Es gibt zwei verschiedene Heilungsmechanismen des Körpers: Reparatur und Regeneration.

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Transkript:

I Wundbeurteilung 1 Primäre und sekundäre Wundheilung Primäre Wundheilung Darunter versteht man das gleichzeitige Aneinaderlegen (Adaptieren) und Schließen der einzelnen Gewebeschichten mittels Naht, Klammern oder Wundnahtstreifen. Verzögerte Primärheilung Von einer verzögerten Primärheilung spricht man, wenn eine Verletzung nicht sofort adaptiert wird, sondern dies zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Z. B. bei Schnittverletzungen, die länger als sechs Stunden zurückliegen, ist davon auszugehen, dass die Keimzahl in der Wunde zu hoch ist. Dies kann bei einem sofortigen Adaptieren und Verschließen eine mögliche Infektion verursachen. Sekundäre Wundheilung Darunter versteht man, wenn eine Wunde Gewebeschicht um Gewebeschicht abheilt, d. h. von unten nach oben und von außen nach innen bis der Defekt verschlossen und abgeheilt ist. Heilungsmechanismen des Körpers Es gibt zwei verschiedene Heilungsmechanismen des Körpers: Reparatur und Regeneration. a) Reparatur = Körper ersetzt das geschädigte Gewebe durch Bindegewebe (B Narbe). Reparative Wundheilung findet man bei: Primärheilung, verzögerter Primärheilung, Sekundärheilung. b) Regeneration = Körper ersetzt das geschädigte Gewebe durch identische Zellen. Regenerative Wundheilung findet man bei: oberflächlichen Verletzungen: Es ist nur die Epidermis betroffen, Basalzellen sind erhalten. Es kommt zu einer narbenfreien Ausheilung der Verletzung durch Epithelisierung.

14 I Wundbeurteilung Schleimhautverletzungen: Schleimhautzellen werden durch identische Zellen ersetzt, da es sonst zum Verlust der physiologischen Schleimhautfunktion kommen würde.

2 Physiologische Wundheilungsphasen Die physiologische Wundheilung verläuft in fünf Phasen. 2.1 Hämostase Bei der Hämostase handelt es sich um eine direkte Reaktion auf eine Verletzung. Um die Blutung zu stillen, ziehen sich die Kapillaren zusammen. Weiterfolgend kommt es zu einer Verengung der nächst größeren Gefäße (Vasokonstriktion). An der verletzten Stelle bilden Erythrozyten und Thrombozyten einen Thrombus, der die Verletzung verschließt. 2.2 Exsudationsphase In der Exsudationsphase (= Reinigungsphase) erweitern sich die Gefäße. Es kommt zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Kapillarwände und somit zu vermehrtem Austreten von Exsudat in die Wunde, das reich an Abwehrzellen (vor allem Makrophagen und Granulozyten) ist, die sofort mit der Wundreinigung beginnen. Darauf folgt eine lokale Entzündung (Entzündungsreaktion, als Initialzündung für den Beginn der Wundheilungsvorgänge), die nicht mit einer Wundinfektion gleichzusetzen ist, da die typischen Merkmale für eine Wundinfektion, wie zum Beispiel Eiter oder hohe Keimzahlen, die für eine Wundinfektion sprechen würden, fehlen. Abb. 1: Dekubitus in der Exsudationsphase

16 I Wundbeurteilung 2.3 Granulationsphase Die Granulationsphase (= Proliferationsphase) ist gekennzeichnet durch den stattfindenden Aufbauprozess des neuen Gewebes. Makrophagen im Wundbereich setzen Faktoren frei, die das Einwandern von Fibroblasten aus dem umgebenden Gewebe in die Wunde anregen. In der Wunde kommt es zu einer Vermehrung der Fibroblasten, die anschließend mit der Bildung von Kollagen beginnen. So entsteht das gefäß-, zell- und kollagenreiche rötlich glänzende Granulationsgewebe. Durch die Wanderung von Endothelzellen an die Spitzen der geschädigten Kapillaren bilden sich neue Kapillarschleifen, wodurch es zu einer Neubildung von Blutgefäßen kommt (Neoangiogenese). Zudem kommt es zu einer verstärkten Wundkontraktion der Wundränder, die die Oberfläche der Wunde verkleinert. Gleichzeitig beginnt bereits eine Epithelisierung vom Wundrand aus durch einwanderte Epithelzellen. Abb. 2: Granulationsgewebe 2.4 Epithelisierungsphase/Reparation In der Epithelisierungsphase verarmt das in der Wunde vorhandene Granulationsgewebe an Gewebswasser und trocknet immer mehr. Durch fortschreitende Wundkontraktion verkleinert sich die Wunde weiter. Gleichzeitig kommt es zu einer Ausreifung der Kollagenfasern, wodurch das zell- und gefäßarme Narbengewebe entsteht. Die Epithelisierung ist abgeschlossen.

2 Physiologische Wundheilungsphasen 17 Abb. 3: Epithelgewebe 2.5 Reifungsphase/Remodulierungsphase Die letzte Phase der Wundheilung, die Reifungsphase/Remodulierungsphase (= Maturation), erstreckt sich über mehrere Monate. In dieser Zeit wird das Kollagen reorganisiert, wodurch sich eine belastungsstabile Narbe ergibt. Die Kollagenfasern richten sich entlang der Spannungslinien aus, d.h. in die Richtung, in der der höchste Zug auf das Gewebe ausgeübt wird. Die Kapillaren verstopfen und bilden sich zurück, wodurch das typische weißliche Narbengewebe entsteht, das sehr belastungsstabil ist. Abb. 4: Frisches Narbengewebe

3 Kriterien zur Wundbeurteilung 3.1 Nekrosen Es lassen sich zwei Arten von Nekrosen unterscheiden: trockene und feuchte Nekrosen. Trockene Nekrosen sind schwarz, hart und weisen eine lederartige Konsistenz auf. Sie lassen sich deutlich von der Wundumgebung abgrenzen. Abb. 5: Demarkierte trockene Nekrose

3 Kriterien zur Wundbeurteilung 19 Abb. 6: Trockene Nekrose am Unterschenkel Abb. 7: Fersennekrose

20 I Wundbeurteilung Abb. 8: Nekrosen bei septischer Embolie

3 Kriterien zur Wundbeurteilung 21 Abb. 9: Wundrandnekrosen Feuchte Nekrosen sind grau-gelb, weich und zeigen sich als schmierige, fasrige Beläge in der Wunde. Abb. 10: Feuchte Nekrose

22 I Wundbeurteilung Abb. 11: Fettnekrose an der linken Hüfte Im Übergang von einem trockenen in ein feuchtes Stadium ändert die Nekrose ihre Farbe. 3.2 Fibrinbeläge Fibrin ist ein Bestandteil aus dem Blut. Es handelt sich hierbei um ein hochmolekulares, nicht wasserlösliches Protein, welches sich weder vom Wundgrund abspülen noch abwischen lässt. Abb. 12: Fibrinbelag