Team-Arbeit und Dokumentation mit der ICF in der neurologischen Rehabilitation

Ähnliche Dokumente
Einführung in die ICF

International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF)

Dr. Birgit Wartenpfuhl Vortrag auf der 3. Fachtagung Soziale Diagnostik und Klassifikation am 6./7. Mai 2010 in Höhenried / Bernried

9. ICF-Anwenderkonferenz Bochum 16. März Sind personbezogene Faktoren ein Tabu oder brauchen wir sie?

ICF-Checklist für die interdisziplinäre Frühförderung - erste Erfahrungen. Olaf Kraus de Camargo Marijke Kaffka-Backmann Liane Simon Jürgen Kühl

ICF: Fluch oder Segen? Welche Chancen bietet die ICF in der pädiatrischen Praxis? von Prof. Dr. Beate Lenck

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) Aktuelle Entwicklungen

Möglichkeiten und Ziele der Rehabilitation bei Parkinson

ICF-FUNDIERTE INTERVENTIONEN SOZIALER ARBEIT

Standardisierte Assessments in der Ergotherapie. Diana Nix

Gemeinsame Sprache für Behandlungsteam, Kostenträger und Medizinischen Dienst

Grundlagen zur ICF-CY

ICF & REHA-Prozess. Inhalte. WHO Familie von Klassifikationen. Anforderungen an eine Rehabilitation

Definition: Körperfunktionen sind die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich psychologische Funktionen).

Sozialpädagogische Langzeitrehabilitation für Menschen nach erworbenen Hirnschädigungen

Familie der Klassifikationen in der WHO Schulungsmaterialien erstellt von Heike Philippi

ICF : Bezugsgröße für Teilhabe?

Erweiterung der sozialrechtlichen Befugnisse für Psychotherapeuten

Neurologische Rehabilitation

Ganzheitliche Medizin für den älteren Patienten

Die ICF als Instrument zur Bedarfsermittlung in der beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischer Behinderung

Die ICF und ihre Anwendungsmöglichkeiten zur personorientierten Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben

Neurologische Rehabilitation

Die ICF für die Pflegepraxis nutzbar machen. Erfahrungen mit der Umsetzung der ICF auf der Rehab am Luzerner Kantonsspital

SINGER ein veränderungssensitives Assessmentverfahren. bildet Rehaverläufe tatsächlich ab!

Innovatives Pionierprojekt für hirnverletzte Menschen

Einführung in die ICF

Indikationskriterien der Mobilen Reha Bremen

DIE ICF UND IHRE IMPLEMENTIERUNG IM BEREICH ARBEIT

Umsetzung der ICF in der ambulanten neurologischen Rehabilitation. Mainz

Die Grundbegriffe. Funktionale Gesundheit. Behinderung nach ICF. Funktionale Gesundheit und Kontextfaktoren. Kontextfaktoren

Die wichtigsten Entwicklungstests aus Sicht der Physiotherapie. Wie dokumentieren wir Fortschritt?

Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche Affoltern am Albis. Den Kindern alles Gute.

Physiotherapeutische Konzepte in der. Behandlung von Schlaganfallpatienten

Bundesteilhabegesetz Grundsätze und Neuerungen unter besonderer Berücksichtigung der Orientierung an der ICF

Einführung in die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit

Ärztliche Verordnung für sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen

Logopädie in der Geriatrie

Anforderungen an den Reha-Entlassungsbericht aus Sicht der GKV

Neurologie und Neurologische Rehabilitation. Klinikum am Europakanal

Darstellung angewandter Verfahren und fachlicher Anforderungen im Rahmen einer Zusammenarbeit in der interdisziplinären Diagnostik

Anamnese Unding oder Geniestreich: Wer macht was? SAR-Forum

Das Bobath-Konzept Informationen für Patienten mit Schädigung des zentralen Nervensystems

Ergotherapeutisches Assessment

Die ICF als Chance für Personenzentrierung und Sozialraumorientierung

Amtsärztliche/fachärztliche Stellungnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII/BVG

Einführung in die Philosophie der ICF-CY

Die ICF und Elbe-Lot. Lisa Hänsli

ICF-Checkliste für interdisziplinäre Frühförderung

Fachtag zum Bundesteilhabegesetz am Schwerpunkthema Block 1 Einheitliche Bedarfsfeststellung in Mecklenburg-Vorpommern Philipp Regge,

Beeinträchtigung, Aktivität und Teilhabe F 2 Bogen B

Einführung in die Philosophie der ICF

Möglichkeiten und Hilfestellungen für den Einsatz des MCSS im Arbeitsalltag

Inhaltsverzeichnis. Vorwort Diagnostische Erhebungsverfahren: Eine Standortbestimmung... 13

Manfred CBP SchulteFA-ICF

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)

Bundes-Teil-Habe-Gesetz. Umsetzung im Kreis Schleswig- Flensburg

Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Menschen mit Amputationen

Die Medizinisch-Berufliche Rehabilitation der Pensionsversicherungsanstalt

Franz Sales Haus Dr. M.d.P. Andrino, Leitung Diagnostik & Therapie

ERMITTLUNG DES INDIVIDUELLEN HILFEBEDARFES FÜR LEISTUNGEN DER TEILHABE IN BADEN-WÜRTTEMBERG - A.) BASISBOGEN -

Aktivität und Teilhabe Bogen B

Gesundheitsbezogene Assistenzleistungen für Menschen mit geistiger Behinderung oder chronischer seelischer Erkrankung im Lichte von ICF und UN-BRK

ICF-basierte Eignungsanalyse als Teil der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme

Format wöchentliche Assessments (RE Datensatz) (Auszüge aus den ST Reha Vorgaben Datenerhebung mit Ergänzung Altersspalte)

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeiten, Behinderung und Gesundheit (ICF)

ERMITTLUNG DES INDIVIDUELLEN HILFEBEDARFES FÜR LEISTUNGEN DER TEILHABE IN BADEN-WÜRTTEMBERG - A.) BASISBOGEN -

AAL Unterstützung für das selbstständige Leben zuhause Prof. Dr.-Ing. Andreas Hein

Schlaganfall-Rehabilitation

Neurologisches Reha-Assessment-Checkliste A

Entwicklungsneurologische. Diploma of Advanced Studies (DAS)

Aktivität und Teilhabe Bogen B

Stationäre Tarifstrukturen Ein Buch mit 7 Siegeln? Projekt: Frühlingsveranstaltung SGfM und SGMC Datum: Folie 1

training begleitung sicherheit Neurologisches Tageszentrum (NTZ) Die Brücke zum Alltag

Anmerkungen zum Begriff Funktionale Gesundheit

Berufliche Integration von Menschen mit einer neurologischen Diagnose

INDIVIDUELLE BERUFLICHE ENTWICKLUNGSMAßNAHME

Vorlesung Einführung in die Rehabilitation

Bochum September 2016

Spastik Versorgung? Psychogene Bewegungsstörungen. Logopädie?

Neue Entwicklungen im Schwerbehindertenrecht

Neuropsychologie und Physiotherapie Wie können wir in der physiotherapeutischen Behandlung neuropsychologische Probleme beeinflussen?

Sozialmedizin-Aufbaukurs 1 (C) Begutachtung für die Rentenversicherung. 3. Brandenburger Krebskongress

Förderplanung mit der ICF-CY

Die Station für Geriatrie. Patienteninformation der Medizinischen Klinik I Klinik für Gastroenterologie, Pneumologie, Diabetologie und Geriatrie

Geriatrische Rehabilitation

Häufig gestellte Fragen im Überblick

Fachbereich Eingliederungshilfe Stand: Frühe Hilfen für behinderte Kinder und Jugendliche Stadtstraße Freiburg

Die ICF als Kommunikationsmedium in der Psychiatrie

Was ist ESDM? Das Early Start Denver Modell (ESDM) von S. Rogers & G. Dawson. Ablauf. Umsetzung und Rahmenbedingungen

Aufgaben psychologischer Diagnostik aus Sicht der Rentenversicherung

Die Entwicklung und Anwendung des ICF Score Hand

PJ-Logbuch Rehabilitationsmedizin

Innovative Versorgungskonzepte aus Sicht der Rentenversicherung: Klinische und wissenschaftliche Gesichtspunkte

2 Reha-Philosophie: Konzepte und Strukturen für eine Teilhabe-orientierte ambulante wohnortnahe Rehabilitation... 7 Wolfgang Fries

ICF-basiertes Management der stationären Neurorehabilitation

Wie komme ich als Mensch mit Behinderung an die Leistungen

DAS Entwicklungsneurologische

Individuelle Hilfeplanung des LVR Stand 03/2010-

Transkript:

Team-Arbeit und Dokumentation mit der ICF in der neurologischen Rehabilitation Herbert Beims, Matthias Spranger Neurologisches Rehabilitationszentrum Friedehorst Funktionen des Gehirns Sprache Bewegung Wahrnehmung Erkennen Gefühle Lernen Orientierung Gedächtnis Aufmerksamkeit 1

Folgen nach Schädelhirnverletzungen Bewegungsstörungen Sprach- und Sprechstörungen Kognitionsstörungen Lernstörungen Gedächtnisstörungen Wahrnehmungsstörungen Störungen von Motivation und Emotionen Orientierungsstörungen Aufmerksamkeitsstörungen Anforderungen an die Rehabilitation Komplexität der Schädigung und Behinderung erfordert multidisziplinären Behandlungsansatz 2

Paradigmenwechsel in der Rehabilitation Focus Defizite und Ressourcen Teilhabe/Wiedereingliederung, Einbindung von Patient und Angehörigen Ziele Verbesserung einzelner Funktionen und Fähigkeiten Selbstständigkeit, (Re-) Integration Anforderungen an die Rehabilitation Komplexität der Schädigung und Behinderung erfordert multidisziplinären Behandlungsansatz Paradigmenwechsel erfordert Änderung der Teamkommunikation: Berufsgruppenübergreifende Rehabilitationsziele 3

Anforderungen an die Rehabilitation Komplexität der Schädigung und Behinderung erfordert multidisziplinären Behandlungsansatz Paradigmenwechsel erfordert Änderung der Teamkommunikation: Berufsgruppenübergreifende Rehabilitationsziele Kostendruck erhöht Zeitdruck und erfordert Effektivitätsnachweis (Qualitätssicherung) Rehabilitationsablauf Diagnostik Zielformulierung Therapie Zielüberprüfung Reintegration 4

Rehabilitationsablauf Diagnostik Valide Assessments Zielformulierung Leitfaden zur Zieldefinition Therapie Zielüberprüfung Reintegration Gerüst in Teambesprechungen Strukturvorgabe für Rehaberichte ICF im Rehabilitationsalltag? Diagnostik Teamarbeit Berichterstattung 5

Zuordnung der Assessmentverfahren zur ICF BMGS- Förderprojekt Alter in Jahren: 0-3 4-6 7-12 13-18 l m s l m s l m s l m s b 1 Mentale Funktionen b 110 Bewusstsein KRS KRS EFA KRS EFA KRS EFA b 114 Orientierungsfunktionen (Zeit, Raum, Person) COAT COAT RBMT -C - Orient ier. RBMT -C - Orient ier. COAT COAT RBMT - Orient ier. RBMT - Orient ier. COAT b 117 Intelligenz (inklusive Retardierung) Bayley Sc. - Menta l Sc. ET 6-6 WET Griffit hs Bayley Sc. - Menta l Sc. ET 6-6 WET Griffit hs K- ABC SON 2,5-7 WET CPM K- ABC SON 2,5-7 WET CPM HAWI K-III K- ABC SON 5,5-17 AID-2 SPM/ CPM HAWI K-III K- ABC SON 5,5-17 AID-2 HAWI K-III HAWI E-R SON 5,5-17 WIT IST 2000 AID-2 LPS SPM HAWI K-III HAWI K-R SON 5,5-17 AID-2 Vorteil: Standardisierung, damit wird valide Vergleichbarkeit erreicht Diagnostik ICF-Kategorien normal Kategorien gestört 6

Assessment Testverfahren ICF-Checkliste normal Kategorien gestört Ergebnisse Zu viele ICF-Kategorien: Keine komplette Abdeckung aller ICF-Kategorien durch bekannte Testverfahren, insb. in Partizipation und Kontext 7

Ergebnisse Zu viele ICF-Kategorien: Keine komplette Abdeckung aller ICF-Kategorien durch bekannte Testverfahren, insb. in Partizipation und Kontext Übergreifende Testverfahren bilden die Komplexität der neurologischen Schädigung nicht ab ICF im Rehabilitationsalltag? Diagnostik Teamarbeit Berichterstattung 8

Teamarbeit Arzt: Ich optimiere die antikonvulsive Einstellung Psychologe: ich optimiere die Gedächtnisleistung KG: ich optimiere das Gangbild Sozialpädagoge: ich optimiere das Spielverhalten Pflege: ich optimiere die Lagerung Lehrer: ich optimiere die Lernleistung in der Gruppe Ergo: ich optimiere die Handfunktion? Logo: ich optimiere das Sprachverständnis Teamstrukturierung durch ICF Struktur: Problemfelder anstelle Berufsgruppen Zieldefinition: Teilhabe anstelle Funktion 9

Konsequenzen Abstimmung von funktionellen Diagnosen und gemeinsamen Zielen Fachspezifische Sprache wird verlassen Konsequenzen Schwerpunktsetzung gelingt besser Zurücksetzung einzelner Berufsgruppen möglich 10

Konsequenzen Vergleich mit vorherigen Zielvereinbarungen Mehr Transparenz, Kontrolle Konsequenzen Mehr Diskussion vermehrte Anforderung an Moderation / Disziplin / Beteiligung 11

ICF im Rehabilitationsalltag Diagnostik Teamarbeit Berichterstattung ICF b1 b2 b3 b4 b5 b6 b7 b8 Mentale Funktionen Stimme und Sprechen Urogenitale Funktionen Dokumentation: BvB-Berichterstattung Kardiovaskuläres, hämatologisches, Immun- und Atmungssystem Verdauungssystem, Stoffwechsel, endokrine Organe Bewegungsbezogene Funktionen Haut und Hautanhangsgebilde Körperstrukturen und -funktionen Sensorische Funktionen und Schmerz Diagnosen und Befunde siehe neuropsychologisches Leistungsbild (Ärztliche Befunde) (Logopädie) (Ärztliche Befunde) (Ärztliche Befunde) (Ärztliche Befunde) (Physiotherapie, Ergotherapie) (Ärztliche Befunde) 12

Dokumentation: BvB-Berichterstattung ICF d1 d2 d3 d4 d5 d6 d7 E1 Lernen und Wissensanwendung Allgemeine Aufgaben und Leistungsanforderungen Kommunikation Mobilität Selbstversorgung Haushalt Interpersonale Interaktionen Hilfsmittel, Medikamente Aktivitäten und Partizipation Umweltfaktoren Diagnosen und Befunde siehe neuropädagogisches Leistungsbild (Sozialpädagogik, Pflege, Berufstherapie) (Logopädie) (Physio- / Ergotherapie) (Ergotherapie) (Ergotherapie, Pflege) (Sozialpädagogik) ICF d1 d2 d3 d4 d5 d6 d7 Mobilität Selbstversorgung Haushalt Dokumentation: BvB-Berichterstattung Lernen und Wissensanwendung Allgemeine Aufgaben und Leistungsanforderungen Kommunikation Interpersonale Interaktionen Aktivitäten und Partizipation Diagnosen und Befunde siehe neuropädagogisches Leistungsbild (Sozialpädagogik, Pflege, Berufstherapie) (Logopädie) (Physio- / Ergotherapie) (Ergotherapie) (Ergotherapie, Pflege) (Sozialpädagogik) d8 Bedeutende Lebensbereiche Umweltfaktoren siehe berufliches e1 d9 Gemeinschafts-, Hilfsmittel, Medikamente soziales und Leistungsbild staatsbürgerliches Leben 13

Offene Probleme Definitionen, Testkriterien und Skalierungen aus der Medizin, Neuropsychologie, Logopädie sind nicht einheitlich. Testverfahren sind meist Mängel-orientiert und geben keine Aussagen zu Ressourcen und Prognosen Übergreifende Testverfahren bilden die Komplexität der neurologischen Schädigung nicht ab Personbezogene Kategorien spielen eine erhebliche Rolle, sind aber nicht definiert. Zusammenfassung I ICF ist kein eigenständiges Assessmentverfahren ist nicht veränderungssensitiv, eignet sich daher nicht zur Verlaufsbeurteilung eignet sich nicht zur Gesamteinschätzung des Gesundheitszustandes ( Gesundheitszahl ) und Rehabilitationserfolgs 14

Zusammenfassung II Orientierung an ICF ist hilfreich bei Reduktion der ICF-Kategorien Verzicht auf Kodierung bei Nutzung validierter Testverfahren anstelle der Qualifier Zusammenfassung III ICF verbessert die Rehabilitation durch Strukturierung der Diagnostik Förderung der Interdisziplinarität in Teambesprechung und Berichterstattung Fokussierung auf die Bedürfnisse des Patienten: Rehaziele auf Partizipationsebene 15