Schwerbehindertenrecht Ablauf des Antragsverfahrens Versorgungsmedizin Verordnung Versorgungsamt Hamburg
Schwerbehindertenrecht In Hamburg leben rund 1,7 Mio. Menschen jeder 7. Hamburger ist behindert, jeder 11. Hamburger ist schwerbehindert Das bedeutet in Zahlen (Stand 31.12.2011): 246.307 behinderte Menschen (GdB 20-100), davon 151.902 schwerbehinderte Menschen
Schwerbehindertenrecht Fallzahlen 2011 14.628 Erstanträge 16.310 Änderungsanträge (ohne Verfahren von Amts wegen) Gesamt Eingänge in Höhe von 30.938 Durchschnittliche Bearbeitungsdauer (in Monaten) 3,6 Monate
Schwerbehindertenrecht Warum werden Anträge nach dem SGB IX gestellt? um Behinderungen feststellen zu lassen um Nachteilsausgleiche in Anspruch zu nehmen um eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen zu beantragen um vorzeitig in Rente gehen zu können
Schwerbehindertenrecht Definition der Behinderung gemäß 2 SGB IX: 1.Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Schwerbehindertenrecht Fortsetzung Definition der Behinderung 2. Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des 73 (Begriff des Arbeitsplatzes) rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Schwerbehindertenrecht Fortsetzung Definition der Behinderung 3. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 und 40, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Antragsverfahren Antragsverfahren: Das Feststellungsverfahren beginnt auf Antrag. Zuständig für das Verfahren ist das für den Wohnsitz des Antragstellers örtlich zuständige Versorgungsamt. Sobald ein Antrag auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung und weiterer gesundheitlicher Merkmale sowie auf Ausstellung eines Aus-weises im Versorgungsamt eingegangen ist, erhält der Antragsteller eine schriftliche Eingangsbestätigung und es beginnt das Feststellungsverfahren.
Feststellungsverfahren Feststellungsverfahren: Im Feststellungsverfahren erfolgt die Prüfung ob bzw. welche Behinderungen vorliegen. Die Feststellung vom Versorgungsamt erfolgt nach Beiziehung von Berichten von Ärzten, die den Antragsteller ambulant behandelt oder untersucht haben, Gutachten, die für die Träger der Sozialversicherung, für die Arbeitsverwaltung oder für Gerichte erstellt worden sind,
Feststellungsverfahren Unterlagen von Krankenhäusern, Kuranstalten, speziellen Rehabilitationseinrichtungen oder anderen Kliniken, Vorgängen, die bei Gesundheitsämtern, Fürsorgestellen, Integrationsämtern oder bei anderen ärztlichen Diensten (z. B. vertrauensärztlichen, personal- oder betriebsärztlichen Diensten) entstanden sind.
Feststellungsverfahren Feststellungsverfahren: Zur Bildung des Gesamt- GdB ist eine Addition der bestehenden Einzel- GdB nicht zulässig. Vielmehr ist der Gesamt- GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei wird in der Regel von der Behinderung ausgegangen, die den höchsten Einzel-Grad der Behinderung bedingt. Es ist also zu prüfen, wie sich die einzelnen Behinderungen gegenseitig beeinflussen voneinander unabhängige Beeinträchtigungen, besonders nachhaltige Auswirkung einer Behinderung auf eine andere, Überschneidung der Auswirkungen der Beeinträchtigungen
Feststellungsverfahren Schließlich beurteilt der ärztliche Dienst des Versorgungsamtes, ob und wann von Amts wegen eine Nachprüfung des Befundes erfolgen soll und auf welche Gesundheitsstörung sich die Nachuntersuchung beziehen soll. Bei einigen Gesundheitsstörungen (zum Beispiel bösartige Geschwulst, Transplantationen innerer Organe) wird dabei die Zeit einer Heilungsbewährung berücksichtigt. Der versorgungsärztliche Dienst prüft auch, ob und ggf. welche gesundheitlichen Merkmale zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen vorliegen.
Feststellungsverfahren Feststellungsverfahren: Nachdem klargestellt ist, welche Gesundheitsstörungen vorliegen, bezeichnet der ärztliche Dienst des Versorgungsamtes die Behinderung. Diese Bezeichnung ist Grundlage für den Feststellungsbescheid, den der Antragsteller vom Versorgungsamt erhält. Darin soll vor allem die funktionelle und/oder anatomische Veränderung des allgemeinen Gesundheitszustandes zum Ausdruck kommen.
Versorgungsmedizinverordnung Die Regelungen für die Höhe des im Einzelfall anzuerkennenden GdB ergeben sich aus der Anlage zu 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Diese haben zum 01.01.2009 die bis dahin geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht ersetzt. An die Stelle getreten ist die Versorgungsmedizinverordung (VersMedV) mit Anlage Versorgungsmedizinische Grundsätze
Versorgungsmedizinverordnung Durch die Verordnung wurde sichergestellt, dass eine Fortentwicklung und Anpassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ausschließlich aus medizinisch-wissenschaftlichen Gründen erfolgt. Änderungen der Anlage zur Verordnung erfolgen ausschließlich durch eine Änderungsverordnung, die vom Bundesrat beschlossen werden muss. Inzwischen gibt es vier Änderungsverordnungen. Alle Änderungen sind Rechtliche Änderungen.
Versorgungsmedizinverordnung Erste Änderungsverordnung (wirksam seit 10.03.2010): Betrifft u.a. Alkohol - und Drogenabhängigkeit Anfallsleiden
Psychische Störungen- und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen: Ohne körperliche oder psychische Schädigung kein GdB Abhängigkeit von Koffein oder Tabak sowie von Koffein und Tabak bedingt für sich allein keine Teilhabebeeinträchtigung
In den früheren Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit wurde der GdB bei nachgewiesener Abhängigkeit (sowohl von Alkohol wie auch anderen Rauschmitteln) mit Kontrollverlust und erheblicher Einschränkung der Willensfreiheit mit einem GdB von wenigstens 50 bewertet. Wurde eine Entziehungsbehandlung durchgeführt, war der GdB = 30 plus zwei Jahre Heilungsbewährung.
Versorgungsmedizinverordnung GdB-Werte: Bei schädlichem Gebrauch von psychotropen Substanzen mit leichteren psychischen Störungen 0-20 GdB bei Abhängigkeit: mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten 30-40 mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50-70 mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100
Versorgungsmedizinverordnung Hirnorganische Anfälle: Beurteilung von der Art und Häufigkeit sowie der Tageszeit des Auftretens abhängig. Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit (MZ G und B) erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten.
Versorgungsmedizinverordnung Zweite Änderungsverordnung (wirksam ab 22.07.2010) Betrifft: Diabetes mellitus Keine Unterscheidung mehr in Typ I-Diabetes oder Typ II-Diabetes! Entscheidend ist die Teilhabebeeinträchtigung!
Versorgungsmedizinverordnung Menschen, deren Therapie keine Hypoglykämie auslösen kann und die in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung = GdB 0 Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung = GdB 20 Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckerspiegel selbst durchführen müssen und die durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung = GdB 30-40
Versorgungsmedizinverordnung Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier dokumentierten Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert und durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden aufgrund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung = GdB 50 Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können höhere GdB-Werte bedingen
Versorgungsmedizinverordnung Dritte Änderungsverordnung (wirksam ab 23.12.2010) Betrifft: Entwicklungsstörungen, Autismus Sehbehinderung, Versorgung mit Kunstlinsen Endoprothesenversorgung
Entwicklungsstörungen: Bei tief greifenden Entwicklungsstörungen, die für sich allein einen GdB von mindestens 50 bedingen, und bei anderen gleich schweren, im Kindesalter beginnenden Verhaltens -und emotionalen Störungen mit lang andauernden erheblichen Einordnungsschwierigkeiten ist regelhaft Hilflosigkeit bis zum 18. Lj. anzunehmen. (vorher in der Regel bis zum 16. Lj.)
Autistische Syndrome: Eine Behinderung liegt erst ab Beginn der Teilhabebeeinträchtigung vor. Eine pauschale Festsetzung des GdB nach einem bestimmten Lebensalter ist nicht möglich.
Versorgungsmedizinverordnung Tief greifende Entwicklungsstörungen (insbesondere frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asperger-Syndrom) GdB: ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten GdB 10-20 mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten / GdB 30-40 mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 50-70 mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 80-100
Versorgungsmedizinverordnung Sehbehinderung: (Linsenverlust bds. korrigiert durch Kunstlinse) Beträgt der sich aus der Sehschärfe für beide Augen ergebende GdB nicht mehr als 60 (Visus bds. z.b. 0.16), ist dieser um 10 zu erhöhen. (früher Erhöhung bis GdB=90 auf 100, was einer Hochgradigen Sehbehinderung entsprach).
Versorgungsmedizinverordnung Endoprothesen: (Mindest GdB - Werte bei bestmöglichem Behandlungsergebnis) Hüftgelenk einseitig 10 (früher 20) Hüftgelenk beidseitig 20 (früher 40) Kniegelenk einseitige TEP 20 (früher 30) Kniegelenk bds. TEP 30 (früher 50), Merkzeichen G Kniegelenk eins. Teilpr. 10 (früher 20) Kniegelenk bds.teilpr. 20 (früher 30)
Versorgungsmedizinverordnung Benutzung von Behindertenparkplätzen: Personen mit MZ ag im Ausweis Personen mit MZ BL im Ausweis Neu: Behinderte Menschen mit Amelie oder Phokomelie bds. oder vergleichbaren Funktionsstörungen
Versorgungsmedizinverordnung Vierte Änderungsverordnung (wirksam ab 05.11.2011) Betrifft: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Myeloproliferative und myelodysplastische / myeloproliferative Neoplasien
Versorgungsmedizinverordnung Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend: Eine Behinderung liegt erst ab Beginn einer Teilhabebeeinträchtigung vor. Eine pauschale Festsetzung des GdB nach einem bestimmten Lebensalter ist nicht möglich.
Versorgungsmedizinverordnung Myeloproliferative und myelodysplastische / myeloproliferative Neoplasien Die Änderungen beruhen auf der aktuellen internationalen Klassifikation der WHO zur Classification of myeloid neoplasms von 2008. Differenziertere Diagnostik, gezielte Therapie mit vermindertem Therapieaufwand sowie Abnahme der Nebenwirkungen durch neue Medikamente (insbesondere Tyrosinkinaseinhibitoren) reduzieren bei den Betroffenen die Krankheitsauswirkungen und verbessern die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Bezeichnungen der Gesundheitsstörungen, die Einstufungen sowie die Anpassung der GdB-Werte greifen diese Veränderungen auf.