, dass zunächst zwei Spiegelschallquellen 1. Ordnung existieren (S 1 und S 1 ), die Wellenfront setzt sich aus dem Original- und zwei Spiegelkreisbögen zusammen. Wenn nun aber einer der reflektierten Strahlen die gegenüberliegende Wand erreicht, so wiederholt sich der Spiegelungsvorgang so, als ob das Spiegelbild 1. Ordnung die ursprüngliche Schallquelle wäre und es entsteht auf der jeweils gegenüberliegenden Seite ein Spiegelschallquelle 2. Ordnung. Dieser Vorgang

73 wiederholt sich beliebig oft, so dass man bei verlustfreier Reflexion theoretisch unendlich viele Spiegelquellen erhält. Die Energie läuft dabei hin und her, den Effekt bezeichnet man als Flatterecho. Man kann dieses vermeiden, indem man parallele Flächen vermeidet und zum Beispiel einen Raum leicht schiefwinklig gestaltet. 3.3.2.5 Reflexion an gekrümmten Flächen, Hohlspiegelgesetze Die gleichmäßige Verteilung von Schall in einem Raum wird sofort gestört, wenn konkave, also hohl gekrümmte Begrenzungsflächen durch Wände oder größere Einbauten vorhanden sind. Analog zur Optik hat man es dann mit Brennpunktbildungen zu tun, die gerade in der Raumakustik, wo es im allgemeinen immer um die ausgewogene Beschallung einer größeren Zuhörerfläche geht, unbedingt zu vermeiden sind. Man kann solche schädlichen Schallkonzentrationen wie bisher mit den Mitteln der geometrischen Akustik durch Verfolgung von Schallstrahlen aufdecken, wobei auch hier Einfallswinkel = Ausfallswinkel bezogen auf die Senkrechte auf der Kreistangente gilt, Bild 3.37. Bild 3.37. Schallreflexion an einer konkav gekrümmten Fläche. Verlag f. Bauwesen, Berlin. Bild 3.38. Reflexionen an einer Hohlkugel, 2-dim. Darstellung. Starke Brennpunktbildung. S= Schallquelle, M= Kugelmittelpunkt, E= Empfangs- (Konzentrations-)punkt. Verlag f. Bauwesen, Berlin.

74 Am stärksten tritt die Brennpunktbildung an einer Hohlkugelkontur auf, wenn sich die Schallquelle genau im Kreismittelpunkt befindet, Bild 3.38. Entsprechend liegen die Verhältnisse bei anderen konkaven Flächen, wie die Bilder 3.39 3.41 zeigen. Bild 3.39. Reflexionen von Schallstrahlen an einem elliptischen Reflektor. Verlag f. Bauwesen, Berlin. Bild 3.40. Reflexionen von Schallstrahlen an einem parabelförmigen Reflektor. Verlag f. Bauwesen, Berlin. Bild 3.41. Reflexionen von Schallstrahlen an einem hyperbelförmigen Reflektor. Verlag f. Bauwesen, Berlin. Man kann auch sehen, dass man durch relatives Verschieben des Sendeortes zur Reflektorfläche erreichen kann, dass sich das Konzentrationsgebiet des Schalls in

75 zum Beispiel unkritische Bereiche eines Raumes verlagern lässt. Ergänzend sei noch angemerkt, dass sich nach außen gewölbte, also konvexe Flächen mit entsprechenden Abmessungen dagegen hervorragend zur Schallzerstreuung eigen, sie können also genau das Gegenteil bewirken wie konkave Flächen, Bild 3.42, vergl. auch Bild 3.29. Bild 3.42. Schallzerstreuung durch konvex gekrümmte Flächen, im Gegensatz zu konkaven Flächen, die Schall konzentrieren. Verlag f. Bauwesen, Berlin. 3.3.2.5.1 Flüstergalerien, Kuppeln Das Ausnutzen von Hohlspiegelgesetzen für die Schallausbreitung hat bereits im Barock zu vielen baulichen Spielereien geführt, wie im Abschnitt 3.2.1 nachzulesen ist. Im Beispiel von Bild 3.43 kam es darauf an, einen Raum in einer besonderen Formgebung so zu konstruieren, dass leiser, an einer bestimmten Stelle gesprochener Schall in möglichst großer Entfernung nur an einer anderen bestimmten Stelle noch wahrgenommen werden konnte. Dazu eignen sich beispielsweise halbkugelige Gewölbe, wenn deren Mittelpunktsebenen in Quell- und Empfangshöhe liegen Bild 3.43. Flüstergewölbe nach A: KIRCHER Architectura Echonica (1673). Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH.

76 Eine andere Form ist die Flüstergalerie, die bei kreisförmigen Grundrissen auftreten kann. Schall, der in einem seitlichen Sendepunkt parallel zur Wand unter einem bestimmten Winkel abgestrahlt wird, läuft an dieser innerhalb eines Bandes entlang, dessen Breite sich aus der Differenz aus Kreisradius und mit dem Abstrahlwinkel multipliziertem Radius ergibt, Bild 3.44. Der Schall wird also stark auf einen Außenbereich konzentriert, die mittlere Kreisfläche bleibt ausgespart, nicht jedoch die Höhe, dass heißt, das Band ist im Prinzip zylinderförmig und kann nur durch einen Fuß- oder Galerieboden und eine entsprechende Decke begrenzt werden. Kuppeln oder kreisförmige Räume sind sicherlich architektonisch reizvoll, vom Bild 3.44. Prinzip einer Flüstergalerie an einem kreisförmigen Grundriss. S. Hirzel Verlag, Stuttgart raumakustischen Standpunkt aus betrachtet sind sie fast immer gefährlich. Nur eine Kuppel, deren Mittelpunkt R höher als die halbe Gesamthöhe H des Raumes liegt, R H, 2 bietet für die am Boden des Raumes befindlichen Schallquellen und Zuhörer keine stärkere Reflexion als eine ebene Decke in Scheitelhöhe der Kuppel. Wenn diese Bedingung nicht eingehalten werden kann, müssen zur Brennpunktvermeidung andere Maßnahmen getroffen werden, wie Absorption der Reflexionen, Schallzerstreuung durch Diffusoren oder der Einbau von schalltransparenten konkaven Flächen, Bild 3.45. Bild 3.45. Prinzipielle Möglichkeiten zur Vermeidung von Brennpunktbildung durch Kuppeln. (a) Absorption, (b) Schallstreuung, (c) Rein visuelle akustisch transparente Kuppel. S. Hirzel-Verlag, Stuttgart. Letzteres wäre so etwas wie eine visuell-akustische Täuschung, ähnlich den gemalten Raumillusionen des Barock, in denen dem Beschauer ja auch Architekturen vorgetäuscht wurden, die kein akustisches Äquivalent hatten.

77 3.3.2.6 Echo, subjektive Bedeutung Während die bisherigen geometrischen Darstellungen meistens nur einen bestimmten eingefrorenen Zeitpunkt behandelten, zeigte bereits das Reflektogramm, dass Reflexionen neben ihrer Stärke natürlich auch Laufzeiten, also eine Zeitstruktur aufweisen. Die Laufzeit in Sekunden ergibt sich ganz einfach aus dem Laufweg x in Meter dividiert durch die Schallausbreitungsgeschwindigkeit c in Meter pro Sekunde x t =. c Die Laufzeit von Schallwellen ist für das Hören, beziehungsweise für die subjektive Bewertung von größter Bedeutung. Am deutlichsten tritt diese Tatsache beim Echo auf, als eine für das Gehör durch Reflexion verursachte, deutlich trennbare Wiederholung eines Direktschalls. Dabei muss die Stärke so groß sein, dass sich das Echo aus dem allgemeinen Geräuschpegel deutlich hervorhebt, was bedeutet, es kann sich bei realer verlustbehafteter Schallausbreitung nur um die Reflexionen erster und gegebenenfalls noch zweiter Ordnung handeln oder aber beispielsweise um Reflexionen durch Brennpunktbildung. Man spricht dann auch von schädlichen, also störenden Reflexionen, weil diese beispielsweise die Deutlichkeit einer Sprachdarbietung in einem Raum stark beeinträchtigen können. Man kann in einem bestehenden Raum durch impulshaltige Anregung, etwa durch Händeklatschen, sehr einfach ein vorhandenes Echo feststellen. Auf diese Weise hat man historisch bereits sehr früh diejenige Laufwegdifferenz ermittelt, ab wo ein Echo hörbar wird, man musste sich nur im Freien klatschend einer Mauer nähern. Später konnte man diese Ergebnisse durch hörpsychologische Untersuchungen bestätigen. Die Ursache, dass zwei Schallereignisse, die sich durch eine bestimmte Weg- bzw. Zeitdifferenz unterscheiden, trennbar sind oder nicht, hat mit der Trägheit des Gehörs zu tun. Die Grenze, das sogenannte Echokriterium, liegt für Sprache bei etwa t =50 msec und bei Musik etwa bei t = 80 msec. Mit der bekannten Umrechnung führt das auf Wegunterschiede x von 17 m bei Sprachdarbietungen und maximal 27 m bei Musikereignissen. Dieses Kriterium führt zu Konsequenzen bei der Grundriss- und Innengestaltung von Räumen. Nimmt man zum Beispiel einen Hörerplatz im vorderen Bereich eines Auditoriums, so wird dieser Platz zunächst mit dem zeitlich als erstes eintreffenden Direktschall von der Bühne versorgt. Dieser Direktschall bestimmt den Richtungseindruck (Gesetz der ersten Wellenfront) und damit in Unterstützung des Visuellen, die Lokalisation des Sprechers. Wenn nun aber noch eine starke zweite Reflexion von der Rückwand eintrifft, deren Laufwegunterschied zum Direktschall größer 17 m ist, wird der Hörer an diesem Platz sicherlich ein Echo hören, Bild 3.46, mit der Auswirkung, dass er einen zweiten virtuellen Sprecher von hinten vernimmt. Es können sogar je nach Raumgeometrie durchaus auch Mehrfachechos auftreten. Das Echokriterium bedeutet außerdem, dass bei klassischen Bühnenanordnungen an der Stirnseite eines Raumes, Rückwand und/oder Decke nicht weiter entfernt sein dürfen als 8,5 m bei Sprache bzw. 13,5 m bei Musikdarbietungen, sonst hören sich die Darbietenden selber mit einem Echo. Mit Hilfe der geometrischen Strahlenakustik oder einem gerechneten Reflektogramm kann man bereits bei der Planung solche kritischen Laufwege aufdecken.

78 Bild 3.46. Wahrnehmung eines Echos, also eines virtuellen zweiten Sprechers von hinten, wenn die Wegdifferenz x zwischen Umweg und Direktschall größer 17 m ist. Beuth Verlag, Berlin. Aber: wenn starke Reflexionen unterhalb des Echokriteriums bleiben, werden sie nicht mehr als störend empfunden, sondern im Gegenteil der Schallquelle gehörmäßig zugeordnet und den Direktschall verstärkend wahrgenommen, deswegen heißt das Echokriterium in diesem Sinn manchmal auch Verwischungsschwelle. Diesen Umstand macht man sich vor allem für die hinteren Plätze in einem Auditorium oder bei Rangplätzen zunutze, wo allgemein der Direktschall bereits durch einen längeren Laufweg über absorbierendes Publikum geschwächt ankommt, deswegen nennt man diese Art der Reflexionen auch nützlich. Bild 3.47 zeigt solche nützlichen Reflexionen sowie im hinteren Teil drei außerhalb des Kriteriums liegende und aus dem Gesamthall herausragende schädliche Echos. Bild 3.47. Reflektogramm (schematisch) mit nützlichen und schädlichen Anteilen. Verlag f. Bauwesen, Berlin.

79 3.3.2.7 Vermeidung schädlicher Reflexionen, Schalllenkung nützlicher Reflexionen Durch entsprechende Grundriss- und Querschnittsformgebung, aber auch durch Innenraumgestaltung und zusätzliche Einbauten, wie Reflektoren und Streukörper, lassen sich störende Echos vermeiden und nützliche Reflexionen an Stellen im Auditorium lenken, die mit Schall unterversorgt sind, denn anstrebenswert ist eine möglichst gleichmäßige Lautstärkeverteilung. Bild 3.48 macht hier den Einfluss der Deckenform deutlich. Bild 3.48. Einfluß der Deckenform mit zusätzlich schallschluckender Rückwand zur Versorgung des hinteren Auditoriums mit echofreien starken Reflexionen. McGraw-Hill, Inc. Eine andere Art die Decke zu gestalten, insbesondere bei Rangtheatern, wird in Bild 3.49 dargestellt. Bild 3.50 zeigt hingegen die Möglichkeiten anhand der bei einer klassischen Anordnung Bühne-Auditorium immer kritisch zu betrachtenden, weil von den Quellen am weitesten entfernten Saalrückwand. Einen Hinweis erfordert der Einsatz von Absorption ein, die ebenfalls eine störende Reflexion schwächen kann. Da ein Absorber immer auch dem Schallfeld Energie entzieht, das Raumschallfeld also insgesamt schwächt und die Nachhallzeit senkt, muss man aber abwägen hier

80 vielleicht nicht doch mit Energie erhaltender Schalllenkung oder Schallstreuung zu arbeiten. Bild 3.49. Günstige Deckengestaltung (schematisch) zur echofreien Versorgung des Auditoriums, insbesondere bei Rangtheatern. Bruel&Kjaer. Bild 3.50. Möglichkeiten (schematisch) zur Vermeidung von Echos durch eine Saalrückwand. McGraw-Hill, Inc.

81 In Bild 3.51 sind schließlich verschiedene Möglichkeiten der Seitenwandgestaltung skizziert, wobei auch Absorption und Reflexion kombiniert sein können. Bild 3.51. Möglichkeiten der Seitenwandgestaltung zur echofreien Schallenergieversorgung der hinteren Auditoriumsfläche durch Reflexionen. Beuth-Verlag, Berlin. 3.3.2.8 Reflektor als Einzelelement Wenn die Schalllenkung nicht durch Konturgebung der Begrenzungsflächen möglich ist, können auch reflektierende Einzelelemente, sog. Reflektoren, eingesetzt werde, Bild 3.52. Bild 3.52. Reflektor als Einzelelement zur Schalllenkung. Darstellung der geometrischen Zusammenhänge. Verlag f. Bauwesen, Berlin. An diese sind bestimmte Anforderungen an Abmessung und Gewicht zu stellen, die sich im Prinzip aus den oben beschriebenen Effekten der geometrischen Akustik ergeben. Hinzu kommt, dass die untere Frequenz, f u, ab der eine Wirkung einsetzt, neben der Beugung noch von Abstand und Lage der Quelle und Empfangsort zum Reflektor bestimmt wird, was mit Interferenzen zu tun hat:

82 2 c a1 a2 fu = 2 ( b cos α) a1+ a2 mit a1, a2 b und c= Schallgeschwindigkeit. Damit der Reflektor nicht selber durch den Luftschall zu störenden Schwingungen angeregt wird, muss er ein bestimmtes Flächengewicht haben, das zwischen 10 kg/m 2 (Sprache) und 40 kg/m 2 (Bassinstrumente) liegen sollte. 3.3.3 Statistische Raumakustik 3.3.3.1 Nachhall, Nachhallzeit Die Darstellung des Schallfeldes in einem Raum durch die Methoden der geometrischen Akustik bietet, viele Vorteile, insbesondere vor allem für Architekten und Planer, die es gewohnt sind zeichnerisch mit Problemen umzugehen. Man kann mit diesen Methoden an jedem Ort eines Auditoriums Schallfeldkonzentrationen aufspüren, die Einhaltung des Echokriteriums überprüfen, die Gleichmäßigkeit des Schallfeldes gewährleisten, Einfluss von Hindernissen unter Beachtung von Beugung und Schattenbildung untersuchen. Das bei der Schallausbreitung auch Verluste auftreten, wurde verschiedentlich bereits erwähnt. Diese Verluste verursachen, dass das Schallfeld nach Abschalten einer Schallquelle exponentiell abklingt, das heißt die immer dichter werdenden Reflexionen konvergieren, wenn man lange genug wartet, in ihrer Amplitude gegen Null, ein Vorgang, der in den Reflektogrammen zum Ausdruck kommt. Aus Experimenten konnte man feststellen, das zwar ein Reflektogramm in seiner frühen Amplituden- Zeitstruktur für jeden Ort im Raum verschieden und charakteristisch sein kann, der Abklingvorgang selber mit seiner hohen Reflexionsdichte aber im Mittel überall ähnlich verläuft, was bedeutet, es gibt in diesem Bereich so etwas wie ein mittleres raumakustisches Verhalten. Aus dieser Tatsache heraus entwickelte sich die statistische Raumakustik. Hier wird nicht mehr nach dem Schicksal einzelner Schallstrahlen, also Reflexionen gefragt, sondern nach ihrer Gesamtheit. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass sich der Abklingvorgang als Pauschalmaß durch Integration des Reflektogramms beschreiben lässt. Bei einem idealen Abklingvorgang verläuft dieser exponentiell, was in einer Pegeldarstellung einen linearen Abfall bedeutet, Bild 3.53. Das Abklingen bezeichnet man mit Nachhall, wie stark dieser ist, hängt von den Ausbreitungsverlusten, also von der Länge der Laufwege und der Gesamtabsorption ab. Deshalb ist es einleuchtend, dass die Abklingzeit in einem geschlossenen Raum proportional zu seinem Volumen und umgekehrt proportional zu seinem Absorptionsvermögen ist, dieser Zusammenhang wurde erstmals durch SABINE (1868-1919) experimentell nachgewiesen. Die Zeit, die das Abklingen auf einen Schalldruckpegel von 60 db bezogen auf den Anfangswert benötigt, heißt per Definition Nachhallzeit T in sec Vol T = 0. 163 SABINE - Formel A Abschätzformel aus Raumvolumen und Anzahl der Hörerplätze:

83 T Vol n 4... 5 ( ) mit Vol= Raumvolumen in m 3 A= äquivalente Absorptionsfläche = α S in m 2 α= Schallabsorptionsgrad (Materialeigenschaft) S= geometrische Fläche in m 2 n= Anzahl der Hörerplätze. Bild 3.53. Nachhallverlauf für Schalldruck p und Schalldruckpegel Lp und Definition der Nachhallzeit. Verlag f. Bauwesen, Berlin Das zu fordernde Optimum einer Nachhallzeit ist vom Volumen und der Nutzung abhängig, siehe weiter unten. Wenn man noch die Ausbreitungsverluste in Luft berücksichtigt, beispielsweise bei sehr großen Räumen und höheren Frequenzen, kommt man auf Vol T = 0. 163 A+ 001, α Vol L KNUDSEN - Formel. Der zweite Term im Nenner hat die Bedeutung einer weiteren Absorptionsfläche, α L ist der in Tabelle aus Abschn. 3.3.1 angegebene Dissipationskoeffizient in Luft in db/100m, die Dimensionsumrechnung steckt in dem Faktor 0,01. Weil die Absorption im allgemeinen immer frequenzabhängig ist, ist auch die Nachhallzeit frequenzabhängig. In der Planung rechnet man normalerweise mit den Oktavmittenfrequenzen 125, 250, 500, 1000, 2000 und 4000 Hz, dass heißt, man berechnet einen Nachhallzeit- Frequenzgang.

84 3.3.3.2 Absorption Der Begriff Absorption steht für Schallenergie die einem Schallfeld entzogen wird (andere Begriffe: Verluste, Dämpfung, Schallschluckung ). Absorption kann wie weiter oben erwähnt durch die Luft selber entstehen (Dissipation) oder aber wenn Schall auf Begrenzungsflächen mit offenporigen Oberflächen fällt, sich über Zuschauerreihen hinweg ausbreitet oder auf Einrichtungsgegenstände wie Polsterstühle trifft. Absorption kann auch durch spezielle Konstruktionen erreicht werden. Absorption ist die Ursache dafür, dass Schall nicht vollständig reflektiert wird, in der Praxis gibt es also keine idealen Spiegelschallquellen. Definiert wird die Wirkung der Absorption über den Schallabsorptionsgrad α als das Verhältnis von absorbierter Schallleistung zu auftreffender Schallleistung α = P P absorb auftreffend. Da die absorbierte Schallleistung gleichzusetzen ist mit nicht reflektierter Leistung, ist es einleuchtend, dass sich Absorption und Reflexion zu Eins ergänzen. Mit der Definition für den Reflexionsfaktor r r 2 = P P reflekt auftreffend ergibt sich deshalb der Zusammenhang α = 1 2 r. Der Schallabsorptionsgrad hängt ab von - der verwendeten Materialkombination - der Frequenz - der Schalleinfallsrichtung (hier wird fast immer nur ein Mittelwert angegeben). Für einen Raum im Sinne der statistischen Raumakustik ist es nun maßgebend, wie groß die schallschluckenden Flächen insgesamt sind. Die entsprechende Größe ist die Absorptionsfläche (Schallschluckfläche) A eines Raumes in m 2. Sie ist durch die jeweiligen Teilflächen S i (Decke, Fußboden, Wände, Fenster, Türen, Bestuhlung, u. ä.) mit ihren Absorptionsgraden bestimmt: A= α 1 A1+ α2 A2 + α 3 A3 +... = α i A i i Die Größe A wird auch als äquivalente Absorptionsfläche bezeichnet, weil beispielsweise eine Fläche von S 1 = 2 m 2 und α 1 = 0,4 zusammen mit einer Fläche von S 2 = 3 m2 und α 2 = 0,3 hinsichtlich der Schallschluckung einer offenen Fensterfläche (α: = 1) von 1,7 m 2 äquivalent ist.

85 Wirksame Schallschluckanordnungen enthalten im allgemeinen immer Schichten aus faserigen (Textilien, künstliche Mineralfasern, Naturfasern, etc.) oder offenporigen (Schaum) Stoffen, dabei wird der eindringende Schall durch Reibung in den Fasern oder Poren Schallenergie in Wärme umgewandelt. Schaumstoffe mit geschlossenen Poren (z. B. Styropor) schlucken kaum Schall. Die Schichten müssen eine bestimmte Dicke haben, dünne Tapeten wirken nur für Ultraschall. Die typische Wirkungsweise dieser sog. porösen Absorber bei senkrechtem Schalleinfall zeigt Bild 3.54. Bild 3.54. Poröse Schall- Absorptionsschicht der Dicke d vor starrer Wand. Einfluss der Dicke auf den Frequenzverlauf des Absorptionsgrades (senkrechter Schalleinfall). Strömungswiderstand des Materials 80 bis 240 Rayl). Verlag Tribüne Berlin. Für Frequenzen deren Viertel-Wellenlängen zunehmend größer als die Dicke d der Schicht ist, wird die Absorption immer schlechter. Wenn man bedenkt, das eine Viertelwellenlänge bei 100 Hz die Abmessung von bereits 0.85 m hat, ist es einsehbar, dass sich diese Art von Absorber praktisch nur für mittlere und hohe Frequenzen eignen, weil sonst der Verlust an Ausbauvolumen zu hoch wäre. Der Charakter und damit die Frequenzabhängigkeit ändert sich aber mit der Art der Abdeckung, wie in Bild 3.55 an einem Beispiel dargestellt ist:

86 Bild 3.55. Frequenzverlauf des Schallabsorptionsgrades einer porösen Schicht durch Abdeckung mit einer Holzverstäbung unterschiedlichen Öffnungsanteils. Verschiebung der Wirkungsweise zum Resonanzabsorber. Verlag f. Bauwesen, Berlin. Keine Abdeckung oder sehr dünnes Vlies ( Rieselschutz < 10 g/m 2 ) oder sehr stark perforierte feste Abdeckung (Lochanteil > 30%) erhält die Wirkung als rein poröser Absorber. Bei Abdeckung mit Lochplatten oder -blechen erhält man die sog. Lochplattenabsorber, die in unzähligen Varianten auf dem Markt erhältlich sind (typische Akustikdecken). Je nach Lochanteil (ca. 5% bis 20%) und Abstand von der Rohbaukonstruktion erhält man Absorptionsgrade, die mehr um ein Maximum bei einer bestimmten Frequenz liegen, welches man in der Regel durch entsprechende Dimensionierung in den mittleren oder unteren Frequenzbereich legt. Abdeckung mit geschlossenen, biegeweichen Platten (5-20 kg/m 2 ) oder mit Folien (50-300 g/m 2 ), führen auf sog. Plattenresonatoren, die darauf basieren, dass die Platte mit ihrem Flächengewicht auf dem dahinter liegenden Luftpolster, das eine Federsteife darstellt, schwingt. Wie bei jedem Masse- Federsystem ergibt sich dabei eine Resonanzfrequenz, bei der hier das Maximum der Absorption liegt. Der faserige Stoff innen bedämpft dabei die Resonanz mehr oder weniger, das heißt, er kann das Absorptionsmaximum etwas niedriger aber dafür breiter machen. Diese Art von Absorber wird man vorzugsweise und in Ergänzung zu den anderen Konstruktionen im tieffrequenten Bereich einsetzen. Typische Vertreter sind Wandverkleidungen (Paneele), aber auch Gipskarton-Vorsatzschalen wirken als Resonanzabsorber. Man beachte, dass die Poren und Löcher von Schallschluckanordnungen nicht mit Farbe,,zugeschmiert werden dürfen (bestenfalls Dispersionsfarben). Da die offenen Poren, Fasern und Löcher häufig den hygienischen Anforderungen nicht genügen, wurden in den letzten Jahren abwaschbare Schallschlucker, sog. Folienabsorber, entwickelt, bei denen der Luftschall erst in Körperschall und dann in Wärme umgewandelt wird. Eine Sonderstellung nehmen auch die sog. Helmholtz-

87 Bild 3.56. Prinzipaufbau eines Helmholtz-Resonators. Verlag f. Bauwesen, Berlin. Resonatoren ein, die aus einem abgeschlossenen Hohlraum bestehen, der über eine Öffnung an ein Schallfeld angekoppelt ist, Bild 3.56. Hier erzeugt die Luftmasse in der Öffnung zusammen mit der Federwirkung des Hohlraums ebenfalls eine Resonanz f o in Hz, bei der dem Schallfeld Energie entzogen, also absorbiert wird S fo 170 Vl ( + 2 l) mit V Hohlraumvolumen in dm 3 (!) S Fläche des Öffnungsquerschnittes in cm 2 l Öffnungstiefe in cm 2 l Mündungskorrektur in cm. Praktisch erreichbare Absorptionsflächen in der Resonanz liegen pro Einzelresonator etwa zwischen 0,4 und 0,8 m 2. 3.3.3.3 Stationäres Schallfeld Einen weiteren Zusammenhang den die statistische Raumakustik liefern kann, ist die Beschreibung des mittleren Raum-Schalldruckpegels im eingeschwungenen Zustand. Statistik heißt ja, dass man von Energiebilanzen ausgehen kann, allerdings unter der idealisierten Vorstellung, dass sich die Energie auf alle Raumpunkte und Richtungen gleichmäßig verteilt, das sog. Diffusfeld. Die Energiedichte, E, ergibt sich dann zu 4 P E = A c in Ws/m 3, c Schallausbreitungsgeschwindigkeit, das heißt, die Energiedichte ist proportional der zugeführten Schallleistung P und umgekehrt proportional dem Schallabsorptionsvermögen in Form der äquivalenten Absorptionsfläche A des Raums. Die Energiedichte hängt bekannterweise mit dem Schalldruck p folgendermaßen zusammen 2 p E = 2 ρ c

88 mit ρ Dichte der Luft. (Dieser Ausdruck ergibt sich aus Umrechnung folgenden Zusammenhangs: p hat die Dimension Kraft/ Fläche und die Luft kann als Feder mit dem Kompressionsmodul ρ c 2 aufgefasst werden, damit ergibt sich eine potentielle 1 Kraftquadrat Energie analog zu E pot = ). Setzt man diese beiden Ausdrücke gleich 2 Steife und führt die bekannten Pegelgrößen ein, erhält man schließlich einen Ausdruck für 5 den stationären Schalldruckpegel im Raum in db bezogen auf p 0 = 210 N/m 2 L pdiffus A = LW 10log 4 m 2 db, dabei ist L W der Schallleistungspegel der Schallquelle, bezogen auf 2 12 po ρ c = 10 Watt. Diese Formel besagt, dass eine Verdopplung der Absorptionsfläche in einem Raum, den Schalldruckpegel um 3 db senkt. Zusätzliche Absorption vermindert also nicht nur die Nachhallzeit, sondern vermindert auch die Lautstärke, diese Eigenschaft macht man sich bei der Lärmbekämpfung in Räumen zu Nutze. 3.3.3.4 Hallradius Um eine Schallquelle im Raum bildet sich ein mehr oder weniger starkes Direktfeld durch Freifeldabstrahlung aus, dessen Ausdehnung von der Höhe der Gesamtabsorption im Raum abhängt. Man kann sich leicht vorstellen, dass eine gegen unendlich gehende Absorption zu Freifeldbedingungen führt, also gar keine diffusen Reflexionen vorhanden sind und entsprechend umgekehrt, bei gegen Null tendierender Absorption nur noch das Diffusfeld vorhanden ist. Den Übergang zwischen beiden Formen unter realen Verhältnissen beschreibt man mit einem Grenzabstand zur Schallquelle, dem Hallradius r H in m, er berechnet sich aus dem Gleichsetzen der beiden entsprechenden Pegelausdrücke L pfrei = L bzw. pdiffus 2 W H W L 10log r 11= L 10log A+ 6. Nach dem Delogarithmieren und Auflösen nach r H. kommt man auf r H = 014, A bzw. nach Einsetzen der SABINE Formel auf r H = Vol 0, 057. T

89 Diesen Formelzusammenhang in Abhängigkeit verschieden großer Absorptionsflächen findet man abschließend in Bild 3.57. Bild 3.57. Schalldruckpegel-Abnahme im Raum als Funktion der Entfernung von einer Schallquelle für verschiedene Absorptionsflächen. Kennzeichnung der Übergangs zwischen Direkt (Frei-)feld und Diffusfeld durch Hallradius rh. Verlag f. Bauwesen, Berlin. 3.3.4 Andere objektive raumakustische Parameter Eine der wichtigsten raumakustischen Größen für die allgemeine Charakterisierung eines Raumes ist wie bereits beschrieben die Nachhallzeit. Ihre Optimierung, unterstützt durch wenige gestalterische Grundsätze, sollte an erster Stelle einer raumakustischen Planung stehen. Der zweite Aspekt wäre dafür zu sorgen, dass das Auditorium, insbesondere bei größeren Räumen, möglichst gleichmäßig beschallt wird. Auch dazu trägt die Geometrie in Zusammenhang mit dem ausgewogenen Einsatz von Absorption nicht unerheblich bei. Für alle Räume, die in der Einleitung als erste Kategorie bezeichnet werden, also Räume mit überwiegender Nutzung durch Musik- und/oder Sprachdarbietungen sind weitere Parameter gebräuchlich. Sie leiten sich im Wesentlichen aus dem Reflektogramm ab, das heißt, sie können im Realfall von Hörerplatz zu Hörerplatz schwanken und erfordern zur Pauschalaussage eine Mittelung oder man beschränkt sich auf repräsentative Plätze. Diese Parameter wurden etwa seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und es ist die große Leistung der Raumakustik dieser Zeit subjektive Empfindungen mit objektiven Begriffen und Größen in Verbindung gebracht zu haben. Objektive Begriffe sind: Lautstärke, Sprachverständlichkeit, Klarheit, Räumlichkeit, Transparenz. Entsprechende physikalisch bestimmbare raumakustische Größen sind zum Beispiel: Lautstärkemaß, Deutlichkeitsmaß, Klarheitsmaß oder Raumeindrucksmaß. Im folgenden wird die Schallenergie, also die Schallleistung mal Zeit in Wattsekunden, mit dem Buchstaben W bezeichnet. Für die hier verwendeten Relativmaße, kann der

90 folgende praktische Zusammenhang benutzt werden: W p 2 () t dt mit p 2 Schalldruckquadrat. Lautstärkemaß Wges Vol G = 10log 40 10log db W T ges10m mit W ges Gesamtenergie an einem bestimmten Hörerplatz W ges10 m Bezugswert bei freier Schallausbreitung 10 m Abstand von der Schallquelle (G-Optimum 0 bis 10 db). Räume für Sprache: Deutlichkeitsmaß mit 50ms W0 ms W 0ms 50ms D W 0 = Wms 0ms % Schallenergie in den ersten 50 msec Gesamtenergie (100%). Sprachklarheitsmaß mit 50ms W0 ms W 50ms C 50 W0 = 10log W 50ms ms 50ms db Schallenergie in den ersten 50 msec Restenergie nach 50 msec (gute Silbenverständlichkeit für C 50 > 0dB) D Umrechnung: C50 = 10log. 1 D Schwerpunktzeit (Lage des Energiemaximums) 1 TS = t W() t dt W ges (TS möglichst < 50... 80 ms). Artikulationsverlust von Konsonanten Al cons 0 s 065. T % r H 2

91 mit s= Entfernung zwischen Schallquelle und Hörer in m r H = Hallradius in m T= Nachhallzeit in sec (gute Verständlichkeit für Al cons < 10 %). Sprachübertragungsindex STI (RASTI) Spezielle Messmethode. Räume für Musik: Klarheitsmaß (Durchsichtigkeit) 80ms W0ms C80 = 10log W 80ms 11. C 10log( e T 1) 80 db mit 80ms W0 ms W 80ms Schallenergie in den ersten 80 msec Restenergie nach 80 msec (gute Durchsichtigkeit für C 80 : -1 bis +3 db). Schwerpunktzeit (Lage des Energiemaximums) 1 TS = t W() t dt W ges (TS möglichst < 100... 150 ms). Raumeindruck (Hallmaß) W50ms H = 10log db 50ms W0ms (H-Optimum zwischen 3 und 8 db). 0 Seitenschallmaß ( 80ms ) W5ms seitlich LF = 10log 80ms W0ms (LF-Optimum zwischen 4 und 7 db). db Als weitere Größen sind zu nennen: Raumeindrucksmaß, Anfangsnachhallzeit T 15, Korrelationsgrad u. ä.. Bild 3.58 zeigt einige raumakustische Größen im Zusammenhang mit dem Höreindruck und der Art der Darbietung. Allen Größen ist die Bedeutung der etwa ersten 100 ms eines Raumschallfeldes abzulesen, die durch die starken Anfangsreflexionen bestimmt werden, was in dem bereits dargestellten Bild 3.47 zum Ausdruck kommt. In der Tat hat bereits schon BEKESY (1899-1972) um 1930 dieses bei psychoakustischen Untersuchungen über den Höreindruck allgemein festgestellt. Hinzu kommt, dass vom Verlauf der Nachhallzeit im Grunde nur die ersten 10 bis 15 db gehört werden,

92 Bild 3.58. Optimale Zahlenwerte von raumakustischen Parametern für Sprach -und Musikdarbietungen. Verlag f. Bauwesen, Berlin. weil bei kontinuierlicher Anregung durch Sprache oder Musik ohne größere Pausen, die späteren energieärmeren Anteile im Nachhall verdeckt werden. Eine Ausnahme bilden etwa Musikstücke wie Beethoven s Coriolan- Ouvertüre, bei der plötzlich abbrechende Fortissimostellen den gesamten Nachhallvorgang hörbar machen können. Der hohe Stellenwert der Anfangsnachhallzeit ist aber nur dann von Wichtigkeit, wenn der Nachhall stärkere Abweichungen vom idealen Verlauf, wie er in Bild 3.53 gezeigt wird, aufweist. Zusätzliche Literatur: CREMER, L.: Die physikalischen Grundlagen der Raumakustik. Akustische Zeitschrift Bd. 1, 1936, S. 134-145. FASOLD, W.; KRAAK, W.; SCHIRMER, W.: Taschenbuch der Akustik, Teil 2. Kap. 9: Raumakustik. VEB Verlag Technik Berlin, 1984.