Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs als Kernelement einer Modernisierung des deutschen Föderalismus. Kurzfassung Stand 22.

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Transkript:

Wolfgang Kitterer und Robert Plachta Universität zu Köln Seminar für Finanzwissenschaft Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs als Kernelement einer Modernisierung des deutschen Föderalismus Gutachten im Auftrag des BAW Institut für regionale Wirtschaftsforschung GmbH, Bremen Kurzfassung Stand 22. Oktober 2007 A. Der Bund-Länder-Finanzausgleich Eine kritische Bestandsaufnahme...1 B. Elemente einer Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs...5 C. Ein neuer Bund-Länder-Finanzausgleich...15 D. Flankierende Maßnahmen...19

Kurzfassung 1 A. Der Bund-Länder-Finanzausgleich Eine kritische Bestandsaufnahme 1. Seit der großen Finanzreform Ende der sechziger Jahre ist die unitarische Tendenz des föderalen Systems in Deutschland immer deutlicher hervorgetreten. Die zahlreichen Überschneidungen der Verantwortlichkeiten der Gebietskörperschaften und der daraus resultierende wachsende Einnahmen- und Ausgabenverbund haben in eine Politikverflechtungsfalle geführt, die die politische und wirtschaftliche Dynamik des Landes lähmt. Mit der ersten Stufe der Föderalismusreform, die in 2006 in Kraft trat, wurden zwar die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder in bestimmten Bereichen gestärkt und die Verflechtung der Aufgaben und Ausgaben teilweise aufgehoben. Jedoch blieben bisher wesentliche Teile der Finanzverfassung die primäre Steuerverteilung, der große Steuerverbund durch die Gemeinschaftsteuern sowie der Finanzausgleich von der Reform ausgeklammert. Die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Bundes und der Länder kann man jedoch nur wirklich verbessern und die politischen Verantwortlichkeiten nur dann tatsächlich zuordnen, wenn neben der Entflechtung der Ausgaben auch auf der Einnahmenseite Konsequenzen gezogen werden. Der Steuerverbund und der bestehende Finanzausgleich sind komplex und intransparent. Sie enthalten eine Reihe von Fehlanreizen und sind in ihrer Gesamtwirkung wachstumsfeindlich. Das Gutachten untersucht daher in den Abschnitten B und C, wie die Primärverteilung der Steuern an die Wirtschaftskraft angenähert werden kann, wie der Finanzausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern anreizfreundlicher gestaltet werden kann und wie die Steuerautonomie der Länder durch einen maßvollen Steuerwettbewerb gestärkt werden kann. Ergänzend dazu wird in Abschnitt D ein vertikaler Lastenausgleich und ein System zur Eindämmung der Verschuldung in den Bundesländern skizziert. 2. Das bestehende System des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern lässt sich in fünf Stufen unterteilen: (1) Im Rahmen des primären vertikalen Finanzausgleichs werden die gesamten Steuererträge auf den Bund, die Länder und die Gemeinden verteilt. (2) Auf der zweiten Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs werden die den Ländern (und Gemeinden) insgesamt zustehenden Steuereinnahmen horizontal auf die einzelnen Länder (bzw. Gemeinden) verteilt. (3) Im nachfolgenden Umsatzsteuer- Vorwegausgleich werden bis zu maximal 25 Prozent des den Ländern insgesamt zustehenden Umsatzsteueraufkommens nach Bedarf an finanzschwache Länder verteilt. (4) Im eigentlichen (sekundären) horizontalen Länderfinanzausgleich wird die Finanzkraft finanzschwacher Länder durch Ausgleichszahlungen der finanzstarken Länder an den Länderdurchschnitt angenähert. (5) Im sekundären vertikalen Finanzausgleich erhalten finanzschwache Länder vom Bund zusätzliche Mittel, durch die ihre Finanzkraft auf mindestens 94 Prozent des Länderdurchschnitts angehoben wird. Daneben erhalten die Länder vom Bund verschiedene Sonderbedarfs- Bundesergänzungszuweisungen. Das Umverteilungsvolumen betrug 2005 insgesamt 23,8 Mrd. Euro. Der horizontale Länderfinanzausgleich macht davon mit 6,9 Mrd. Euro (21 %) den geringsten Teil aus. 3. Der Finanzausgleich enthält ein so hohes Maß an Umverteilung und Nivellierung der Finanzkraft, dass daraus starke negative Anreizeffekte entstehen: Diejenigen, die die Ausgleichsleistungen erbringen müssen, werden in ihren Anstrengungen gehemmt, eigenes Einkommen zu erzielen, weil sie einen Teil davon an andere abführen müssen

Kurzfassung 2 und dieses Hemmnis wirkt um so stärker, je höher die Abschöpfung bei zusätzlichem Einkommen die so genannte Grenzbelastung ist. Aber auch die Anstrengungsbereitschaft der Empfänger von Transfers wird geschädigt, weil jeder Einsatz, der ein zusätzliches eigenes Einkommen hervorbringt, mit einem Rückgang der Mittel aus dem Solidarausgleich bestraft wird. Geradezu perverse Züge gewinnt die Umverteilung, wenn ein Land durch eigene Anstrengungen seine Finanzkraft nach Finanzausgleich sogar vermindert, obwohl sein originäres Steueraufkommen steigt. Bereits der Umsatzsteuer-Vorwegausgleich mit einem Volumen von 11,3 Mrd. Euro (2005) ist ein horizontaler Finanzausgleich mit beachtlicher Wirkung. Das Steueraufkommen der Länder (ohne Umsatzsteuer) wird dadurch fast vollständig nivelliert. Ihre Finanzkraft je Einwohner (vor Umsatzsteuer) wird auf mindestens 94,5 Prozent des Länderdurchschnitts angehoben. Ein Land, dessen Steueraufkommen je Einwohner (ohne Umsatzsteuer) im Verhältnis zur durchschnittlichen Steuerkraft der Ländergesamtheit um ein Prozent steigt, verliert 95 Prozent dieses Zuwachses bzw. behält nur 5 Prozent seines zusätzlichen Steueraufkommens. Erst im Bereich zwischen 97 und 100 Prozent des Länderdurchschnitts sinkt der Grenzauffüllungssatz von 95 auf 60 Prozent ab. An die Umsatzsteuerverteilung schließt sich der horizontale Länderfinanzausgleich an. Er enthält sowohl eine andere Bemessungsgrundlage als auch einen anderen Ausgleichstarif als der Umsatzsteuer-Vorwegausgleich. Die Auffüllungssätze sind hier nicht so extrem wie bei den Ergänzungsanteilen der Umsatzsteuer, aber immer noch sehr hoch. Das Ausgleichsniveau steigt relativ schnell an, weil der Grenzauffüllungssatz in den unteren Bereichen konstant bei 75 Prozent liegt. Er sinkt erst in der zweiten und dritten Tarifzone zunächst auf 70 und dann auf 44 Prozent ab. Durch dieses System wurde beispielsweise in 2005 die Finanzkraft der ostdeutschen Länder von 84 Prozent des Länderdurchschnitts (vor Finanzausgleich) auf 94 Prozent des Länderdurchschnitts angehoben. Da der Ausgleichstarif im horizontalen Länderfinanzausgleich symmetrisch angelegt ist, entwickelt sich die Grenzabschöpfung bei den finanzstarken Ländern entsprechend progressiv von 40 auf 75 Prozent. Der horizontale Länderfinanzausgleich und der vorgelagerte Umsatzsteuer-Vorwegausgleich sind zwei verschiedene Umverteilungssysteme mit irrationalen Schwellenphänomenen, die erhebliche Fehlanreize erzeugen können. Wenn beispielsweise ein finanzschwaches Land durch erfolgreiche Wirtschaftspolitik sein Steueraufkommen erhöht, werden seine Ergänzungsanteile an der Umsatzsteuer reduziert. Dadurch hat das Land unter Umständen nach Finanzausgleich eine geringere Finanzkraft als vor der Erhöhung seines Steueraufkommens. Dies ist nicht nur ein Fehlanreiz, sondern eine Verkehrung des Ausgleichsgedankens, weil das Land letztlich besser dasteht, wenn sein Steueraufkommen niedrig bleibt. Die Wirkungen des Eigenbehalts in dem so genannten Prämienmodell, das von der Bundesregierung als ein wesentlicher Beitrag zur Berücksichtigung von Anreizeffekten des Finanzausgleichs angesehen wird, sind für die prämienberechtigten Länder kaum nennenswert. Auf der letzten Stufe des Ausgleichssystems erhalten so genannte leistungsschwache Länder allgemeine Zuweisungen vom Bund. Als leistungsschwach gilt ein Land, wenn seine Finanzkraft nach dem horizontalen Länderfinanzausgleich noch nicht 99,5 Prozent seiner Ausgleichsmesszahl erreicht hat. Mit den allgemeinen Bundesergänzungs-

Kurzfassung 3 zuweisungen gelangen die finanzschwachen neuen Länder auf über 98 Prozent ihrer Ausgleichsmesszahl. Nur noch Berlin (97,4) und Bremen (97,8) liegen darunter. Auch die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen tragen zu den widersprüchlichen Schwelleneffekten bei. Steigt das Steueraufkommen eines Landes, werden seine Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen reduziert, so dass, der Fall eintreten kann, dass das Land trotz gestiegener Steuern letztlich geringere Einnahmen hat. Das Ergebnis des zum Teil widersprüchlichen Zusammenwirkens der einzelnen Elemente des Finanzausgleichssystems ist in Abb. K-1 dargestellt. Dort wurden auf der Basis der vorläufigen Abrechnung des Finanzausgleichs für das Jahr 2005 die so genannten Abschöpfungsquoten ermittelt. Sie geben an, welcher Anteil in den einzelnen Ländern von einer Million zusätzlichem Lohnsteueraufkommen durch den Länderfinanzausgleich insgesamt abgeschöpft wird. 120 Abb. K-1: Abschöpfungsquoten im Finanzausgleich Von 1 Million zusätzlichem Lohnsteueraufkommen verliert das Land. %. 100 Abschöpfungsquoten (%) 80 60 40 20 0 NW BY BW NI HE RP SH SL SN ST TH BB M V HH HB BE HB FAG 0 5. xls ohne Gemeindeeinnahmen mit Gemeindeeinnahmen Paradoxerweise sind die finanzschwachen Länder von den negativen Anreizproblemen besonders betroffen. Für alle Empfängerländer im Finanzausgleich beträgt die Abschöpfung auf der Ebene der Ländereinnahmen (ohne Gemeindeeinnahmen) mehr als 100 Prozent. Die Mehreinnahmen der Geberländer im Finanzausgleich werden zwischen 82,4 Prozent in Nordrhein-Westfalen, dem finanzschwächsten Geberland, und 96,9 Prozent in Hamburg abgeschöpft. Berücksichtigt man die Veränderung der Gemeindeeinnahmen, sind die Abschöpfungsquoten etwas geringer. Aber auch dort ist festzustellen, dass gerade die finanzschwachen Länder die höchsten Abschöpfungsquoten haben. Sie liegen beispielsweise bei den ostdeutschen Ländern zwischen 86 und 93 Prozent. 4. Die Wirtschaftskraft eines Landes ist die Basis für seine Steuerkraft. Dennoch ist auffallend, dass gerade in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg Steuer- und

Kurzfassung 4 Wirtschaftskraft stark voneinander abweichen. In den letzten zehn Jahren lag das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner um 18 bis 25 Prozent über dem Durchschnitt der Flächenländer. Dagegen war der Anteil der Steuereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt um 3 bis 9 Prozent niedriger als im Durchschnitt der Flächenländer. Diese unterdurchschnittliche Steuerausstattung der Stadtstaaten ist keineswegs selbstverständlich. Eher wäre das Gegenteil zu erwarten, weil in den Stadtstaaten nicht nur wegen ihrer weit überdurchschnittlichen Wirtschaftskraft, sondern auch wegen der Progression der Lohn- und Einkommensteuer ein überdurchschnittliches Steueraufkommen zu erwarten wäre. Eine wesentliche Ursache für die geringe Steuerquote in den Stadtstaaten sind die derzeit gültigen Zerlegungsvorschriften, insbesondere die Zerlegung der Lohnsteuer nach dem Wohnsitzprinzip und die Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwohnern. Da die Stadtstaaten hohe Einpendlersalden haben, fließt ein großer Teil der dort erwirtschafteten Steuereinnahmen in die umliegenden Flächenländer ab. So musste Hamburg in 2005 je Einwohner 1.235 Euro Lohnsteuer an das Umland abgeben; Bremen immerhin noch 498 Euro je Einwohner. Wie Abbildung K-2 zeigt, lag der Zer- Abbildung K-2: Zerlegungsanteile der Lohnsteuer (Hamburg und Bremen) (1970 bis 2005, Anteil am örtlichen Lohnsteueraufkommen) vh des örtlichen Lohnsteueraufkommens 40 35 30 25 20 15 10 5 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 HB FAG-Tab 05.xls Hamburg Bremen legungssaldo Hamburgs bzw. Bremens in den siebziger Jahren noch zwischen 18 und 24 Prozent bzw. zwischen 13 und 17 Prozent des örtlichen Aufkommens. In den letzten zehn Jahren betrug dagegen der Lohnsteuerverlust Hamburgs zwischen 34 und 37 Prozent seines örtlichen Aufkommens, der von Bremen zwischen 28 und 30 Prozent. Die Zerlegung der Lohnsteuer nach dem Wohnsitzprinzip honoriert nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern unterstützt die Wohngemeinden. Ein produktions- und wertschöpfungsorientierter Wettbewerb sollte sich dagegen stärker am Äquivalenzprinzip orientieren und eine engere Beziehung zwischen Wirtschaftskraft und Steuerkraft herstellen.

Kurzfassung 5 Auch die Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwohnern ist nicht sachgerecht. Wenn man davon ausgeht, dass die Umsatzsteuer den Konsum belastet, müssten Länder mit einem höheren Pro-Kopf-Konsum auch höhere Umsatzsteuern erhalten. In Bremen und Hamburg ist der private Verbrauch mit 18.270 Euro bzw. 21.037 Euro je Einwohner deutlich höher als in Niedersachsen (15.450 Euro je Einwohner) und Schleswig- Holstein (15.144 Euro je Einwohner). Die Verteilung der Umsatzsteuer nach Einwohnern unterstellt jedoch fälschlicherweise, dass die Einwohner beider Länder den gleichen Durchschnittskonsum haben. Bremen und Hamburg verlieren also auch durch dieses Verfahren einen Teil ihres Steueraufkommens an das Umland. B. Elemente einer Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs 1. Die kritische Analyse des bestehenden Finanzausgleichs fördert eine Reihe zentraler Mängel zutage. Aufgrund seiner Schwächen sollte sich die Reform des Steuerverteilungs- und Finanzausgleichssystems an den Kriterien der Transparenz, Konsistenz und Anreizkompatibilität ausrichten. Das bedeutet im Einzelnen: 1. Der Zugriff unterschiedlicher Gebietskörperschaften auf den Steuerzahler sollte transparenter werden und durch einen maßvollen Steuerwettbewerb ergänzt werden (Stärkung der Steuerautonomie); 2. Jedes Bundesland sollte sicher sein, dass das aus seiner Wirtschaftskraft entstammende Steueraufkommen ihm auch tatsächlich zufließt (wirtschaftskraftorientierte Steuerverteilung); 3. Der Solidarausgleich zwischen finanzschwachen und finanzstarken Ländern sollte so gestaltet sein, dass sich die Bemühungen jedes Landes um Verbesserung seiner Finanzkraft auch wirklich lohnen (Anreizkompatibilität); 4. Das System der Einnahmen- und Ausgabenverteilung sollte für keine der beteiligten Gebietskörperschaften die Möglichkeit bieten, sich übermäßig zu verschulden bzw. die Folgen einer unsoliden Haushaltspolitik auf die Solidargemeinschaft abzuwälzen (Schuldengrenzen). Bevor einzelne Reformelemente des horizontalen und vertikalen Finanzausgleichs diskutiert werden, wird zunächst gesondert die Zurechnung der örtlichen Steueraufkommen im Rahmen der Zerlegung der Lohnsteuer und der Verteilung der Umsatzsteuer untersucht. Wirtschaftskraftorientierte Primärverteilung der Steuern 2. Die geltende Rechtslage verteilt das Lohnsteueraufkommen gemäß dem Wohnsitzlandprinzip. Sofern Einwohner zum Arbeitsort pendeln, fallen die Steuerkraft und die Wirtschaftskraft auseinander. Darunter leiden insbesondere die Stadtstaaten mit den hohen Einpendlersalden. Es kann gezeigt werden, dass die starken Abweichungen zwischen Wirtschaftskraft und Steueraufkommen schon auf der Ebene der primären Steuerverteilung durch eine wirtschaftskraftorientierte Verteilung der Steuern beseitigt werden können. Tabelle K-1 zeigt die Auswirkungen verschiedener Zerlegungs- bzw. Verteilungsprinzipien auf. Bei der Lohnsteuer bieten sich als Alternativen die Zerlegung nach dem Betriebsstättenprinzip, der Erwerbstätigenzahl oder dem Bruttoinlandsprodukt an.

Kurzfassung 6 Tabelle K-1 Lohnsteuerzerlegung Geltendes Recht: Wohnsitzlandprinzip Erwerbstätigenzahl Bruttoinlandsprodukt Umsatzsteuerverteilung Geltendes Recht der Umsatzsteuer- Verteilung Umsatzsteuer- Verteilung nach dem Bruttoinlandsprodukt Horizontale Primärverteilung des Steueraufkommens Auswirkungen nach Mechanismus Direkter Effekt Finanzausgleich Lohnsteueraufkommen wird dem Wohnsitzland des Lohnsteuerzahlers zugerechnet Betriebsstättenprinzip Lohnsteueraufkommen wird dem Land der Erwirtschaftung des Lohnes zugerechnet. Lohnsteueraufkommen wird gemäß des landesspezifischen Anteils der Erwerbstätigen zugerechnet. Lohnsteueraufkommen wird gemäß dem landesspezifischen Anteil am Bruttoinlandsprodukt zugerechnet Ergänzungsanteile (bis zu 25%) füllen einnahmeschwache Länder auf. Der Rest wird nach Einwohnern verteilt. Umsatzsteueraufkommen wird gemäß dem landesspezifischen Anteil am Bruttoinlandsprodukt verteilt. Lohnsteuerzerlegung und Umsatzsteuerverteilung Zerlegung bzw. Verteilung der Lohn- Lohnsteuerzerlegung und Umsatzsteuer und Umsatzsteuer- gemäß dem landesspezifischen Anteil Verteilung nach dem Bruttoinlandsprodukt am Bruttoinlandsprodukt. Länder mit hohem Einpendlersaldo (Stadtstaaten) verlieren Steueranteile an die umliegenden Länder. Länder mit hohem Auspendlersaldo profitieren. Wirtschaftskraftnahe Verteilung, stark beeinträchtigt durch zentrale Lohnabrechnungen national weit agierender Firmen, bei denen der Ort der Wertschöpfung vom Ort des vereinnahmenden Finanzamts abweicht. Bewirkt Gleichverteilung des Steueraufkommens je Erwerbstätigen. Aufgrund der Steuerprogression werden wirtschaftsstarke (-schwache) Länder benachteiligt (bevorzugt). Bewirkt Gleichverteilung des Steueraufkommens gemäß dem Bruttoinlandsprodukt. Aufgrund der Steuerprogression werden wirtschaftsstarke (-schwache) Länder benachteiligt (bevorzugt). Rechtlich gehört die Verteilung zum originären Steueraufkommen. Ökonomisch stellt sie bereits eine bedeutsame Umverteilung dar. Bewirkt Gleichverteilung des Steueraufkommens gemäß dem Bruttoinlandsprodukt. Die Umverteilung wird beseitigt. Horizontale Primärverteilung der Verbundsteuern nach der Wirtschaftskraft ermöglicht eine Bindung der Finanzkraft an die Wirtschaftskraft. Gewinner: NW, BW, HE, HH, HB Verlierer: BY, NI, RP, SH, SL, SN, ST, TH, BB, MV, BE Gewinner: NI, RP, SH, SL, SN, ST, TH, BB, MV, HB, BE Verlierer: NW, BY, BW, HE, HH Gewinner: BY, NI, SL, SN, ST, TH, BB, MV, HH, HB Verlierer: NW, BW, HE, RP, SH, BE Gewinner: NW, BY, BW, HE, RP, HH, HB Verlierer: NI, SH, SL, SN, ST, TH, BB, MV, BE Gewinner: NW, BY, BW, HE, SL, HH, HB Verlierer: NI, RP, SH, SN, ST, TH, BB, MV, BE

Kurzfassung 7 Das Betriebsstättenprinzip als direkter Gegensatz zum Wohnsitzlandprinzip scheint zunächst geeignet zur Behebung der Problematik. Allerdings wird dadurch nicht die fehlende Lohnsteuerzerlegung von Unternehmen korrigiert, die eine zentrale Lohnabrechnung auf nationaler Ebene vornehmen. Die wirtschaftskraftbezogenen Indikatoren Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätigenzahl bewirken eine Umschichtung der Lohnsteuer zugunsten der finanzschwachen Länder. Diese Länder sind typischerweise Empfänger von Umsatzsteuer-Ergänzungsanteilen im Umsatzsteuer- Vorwegausgleich. Gewinnen finanzschwache Länder durch die wirtschaftskraftorientierte Steuerverteilung Einnahmen hinzu, werden ihnen diese auf der Ebene der Umsatzsteuerverteilung aufgrund der Absenkung des Volumens der Ergänzungsanteile wieder weitgehend genommen, weil das Volumen der Umsatzsteuer- Ergänzungsanteile entsprechend sinkt. Die finanzschwachen Länder, die im Rahmen der Zerlegung nach dem Betriebsstättenprinzip Lohnsteueranteile verlieren, gewinnen vice versa auf der Ebene der Umsatzsteuerverteilung Ergänzungsanteile hinzu, so dass vor dem Finanzausgleich im engeren Sinne bereits mehrere Umverteilungskomponenten greifen. Mit dem Übergang zur Verteilung der Umsatzsteuer nach dem Bruttoinlandsprodukt und der Verknüpfung mit einer entsprechenden Zerlegung der Lohnsteuer wurden zwei noch tiefer greifende Reformoptionen für einen stärker wirtschaftskraftorientierten Finanzausgleich untersucht. Bei der Analyse im Rahmen des ab 2005 geltenden Finanzausgleichssystems, zeigt sich, dass der Wegfall des Umsatzsteuer- Vorwegausgleichs gerade für die finanz- und wirtschaftsschwachen Regionen eine große Bedeutung hat. Auch wenn daher vor allem die ostdeutschen Länder wegen der schwindenden Umsatzsteueranteilen Einnahmeneinbußen erleiden, ebnet der Finanzausgleich im engeren Sinne in Verbindung mit der Ausweitung der Fehlbetrags- Bundesergänzungszuweisungen die Einnahmendifferenzen weitgehend ein. Für das Land Bremen hat eine stärker an der Wirtschaftskraft orientierte Steuerverteilung aus dem gleichen Grund nicht die erhoffte Wirkung. Zwar mindert sich seine Abhängigkeit vom Ausgleichssystem durch das höhere eigenständige Steueraufkommen. Durch die Minderung der Ausgleichszahlungen im horizontalen Länderfinanzausgleich und der Bundesergänzungszuweisungen wird dieser Vorteil aber zunichte gemacht, teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt. Die praktikabelste Lösung bietet die Zerlegung gemäß dem Bruttoinlandsprodukt, sofern der sich an die Zerlegung anschließende Finanzausgleich ebenfalls reformiert wird. Eine Reform, die die Finanzkraft der Länderhaushalte mit der Wirtschaftskraft der Länder in Einklang zu bringen versucht, darf somit nicht allein auf der Stufe der Steuerzerlegung ansetzen, sondern muss tiefer greifen. Horizontale und vertikale Reformelemente Die strukturelle Reform zur Erreichung nicht nur der wirtschaftskraftnahen Steuerverteilung, sondern auch der Steigerung der Anreizkompatibilität macht zusätzliche Eingriffe in das Finanzverteilungssystem notwendig. Bedarf zur Veränderung besteht bei den horizontalen Ausgleichselementen, namentlich den Umsatzsteuer-Ergänzungsanteilen, der Einbeziehung der Gemeindesteuereinahmen und dem Ausgleichstarif sowie bei dem vertikalen Ausgleichselement Fehlbetrags-

Kurzfassung 8 Bundesergänzungszuweisungen. Reformoptionen bestehen auch in einer grundlegenden Änderung der vertikalen Finanzverflechtung von Bund und Ländern. Einerseits ist die Einführung der partiellen Ländersteuerautonomie in Form von Zuschlagsrechten auf die Einkommensteuer denkbar. Andererseits wird eine Einführung eines Trennsystems, das den Ländern das Einkommensteueraufkommen und das Körperschaftsteueraufkommen überlässt und bei dem im Gegenzug der Bund das Umsatzsteueraufkommen einbehält, diskutiert. Tabelle K-2 vermittelt eine Übersicht über die einzelnen Reformelemente, erläutert kurz deren Ausgestaltung und beschreibt den partiellen Effekt gegenüber dem geltenden Recht sowie den Gesamteffekt nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs. Tabelle K-2 Horizontal Umsatzsteuer- Ergänzungsanteile Gemeindeansatz Linearer Ausgleichstarif Horizontale und vertikale Reformelemente im Finanzausgleich Auswirkungen nach Reform Direkter Effekt Finanzausgleich Ergänzungsanteile (bis zu 25% des Ust- Aufkommens) werden nicht angewendet. (Einfachgesetzlich) Steuereinnahmen der Gemeinden werden zu 100 v.h., bisher lediglich zu 64 v.h., in der Finanzkraft berücksichtigt. Linearer Ausgleichstarif in Höhe von 60% anstelle von gestaffelter Progression. Trennsystem Steuerautonomie Vertikal Abschaffung der Allgemeine allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen (F-BEZ) Bundesergänzungs- (Fehlbetrags-) zuweisungen. Einkommensteuerund Körperschaftsteueraufkommen den Ländern; Umsatzsteueraufkommen dem Bund. Zuschlagsrecht zur Einkommensteuer in Höhe von 5%, Zuschläge sind nicht FAG-relevant. Länder mit unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen erhalten keine Auffüllung ihrer Steuereinnahmen. Tendenziell haben finanzstarke Länder auch finanzstarke Gemeinden. Die vollständige Einbeziehung erhöht deren Finanzkraft und verlangt von ihnen höhere Beiträge. Geberländer, deren Abschöpfungsquoten unter (über) 60% im g.r liegen, erfahren höhere (niedrigere) Lasten. Nehmerländer, deren Auffüllquoten unter (über) 60% liegen, beziehen höhere (niedrigere) Zuweisungen. Empfängerländer werden nur durch den horizontalen Finanzausgleich an die länderdurchschnittlichen Einnahmen aufgefüllt. Wirtschaftsstarke Länder mit hohem Lohnsteueraufkommen profitieren stark, Empfänger von Umsatzsteuer-Ergänzungsanteilen verlieren. Saldo: Bund -191 Mio. Euro, Länder +191 Mio. Euro. Wirtschaftsstarke Länder mit hohem Lohnsteueraufkommen profitieren stark, wirtschaftsschwache Länder verlieren nur leicht durch umverteilende Wirkung des FAG. Gewinner: NW, BY, BW, HE, RP, SH, HH, HB Verlierer: NI, SL, SN, ST, TH, BB, MV, BE Gewinner: Länder mit finanzschwachen Gemeinden Verlierer: Länder mit finanzstarken Gemeinden Gewinner: BY, BW, HE, NI, RP, SH, SL, HH Verlierer: NW, SN, ST, TH, BB, MV, HB, BE Gewinner: Bund Verlierer: NI, RP, SH, SL, SN, ST, TH, BB, MV, HB, BE Gewinner: NW, BY, BW, HE, RP, Sh, HH, HB Verlierer: NI, SN, ST, TH, BB, MV, BE Gewinner: NW, BY, BW, HE, RP, HH Verlierer: NI, SH, SL, SN, ST, TH, BB, MV, HB, BE

Kurzfassung 9 Ein vereinfachter Finanzausgleich 3. Die dargestellten Reformelemente sollen so kombiniert werden, dass ein einfaches, transparentes und anreizfreundliches Finanzausgleichssystem erreicht wird. Im folgenden Abschnitt werden die Wirkungen zweier vereinfachter Ausgleichssysteme dargestellt. Der erste Reformvorschlag (Ein vereinfachter Finanzausgleich) beinhaltet die Abschaffung der Umsatzsteuer-Ergänzungsanteile und der Fehlbetrags- Bundesergänzungszuweisungen, die volle Einbeziehung der Gemeindesteuereinahmen sowie einen linearen Ausgleichstarif. Alle vorgesehenen Änderungen bedürfen keines Eingriffs in die Verfassung, sondern können auf einfachgesetzlichem Wege umgesetzt werden. Die durch das geltende Recht vorgegebenen Zerlegungsregeln insbesondere die kritisierte Zerlegung der Lohnsteuer nach dem Wohnsitzprinzip und die Verteilung der Umsatzsteuer nach der Einwohnerzahl werden dagegen zunächst unverändert übernommen. In einer Variante wird weiterhin ohne grundgesetzliche Änderung die Lohnsteuerzerlegung gemäß dem Bruttoinlandsprodukt vorgenommen. Der vereinfachte Finanzausgleich erhöht die Transparenz des Systems. Die Reformen begünstigen tendenziell die finanzstarken Länder, die Finanzkraftrelationen werden deutlich gespreizt. Die Anreizfeindlichkeit geltender Regelungen kann gemildert werden, wenn auch die Steuerzerlegung reformiert wird. Eine wirtschaftskraftorientierte Steuerzerlegung begünstigt die wirtschaftsschwächeren Regionen, sowohl im Vergleich zum geltenden Recht als auch beim Vergleich der Anreizkompatibilität. Nach Art. 107 Abs.1 GG wird der Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer im Wesentlichen d.h. mit Ausnahme der Umsatzsteuer-Ergänzungsanteile nach der Einwohnerzahl auf die einzelnen Länder verteilt. Daher ist eine konsequent wirtschaftskraftorientierte Steuerverteilung der Umsatzsteuer nur mittels Änderung des Grundgesetzes möglich. Es zeigt sich, dass ein stärker wirtschaftskraftorientierter und vereinfachter Finanzausgleich eine hohe Anreizkompatibilität ermöglichen kann. Die Armutsfalle im geltenden Recht kann behoben werden, das heißt eine Wirtschaftspolitik, die ein höheres Bruttoinlandsprodukt und zusätzliches Steueraufkommen erzeugt, wird belohnt. Steuerautonomie im Verbundsystem Zuschlagsrechte der Länder 4. Das deutsche Steuersystem ist durch einen sehr hohen Anteil so genannter Gemeinschaftsteuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) gekennzeichnet. Sowohl beim Bund als auch bei den Ländern macht der Anteil an den Gemeinschaftsteuern etwa drei Viertel ihrer gesamten Steuereinnahmen aus. Auf der Ebene einzelner Länder besteht darüber hinaus praktisch kein autonomer steuerpolitischer Handlungsspielraum, aber auch keine direkte Verantwortung für die steuerliche Belastung der Bürger. Beides hat negative Folgen. Die politische Verantwortung für die Steuerpolitik ist nicht klar erkennbar. Bei hohen Ansprüchen an eine gleichmäßige Versorgung mit öffentlichen Leistungen führt die fehlende steuerpolitische Manövriermasse in die Verschuldung, und zwar umso eher, je einfacher die daraus entstehenden Lasten auf die Solidargemeinschaft aus Bund und Ländern verschoben werden können.

Kurzfassung 10 Zur Stärkung der Steuerautonomie könnten die einzelnen Länder das Recht erhalten, im gegebenen Verbundsystem begrenzte Zuschläge auf die Einkommensteuer zu erheben. Die gemeinsame Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer würde dabei erhalten bleiben. Der Steuerwettbewerb wäre transparenter, weil er sich an der Variation der landesspezifischen Zuschläge orientieren könnte. Eine generelle Erhöhung der Steuerbelastung könnte vermieden werden, wenn der Einführung von Zuschlagsrechten eine entsprechende Senkung des Einkommensteuertarifs vorausginge. Die Einführung von Zuschlagsrechten für die Länder erfordert allerdings eine Änderung der Finanzverfassung. Die Simulation einer fünfprozentigen aufkommensneutralen Ländersteuerautonomie wird im bestehenden Länderfinanzausgleich, im vereinfachten Finanzausgleich ohne und mit (Variante 1) wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung berechnet. Im Allgemeinen können die wirtschaftskraftstarken Länder profitieren. Die Verluste der finanzschwachen Länder sind jedoch begrenzt. Wirtschaftsstarke Länder sind auf die Lohnsteuereinnahmen weitaus stärker angewiesen, als die wirtschaftsschwächeren Länder. Ein Verzicht auf die Erhebung eines autonomen Steuerzuschlags geht für die starken Länder mit höheren Einbußen einher, als in Ländern, deren Lohnsteueraufkommen ohnehin niedrig ist. Reformszenarien im Trennsystem 5. Die Verantwortlichkeiten in der Steuerpolitik lassen sich schärfer trennen, indem man ein so genanntes gebundenes Trennsystem einführt. Die Trennung der Ertragshoheit kommt dadurch zustande, dass man das Aufkommen der Einkommensteuer ausschließlich den Ländern zuordnet. Gebunden ist dieses System dadurch, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Bemessungsgrundlage und den Tarif nach wie vor dem Bund (mit Zustimmungspflicht des Bundesrates) zusteht. Der Steuerwettbewerb könnte in diesem Fall nach vorheriger Absenkung des Basistarifs durch Zuschläge der Länder auf die Steuerschuld ihrer Zensiten im Rahmen einer vorgegebenen Variationsbreite (z.b. 5 oder 10 Prozent) geführt werden. Wie beschrieben, lässt sich ein solches Zuschlagssystem auch in dem gegebenen Steuerverbund realisieren. Dennoch wäre es verfehlt, die Einführung eines Trennsystems als einen unnötig komplizierten Weg zu einer größeren Steuerautonomie anzusehen. Bei den Gemeinschaftsteuern lösen steuerpolitische Eingriffe immer schwer durchschaubare Debatten und Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern aus. Im gebundenen Trennsystem muss allein der Bund erklären, warum er die Umsatzsteuer ändern will, während Zuschläge bei der Einkommensteuer ausschließlich von den Ländern vertreten werden müssen. Untersucht wird das Trennsystem zunächst ohne Zuschlagsrechte der Länder. Die Umsatzsteuer wird dem Bund zugeteilt, die Lohn- und veranlagte Einkommensteuer sowie die Körperschaftsteuer den Ländern. Mit dieser neuen Verteilung ergeben sich unmittelbare Wirkungen auf den Finanzausgleich, weil sowohl die Umsatzsteuer- Ergänzungsanteile als auch die nach Einwohnern verteilte Umsatzsteuer entfallen. Das Zerlegungsproblem für die Lohnsteuer besteht jedoch nach wie vor. Deshalb wird auch untersucht, wie sich das Trennsystem auf die Finanzausstattung der Länder auswirkt, wenn zusätzlich die Lohnsteuer nicht wie im gegenwärtigen System nach dem

Kurzfassung 11 Wohnsitzprinzip, sondern nach der Wirtschaftskraft, d.h. nach dem Bruttoinlandsprodukt, verteilt wird. Ebenso wird überprüft, welche Folgen sich im Trennsystem ergeben, wenn ein vereinfachter Finanzausgleich mit voller Einbeziehung der Gemeindeeinnahmen in die Finanzkraftmesszahl und mit einem linearen Ausgleichstarif eingeführt wird. Alle Varianten des Trennsystems (ohne und mit wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung, Trennsystem im vereinfachten Finanzausgleich ohne und mit wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung) begünstigten die wirtschaftsstarken Länder, die ein hohes bzw. zumindest überdurchschnittliches örtliches Lohnsteueraufkommen aufweisen können. Leidtragende sind die heutigen Empfänger von Umsatzsteuer-Ergänzungsanteilen, die aufgrund der Ausgestaltung des Trennsystems entfallen. Wenn die Lohnsteuer im Trennsystem nach Wirtschaftskraft verteilt wird, verbreitert sich die steuerliche Bemessungsgrundlage des Stadtstaates Bremen derart stark, dass er zum Zahlerland wird. Dies trifft sowohl im Trennsystem als auch im vereinfachten Trennsystem mit wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung zu (Variante 3), allerdings nicht, wenn beide Systeme mit Zuschlagsrechten der Länder kombiniert werden. In allen Szenarien ist zu erkennen, dass die wirtschaftsstarken Länder einen höheren Anteil ihrer überdurchschnittlichen Einnahmen behalten und somit eine stärkere Kongruenz von Wirtschafts- und Finanzkraft erzielen können. In den beiden ersten Trennsystem-Szenarien kann vor allem aufgrund der Fehlbetrags- Bundesergänzungszuweisungen eine Mindestfinanzausstattung von 95,6 Prozent (im geltenden Recht 97,5 Prozent) der länderdurchschnittlichen Finanzausstattung aufrecht erhalten werden. Im vereinfachten Finanzausgleich hingegen leiden insbesondere die ostdeutschen Flächenländer, weil die Mindestfinanzausstattung auf unter 80 Prozent des Länderdurchschnitts sinkt. Das Trennsystem hat zur Folge, dass die Länder ihre Bemühungen auf die Pflege ihrer Lohn- und Einkommensteuer sowie der Körperschaftsteuer konzentrieren können. Um zu überprüfen, ob die Reformszenarien des Trennsystems die richtigen Anreize enthalten, werden für die bisher dargestellten Reformszenarien zusätzlich die systemimmanenten Abschöpfungsquoten zusätzlicher Steuereinnahmen berechnet. Aufgrund des Wegfalls der Umsatzsteueranteile für die Länder entfällt nunmehr die umverteilende Wirkung des Umsatzsteuer-Vorwegausgleichs. Die beiden Ausgleichsebenen, der horizontale Finanzausgleich im engeren Sinne und die Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen, bewirken dennoch eine starke Nivellierung der Ausgaben im Verhältnis zum geltenden Recht. Eine anreizkompatible Lösung bietet hingegen der vereinfachte Finanzausgleich, in dem diese Komponenten gemildert werden, bzw. entfallen. Ergänzt um die wirtschaftskraftorientierte Lohnsteuerzerlegung können vor allem für die Nehmerländer niedrige Abschöpfungsquoten aufgezeigt werden. Dies ermöglicht ein Finanzausgleichsystem, welches keine Armutsfalle in sich birgt.

Kurzfassung 12 Steuerautonomie durch Zuschlagsrecht der Länder im Trennsystem 6. Die Synthese des Trennsytems und der Ländersteuerautonomie ergänzt um den vereinfachten Finanzausgleich ohne und mit wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung ist aus heutiger Sicht visionär. Sie erfüllt weitgehend die Anforderungen an einen leistungsorientierten und anreizfreundlichen Finanzausgleich. Es entsteht eine ökonomisch wünschenswerte Bindung der Finanzkraft an die Wirtschaftskraft der Länder. Alle heutigen Geberländer aber auch der Stadtstaat können durch ihre Wirtschaftskraft Mehreinnahmen verzeichnen. Zugleich entstehen jedoch massive finanzielle Umschichtungen zugunsten der wirtschaftsstarken Länder. Hierauf wird im Abschnitt C vertiefend eingegangen. Zusammenfassende Beurteilung Tabelle K-3 gibt einen Überblick über die im Gutachten simulierten Reformszenarien. Es wird zusammenfassend aufgezeigt, welche Reformelemente die einzelnen Szenarien beschreiben. Zugleich wird dargestellt, welche Länder aufgrund des Einnahmenvergleichs nach dem Länderfinanzausgleichs profitieren könnten, und somit als Gewinner einer Reform gelten. Beinhaltet ein Reformszenario das jeweilige Reformelement, so ist dies mit einem gekennzeichnet, die Kennzeichnung ( ) deutet an, dass im Trennsystem die Umsatzsteuer-Ergänzungsanteile entfallen, weil das Umsatzsteueraufkommen vollständig dem Bund zugeordnet wird. Eine leistungsorientierte Reform des Ausgleichssystems erfordert ein größeres Maß an Steuerautonomie für die Länder, eine stärker an der Wirtschaftskraft orientierte Steuerzerlegung sowie eine größere Transparenz des Finanzausgleichs. Das zuletzt beschriebene Trennsystem, das die Umsatzsteuer dem Bund und die Einkommensteuer den Ländern zuordnet, wobei die Länder zugleich begrenzte Zuschlagsrechte erhalten, halten wir für einen sinnvollen Ansatz für eine solche leistungsorientierte Reform. Bei der Analyse des bestehenden Ausgleichssystems wurde ausführlich begründet, dass nicht nur die bestehende Lohnsteuerzerlegung nach dem Wohnsitzprinzip, sondern auch die Verteilung der Umsatzsteuer der Orientierung der Steuerverteilung an der Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes widerspricht. Konsequent wäre demnach, sowohl die Lohnsteuerzerlegung als auch die Umsatzsteuerverteilung entsprechend zu ändern. Die Chancen auf eine solch radikale Reform wären wahrscheinlich gering, zumal die Schwächen der bestehenden Umsatzsteuerverteilung nach Einwohnern weder in der Wissenschaft noch in der politischen Diskussion wahrgenommen werden. Außerdem würde die Verteilung der Umsatzsteuer nach der Wirtschaftskraft gerade in den finanzschwachen Ländern, ganz besonders aber in den ostdeutschen Ländern, zu außerordentlich hohen Einnahmenverluste führen. Hinsichtlich der Zerlegung der Lohnsteuer laufen die meisten Vorschläge in der Literatur darauf hinaus, das Wohnsitzprinzip nicht ganz abzuschaffen, sondern die Lohnsteuer hälftig nach dem Wohnsitzprinzip und nach dem Betriebsstättenprinzip zu zerlegen. Daher enthält der in diesem Abschnitt dargelegte Reformvorschlag letztlich einen Kompromiss. Er verzichtet auf die wirtschaftskraftorientierte Reform der Umsatzsteuerverteilung, fordert aber stattdessen eine vollständige Abschaffung des

Kurzfassung 13 Tabelle K-3: Reformenszenarien Reformelement Kapitel Gewinner nach Finanzausgleich Reformszenario Trennsystem Steuerautonomie Wirtschaftskr. Umsatzsteuer verteilung Wirtschaftskr. Lohnsteuerzerlegung USt.- Ergänzungsant. entfallen Gemeindeansatz 100% Linearer Ausgleichstarif 60% F-BEZ entfallen Vereinfachter Finanzausgleich B 3.2 NW, BY, BW, HE, RP, SH, HH (einfachgesetzlich) Variante 1 B 3.3 NW, BY, BW, SL, HH, HB Vereinfachter Finanzausgleich (grundgesetzlich) B 4.1.1 NW, BY, BW, HE, HH, HB Steuerautonomie im Verbundsystem B 4.2.3 NW, BY, BW, HE, RP, SH, HH Steuerautonomie im vereinfachten B 4.2.4 NW, BY, BW, HE, RP, SH, HH Finanzausgleich Variante 1 B 4.2.5 NW, BY, BW, HH, HB Trennsystem ( ) B 5.2 NW, BY, BW, HE, RP, SH, HH, HB Variante 1 ( ) B 5.3 NW, BY, BW, HE, SL, HH, HB Variante 2 ( ) B 5.4 NW, BY, BW, HE, RP, HH Variante 3 ( ) B 5.5 NW, BY, BW, HE, HH, HB Steuerautonomie im Trennsystem ( ) B 6.1 NW, BY, BW, HE, RP, SH, HH Variante 1 ( ) B 6.2 NW, BY; BW, HE, RP, HH Variante 2 ( ) B 6.3 NW, BY, BW, HE, HH, HB

Kurzfassung 14 Wohnsitzprinzips bei der Zerlegung der Lohnsteuer. Vielmehr sollte die Lohnsteuer nach der Wirtschaftskraft, d.h. nach dem Bruttoinlandsprodukt, zerlegt werden. Die Berechnungen zeigen, dass sich ein Trennsystem mit Zuschlagsrechten der Länder in der hier dargestellten Form wahrscheinlich politisch nicht durchsetzen ließe, weil die Reform die Einnahmen insbesondere die ostdeutschen Länder, aber auch anderer finanzschwacher Länder stark reduzieren würde. Daher werden nachfolgend zusätzliche Überlegungen angestellt, wie die Gewinner der Reform in der Hauptsache der Bund (wegen der wegfallenden Bundesergänzungszuweisungen) und die finanzstarken Länder die Verluste der Verlierer einer solchen Reform über einen bestimmten Zeitraum kompensieren könnten. Wirtschaftskraftausgleich statt Finanzausgleich 7. Eine Alternative zum Finanzausgleich bietet der vom Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage vorgeschlagene Wirtschaftskraftausgleich. Diese große Lösung ist nur durch Änderungen des Grundgesetzes möglich, weshalb sie zwar politisch schwerer zu realisieren ist. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht gibt es aber auch Gründe, die dafür sprechen. Für die Ausgleichsbeiträge und zuweisungen sollen nicht wie bisher die Steuereinnahmen als Bemessungsgrundlage gelten, sondern die Wirtschaftskraft, abgebildet durch das länderspezifische Bruttoinlandsprodukt je (gewichtetem) Einwohner. Diese Reform orientiert sich im Ansatz an dem Schweizer System. Die Schweiz betreibt weder einen reinen Einnahmenausgleich, noch einen reinen Wirtschaftskraftausgleich, sondern einen Ausgleich des besteuerbaren Ressourcenpotenzials. Da das Bruttoinlandsprodukt als Zielgröße einer demokratischen Gesellschaft interpretiert werden kann, werden Fehlanreize vermieden. Sie bestehen im geltenden Recht darin, zwar einerseits das Bruttoinlandsprodukt zu fördern, die Steuereinnahmen hingegen durch eine bewusst nachlässige Steueraufsicht niedrig zu halten. Im bestehenden Finanzausgleich wird ein solches Verhalten bei finanzschwachen Ländern durch höhere Zuweisungen und bei finanzstarken Ländern durch niedrigere Zahlungsverpflichtungen im Finanzausgleich belohnt. Werden dagegen die Ausgleichsbeiträge respektive Zuweisungen auf Zielgrößen erhoben, von denen der Staat nicht abweicht, weil er in der Demokratie einer Kontrolle durch die Wähler unterliegt, werden diese Fehlanreize im Ausgleichssystem vermieden. Daher empfiehlt sich ein Finanzausgleich auf Grundlage der Wirtschaftskraft der Länder. Die Ausschöpfung der eigenen Steuerquellen hat in diesem System keinen direkten Einfluss auf Beiträge oder Zahlungen im Wirtschaftskraftausgleich. Der Reformvorschlag besteht aus den folgenden Komponenten: Die Umsatzsteuer- Ergänzungsanteile und die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen entfallen. Der Finanzausgleich wird ersetzt durch einen Wirtschaftskraftausgleich mit einem vereinfachten Ausgleichstarif, dessen Niveau dem heutigen horizontalen Ausgleich entspricht. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Zahlerländer wären alle heutigen Geberländer, aber auch Bremen, die trotz der Einwohnerwertung eine überdurchschnittlichen Wirtschaftskraft aufweisen können. Vergleicht man die

Kurzfassung 15 Zahlungen in den beiden Systemen, so ist Nordrhein-Westfalen der größte Profiteur und Sachsen der größte Verlierer. In beiden Fällen zeichnet der Umsatzsteuer- Vorwegausgleich dafür verantwortlich. Des Weiteren würden alle ostdeutschen Flächenländer Mindereinnahmen verzeichnen, das Saarland, aber auch Hamburg, Bayern und eben Bremen. Damit weicht das Ergebnis strukturell von den bisherigen Simulationen deutlich ab. Zwei der heutigen fünf Geberländer hätte Mindereinnahmen zu verbuchen. Zugleich könnten 3 der 11 Nehmerländer profitieren. Dieses Ergebnis zeigt beeindruckend, wie weit das heutige Ausgleichsystem von einer Verteilung der Steuereinnahmen nach der Wirtschaftskraft entfernt ist. Der Wirtschaftskraftausgleich hat allerdings den Nachteil, dass die Abschöpfungsquoten in diesem System relativ hoch sind. C. Ein neuer Bund-Länder-Finanzausgleich 1. Die Reform des Bund-Länder-Ausgleichs sollte einfach und transparent sein; eine gute Annäherung zwischen Wirtschaftskraft und Steuerkraft erreichen; Fehlanreize minimieren und die Eigenverantwortung der Länder stärken. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, werden aus der Vielzahl der in Abschnitt B untersuchten einzelnen Elemente zwei Reformbündel gebildet, die den eigentlichen Reformvorschlag darstellen. Es handelt sich dabei um (1) einen vereinfachten Finanzausgleich mit wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung (Reformvorschlag 1) und um (2) Steuerautonomie mit Hilfe von Zuschlagsrechten in einem Trennsystem, das die Umsatzsteuer dem Bund und die Einkommen- und Körperschaftsteuer den Ländern zuordnet (Reformvorschlag 2). Der erste Reformvorschlag hat den Vorzug, dass er ohne Änderung der Verfassung umsetzbar wäre, jedoch den Nachteil, dass er den Ländern keinen erweiterten Gestaltungsspielraum in der Steuerpolitik verschafft. Dieses Element kommt erst in dem zweiten Reformvorschlag zum Tragen. Um die Steuerautonomie und die notwendige Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs in sinnvoller Weise zu verbinden, wird im Rahmen des zweiten Reformbündels zugleich die Realisierung des ersten das heißt der vereinfachte Finanzausgleich mit wirtschaftskraftorientierter Lohnsteuerzerlegung vorausgesetzt. Letztlich stellt also erst das zweite Reformbündel eine an den dargestellten Zielen orientierte umfassende Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs dar. Von den vorgeschlagenen Reformen profitieren in der Regel die finanzstarken Länder, während die finanzschwachen Länder, insbesondere die ostdeutschen Flächenländer, Verluste erleiden. In den folgenden Simulationen wird daher davon ausgegangen, dass Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen, die im Finanzausgleichssystem wegfallen sollen, in Form von degressiven Festbeträgen über einen begrenzten Zeitraum zur Kompensation von Reformverlusten eingesetzt werden.

Kurzfassung 16 2. Reformvorschlag 1: Vereinfachter und leistungsorientierter Finanzausgleich Die an die Primärverteilung der Steuern anschließende Umverteilung von Finanzmitteln zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern besteht aus drei Stufen: dem Umsatzsteuer-Vorwegausgleich, dem eigentlichen horizontalen Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen. Dieses Ausgleichssystem ist intransparent, zum Teil widersprüchlich und wegen seiner Fehlanreize auch leistungs- und wachstumsfeindlich. Um einen ausgewogenen Kompromiss zwischen anzustrebender Umverteilungsintensität und Anreizkompatibilität zu erreichen, werden die folgenden Veränderungen des bestehenden Systems vorgeschlagen: Die Umsatzsteuer-Ergänzungsanteile entfallen. Sie werden wie der restliche Länderanteil an der Umsatzsteuer nach der Zahl der Einwohner auf die Länder verteilt. Die Abschaffung der Ergänzungsanteile vermindert für sich genommen die Finanzausstattung der besonders finanzschwachen Länder. Die Gemeindesteuern werden voll in die Bemessung der Finanzkraft der Länder einbezogen. Die geltende Regelung sieht eine Einbeziehung des Ansatzes lediglich in Höhe von 64 Prozent vor. Diese Neuregelung verlangt von den finanzstarken Ländern eine höhere Ausgleichsleistung. Der Ausgleichstarif wird stark vereinfacht. Es wird ein symmetrischer linearer Tarif in Höhe von 60 Prozent eingeführt. Diese Neuregelung senkt zwar das Volumen des Finanzausgleichs in einer isolierten Betrachtung. Dennoch gibt es sowohl auf der Nehmer- als auch auf der Geberseite Gewinner. Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen (Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen) entfallen. Dadurch vermindert sich die Finanzkraft der finanzschwachen Länder. Die frei werdenden Mittel werden zur Kompensation von Reformverlusten eingesetzt. Die Zerlegung der Lohnsteuer nach dem Wohnsitzprinzip entfällt. Stattdessen wird die Lohnsteuer nach der Wirtschaftskraft (Bruttoinlandsprodukt) zerlegt. Dadurch werden tendenziell die finanzschwächeren Länder begünstigt. Wie Abbildung zeigt, führt die Reform insgesamt zu bedeutenden Veränderungen der Finanzausstattung der Länder (einschl. Gemeinden). Größte Gewinner sind Hamburg (139 Euro je Einwohner) und Bayern (57 Euro je Einwohner). Der Stadtstaat Berlin erleidet die höchsten Verluste in Höhe von 74,4 Euro je Einwohner, gefolgt von den ostdeutschen Flächenländern, deren Verluste zwischen 48 und 58 Euro je Einwohner liegen.

Kurzfassung 17 Abbildung K-3: Vereinfachter Finanzausgleich (Veränderung der Finanzausstattung, Euro je Einwohner) 150 100 50 Euro je Einwohner 0 NW BY BW NI HE RP SH SL SN ST TH BB MV HH HB BE -50-100 -150 3. Reformvorschlag 2: Steuerautonomie im Trennsystem mit Zuschlagsrechten Das bestehende Steuersystem wird von den Gemeinschaftssteuern beherrscht. Die Länder haben praktisch keine Möglichkeiten, ihre Einnahmen in eigener Verantwortung zu gestalten. Daher wird in dem zweiten Reformvorschlag eine Entflechtung des Verbundsystems, d.h. ein Trennsystem untersucht, das dem Bund die Umsatzsteuer und den Ländern die Einkommen- und Körperschaftsteuer zuordnet. Die Länder erhalten das Recht Zuschläge auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer zu erheben Dadurch können die staatlichen Leistungen sowohl auf der Ebene des Bundes als auch der Länder in transparenter und effizienter Weise an die Präferenzen der Bürger angepasst werden, so dass die vom Staat eingesetzten Mittel sparsamer und wirtschaftlicher verwendet werden. Bei der Simulation der Auswirkungen des gebundenen Trennsystems auf den Finanzausgleich wird von folgenden Annahmen ausgegangen: Dem Bund erhält die Umsatzsteuer (mit Ausnahme des Gemeindeanteils); den Ländern werden die Lohn- und veranlagte Einkommensteuer sowie die Körperschaftsteuer zugeordnet. Der Gemeindeanteil an der Lohn- und Einkommensteuer in Höhe von 15 Prozent bleibt erhalten. Durch die neue Primärverteilung der Steuern ergibt sich nach den Finanzausgleichsdaten des Jahres 2005 ein um 192 Mio. Euro erhöhtes Steueraufkommen für die Länder. Das Aufkommen der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer der Länder wird um 5 Prozent abgesenkt. Die Länder haben die Möglichkeit, auf die

Kurzfassung 18 Steuerschuld einen fünfprozentigen Aufschlag zu erheben. Da Spekulationen über das steuerpolitische Verhalten einzelner Länder willkürlich sind, wird davon ausgegangen, dass alle Länder einen solchen Aufschlag vornehmen. Das daraus entstehende Steueraufkommen geht nicht in den Finanzausgleich ein. Mit dem gebundenen Trennsystem wird zugleich der im vorigen Abschnitt beschriebene vereinfachte Finanzausgleich eingeführt, bei dem auch eine wirtschaftskraftorientierte Zerlegung der Lohnsteuer sowie eine Kompensation von Reformverlusten mit Hilfe der eingesparten Fehlbetrags- Bundesergänzungszuweisungen vorgenommen wird. Das Ergebnis dieser Reform zeigt eine ähnliche Tendenz, wie sie bereits beim vereinfachten Finanzausgleich aufgetreten ist. Die finanziellen Folgen sind jedoch noch ausgeprägter (vgl. Abbildung K-4). Alle Geberländer im bestehenden Finanzausgleich sind Gewinner der Reform. Insbesondere Hamburg verbessert seine Finanzausstattung um 548 Euro je Einwohner. Bayern (167 Euro) und sogar das Nehmerland Bremen (146 Euro) können auch deutlich hinzugewinnen. Die Verluste der ostdeutschen Länder liegen zwischen 203 Euro je Einwohner in Berlin und 246 Euro je Einwohner in Brandenburg. In den übrigen westdeutschen Ländern zeigt sich ein differenziertes Bild: Die heutigen Geberländer verzeichnen leichte bis starke Gewinne, während die Nehmerländer Einbußen erleiden. Abbildung K-4: Steuerautonomie im Trennsystem Veränderungen gegenüber dem geltenden Recht (2005) Euro je Einwohner 600 400 200 Euro je Einwohner 0 NW BY BW NI HE RP SH SL SN ST TH BB MV HH HB BE -200-400 -600

Kurzfassung 19 Die gesamten Reformverluste auf der Länderebene sind mit 4,5 Mrd. Euro wesentlich höher als im ersten Reformvorschlag. Andererseits darf man nicht übersehen, dass die Reform des Ausgleichssystems wegen der Senkung des Ausgleichstarifs, der verbesserten Anreizstruktur und der stärkeren Entfaltung des föderalen Wettbewerbs insgesamt leistungsfreundlicher ist und daher zusätzliche Wachstumskräfte freisetzt. Wenn man von einer vorsichtigen Annahme ausgeht, dass sich durch die Finanzausgleichsreform ein zusätzliches Wachstum von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ergibt, erhalten die Länder in ihrer Gesamtheit ein zusätzliches Steueraufkommen von gut einer Milliarde Euro. Daran sind mit mehr als einem Drittel dieses Betrages auch die Länder beteiligt, die zunächst durch die Reform finanzielle Nachteile hinnehmen. Mittel- und langfristig profitieren daher alle Länder von der Reform. D. Flankierende Maßnahmen 1. Der horizontale Länderfinanzausgleich ist ein reiner Finanzkraftausgleich, in dem der Maßstab für den Finanzbedarf im Prinzip für alle gleich ist und durch die Anzahl der Einwohner bestimmt wird. Für die Abgeltung von Sonderbedarfen, die aus speziellen Strukturproblemen entstehen, gibt es andere Instrumente. In Deutschland werden zu diesem Zweck die Instrumente der Mischfinanzierung Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91 a,b GG) und Finanzhilfen (Art. 104a Abs. 4 GG) sowie Sonderbedarfs- Bundesergänzungszuweisungen eingesetzt. Da sowohl die Mischfinanzierung als auch die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen immer wieder kritisiert werden, wäre es überlegenswert, diese vertikalen Instrumente des Ausgleichs von Sonderbedarfen teilweise durch einen indikatorgestützten vertikalen Lastenausgleich nach Schweizer Vorbild zu ersetzten. Der Vorteil eines solchen vertikalen Lastenausgleichs wird vor allem darin gesehen, dass die bisherigen vertikalen Zuweisungen für Einzelprojekte durch Pauschalzuweisungen ersetzt werden. Dadurch können die regionalen Einheiten (in der Schweiz: die Kantone) selbst bestimmen, nach welchen Prioritäten die Mittel in bestimmten Aufgabenbereichen eingesetzt werden. Durch diese Stärkung der Eigenverantwortung wird erwartet, dass der Mitteleinsatz stärker an den Bedürfnissen der regionalen Wirtschaft und der regionalen Bevölkerung ausgerichtet wird. Da die neue Art der Zuweisungen sich nicht an Ausgabenniveaus, sondern an realen Indikatoren für bestimmte Belastungen orientiert, entfällt auch der Anreiz, durch kostenträchtige Maßnahmen möglichst hohe Zuweisungen zu erhalten. Vielmehr haben die regionalen Einheiten einen Anreiz, die einzelnen Leistungen möglichst kostengünstig zu erbringen, um die vorhandenen Mittel besser ausnutzen zu können. In dem Maße, in dem soziodemografische Sonderlasten strukturpolitische Ursachen haben, ist es angebracht, die Verwendung von Bundesergänzungszuweisungen an investive Ausgaben zu binden. Die Kontrolle der Mittelverwendung muss dann allerdings effizienter vorgenommen werden als im Falle der Sonder- Bundesergänzungszuweisungen für die neuen Länder. Außerdem sollte der Lastenausgleich auf einen Spitzenausgleich beschränkt werden.