Gefühle sind keine Reize

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134 1 Was ist Fühlen? Damit ein Gefu hl eingesetzt werden kann, ist vor allem die Bereitschaft, es zu fu hlen, von u bergeordneter Bedeutung. Solange wir nicht bereit sind, ein bestimmtes Gefu hl zu fu hlen, hat dieses Gefu hl Macht u ber uns. Wir sind gezwungen, ihm auszuweichen oder es loszuwerden, indem wir es unterdru cken oder an anderen auslassen. Nur wenn wir bereit sind, das Gefuḧl zu fuḧlen, ohne ihm auszuweichen, sind wir nicht mehr Sklave des Gefu hls und können seine Kraft bewusst einsetzen. Solange wir mit der Empfindung von Wut, Trauer, Angst, Scham oder auch Freude ein Problem haben, verwenden wir bewusst oder unbewusst sehr viel Energie darauf, diesen Gefu hlen auszuweichen. Ganze Lebensentwu rfe und Beziehungsstrukturen basieren auf dem Bestreben, gewisse Gefu hle zu vermeiden. Wollen wir ein bestimmtes Gefu hl als Kraft fu r uns erschließen, mu ssen wir uns mit der Empfindung dieses Gefu hls anfreunden, indem wir es bewusst erleben und annehmen. Doch was ist Fu hlen u berhaupt? Und wie erklärt man das? Ich möchte es versuchen, indem ich den physischen Körper als Beispiel verwende. Rein faktisch wissen wir mehr über die Funktionsweise des Physischen als des Emotionalen, weshalb sich bestimmte Mechanismen hier besser veranschaulichen lassen. Auf körperlicher Ebene ist ein Sinnesreiz eine Information, die durch einen bestimmten Sinn, wie zum Beispiel den Tastsinn, an das Gehirn weitergeleitet wird, um dort verarbeitet zu werden. Unser Gehirn braucht Informationen über den Zustand unseres Körpers im Verhältnis zu unserer Umgebung, um den reibungslosen Ablauf unserer Kör-

Gefühle sind keine Reize 135 perfunktionen zu koordinieren. Stoffwechsel, Herzschlag, Atem und Hormonhaushalt werden laufend angepasst, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Form der Informationsverarbeitung geschieht ständig und in der Regel ohne, dass wir die entsprechenden Reize bewusst fühlen. Bewusst nehmen wir diese Reize erst dann wahr, wenn etwas eintritt, das der Körper nicht mehr ohne Weiteres ausgleichen kann. Hierbei kann es sich um ein Temperaturextrem wie Hitze oder Kälte handeln oder um eine andere Einwirkung, die für unser Wohlergehen eine Bedrohung darstellt. Und erst wenn der Reiz bewusst wahrgenommen wird, wird aus dem Reiz eine Empfindung, die Temperatur wird gefühlt. Wir nehmen den Reiz bewusst wahr, damit wir etwas unternehmen können, beispielsweise einen Pullover anziehen oder in den Schatten gehen. Eine Empfindung ist also ein Signal, das uns darauf hinweist, dass etwas unserer Aufmerksamkeit bedarf. Meist sind wir für diesen Hinweis dankbar, denn wir wissen, dass er für uns wichtig ist. Dies ist auch nicht weiter schwierig, da wir normalerweise genau wissen, wie wir mit der Empfindung umgehen müssen. Nicht so bei unseren Gefühlen. Gefühle sind keine Reize Da die meisten Menschen die natürliche Funktion der Gefühle als Kräfte nicht kennen, haben sie aufgehört, diese bewusst wahrzunehmen. Die Hilflosigkeit im Umgang mit den eigenen Gefühlen hat dazu geführt, dass sie als Reize behandelt werden und nicht als Empfindungen. Gefühle wollen jedoch gefühlt werden. Sie sind keine Reize, die unser System unbewusst verarbeiten kann oder soll. Auch sie weisen uns darauf hin, dass etwas unserer bewussten Aufmerksamkeit be-

136 WAS IST FÜHLEN? darf. Gefühle wollen bewusst wahrgenommen werden, weil Gefühle uns befähigen sollen, bewusst mit Situationen umzugehen. Bei jedem Gefühl, sei es Wut, Trauer, Angst, Freude oder Scham, geht es um etwas, das unsere bewusste Aufmerksamkeit erfordert etwas muss verändert, akzeptiert, losgelassen, honoriert oder eingestanden werden. Wenn wir Gefühle ausblenden, als seien sie Reize, schneiden wir uns von unserer Umgebung ab. Die Auswirkungen sind ähnlich problematisch, wie wenn wir körperliche Reize, die unsere Aufmerksamkeit brauchen, einfach ausblenden. Greifen wir das Beispiel aus Teil II noch einmal auf, wo es darum ging, dass ein Arbeitskollege mich grundlos angeschnauzt hat. Ich interpretiere dies als falsch und erzeuge Wut, behandle die erzeugte Energie in meinem System jedoch als Reiz und bemu he mich nach Kräften, ihn nicht zu fu hlen. Wie beschrieben lenke ich mich wahlweise mit Schokolade, Internet oder Infotainment ab. Dieses Verhalten ist, nu chtern betrachtet, ähnlich absurd, wie wenn ich in einem u berheizten Raum schwitze und dann viel Energie in Ablenkung investiere, um die Hitze nicht zu fu hlen. Wende ich mich hingegen dem erzeugten Gefu hl zu, bedeutet dies, dass ich einen Moment innehalte und meine Aufmerksamkeit bewusst auf meinen inneren Raum lenke. Genau wie ich in einem heißen Raum zunächst nur ein Unwohlsein registriere und dann meine Aufmerksamkeit auf meinen Körper lenke, um genauere Informationen zu bekommen, was denn eigentlich los ist. Innerhalb von Sekunden scanne ich meinen Körper, um festzustellen, dass mir heiß ist, und auch, welche Körperteile heiß sind. Genauso kann ich es mir zur Gewohnheit machen, meine Aufmerksamkeit bei Unwohlsein direkt auf meinen inneren Raum zu lenken und zu

Beobachten ist nicht fühlen 137 fu hlen, was dort los ist. Mit Übung kann ich sehr schnell erkennen, was mir dort begegnet: Ist es die dumpfe Ladung einer Emotion, ist es eine pseudokörperliche Empfindung oder ist es ein Gefuḧl, das als Kraft eingesetzt werden möchte? Beobachten ist nicht Fühlen Nicht jeder von uns blendet seine Gefühle konsequent aus. Viele Menschen befassen sich sogar recht ausführlich mit ihren Gefühlen, indem sie sie beobachten. Wenn wir Aufmerksamkeit in Form von Gedanken oder Worten auf Empfindungen lenken, fühlen wir sie nicht, sondern wir beobachten sie. Häufig wird Fühlen mit Beobachten verwechselt, vor allem dann, wenn wir gar nicht merken, dass Gedanken und Worte sich zwischen unsere Aufmerksamkeit und die Empfindung geschoben haben, weil wir es gar nicht anders kennen. In der Beobachtung liegt unser Fokus auf der Auswertung der Informationen, die Empfindungen uns liefern. Beobachtung ist daher in erster Linie ein Vorgang, der sich auf der mentalen oder intellektuellen Ebene abspielt. Viele Menschen, die sich für persönliche Entwicklung interessieren, sind sehr gut darin, sich selbst zu beobachten. Sie wissen fast alles über sich, so gut beobachten sie sich selbst. Man kann ihnen eigentlich kaum etwas Neues über sich erzählen. Schließlich wird man es nie schaffen, sie besser zu beobachten, als sie sich selbst beobachtet haben, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, und das oft seit Jahren. Kein Geheimdienst der Welt hat es jemals fertig gebracht, jemanden so umfassend zu beobachten. Menschen, die versierte Beobachter sind, wissen daher häufig über ihre Blockaden, Diskrepanzen und Muster genau Bescheid. Spricht man sie darauf an, sagen sie oft:

138 WAS IST FÜHLEN? Ja, ich weiß. Doch da der Unterschied zwischen Beobachten und Fühlen nicht klar ist, dümpeln gewisse Themen über Jahre quasi unverändert im System vor sich hin und werden lediglich beobachtet. So stellt sich trotz des enormen Aufwandes häufig eine gewisse Frustration ein, denn: Es ist immer das Gleiche. Das liegt daran, dass Beobachtung uns zwar jede Menge Informationen liefert, jedoch kaum etwas am Status quo verändert. Bezogen auf unser vorheriges Beispiel: Ein versierter Beobachter wu rde sich womöglich wirklich an seinem Schreibtisch die Zeit nehmen, seine Aufmerksamkeit nach innen zu lenken, nachdem er dort einen gewissen Tumult bemerkt hat. Er wu rde feststellen, dass er aufgewu hlt ist, und könnte dies sofort in sinnvollen Zusammenhang mit seinen traumatischen Kindheitserfahrungen stellen, von seiner Mutter oft grundlos angefahren worden zu sein. Er könnte recht viel Zeit investieren, genau zu beobachten und akribisch zu notieren, was er fu hlt und warum er es fu hlt. Und er könnte sogar alle möglichen Gedankenkunststu cke probieren, um etwas an seinem inneren Erleben zu verändern. All das wäre eine wunderbare Möglichkeit, wieder nicht zu fuḧlen, denn Fuḧlen spielt sich nicht auf der Ebene der Worte ab. Dennoch ist Beobachten wertvoll, auch wenn es um Gefühle geht. Indem wir uns selbst beobachten, bemerken wir, in welchen Bereichen wir starke Gefühle haben und in welchen nicht. Wir stellen fest, welche Gefühle im Übermaß erzeugt werden und welche Kräfte uns fehlen. Fragen können uns helfen, genauer zu beobachten und präzisere Unterscheidungen zu treffen. Wie steht es mit Entscheidungsfähigkeit oder Abenteuerlust? Wie ist es um die Lebenslust oder die Wertschätzung bestellt? Die Feststellung, dass man in sich selbst keine Wut

Beobachten ist nicht Fühlen 139 kennt, ist der erste Schritt auf dem Weg der Heilung und Erweckung dieser Kraft. Die Erkenntnis, dass Angst bisher nur als lähmend erfahren wurde, ist der Startpunkt für die Erforschung der Angst als Kraft. Durch aufmerksame Beobachtung bemerken wir außerdem, wie wir unsere Gefühle betäuben. Die Liste der verfügbaren Drogen ist heute nahezu endlos. Sie beginnt mit Offensichtlichem, wie legalem und illegalem Drogenkonsum. Sie führt weiter zu weniger Offensichtlichem, wie Fernsehen, Lesen, Essen, Lästern, Einkaufen, Schlafen oder auch Meditation. Durch Beobachtung werden wir uns dieser Strategien bewusst, ohne sie jedoch verändern zu können. Beobachten ist nicht fühlen, deshalb haben wir von der Beobachtungsebene keinen Zugriff auf die emotionale. Es ist ein bisschen, als würden wir uns selbst im Fernsehen sehen. Wir können alles optimal beobachten, jedoch ist jeder Versuch einzugreifen vergebens, denn die emotionalen Mechanismen laufen davon unbeeindruckt woanders ab. Fuḧlen ist Fuḧlen Nun habe ich einiges daru ber gesagt, was Fuḧlen nicht ist, und recht wenig daru ber, was es ist. Fuḧlen ist die direkte Hinwendung zu und Wahrnehmung von einer Empfindung. Fu hlen ist Fu hlen. Der Unterschied zwischen Beobachten und Fu hlen ist wie der Unterschied zwischen Erzählung und Erleben. Es ist wie die beru hmte Erfahrung vom ersten Mal. Wir können endlos daru ber reden und dennoch wird nichts die Erfahrung angemessen in Worte fassen. Wer es erlebt hat, wird sich durch eine gute Beschreibung wieder erinnert fu hlen. Wer es nie erlebt hat, kann auch durch die beste Beschreibung nicht wirklich nachvollziehen, um was es geht.

140 WAS IST FÜHLEN? Umgekehrt ist es so, dass wir ohne Zweifel wissen, dass wir fuḧlen, wenn wir fu hlen. Solange noch ein Zweifel besteht, sind wir wohl eher beim Beobachten oder Vermeiden. Wenn wir fu hlen, sind wir unmittelbar im Erleben und wir wissen, dass wir fuḧlen, einfach weil wir es fuḧlen. Es gibt von Natur aus einen gewissen Widerstand, vor allem die sogenannten negativen Gefu hle zu fu hlen. Wir assoziieren sie mit Schmerz und weichen ihnen daher gerne aus. Fu r die meisten Menschen braucht es auch nach jahrelanger Übung einen Moment des Innehaltens, des Durchatmens und der bewussten Hinwendung zu dem inneren Raum der Wahrnehmung, dass Fu hlen geschehen kann. In dem Moment, wo diese Hinwendung geschehen ist und wir uns in den Raum des Fuḧlens hinein entspannt haben, ist alles gut. Wir merken, wir brauchen keine Angst vor den Gefu hlen haben, sie sind einfach da, wir können sie einfach fuḧlen. Und wir merken, dass sie auch gar nicht weh tun mu ssen unsere Weigerung, uns auf sie einzulassen, war meistens viel schmerzhafter. Schließlich sind diese Gefuḧle kein Problem, sondern die Lösung eines Problems. Die gute Neuigkeit ist: Auch wenn wir uns das Fuḧlen abgewöhnt haben, wir können es uns genauso wieder angewöhnen. Der Schlu ssel dazu liegt, wie so oft, im Üben.